Der ekligste von Allen
Es ist ja nicht so, daß gar keine Woody-Allen-Filme mehr funktionierten: „Scoop“ und „The Curse of the Jade Scorpion“ habe ich gerne gesehen, „Vicky Cristina Barcelona“ fand ich immerhin noch okay; zwischendurch habe ich auch hin und wieder einen Allen verpaßt, ohne ihn vermißt zu haben. Larry David dagegen ist fast immer genial, auch den Bericht plus Interview gestern in der Sunday Times habe ich wieder gerne gelesen.
Trotzdem fand ich „Whatever Works“ (bei uns ab Dezember in den Kinos) beinah körperlich abstoßend. Zwar ist Larry David in der Rolle des Boris Yelnikoff überraschend gut, besser, als ich noch angesichts des Trailers gedacht hätte. Die Geschichte allerdings, da beginnen die Probleme, ist der gefühlt 10 Trillionste Aufguß des schlechteren Woody Allen-Musters „Alter Sack und junges Mädchen“: Boris, ein grumpy old man mit Beinahe-Nobelpreis, haßt die Welt (und hat einen Selbstmordversuch nur gerade so eben überlebt). Eines Abends findet er vor seiner New Yorker Wohnung die schöne, sehr junge und sehr dumme Melodie (Evan Rachel Wood), aus ihrem Südstaaten-Elternhaus ausgerissen und nun obdachlos. Zunächst gegen seinen Willen läßt er sie bei sich übernachten, woraufhin, wer hätte das kommen sehen, das doofe Blondchen sich in ihn verliebt und sein misanthropes Leben gehörig durcheinanderbringt.
Leider nimmt der Film viel zu spät Fahrt auf, indem er den ersten größeren Konflikt erst nach ca. einer Dreiviertelstunde etabliert, nämlich als ihre Mutter und später ihr Vater auftauchen (und sich — New York, New York! — prompt vom libertinären Lebensstil überwältigen und von spießigen Hillbillies in aufgeschlossene Neu-New Yorker verwandeln lassen). Bis dahin aber war mir aber längst schlecht von der grenzenlosen Selbstverliebtheit, mit der da ein alter Sack (Allen) zeigt, wie sich ein blutjunges Mädchen einem alten Sack (Boris) an den Hals wirft, obwohl der das reine Arschloch ist. Larry David, der mehr oder weniger Woody Allen spielt, gefällt sich wahnsinnig gut in dieser Rolle, und Woody Allen gefällt es wahnsinnig gut, sich selbst in der Verkörperung durch Larry David dabei zuzusehen, wie er aus dem Dummchen eine doch recht passable Erscheinung macht, die seine Sottisen nachplappert, ohne sie zu verstehen, und dadurch allmählich sogar gesellschaftsfähig wird. Er macht sie also erst zur Frau — jung und hübsch darf sie bleiben, und gegen ihre Doofheit hat sie ja ihn als Lehrer, Mentor und Mann.
Woody Allen, wir erinnern uns, ist der, der einst Mia Farrow für deren 22jährige Adoptivtochter verlassen hat, zu der er vorher ein quasi väterliches Verhältnis hatte; Farrow fand 1992 Nacktfotos von Soon-Yi in Allen Appartement. Woody Allen ist weiterhin der, der nun für Roman Polanski eintritt, der 1977 mit Mitte vierzig eine Dreizehnjährige unter Drogen gesetzt und anschließend offenbar bestiegen hat. Muß ich nun als Zuschauer und Kritiker so fair sein und außerfilmische Wirklichkeit von dem Film trennen? Einen Scheißdreck muß ich. Und den Wichsphantasien eines notgeilen Geronten zuschauen muß ich schon gleich gar nicht. Hab’s nun aber schon und kann also nur die Empfehlung abgeben, sich „Whatever Works“ zu sparen. Weil er nicht gut ist, zum einen, und weil er eklig ist zum anderen.
Den Film nicht gut zu finden ist das Eine, an den Haaren herbeigezogene Allgemeinplätze gegen ihn zu verwenden das Andere. Wird gegen den nächsten Scorsese-Film ebenfalls ins Feld geführt, dass sein Regisseur Polanski unterstützt hat? Oder bei David Lynch und Michael Mann? Bei Wim Wenders und Pedro Almodovar? Ich persönlich würde Polanski keinesfalls durch meine Unterschrift unterstützen oder ihm auch nur mein Bedauern aussprechen wollen, als Argument gegen einen Film ist dies aber wirklich mehr als albern. Zumal sich ja möglicherweise auch sachliche bzw. filmische Argumente finden lassen würden, sollte der Film tatsächlich so schlecht sein.
Auch muss man Allens Einlassung mit seiner Adoptivtochter wahrlich nicht für sonderlich geschmackvoll halten, allerdings war diese volljährig und er hat sie auch nicht nur mal eben kurz „bestiegen“, sondern ist mittlerweile seit 17 Jahren mit ihr zusammen und seit 12 Jahen auch mit ihr verheiratet. Dies mit dem Polanski-Fall zu vergleichen ist doch sehr weit hergeholt.
Allen macht Komödien und die beurteile ich danach, ob sie lustig sind und nicht nach dem Altersunterschied der dargestellten Paarkonstellationen.
Ich jedenfalls freue mich auf die Paarung Allen/David und werde mir den Film gerne ansehen – auch auf die Gefahr hin, dass er mir nicht gefallen wird. Das wird dann aber sicherlich aus anderen Gründen sein als die hier von Ihnen vorgebrachten.
Nur wenn die auch Filme darüber machen, wie super alte Säcke junge Weiber ohne Grütze im Kopf finden. Ich weiß schon, daß das ein sehr persönliches Argument ist, aber das ist ja auch ein Blog und kein um Objektivität sich bemühendes journalistisches Organ. Und mir wurde bei dieser Art Frauenfeindlichkeit eben schlecht; so schlecht, daß ich den Film nicht lustig finden konnte, jedenfalls nicht die erste Hälfte. Davon wollte ich in meiner Kritik dann auch nicht absehen, habe aber darauf hingewiesen, daß das meine persönliche Idiosynkrasie ist. Ich zwinge niemandem diese Argumentation auf, wem diese klarerweise außerfilmischen Zusammenhänge wumpe sind, muß sich deswegen keinen Kopf machen. Zumal die Filmidee aus den 70ern stammt und er lange vor der Festnahme und der damit einhergehenden Diskussion um Polanski entstanden ist.
Okay, akzeptiert.
Mir ging die Argumentation nur eben zu weit. Andererseits fällt auch selbst mir die Filmkonstellation alter Woody/junge Weiber bisweilen unangenehm auf. Übrigens auch in dem hier gelobten „Jade Scorpion“, obwohl da der Altersunterschied „nur“ 28 Jahre beträgt (wenn ich richtig gerechnet habe). Andererseits finde ich „Mighty Aphrodite“ wirklich wahnsinnig lustig und da ist mir das dann auch egal, dass Mira Sorvino immerhin 32 Jahre jünger ist als er und sich trotzdem in ihn verliebt (und auch nichts im Hirn hat).
Aber sei’s drum.
Und wenn ich hier schon den Kommentarteil vollschreibe, dann doch gleich noch eine sinnvolle Frage. Hat die DVD von „Getting On“ denn englische Untertitel?
Hat sie, ja.
Ich hatte sowas befürchtet…….den Film betreffend, nicht die Popolanski Sache.
Lieber Herr Oliver, Sie haben völlig recht! Danke für die feine Kritik – denn wohl darf (muss) man diese Zusammenhänge sehen. Denn der sexistische (jawohl) Ansatz des Films hat ja ganz offensichtlich mit der Grundhaltung des herrn zu tun und es gibt, das entnehme ich nun Trailern und Kritik, ja auch keine ironische Distanz zum ollen Genre alter welker Sack befingert junge (natürlich dumme) Frau. Und wunderschöne Überschrift!
@Kathrin
Das entnehmen Sie also Trailer und Kritik. Vielleicht sollten Sie sich den Film doch erst einmal selbst ansehen, bevor Sie über ihn urteilen.
Das Drehbuch entstand übrigens bereits Ende der 70er-Jahre und ursprünglich sollte Zero Mostel, der dann aber leider gestorben ist, die Hauptrolle übernehmen. Ob man ein Drehbuch aus den 70ern nun einfach 1:1 in die heutige Zeit übertragen kann, das ist in der Tat eine Überlegung wert; allerdings entspringt die Geschichte eben nicht dem Hirn eines 75jährigen „welken Sacks“, sondern dem eines 40jährigen Komikers auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Wie gesagt, ob man diese Zeit so einfach überspringen kann, sei dahingestellt und natürlich ist es letztlich trotz allem der Film eines älteren Mannes über eine Herbst-Frühling-Beziehung. Nichtsdestotrotz sollte die Tatsache, dass das Drehbuch bereits über 30 Jahre auf dem Buckel hat, in einer ordentlichen Besprechung berücksichtigt bzw. thematisiert werden.