Alptraumhochzeit
Schätzungsweise 99 Prozent aller Ehepaare können auf Anfrage mindestens eine kleine Katastrophe erzählen, die ihnen im Zuge ihrer Hochzeit passiert ist: Wie der Bräutigam die Ringe vergessen/verloren/verspielt hat, ein unfähiger Friseur die Braut Stunden vor der Eheschließung zur Vogelscheuche gemacht hat, der Trauzeuge zu spät/betrunken/gar nicht in der Kirche erschienen ist. Solche Geschichten können langweilig sein. Oder sehr komisch.
„The Worst Week of my Life“ ist eindeutig letzteres. Die Katastrophen, die Howard Steele, Londoner Verlagsangestellter, und seine Verlobte Mel, Tochter aus bestem Hause, aushalten müssen, bevor sie endlich Mann und Frau sind, sind allerdings zahlreicher als die der meisten Ehepaare. Und haben dramatischere Ausmaße. Daß der Ring des Bräutigams, jahrhundertealtes Erbstück der Familie mütterlicherseits, im Waschbeckenabfluß verschwindet, Howard seinem Schwiegervater versehentlich eine Packung Kondome mit Bananengeschmack schenkt, daß außerdem eine psychisch angeschlagene Arbeitskollegin Howards herumerzählt, von ihm schwanger zu sein, ist alles beinahe bedeutungslos angesichts des Chaos’, das auf dem noblen Anwesen seiner Schwiegereltern in spe Zug um Zug entsteht.
Dabei will Howard eigentlich alles richtig machen: Das Gulasch seiner zukünftigen Schwiegermutter („Is it the green one or the brown one?“ – „The brown one“) ist ungenießbar; das kann Howard aber unmöglich zugeben. Also steckt er die größten Brocken ein und versucht später, sie in der Toilette im Obergeschoß zu entsorgen. Doch das Fleisch läßt sich nicht wegspülen, Howard muß alles wieder aus der Schüssel fischen und hat gerade beide Hände voll – da steht sein Schwiegervater in der Tür. „It’s not what you think it is“, versucht Howard schwach zu retten, was zu retten ist, und wirft, bevor er sich wieder zur Familie gesellt, alles aus dem Fenster. Als er ins ebenerdige Wohnzimmer tritt, steht die Familie im Wintergarten – und rätselt, was um alles in der Welt da gerade auf das Glasdach geplumpst ist und nun langsam herunter rutscht…
„The Worst Week of my Life“ lebt, wie so viele britische Sitcoms, von der lebendigen Zeichnung der Figuren: Howard (Ben Miller) tritt von einem Fettnäpfchen ins nächste, versucht aber mit entwaffnender Aufrichtigkeit und gegen die immer offeneren Feindseligkeit seiner Schwiegereltern, ein guter Schwiegersohn zu sein. Mel (Sarah Alexander, „Coupling“) steht nicht zuletzt dank Howards Umtrieben selbst oft am Rande eines Nervenzusammenbruchs, hält aber unverbrüchlich zu ihrem Verlobten. Und der Klassenunterschied zwischen seinem Vater, dem Klempner mit Hang zu billigen Stripperinnen, und ihrem Vater, dem High Court-Richter, das ganze sorgfältig inszenierte Tableau ermöglicht nicht nur klassische Wortgefechte und peinlich-komische Szenen, sondern auch Slapstick-Brutalitäten gegen alte Damen und kleine Hunde, wie man sie viel zu selten sieht.
Die formale Idee, die sieben Folgen der Serie je einen Tag der „Worst Week“ beschreiben zu lassen, der je mit einem nervenaufreibenden Cliffhanger endet, sorgt für Spannung, die beinahe an die von „24“ heranreicht. Gut, daß man nun alle Folgen hintereinander weg sehen kann: „The Worst Week of my Life“ ist gerade auf DVD erschienen – rechtzeitig zum britischen TV-Start der zweiten Staffel, in der es, siehe „24“, eine Steigerung des Schlimmsten geben soll: In der Woche vor der Geburt des gemeinsamen Babys.
Daß übrigens der Plot der „Worst Week“ dem von „Meet the Parents“ so verblüffend ähnelt, ist tatsächlich Zufall: Beides entstand gleichzeitig. Und so gut „Meet the Parents“ war: „The Worst Week of my Life“ ist besser.
(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 1/2006)
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