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Neues vom Kinderwagengesicht

Pramfaces nennt der Engländer verächtlich die jungen und immer jüngeren Mütter aus der Unterschicht, die Chavs, die bauchfrei, talmibehangen, mit oben blond, darunter schwarz gefärbten Haaren und stets sichtbarem Stringtanga im Bus herumpöbeln. (Stewart Lee: „If I want to hear a twelve year old girl say ‚cunt‘, I can just go to Liverpool. In fact, the other day I heard an eleven year old girl say ‚cunt‘ on the bus. Although, to be fair, her daughter was behaving very badly.“)

Ein solch typisches Pramface ist Laura (Scarlett Alice Johnson), 18, aus der gleichnamigen Sitcom (BBC3, seit 2012) nicht — sie kommt aus der gehobenen Mittelschicht, während ihr One Night Stand Jamie (Sean Michael Verey), 16, eher in der Arbeiterklasse zuhause ist. In der ersten Staffel war sie schwanger, entsetzt darüber und doch entschlossen, das Kind zu kriegen, und am Ende waren die beiden zwar nicht zusammen, hatten sich aber mit der Situation halbwegs arrangiert.

Nun hat die zweite Staffel mit einem einstündigen Special begonnen, in dem das Kind (das noch in der letzten Szene der ersten Staffel auf die Welt kam) getauft werden soll — und gemeinsam mit dem Kind, so scheint mir, ist auch die Qualität der Serie gewachsen.

Hatte ich noch vor Jahresfrist darüber gemosert, dass mir Lauras Motiv nicht klar sei, dieses Kind zu kriegen, so ist die Motivlage nunmehr klar, das Baby ist schließlich geboren. Und zwar gibt es immer noch Gründe, die Show zu kritisieren (die zum Beispiel einseits Wert auf einen gewissen Realismus legt, in der andererseits ein Baby von Teenagern in einem Korridor zur Welt gebracht werden kann, ohne dass es dabei Komplikationen gibt oder anschließend das Jugendamt einschreitet). Ein paar Schauspieler und ihre Dialoge wirken immer noch hölzern (etwa Beth, Yasmin Paige, die zum Glück nicht mehr so viel Raum einnimmt wie in der ersten Staffel). Aber insgesamt machte dieses Special durchaus Hoffnung für die weiteren Folgen.

Das mag nicht zuletzt an den Gaststars gelegen haben: allen voran die viel zu selten zu sehende Pauline McLynn, ihres Zeichens Mrs. Doyle aus „Father Ted“, David Armand („How Not to Live Your Life“) und Ronald Pickup („The Worst Week of My Life“). (Leicht skurril auch, Ben Crompton [„Ideal“] als Jamies Vater wieder zu sehen, nachdem ich ihn zuletzt in „Game of Thrones“ gesehen hatte.)

Interessanterweise schreibt der Sitcom Geek in seinem Blog just vor ein paar Tagen genau über das Thema Guest Charakters, und kommt — er ist selbst Comedyautor — zu dem Schluss, für diese sei es viel schwieriger, Witze zu schreiben, weil die Zuseher die Gastfiguren ja nicht kennten, nicht in sie und ihre Probleme investiert hätten und daher auch nicht über Scherze lachen könnten, die aus den Charakterzügen dieser Figuren entstünden. Das ist bestimmt auch richtig — sofern der Zuschauer außer den Figuren auch ihre Schauspieler nicht kennt.

Kennt er aber die Schauspieler, können Gaststars enorm dankbar sein. Pauline McLynn sagt hier in ihrer Rolle als irisch-katholische alte Schachtel sogar „Sex, Sex, Sex“, ein wörtliches Zitat aus „Father Ted“, wo sie noch viel öfter „go on, go on, go on“ sagt, so dass auch der letzte Gelegenheitsglotzer weiß, an wen ihre Figur hier angelehnt ist — Typecasting pur und vom Feinsten. Und selbstredend weiß jeder, der schon zwei englische Sitcoms gesehen hat, wie die Figur wohl gestrickt sein wird, die beispielsweise Mark Heap (wie zuletzt bei „Outnumbered“) als Gaststar spielt.

Fairerweise muss ich dazusagen: „Pramface“ verlässt sich nicht ausschließlich auf die Gaststars. Nein, es sind einige schön gebaute Szenen darin, wenn etwa Jamie seinem Vater inkognito einen Job als shelf-stacker im örtlichen Supermarkt besorgt, wo er selbst arbeitet, — und ihn dann prompt feuern muss. Oder wenn Jamies dusseligem besten Freund Mike (Dylan Edwards) der heiße Sex mit einer Traumfrau verwehrt bleibt, weil er religiös geworden ist und das Bild des gütig lächelnden Jesus ihm Gewissensbisse bereitet, was sie mit den Worten „too bad, I was going to do my whole repertoire to you!“ quittiert, woraufhin ihm nur einfällt: „Fuck, you got a repertoire?!“

Dafür, mit einem Wort, dass diese Serie so gar nicht auf mich gezielt ist, finde ich sie doch ganz okay.

  1. 16. Januar 2013, 08:18 | #1

    Sehr geehrter Herr Oliver,
    obwohl ich nicht fernschaue und die wenigsten der von Ihnen besprochenen Serien jemals zu sehen bekomme macht es mir größtes Vergnügen Ihre Postings zu lesen.
    mfg,
    -Horst JENS

  2. googlemeier
    16. Januar 2013, 12:04 | #2

    Ja, leider bekommt man immer weniger zu sehen, auch diesen Trailer(!) nicht…hat sich irgendwer mal über eingeschränktes Internet in China beschwert?
    As important as smashed mouses on a door.

  3. 16. Januar 2013, 12:07 | #3

    Das gibt’s doch nicht. Einen Trailer…?! Ich hab mal einen anderen reingestellt, zwar nicht ganz die richtige Ratio, aber was soll’s. Mal sehen, wie lange der online bleibt.

  4. jeun
    16. Januar 2013, 16:58 | #4

    Ja, sieht ganz lustig aus. Aber mal was anderes, in Ermangelung einer NOCH passenderen Stelle hier: a) Kennt jemand Fourtysomething mit Hugh Laurie, Peter Capaldi und Benedict Cumberbatch und wenn ja, kann mir dieser jemand bitte erklären, wieso das so schlecht sein kann, trotz dieses Aufgebots? b) Was ist denn von Roman’s Empire zu halten, taugt das was? Und außerdem c) Folgendes Problem: Bei mir hat sich ein ganzer Stapel DVDs angesammelt. Book Group, The Thick Of It, Happiness, People Like Us und dergleichen mehr. Ich könnte mir vorstellen, dass der ein oder andere hier Interesse haben könnte, so wie auch andersrum ich wieder andern Kram haben will. Nun weiß ich zwar, dass das hier kein Marktplatz ist, aber hier tummeln sich nun mal die Connaisseure. Könne mer da was mache? So im Stil „Wenn einer Interesse hat, möge er mir eine Mail schicken“ oder machen das dann alle und das ist dann doof?

  5. 16. Januar 2013, 17:03 | #5

    Zumindest zu b) kann ich was sagen: „Roman’s Empire“ ist eher so drei minus. Ich habs zwar gesehen, weil ich Chris O’Dowd schätze und Mathew Horne ganz okay finde, aber man muss es nicht gesehen haben.

  6. jeun
    16. Januar 2013, 17:10 | #6

    Gut, wenn der Herr Blogbetreiber keine Einwände hat, dann also: wer DVDs tauschen oder kaufen will der schicke mir ne Mail: taussig@gmx.de für die Liste

  7. Torsten
    17. Januar 2013, 12:16 | #7

    @jeun: Zu a): Hm, mit Fortysomething bin ich nie so richtig warm geworden und nie über die erste Folge hinausgekomen. Das Ganze war zwar ganz nett und very British unspektakulär-unterhaltsam, aber auch sehr brav und belanglos, und mit den Darstellern wäre in der Tat mehr drin gewesen. Allerdings soll es wohl in den späteren Folgen besser geworden sein. Für Laurie/Cumberbatch-Fans vielleicht dennoch sehenswert.

  8. Jeun
    17. Januar 2013, 12:21 | #8

    Ja, geht mir ähnlich. Die Serie ist nicht gut, aber sympathisch. Hab gerade die 3. von 6 Folgen gesehen und keine Qualitätssteigerung feststellen können, aber ich werde mir den Rest wohl aus Pflichtgefühl heraus auch noch ansehen. Die Serie scheint ja sogar mal synchronisiert worden zu sein.

  9. Ben Fraifone
    22. Januar 2013, 14:32 | #9

    Zu @Oliver und Herrn @Horst JENS: Ich meine, es gab schon mal ein, zwei Artikel zu dem Thema, aber vielleicht wäre oben neben dem vorbildlichen „Glossar“ ja noch Platz für eine Art FAQ, mit Infos, wie der interessierte Britcoms-Freshman legal und preiswert an die hier besprochenen Serien kommen kann (Stichworte z.B. BBC iplayer oder andere Streaming-Dienste, DVDs via Kreditkarte + amazon.co.uk oder andere Anbieter etc.)? Nur so als Idee.

  10. jeun
    25. Januar 2013, 14:47 | #10

    Oder aber er wühlt in der umfangreichen DVD-Wühlkiste bei taussig@gmx.de!

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