Nichts zu lachen
Liefe auf einem großen deutschen Sender, sagenwirmal im Ersten oder auf Pro7, eine gute (!) deutsche (!!) Sitcom, von jungen Talenten mit tatsächlich neuen Ideen geschrieben und ohne die Verwässerungen umgesetzt, die die Bedenkenträger aus den Controlling-Abteilungen üblicherweise verlangen, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen, wäre also eine wirklich gute hausgemachte Sitcom im deutschen Fernsehen zu sehen — bekäme das hier überhaupt jemand mit? Oder ginge sie unter, weil kein Schwein (i.e. Meinungsmacher) mehr guckt? Diese Frage stellte sich unlängst der Wortvogel (Posting finde ich gerade nicht mehr), und war sich nicht sicher. So wie auch ich mir nicht sicher wäre.
Interessanterweise ist das auch in Großbritannien, trotzdem das Land mit der großartigsten Comedyindustrie der Welt gesegnet ist, eines der aktuell drängendsten Probleme der Fernsehcomedy: Die Mainstream-Medien (wie etwa BBC1 oder ITV1) schaffen es kaum noch, große, mehrheitsfähige Sitcoms zu etablieren, weil die Opinion Leaders längst weggeschaltet haben. „Not Going Out“ etwa wurde unlängst mitten in der dritten Staffel abgesetzt, trotz steigender Einschaltquoten. Nicht schnell genug steigend, offenbar. Ein für Großbritannien ziemlich ungewöhnlicher Vorgang: In den Achtzigern noch konnten Produzenten Serien, die schlecht liefen, obwohl sie Potential hatten, Staffel um Staffel verlängern. Was das Publikum, etwa im Falle von „Only Fools And Horses“ oder „Red Dwarf“, schlußendlich auch mit großer Treue und überproportionaler Begeisterung honorierte. Slow Burner hießen solche Serien, die es heute erst gar nicht mehr auf den Bildschirm schaffen oder schnell wieder abgesägt werden.
Gegen aktuelles factual programming, also jede Form von abgefilmter Realität, seien es Auswander-Shows, Zoo-Serien, Wohnungs- und sonstige -Makeover-Formate oder Fly on the wall-Produktionen wie „Das perfekte Dinner“, hat Comedy keine Chance: Factual Television ist immer billiger, funktioniert sofort, erreicht ein großes Publikum und ist von Produktionsseite leicht zu kontrollieren, während bei Comedy die Ausschuß-Quote enorm ist: „Last year the BBC put out around 40 comedies, but made twice as many pilots and rejected hundreds more scripts before pilot stage“, so der Guardian. Das ist selbstredend in Deutschland genauso; RTL etwa ist berüchtigt dafür, eine ganze eigene Müllverbrennungsanlage mit projektierten, aber nie gesendeten Sitcoms am Laufen halten zu können.
Wie überhaupt die deutschen Probleme den britischen nicht ganz unähnlich sind, wie kürzlich etwa die FAZ und das FAZ-Fernsehblog berichteten. Etwa daß mit Comedy kein Geld zu verdienen ist: „Der Großteil der drehbuchbasierten Comedy bringt Channel 4 kein Geld“, so Andrew Newman, der Controller für Comedy und Entertainment von Channel 4: „‚Peep Show‘, ‚The IT-Crowd‘ — selbst wenn sie erfolgreich sind, kosten sie mehr als sie an Werbeeinnahmen generieren.“
Das alles macht es insbesondere für neue Talente sehr schwierig, überhaupt noch Shows kommissioniert zu bekommen. Und erklärt vielleicht sogar ein bißchen, was Ricky Gervais unlängst bekrittelte, nämlich daß britische Comedy in letzter Zeit auffallend wenige Hits hatte. Warum aber stehen die USA dann so viel besser da?
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