Dead Brother
Das Reality-TV-Format „Big Brother“, so out es hierzulande ist, erfreut sich in Großbritannien nach wie vor großer Beliebtheit. Neun Staffeln sind dort schon auf Channel 4/E4 gelaufen, moderiert von Davina McCall (die älteren Zuschauern noch aus den frühen Jahren des deutschen MTV bekannt sein könnte). In eben diesem Setting, dem „Big Brother“-Haus, mit einigen echten ehemaligen Kandidaten und mit Davina McCall (als Moderatorin) hat nun Charlie Brooker für Channel 4/E4, ja, genau: eine Zombieserie gedreht.
Und „Dead Set“ ist bei Gott keine Parodie geworden, weder auf „BB“ noch auf Zombiefilme, sondern ein waschechter Horror-Thriller. Da laufen echte Romero-Zombies herum, heutigen Maßstäben entsprechend so fix wie die Untoten aus „28 Days Later“ und gefilmt im Stile von „24“. Sie sind überall, ganz England ist menschenleeres Ödland – nur die Insaßen des „Big Brother“-Containers haben überlebt und müssen nun zusammenarbeiten, um der Plage standzuhalten. Obwohl sie genau so gecastet wurden, daß sie sich gegenseitig hassen.
Spätestens hier wird, so apokalyptisch die Szenerie anmutet, der satirische Twist klar, den Brooker, wie er freimütig zugibt, bei Georg A. Romeros „Dawn Of The Dead“ abgekupfert hat. Dort war es ein Kaufhaus, in dem sich die Überlebenden verschanzten, und zwar mit durchaus kapitalismuskritischer Absicht des Regisseurs. Hier zielt Brooker auf die Auswüchse der Mediengesellschaft, und so gucken die „Big Brother“-Kandidaten überrascht, als sich herausstellt, daß das, was sie für Fangeschrei vor dem Container hielten, zwar tatsächlich Fangeschrei war, aber kein freudiges. Zombies, die wie hypnotisiert auf Regiemonitore und durch Einwegscheiben glotzen, weil sie nicht an die „Big Brother“-Stars herankommen, sorgen ebenso für satirisch-komische Momente wie die Containerinsaßen selbst, die zunächst gar nichts von der Katastrophe mitbekommen, dann aber als erstes fragen: „Bedeutet das, daß wir gar nicht mehr im Fernsehen sind?!“
Für mich zählt „Dead Set“, das in England in den Tagen vor Halloween ausgestrahlt wurde und seit Anfang November auf DVD erhältlich ist, zu den Fernsehhöhepunkten des Jahres, und sollten Sie mit dem Gedanken spielen, sich die Serie zuzulegen, besorgen Sie sich doch gleich noch „Nathan Barley“, das ebenfalls von Brooker (und Chris Morris) stammt und zu den bösesten und schwärzesten Medien-Sitcoms aller Zeiten zählt.
(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 12/2008)
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