„Fawlty Towers“ geht nicht weg
I have been talking for twenty-five years about Fawlty Towers now, and I would not be at all disappointed if it went away and I could forget about it forever.
Das schreibt John Cleese, offensichtlich schwer genervt, 2004 einem jungen Autor namens Lars Holger Holm, als der ihn um ein Vorwort für ein Buch über „Fawlty Towers“ bittet — doch „Fawlty Towers“ geht nicht weg: Cleese muß sich immer wieder zu seinem größten Erfolg äußern, der mittlerweile 30 Jahre zurückliegt. Ein schweres Los, denn die britische Öffentlichkeit hat eine so hohe Meinung von dieser Sitcom, daß die zwölf Folgen der Originalserie noch immer bei den meisten Umfragen auf Platz eins der beliebtesten Britcoms aller Zeiten liegen.
https://www.youtube.com/watch?v=1k7U-_tJVmw&hl=de&fs=1
Das hat mich als jungen Monty Python-Fan seinerzeit einigermaßen verwundert, als ich die BBC-Serie entdeckte, deren erste Staffel vor und deren zweite Staffel nach „Monty Python’s Life of Brian“ gedreht wurden: Zu einer Zeit also, als die Pythons in der Form ihres Lebens zu sein schienen, mit dem „Flying Circus“ experimentelle Fernsehcomedy gemacht hatten, wie sie weder davor noch danach je wieder zu sehen war, mit psychedelischen Animations-Links und Filmschnipseln, höchst komischen Gewalttätigkeiten und gewagten Sketch-Strukturen, die keine Pointe zu brauchen schienen; jedenfalls nicht am Ende des Sketchs. Nun machten sie Filme, ebenso ungewöhnliche wie zuvor Fernsehproduktionen, die formell wagelustig waren wie „Monty Python and the Holy Grail“ oder ketzerisch wie „Life of Brian“ — wie paßte da eine so traditionelle, konservative, altmodische Sitcom wie „Fawlty Towers“ ins Bild?
Erst später habe ich erfahren, wie es tatsächlich um die Pythons im Allgemeinen und das Team Chapman/Cleese im Besonderen bestellt war: Daß Cleese schon während der dritten Staffel des „Flying Circus“ keine rechte Lust mehr hatte, fürchtete, sich zu wiederholen, und vor der vierten ausgestiegen war. Daß Chapman, Cleese‘ Autoren- und Sketchpartner, schwerst alkoholkrank war (man kann in manchen späten Sketchen erkennen, wie betrunken Chapman am Set war), und Cleese entsprechend froh, in seiner damaligen Frau Connie Booth eine neue Coautorin gefunden zu haben, mit der er „Fawlty Towers“ schreiben konnte. Und daß neben, vor und nach den Pythons auch Cleese mit durchaus herkömmlicher Comedy sein Geld verdiente: indem er etwa für die TV-Serie „Doctor at Large“ schrieb. Aus einer „Doctor at Large“-Figur entstand schließlich auch Basil Fawlty, der vor unterdrücktem Zorn permanent beinahe platzende Hotelier.
Noch später mußte ich schließlich erkennen: „Fawlty Towers“ ist in der Tat höchst komisch und funktioniert noch immer besser als jede andere britische Sitcom aus den Siebzigern, die ich kenne. So dicht sind die Drehbücher (die oft 120 Seiten statt der regulären ca. 70 pro Folge umfaßten und dementsprechend immer ein paar Minuten länger waren als die halbe Stunde, die sie hätten sein sollen), so ausbalanciert das Spannungsverhältnis zwischen den Charakteren, so brillant sind nicht nur der hysterische Cleese, sondern auch Booth als liebenswerte Rezeptionistin Polly, Prunella Scales als Sibyl Fawlty und natürlich der (übrigens halb deutsche und in Berlin geborene) Andrew Sachs als Manuel, daß „Fawlty Towers“ sehr viel weniger gealtert ist, als man erwarten könnte. Wenn man genau hinsieht, entdeckt man natürlich ohne weiteres die Einflüsse der Pythons: die ausfallende Haltung Basils gegenüber Manuel könnte direkt aus einem „Flying Circus“-Sketch stammen, der hier als Stechschritt figurierende silly walk Basils in der wunderbaren Folge „The Germans“ ebenso, und daß er die schreiend komischsten Wutausbrüche kann, hat Cleese auch bei den Pythons schon oft genug gezeigt.
Cleese selbst scheint seine ablehnende Haltung gegenüber den TV-Sentimentalitäten, die seiner Serie entgegengebracht werden, mittlerweile wieder abgelegt zu haben: Für „Fawlty Towers: re-opened“ (G.O.L.D., 10.5. — hier bei YouTube, leider mit falschem Seitenverhältnis und mit Ton nur auf dem rechten Kanal) hat sich erstmals nach 30 Jahren der gesamte Cast wiedervereint und auch Connie Booth ihr dreißigjähriges Schweigen über die Serie beendet. Zwei Specials á 90 Minuten hat der digitale Comedy-Kanal G.O.L.D. im Mai ausgestrahlt, die mit 180 Minuten knapp so lange sind wie die ganze erste Staffel „Fawlty Towers“, und wenn sie schon kaum neuen Erkenntnisse gebracht haben, dann doch immerhin etliche lustige Ausschnitte und die Erkenntnis, daß sich Connie Booth gut gehalten hat. Vielleicht sogar ein bißchen besser als Cleese, der doch ein rechter Grantler geworden zu sein scheint. Wer will es ihm verdenken.
Basil Fawlty beruht allerdings nicht auf einer Figur aus „Doctor at Large“, sondern auf einem Hotelier aus Torquay:
„Fawlty Towers was inspired by the Monty Python team’s stay in the Gleneagles Hotel in Torquay. Cleese and Booth stayed on at the hotel after filming for the Python show had finished. The owner, Mr. Donald Sinclair, was very rude, throwing a bus timetable at a guest who asked when the next bus to town would arrive and placing Eric Idle’s suitcase behind a wall in the garden in case it contained a bomb (actually it contained a ticking alarm clock). He also criticised the American-born Terry Gilliam’s table manners for being too American (he had the fork in the „wrong“ hand while eating), and it is reasonable to assume that his treatment of Gilliam partially inspired Basil’s treatment of an American visitor in the episode Waldorf Salad. Cleese used the name „Donald Sinclair“ for his character in the 2001 film Rat Race. In the episode The Builders, Fawlty refers to a local hotel or restaurant called „Gleneagles“ while talking to Miss Gatsby and Miss Tibbs. The name Basil comes from Basil street, where Cleese lived for some time.“ (Wikipedia)
Na klar, das sowieso. Cleese hatte aber eben in „Doctor at Large“ (wohl in der Folge „No Ill Feeling!“) bereits einen ähnlichen Hotelier eingebaut, dessen Schauspieler dann (berichtet Cleese in „F.T. re-opened“) ihn, Cleese, noch darauf hinwies, daß in dieser Figur eine ganze Serie stecke. Das war sozusagen der Prototyp; aber natürlich ist Donald Sinclair das Vorbild aus dem wirklichen Leben für beide Figuren.
Ach, wie peinlich. Da hätte ich die Doku wohl nicht nur besorgen, sondern auch mal ansehen sollen.