Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 9
Eines meiner Hauptkriterien dieser Britcom-Top 10 des ausgehenden Jahrzehnts ist, das erwähnte ich schon bei Platz 10 („Black Books“), die leichte Zugänglichkeit von Serien. Das bedeutet: Das Verhältnis von Dialogwitz und visual gags muß stimmen, die Geschichte muß ein gewisses Tempo haben und sollte in einem Setting stattfinden, das uns Kontinentbewohnern auch ohne intime Kenntnisse der britischen Kultur zugänglich ist.
Platz 9 meiner Charts entspricht allen diesen Kriterien auf das Hervorragendste und erschien deshalb offenbar auch hiesigen Fernsehschaffenden so anschlußfähig, daß sie eine deutsche Version davon drehten. Die war nicht wirklich gut, hielt sich aber immerhin weitgehend an die Vorlage und war deshalb auch nicht ganz schlecht. Die Rede ist von
Platz 9: „The Worst Week of My Life“ (2004 – 06, BBC1)
Die letzten sieben Tage vor der Hochzeit von Mel (Sarah Alexander) und Howard (Ben Miller) entwickeln sich zur reinen Katastrophe: Was schiefgehen kann, geht schief. Das beginnt bei kleineren Mißgeschicken — dem Ehering, der ins Waschbecken fällt — und endet damit, daß der Hund der Schwiegereltern tot ist, ihr Auto kaputt, die Oma im Krankenhaus und das Haus mit Haßparolen beschmiert. Howard, Sohn eines Klempners, hat von Anfang an bei den snobistischen Eltern seiner Zukünftigen keinen leichten Stand. Aber dadurch, daß er immer verzweifelter versucht, doch noch alles ins Lot zu bringen, indem er lügt, hinhält, vertuscht, was nur geht, macht er Zug um Zug alles immer noch schlimmer: Mit jeder Folge, die je einen Tag der Woche erzählt und meist mit einem hübschen Cliffhanger endet, wird das Chaos größer, liegen die Nerven blanker. Howards einziges und großes Glück ist, daß seine Frau ihn wirklich liebt und zu ihm hält. Doch auch ihre Leidensfähigkeit hat Grenzen.
„The Worst Week of My Life“ hat alle Zutaten einer klassischen Farce: Unwahrscheinliche Zufälle, sprachlichen Witz und ein rasantes Tempo, das sich immer noch steigert. Die Slapstickmomente sind erfrischen gewalttätig, werden aber durch den betont klassischen Sitcom-Rahmen (eine Kamera, kein laugh track) aufgehoben. Infolgedessen gibt es zwar höchst peinliche cringe comedy-Momente, sie sind aber nie so schmerzhaft, so schneidend böse sind wie etwa bei „The Office“, sondern immer burlesk-komisch. „The Worst Week“ ist also familienkompatibel, einerseits, schafft es aber andererseits, innerhalb dieser Harmlosigkeit erschütternd komische Übertreibungen einzubauen, die mich hin und wieder zum Japsen gebracht haben vor Vergnügen.
Auch diese Britcom, wie schon „Black Books“, ist für britische Verhältnisse eher warm, weil zumindest die unverbrüchliche Liebe zwischen Mel und Howard für emotionale Akzente sorgt, die in schwärzeren Britcoms generell fehlen. Unter anderem deswegen dürfte es auch für den amerikanischen Markt adaptiert worden sein. Der bevorzugt ja, ähnlich wie der deutsche, Sitcoms, die unter aller Komik einen Boden der Freundschaft/Familie einziehen, der Sicherheit gibt und gewährleistet, daß niemand alleine bleibt — friends will be there for you. So verlogen ich das finde, und so sehr ich die kalten Britcoms bevorzuge, in denen die Figuren wissen, daß alles Arsch ist und keine Familienbande stark genug sind, einen in einer kalten Welt voller Arschlöcher zu trösten: Für „The Worst Week of My Life“ mache ich eine Ausnahme.
Auf zwei Staffeln hat es „Worst Week“ gebracht, in der zweiten geht es um die letzte Woche vor Mels Niederkunft, plus ein mehrteiliges Weihnachts-Special („The Worst Christmas…“); da das Rezept aber je das gleiche war, ist die erste Staffel die bessere, weil überraschendere, ohne daß die Fortsetzungen aber wirklich schlechter wären. Dafür sorgt neben den Drehbüchern von Mark Bussell und Justin Sbresni in erster Linie der hochkarätige Cast, neben Miller („Moving Wallpaper“) und Alexander („Coupling“, „Green Wing“) vor allem die liebenswürdige Alison Steadman („Gavin & Stacey“) und Geoffrey Whitehead als Howards Schwiegereltern.
Ich mag einfach keine Heirats-Settings (aber nicht der Holden verraten 😉 ), daher hab ich mich noch nicht an die Serie rangetraut (Wortwitz in Vollendung), werde ich aber nachholen, besonders da ich Alexander mag.
Apropos: Wieso scheint es in GB (und teilweise auch US) kein Problem funny UND weiblich zu sein, wohingegen deutscher Frauenwitz immer bemüht, verkampft und unendlich Scheiße ist? Warum liebe Männer, liebe Frauen, warum bitte Gabi Köster, Cindy aus Marzahn, Hella von Sinnen und Anke Engelke? Gibt es denn keine guten weiblichen Humorarbeiterinnen in der Tradition einer Evelyn Harmann (die leider nach Loriot kaum mehr zur Blüte kam …)? Gut, Eva Hermann war schon gnadenlos witzig, aber das ist eine andere Sache …
Ich konnte meine Partnerin gerade so durch die erste Staffel zwingen…
Selbst „The Worst Week Of My Life“ ist für manch empfindsamen Menschen zu cringe.
„Extras“ und „Lead Ballon“ musste ich dem entsprechend alleine durchgucken… „Gavin & Stacey“ weckte dagegen apokalyptische Begeisterung bei ihr. Deren Verliebtheit wird ja auch deutlicher plakatiert.
Versteh einer die Frauen…
Sind Ähnlichkeiten mit „Meet the Fockers“ eigentlich rein zufällig? Immerhin heißen die beiden Hauptdarsteller auch noch Ben Miller und Ben Stiller.
@jacob: ja, zufällig, waren wohl gleichzeitig in der pipeline.
Habe gestern die ersten beiden Folgen gesehen und war einigermaßen überrascht ob der Vorhersehbarkeit praktisch aller Pointen. Auch Ben Miller wirkt irgendwie fehlbesetzt.
Update: Ben Miller ist nicht fehlbesetzt, er macht seine Sache schon gut, die Serie ist einfach lahm. Natürlich wissen die Drehbuchautoren auch, dass der Zuschauer sofort weiß, dass Howard das Schaukelpferd/Puppenhaus/Gartenmauer kaputt machen wird. Die Erwartungshaltung wird dann auch in jedem noch so leinen Detail bestätigt, das war’s dann aber auch. Das Thema wird nicht variiert, sondern nur wiederholt. Howard macht was kaputt (oder tot (oder fast)), Dick guckt böse, das war’s. Howard findet ein neues Fettnäpchen, tritt hinein, Dick guckt böse, das war’s.
na, da muß dann doch mal wiedersprechen: natürlich ist vorhersehbarkeit sogar ein fester bestandteil des spaßes. so funktionieren alle sitcom-figuren: sie sind vorhersehbar in ihren macken. man ahnt schon, wie sie reagieren und was passiert, sei es larry david, david brent, basil fawlty – es kommt nur darauf an, wie die gags ausgeführt sind. und da hat mich worst week immer wieder angenehm überrascht.
Klaro, meine Kritik ging nicht in Richtung Vorhersehbarkeit an sich. Es gibt in meinen Augen einen wesentlichen Unterschied zwischen Curb/The Office und worst week: Bei der ersten Fraktion droht durch die Fehltritte der Protagonisten Ungemach, bei der zweiten nicht. David Brent suhlt sich in Peinlichkeit, jeder Atemzug und jeder Blick in die Kamera ist ja darauf ausgelegt, bei worst week ist dieser cringefaktor ja absichtlich nicht ganz so hoch angesiedelt. Und durch Larrys peinliches Verhalten ergeben sich konkrete Konsequenzen, die die Handlung vorantreiben. Das ist bei worst week nicht der Fall: Die Schwiegereltern finden Howard halt scheiße von der ersten bis zur letzten Folge, sehen aber ein, dass sie sich mit ihm abfinden müssen, weil Tochter Mel ihn nun mal liebt. Und deswegen hat Howard auch nichts zu befürchten, außer Dicks besagtem bösen Blick. Und das Wissen um diese Konsequenzlosigkeit der Fehltritte haben dann zumindest bei mir auch das Interesse/Anteilnahme gesenkt.
Außerden ist Onkel Fraser doof.