Sind Fernsehserien unsere Freunde?
Trifft man jemanden zum ersten Mal, weiß man in vielen Fällen ziemlich schnell, ob man ihn mögen wird oder nicht. Später wird man genauer sagen können, warum oder warum nicht, aber für gewöhnlich kommt zuerst das Urteil und dann die Begründung. Urteil aus dem Bauch, Begründung aus dem Kopf. Ähnlich verhält es sich (zumindest bei mir) mit Serien: Ich mag sie oder mag sie nicht, und wenn ich erstmal eine Haltung einer Serie gegenüber eingenommen habe, werden auch gute Gründe für eine andere Haltung nichts mehr ausrichten.
Solche Haltungen gegenüber Menschen ändern sich allenfalls, wenn man aus dem einen oder anderen Grund mehr Zeit mit ihnen verbringt, sei es im Büro oder weil sie zum gemeinsamen Freundeskreis gehören, und gegenüber Serien, wenn man mehr Folgen sieht, weil man vielleicht zufällig wieder eingeschaltet hat.
Wäre „How Not to Live Your Life“ eine Person, dann wäre sie laut, penetrant und durch und durch ironisch. Ungefähr wie Oliver Pocher. Anders als mit Oliver Pocher habe ich allerdings mit „HNtLYL“ einige Zeit verbracht. Und nach einer sehr anstrengenden ersten Folge, in der die Hauptfigur Don (gespielt vom Autor und Produzent der Show Dan Clark) vollkommen unlikeable ist, und einer ebenso anstrengenden zweiten Folge — fing ich plötzlich an, ihn, Don, und die Serie zu mögen. Nicht so sehr, daß ich mich verliebt hätte in sie. Aber so sehr, daß ich sie zuende gesehen habe. Und den Witz kapiert habe.
Mehr zur Serie später, hier nur soviel: Sie beruht auf einem Kurzformat, das Clark zusammen mit Gary Reich für Paramount Comedy 1 entwickelt hat: „Dan Clark’s Guide to Dating“, in dem in Minutenlänge zehn Pointen erzählt wurden — was man zum ersten Date nicht anziehen sollte, was man nicht sagen sollte, welche Drogen man nicht nehmen sollte usw. Aus diesen „How not to…“-Gags entstand „HNtLYL“ (das etliche solcher Listen-Gags enthält); das ist auch das größte Handicap der Serie, die ansonsten nämlich kaum eine (sinnvolle) Geschichte erzählt. Leider sind die wenigsten der frühen Clips online, immerhin drei habe ich gefunden. Hier sind sie.
Ich habe nach sehr lobenden Empfehlungen von Freunden exakt nach der zweiten Folge aufgegeben, weil alles an der Serie mir zu schreien schien: Ich bin eine Sitcom, belach‘ mich! Die Konstellationen erschienen derart konstruiert und (da argumentiere ich doch tatsächlich auch mal so) mechanisch und ohne Identifikationspotential, daß bei mir selbst einige gute Witze nicht zündeten und ich höchstens dachte: „Okay, der war jetzt nicht schlecht.“
Aber wenn Sie als unangefochtene Britcomautorität sagen, daß es danach besser wird, versuchen ich es doch nochmals.
Ist doch ganz lustig, für ein paar Minuten zwischendurch, als Webclip halt. Mehr seh ich da auch nicht drin. Interessanter Vergleich übrigens mit den Serien, die auf den ersten Blick anders erscheinen, als auf den zweiten. Manchmal (selten) kommt es vor, dass ich mich in Serien verliebe und sie irgendwann einfach nicht mehr ertragen kann, siehe Gavin & Stacey: Die Serie war zuerst eine liebe Tante, in deren Gesellschaft man sich ausnahmsweise mal ganz frei von Ironie und Meta-vorwissen und wasweißnoch alles einfach wohl fühlen durfte. Mittlerweile hingegen tu ich so als wär ich nicht zu Hause, wenn sie klingelt, weil sie mit ihrer zur Schau gestellten Harmlosigkeits-Penetranz nur noch ganz doll nervt.
Das musste mal raus.
Hear, hear!
Mir gefällt die Überschrift „Sind Fernsehserien unsere Freunde?“ besser als die Clips.
Obwohl ich diese Frage/Überschrift nicht beantworten könnte.
Ich kannte die Clips nicht und verstehe plötzlich, woher das Konzept der Sendung „Kesslers Knigge“ stammt. 10 schnelle Gags, fein abgezählt, einige davon sogar witzig. Als Web-Show oder Mainzelmännchensurrogat sicher ganz nett, nur eben nicht als Hauptinhalt einer halbstündigen Fernsehsendung. Und das ist m.E. auch das Intelligenteste an “HNtLYL”: es wurde auf das Dogma „10 things…“ verzichtet. Mal sind nur vier Ideen lustig, mal sechs. Hauptsache, es gibt eine kurze Salve schneller Gags, um vom lahmen Inhalt der ersten Folgen abzulenken. Denn mehr habe ich nicht geschafft – ich brauche keine Freunde.
Nach den ersten zwei Folgen HNTLYL hält sich meine Begeisterung auch in Grenzen. Figuren, Storylines und Gags sind großenteils wirklich zu konstruiert, vorhersehbar und wie aus dem Baukasten für 08/15-Sitcoms. Und Dan Clark spielt den peinlich-arroganten Popanz zwar ganz solide, aber den konsequenten Fremdschämfaktor und Mut zur Peinlichkeit eines David Brent oder Basil Fawlty hat er nicht, und die Fäkal- und Sexwitze haben schon fast Two and A Half Men-„Niveau“. Ein passenderer Titel wäre „How not to make a Sitcom“.