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Fernsehsatire für Fortgeschrittene

Prominente, die in einer Clipshow auf die letzten dreißig Jahre zurückblicken: Das klingt nicht nach einer besonders aufregenden Fernsehidee. Das ändert sich unmittelbar, wenn man die Retroshow im Jahre 2031 spielt: Der nostalgische Blick auf die erste Autopsie-Show, eine Makeover-Show, in der sich Kinder Schönheitsoperationen unterzogen, oder an die Nachrichten von dem Tag, als Terroristen erstmals auf die Idee kamen, Flugzeuge mit Hochhäusern anzugreifen, hat komisches Potential.

Dieses Potential hat der italienischstämmige Schotte Armando Iannucci für seine sechsteilige Satire »Time Trumpet« (ab Montag auf DVD erhältlich) weidlich ausgenutzt. Iannucci, der seit seinen Anfängen bei »The Day Today« und »I’m Alan Partridge« ein Händchen für Parodien bewiesen hat, zieht hier alle Register seines phantasievoll-abseitigen, meist aber eher leisen Humors: Brillant von CGI-Animationen unterstützt, breitet er seine höchst eigene Vision vom Fernsehen der Zukunft aus. Dieses wird ab 2010 mit »Rape an Ape« Quotenerfolge feiern, einer Spielshow, in der die Kandidaten versuchen müssen, einen Gorilla zu bespringen: »Am Anfang wurde mir richtiggehend schlecht davon«, erinnert sich zu entsprechenden Ausschnitten da ein gealterter David Beckham, »abgesehen von den paar kurzen Momenten, die wahnsinnig komisch waren. Heute ist es natürlich ein Klassiker!« – »Ich hab es nie gemocht, aber ich hatte auch nichts dagegen, solange der Affe nicht verletzt wurde … oder wenn er verletzt wurde, zumindest hinterher medizinische Betreuung erhielt!« – »Man wußte genau, wie spät es war, wenn die Titelmelodie lief: Hey, ›Rape an Ape‹ kommt, so spät schon! Man fühlte sich geborgen, wenn die Titelmusik lief. Das war die kuscheligste vergewaltigungsbasierte Titelmelodie aller Zeiten.«

»Time Trumpet« über die Veränderung der Medien unter dem Einfluß des user generated contents:

https://www.youtube.com/watch?v=1LZhnJ1K34k&hl=de&fs=1

»Time Trumpet« ist nicht auf schnelle Lacher aus; die meisten Szenen hinterlassen beim Zuschauer ein beinah unbehagliches Gefühl – wären viele Ideen (wie der Überfall der Supermarktkette Tesco auf Dänemark 2012) nicht eine Spur zu grotesk, um als kritisch-aufklärerische Satire durchzugehen. Oft ist es Iannuccis melancholische Off-Stimme, die am längsten in Erinnerung bleibt, sein sinnierender Tonfall, der einen im unklaren läßt, wieviel Kritik am Zeitgeist da beabsichtigt ist und wo der reine Nonsens beginnt. Wie ein LSD-Trip oszilliert »Time Trumpet« – die halluzinationsartigen Computeranimationen unterstützen diesen Vergleich – zwischen blühendem Quatsch und tiefer Philosophie, ist dabei aber immer unterhaltsam: Comedy auf Intellektuellen-Niveau. Wer zu sparsam ist, um für nur eine DVD hohe Versandkosten zu bezahlen, möge zusätzlich Iannuccis ebenfalls grenzgeniale »Armando Iannucci Shows« ordern – und staunen, in welche Phantasiewelten einen die Observational Comedy-Mäander Iannuccis tragen können.

Zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 5/2009

  1. Schorschi
    24. April 2009, 09:50 | #1

    Dieser Mann ist ja genial.
    Den kurzen Clip fand ich auch klasse:
    http://www.youtube.com/watch?v=UvhhsfmZMn8

  2. Tom
    25. April 2009, 06:41 | #2

    „Rape An Ape, Rape An Ape, Rape An Ape, Rape An Ape!“. Time Trumpet is finest, purest Iannucci: sometimes challenging, others plainly absurdly silly. Some of the characters playing real-life modern celebrities 30 years on are so well portrayed, especially David Beckham and Tom Cruise. I think clips of the mad Tom Cruise will be dug out and shown in 2036, just to show how realistic Iannucci’s predictions were.

  3. Tom
    25. April 2009, 06:46 | #3

    As the title of the piece states, and I would agree, Time Trumpet ist kein leichte Kost. I would recommend a „The Day Today“ starter, followed by a „The Thick of It“ main with a side dish of „2004: The Stupid Version“ and „Time Trumpet“ as the dessert, probably best savoured with brandy and cigars.

  4. Larser
    3. Juli 2009, 18:09 | #4

    http://www.apple.com/trailers/independent/intheloop/ wurd das hier schon vorgestellt?

  5. 5. Juli 2009, 13:41 | #5

    nein, noch nicht, weil ich ihn noch nicht gesehen habe…

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