Extra gut
Einen Komparsen, der sich für einen Schauspieler hält, spielt Ricky Gervais in seiner zweiten Sitcom seit „The Office“, und damit nach David Brent eine weitere Figur, die sich grandios überschätzt: Andy Millman, Statist mit Ambitionen und einem untalentierten Agenten, treibt sich pro „Extras“-Folge auf dem Set je eines Films herum und trifft dabei auf einen je neuen (und echten) Star: Auf Ben Stiller etwa, der in der ersten Folge Regie bei einem Kriegsfilm über den Kosovokrieg führt, auf Kate Winslet als Nonne im zweiten Weltkrieg, und auf Patric Stewart in einer u.U. Shakespeare-Verfilmung. Dabei schafft es Gervais, ebenso peinliche Situationen zu entspinnen wie in „The Office“. Um seine Chancen bei einer gläubigen Frau zu erhöhen, improvisiert der atheistische Andy einen Katholiken, hat aber nicht die geringste Ahnung von Sitten und Gebräuchen und redet sich infolge einmal mehr um Kopf und Kragen: „Catholics, yeah, I’m definitely one of us… Catholic, the c word, right? – Not the c word [i.e. cunt; Fotze], a c word.“ Zur Seite steht ihm dabei jederzeit seine Kollegin Maggie Jacbos (Ashley Jensen), die Millman in nichts nachsteht: Sie spricht Samuel L. Jackson ein Kompliment für seinen Auftritt in „The Matrix“ aus, aber das war natürlich Laurence Fishburn. Einsatz Andy: „Es ist aber nicht so, daß sie denkt, ihr seht alle gleich aus – falls Sie das jetzt gerade gedacht haben.“ Seine Freundin sei nämlich keine Rassistin, was man schon daran sehen könne, daß sie mit einem Schwarzen zu schlafen versucht habe. Der stünde direkt neben ihm, Jackson. „’Pulp Fiction’!“ ruft er schließlich dem wortlos weggehenden Jackson nach.
Drei Jahre sind seit dem Überraschungserfolg „The Office“ vergangen, der Gervais zum Star gemacht hat. Seine erste Sitcom, die die BBC überhaupt nur in Auftrag gegeben hat, weil sie außerordentlich kostengünstig zu drehen war, hat die Latte hoch gehängt, und Gervais war gut beraten, alle Fernseh-Angebote auszuschlagen, die ihn als Figur für den Bildschirm verbraucht hätten: Er hat sich auf die Produktion einer amerikanischen „The Office“-Adaption, Live-Auftritte und Kinderbücher über merkwürdige Monster („Flanimals“) beschränkt. Der Erfolg in den USA ermöglicht ihm nun ein Staraufgebot, das Gervais klug einsetzt: Nämlich in weiten Teilen als Stichwortgeber und eher ernste Parts, die Gervais und Jensen als Reibungsfläche dienen. Als glänzend komische Auftritte allerdings bleiben die von Ben Stiller und, erstaunlicherweise, Kate Winslet in Erinnerung; ersterer demütigt als Kriegsfilmregisseur vorbildlich den Autor der Kriegsfilm-Drehbuchvorlage, dessen Frau im Kosovokrieg ermordet wurde, und blafft ihn schließlich vor versammelter Mannschaft an: Ob das sein, des Autoren, Film wäre oder seiner, Stillers – und er, der Autor, solle endlich aufhören, dauernd wegen seiner beschissenen toten Frau rumzuheulen!
Daß „Extras“ hinter dem Maßstäbe setzenden „The Office“ zurückbleiben muß, beschädigt die Serie dabei nur wenig: Gervais’ Prinzip der Pointenvermeidung ist nicht mehr neu, ebenso wenig die Gebrochenheit der Figuren, deren Bemühen um Antirassismus, weibliche Emanzipation, Toleranz gegen Behinderte und Schwule sie stets in die größten Verlegenheiten bringt. Man kennt das Prinzip. Doch es kommt bekanntlich weniger darauf an, daß ein Witz neu ist, als daß er gut erzählt wird. Sieht man von der Schematisierung einmal ab, die sich hin und wieder bemerkbar macht, ist „Extras“ eine solide Sitcom, die zu recht fortgesetzt werden wird. Die erste Staffel ist im Sommer in Großbritannien gelaufen, erscheint am 31. Oktober auf DVD und kann dann per Import auch hier bezogen werden.
(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 11/2005)
Es seien hier noch die XFM Radiosendungen und Podcasts mit Karl Pilkington angemerkt, welche Gervais in den Jahren seit „The Office“ bis heute noch macht…
@Simon
Absolut. :O) Entwaffnend.