Nein, diese Wissenschaftler!
Ja, das ist das Sommerloch: Ein über fünf Jahre alter Text aus der Frankfurter Rundschau — und noch nicht mal über eine Sitcom! Sondern über, schnarch! eine Wissenschaftssendung. Allerdings eine, die ich heute jederzeit wieder einschalten würde: „Brainiac“, damals noch mit Richard „The Hamster“ Hammond, der aus seiner Stammsendung „Top Gear“ den Spaß am Wohnwagenzerstören zu „Brainiac“ herübergerettet hat. Das lief seinerzeit auf Viva — wie lange ist das her, daß auf Viva wissenschaftliche Sendungen zu sehen waren…!
Zu schade für Klingeltöne-Runterlader: „Brainiac“ auf VIVA
Ist es der Spaß an Explosionen, scharfen Mädels und Haushaltsgegenständen, die man nicht in Mikrowellenherden verbrutzeln sollte, der hier wissenschaftlich verbrämt wird? Oder ist es doch eher „Knoff Hoff“ für die MTV-Generation? Bei „Brainiac“, so viel steht fest, werden Büros mit Schießpulver, Kühlschränke mit Plastiksprengstoff und Wasserkanister mit TNT gesprengt und die Explosionen anschließend von jungen, knapp bekleideten Schönheiten mit Noten von eins bis zehn bewertet, es wird getestet, ob bei Erdbeben, großer Hitze oder Kälte der Fettwanst oder die Bohnenstange besser wegkommt und welche Früchte auf Wasser schwimmen: Wird die Brombeere schwimmen? Geht die Birne unter? Selbstredend werden alle Früchte von „Professorin Myang Li“ am Pool präsentiert, und natürlich hat „Professorin Myang Li“ immer ihren „großen Früchtekorb“ dabei.
„Brainiac“ ist eine Sendung für alle, die im Chemieunterricht immer dann aufgepaßt haben, wenn etwas gezischt und gekracht hat. Nur daß Chemie selten von „Tina Turner and her Bunsen Burner“ unterrichtet wurde. Das hat „Brainiac“ dem Schulwesen eindeutig voraus. Und natürlich ist „Brainiac“ viel näher am Alltag als irgendwelche chemischen Verbindungen im Reagenzglas. Hier werden Fragen beantwortet, wie es sich Vierzehnjährige nur erträumen können, etwa die, wie ein Tresor mit Gewalt zu öffnen wäre: Mit dem Auto dagegenfahren nutzt nichts, schießt man aber mit einem Leopard II auf ihn, gibt der stärkste Geldschrank klein bei. Ob allerdings ein Panzer für ein paar Millionen und Munition für ein paar weitere tausend Pfund dafür stehen, einen lumpigen Tresor zu knacken, dessen Geldinhalt sich bei schwerem Artilleriebeschuß natürlich ebenso verflüchtigt wie der Behälter selbst, läßt auch der Moderator offen. – Pfund, ja, englische Pfund, denn „Brainiac“ ist ein britisches TV-Format, entwickelt für den Sender SkyOne und für VIVA dankenswerterweise nur mit Untertiteln versehen. So ist der trockene Humor des Moderators Richard Hammond erhalten geblieben, der hin und wieder aus den unsinnigsten Versuchsanordnungen doch noch ein Quentchen Erkenntnis zu ziehen vermag.
Großbritannien übrigens ist das Land, das nach der letzten Pisa-Studie gute zehn Positionen vor Deutschland durchs Ziel gegangen ist. Das liegt vielleicht nicht an „Brainiac“. Aber Spaß macht es schon, Wohnwägen explodieren zu sehen und trotzdem etwas zu lernen. Und sei es nur, daß Birnen und Brombeeren untergehen und es sowohl bei Erdbeben als auch großer Kälte besser ist, über- als untergewichtig zu sein. That’s what I call Science!
Erschienen zuerst ungefähr am 6.1.2005 in der Frankfurter Rundschau.
Unvergessen das Auf-Pudding-Laufen-Experiment und die endlich entschiedene Frage: Sollten Fußballspieler vor dem Spiel Sex haben. Antwort: Ja.