Klein, aber fein
Nachdem „State of the Union“ (Sundance, 2019) mich angenehm überrascht hatte, wollte ich „Juliet, Naked“ (2018) nun doch noch sehen: die Verfilmung von Nick Hornbys gleichnamigem Roman, in der (wie in „State of the Union“) Chris O’Dowd eine der Hauptrollen, oder eher: die zentrale Nebenrolle spielt.
Der Roman hatte mich damals eher kalt gelassen; zu konstruiert wirkte auf mich der Plot: Da ist der College-Lehrer Duncan, dessen Obsession mit einem lange untergetauchten amerikanischen Rockstar seine Beziehung zu Lebensgefährtin Annie doch einigermaßen belastet, ist sie doch beileibe nicht annähernd so ein großer Fan von Tucker Crowe und seinem Werk — einer einzigen Platte namens „Juliet“ — wie Duncan. Ein klassisches Hornby-Setup also: Popkultur-Fantum und beziehungsgestörte Männer. In einem unwahrscheinlichen Plot-Twist nimmt dann Crowe Kontakt zu Annie auf, die auf der Internetseite Duncans eine schlechte Kritik über einen neuen Release von Demos zu „Juliet“ (eben „Juliet, Naked“) hinterlassen hat — und die beiden beginnen eine Affäre, die im Schatten von Crowes extensivem Familienleben steht, denn Crowe hat fünf Kinder von vier Frauen, von denen einige in Großbritannien leben.
Was im Buch auf mich ausgedacht wirkte und wie ein Alterswerk (nun geht es also um Männer, deren Scheitern nicht unmittelbar vor ihnen liegt, sondern schon eine Weile hinter ihnen), funktioniert als Film allerdings verblüffend gut. Nicht zuletzt wegen des Casts: Chris O’Dowd als Duncan ist, wie immer, eine sichere Bank. Aber vor allem Rose Byrne („28 Weeks Later“) als Annie und Ethan Hawke als Tucker Crowe haben eine gute Chemie. Und was als Literatur einigermaßen dünn wirkt, reicht für einen Feelgood-Film, über den man anschließend zugegebenermaßen nicht lange nachzudenken braucht, allemal.
Dabei hilft vielleicht, dass Regisseur Jesse Peretz Gründungsmitglied der Lemonheads war und das Musikgeschäft also von innen kennt. Ganz sicher hilft es, dass das musikalische Werk Tucker Crowes keine zentrale Rolle spielt. Die Songs, die im Film zu hören sind, belegen in ihren Ausschnitten durchaus, warum man Fan sein kann, ohne dass ihnen eine tragende Rolle zukäme. Und beim unvermeidlichen Auftritt Crowes zum Ende des zweiten Akts greift der sicherheitshalber auf einen Klassiker von den Kinks zurück, „Waterloo Sunset“, das die melancholisch-freundliche Atmosphäre des Films nicht schlecht widerspiegelt.
Dazu kommen dann noch ein, zwei kleiner Weisheiten über Popmusik und Kunst („Art isn’t for the artist no more than water is for the plumber“) und eine große Portion britischer Charme, die darüber hinwegsehen lassen, dass die Aussagen des Films (akzeptiere deine Vergangenheit, schau nach vorne, trau dich Risiken einzugehen) wahrlich nicht sehr provokativ sind, sondern eher brav.
Ein kleiner Film also, der an die frühen Höhepunkte in Hornbys Schaffen nicht heranreichen, aber keine verschwendeten 100 Minuten.
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