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Die Britcoms des Jahres 2014

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

  1. Tom
    28. November 2014, 15:00 | #1

    Lieber Oliver, die Wette hast Du bereits gewonnen, wenn man sich das hier anschaut: https://www.youtube.com/watch?v=qx_qdOWy784

  2. 28. November 2014, 15:20 | #2

    Ja, ich hab mich auch gefreut, als das gestern morgen rumging und ich mich erinnert habe, dass etwas Ähnliches im Schluss dieser Humorkritik vorhergesagt wurde …

  3. Torsten
    30. November 2014, 21:09 | #3

    Mach am besten gleich mal ein paar weitere positive Prognosen für die Zukunft der deutschen Comedy. 😉

  4. Jean
    2. Dezember 2014, 13:24 | #4

    You’re the Worst fand ich ja ganz gut, aber wenn es als beste Britcom 2014 abräumt, wars wohl kein so starker Jahrgang. (Platz 2 habe ich mir gar nicht erst ansehen können, weil ich die ersten beiden Staffeln von Episodes einfach zu altbacken und holprig geschrieben waren.)

  5. Jean
    2. Dezember 2014, 13:25 | #5

    ich

  6. 2. Dezember 2014, 13:34 | #6

    Ich habe nur mit „You’re The Worst“ begonnen, weil mir die Serie herausragend erschien, die anderen Serien sind in keiner wertenden Reihenfolge.

  7. Torsten
    4. Dezember 2014, 11:04 | #7

    Jean :
    (Platz 2 habe ich mir gar nicht erst ansehen können, weil ich die ersten beiden Staffeln von Episodes einfach zu altbacken und holprig geschrieben waren.)

    Lustig, anderen holpriges Schreiben vorzuwerfen und selbst einen Satz zu schreiben, der grammatikalisch falsch ist. 😉 Ich fand die dritte Staffel Episodes gut, wenn auch nicht so gut wie die ersten beiden. Klar könnte das Writing noch besser sein, aber die Serie hat Charme und lebt von den drei exzellenten Hauptdarstellern. Was ich in der Liste hingegen echt vermisse, ist die geniale zweite Staffel von Moone Boy. Mit den meisten anderen habe ich mich nicht groß beschäftigt, da schon die Prämissen eher langweilig und wenig neu klangen.

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