Für Kinder ab 18
Ich hasse Jugendliche. Jugendliche stinken. Sie sind vorlaut, präpotent und halten sich für den Nabel der Welt, haben aber in Wirklichkeit von nichts Ahnung. Jugendliche denken nur an sich, wollen immerzu „Party machen“ und bauen Scheiße. Warum sollte ich ihnen dabei auch noch stundenlang zusehen wollen?
Nun: Weil es verdammt unterhaltsam ist — jedenfalls wenn wir von „Skins“ (E4, 2007 -) sprechen. „Skins“ bestätigt alle gängigen Vorurteile über Jugendliche (vorlaut, präpotent, keine Ahnung, Party) — und transzendiert sie. Natürlich bauen Tony, Michelle, Sid, Cassie, Chris, Jal, Maxxie und Anwar unfaßbar viel Scheiß. Aber jeder baut ihn auf seine Weise. Und wenn man eine Weile zusieht, wird die Binnenlogik aus Scheiße bauen und Party machen so stark, daß man sich fragt: Warum habe ich eigentlich nicht so viel Scheiße gebaut und Party gemacht, als ich Teenager war? Sieht doch aus, als wäre mir mächtig etwas entgangen.
Gut, fränkische Mittelstädte in den Achtzigern und Bristol der späten Nullerjahre, das sind schon zwei unterschiedliche Planeten. Ich hätte mit 16 eher nicht auf Pump einem Grasdealer Marihuana für 1000 Mark abgekauft, um den Beutel sofort zu verlieren und keine Ahnung zu haben, wie ich das zurückzahlen soll. Ich hätte mich auch nicht mit ein paar schweren Metallteilen in der Tasche durch die Untersuchung einer Anorexie-Behandlung geschummelt oder von meinen Brüdern, die für HipHop-Battles proben, beim Klarinettespielen stören lassen, und meine alleinerziehenden Mutter hätte sich auch nicht mirnichts, dirnichts aus dem Staub gemacht, um mich mir selbst zu überlassen. Insofern hatte es vermutlich auch seine Vorteile, in der bayerischen Provinz aufzuwachsen, und nicht im Südwestengland eines britischen ComedyDramas.
Kurzweiliger ist aber auf jeden Fall die Jugend in der Fernsehversion von E4, dem Bezahlfernseh-Ableger von Channel4. Sie hat definitiv den besseren Soundtrack als meine Jugend, ist schneller geschnitten und sowohl lustiger als auch trauriger. Das ist überhaupt die ganz große Leistung von „Skins“: Wie hier Tragik und Komik Tür an Tür wohnen, wie man mit jeder Folge, die sich jeweils um einen aus der Clique dreht und auch nach ihm benannt ist, also Episode „Tony“, Folge „Cassie“ usw., wie man also mit jeder Folge mehr von der Backstory und den inneren Welten einer Figur erfährt und dabei ganz großes Drama, schlimmste seelische Verletzungen und schwerste Schicksale direkt neben schnellen und hellen Gags liegen, neben Witzen über doofe Eltern, Drogen und Sex, Sex, Sex — das ist nichts weniger als brillant. Und sehr englisch, mal wieder: dreckig, böse, sehr, sehr lustig. Die DVDs sind tatsächlich „ab 18“.
Die Schöpfer der Serie, Bryan Elsley und Jamie Brittain, sind Vater und Sohn (ersterer Jhg. ’61, letzterer ’84) und mit Preisen für „Skins“ überhäuft worden; vor allem ab der dritten Staffel häufen sich vermutlich wegen des phänomenalen Erfolgs denn auch die Gast-Auftritte, in denen über zwei bis vier Episoden Stars die Eltern respektive Lehrer verschiedener Teenager spielen dürfen: etwa Sally Phillips, Ardal O’Hanlon, Mark Heap, Rich Fulcher, Simon Day, Kevin Eldon, Bill Bailey, Peter Capaldi und Olivia Colman; Harry Enfield spielt nicht nur regelmäßig mit, sondern führt zwischendurch sogar Regie. Tony Stonem wird gespielt von Nicholas Hoult, den man als Kind noch aus „About a Boy“ kennen könnte.
„Skins“, der Name, bezieht sich übrigens nicht etwa auf Skinheads, sondern auf Zigarettenpapierchen, mit denen hier selbstredend ausschließlich Joints gebaut werden. Der Begriff „skins party“ ist infolge der Serie in den englischen Sprachgebrauch eingegangen als Synonym für extrem destruktive Großfeiern mit unfaßbar viel Akohol- und Drogenkonsum — es wird von einer Party berichtet, die auf MySpace als „Skins Unofficial Party“ angekündigt war und zu der prompt 200 Gäste erschienen, die einen Schaden von 20 000 Pfund anrichteten. Wer bei YouTube nach „Skins“-Trailern sucht (leider alle nicht einzubetten), wird praktisch nur das finden, wofür die Serie berühmt geworden ist: Exzessive Partyszenen.
In England ist gerade die vierte Staffel zuende gegangen (sie erscheint nächste Woche auf DVD); die fünfte und sechste sind schon beschlossen, vermutlich deshalb im Doppelpack, weil (fast) der komplette Cast zwischen der zweiten und dritten Staffel ausgetauscht worden ist und ein weiterer kompletter Austausch der Hauptfiguren geplant ist, deren Geschichte immer nur bis zum Abschluß der Secondary School erzählt werden. Auch von einem Film ist die Rede. Ich werde, soviel steht schon fest, alles gucken, was da noch kommt — „Skins“ ist phänomenal.
*klick* geordert. staffel 1-3 15£.
Der Pilot war schon recht nett, auch wenn mich dieses ewige Huldigen der jeunesse doree langsam nerv (klar, wenn man die 30 überschritten hat … ) Mal sehen wie es weitergeht …
BTW: Kennt jemand Cast offs (http://www.amazon.co.uk/Cast-Offs-DVD/dp/B00206U624/ref=pd_sim_d_h__1) ?
interessant! nein, kannte ich nicht; wenn allerdings der british comedy guide, auf den man sich meist halbwegs verlassen kann, auch hier nicht komplett daneben liegt, taugt’s nichts:
A truly terrible programme. Slow, meandering, lacking in any clear plot and devoid of humour. Were it a half-hour-episodes series, we’d be tempted to go back, but at an hour a time, nothing in episode one was engaging enough to make us want to return.
Awful.
Oh, ok, klingt nicht sehr vielversprechend. Und auch Amazon-Kunden kann sich spätestens seit Hasselhoff nicht mehr verlassen: http://www.amazon.co.uk/Cast-Offs-DVD/dp/B00206U624/ref=pd_sim_d_h__1 😉
Huch, falscher Link:
http://tinyurl.com/ybebtds
Kein Wunder, dass SKINS ab 18 sind: In den Geschichten wird geflucht, gevögelt und gekifft, dass es das reinste Vergnügen ist. SHAMELESS ist übrigens auch erst ab 18 freigegeben. Was mich viel mehr wundert ist, dass die Serien vorher im englischen Free-TV liefen.
Ein (kleines) Manko an SKINS sind die Rollen der Erwachsenen. Die Eltern sind bestenfalls lästig, die Pädagogen grotesk überzeichnet – da wird die Serie arg eindimensional.
Aber das Wechselspiel aus Drama und Comedy ist den Autoren in der Tat gelungen.
e4 ist pay-tv.
Nicht ganz, Oliver. E4 fing zwar einst als Pay-TV-Sender an, ist aber schon seit fast fünf Jahren wieder kostenlos per Freeview, Kabel, Satellit und online empfangbar. Nach 21 Uhr („Watershed“) sieht man im übrigen oft genug auch weitaus Freizügigeres im britischen Fernsehen.
Noch ein Hinweis für DVD-Käufer: Der ursprünglich wirklich gute Soundtrack wurde für die DVD-Editionen der ersten drei Staffeln größtenteils durch Blubbermucke ersetzt. Aber wer die Originalfolgen nicht im Fernsehen gesehen hat, den wird das nicht stören. Hier bekommt man aber einen guten Eindruck davon, wie sich’s angehört hätte: http://www.skinsmusic.co.uk/php/series1.php. Wollte ich nur nachgetragen haben.
so, die dvds sind da, die ersten folgen geguckt, und eine meinung ist gebildet: die serie gefällt mir sehr, sehr gut, ist aber ganz und gar nicht, was ich erwartet hatte. erinnert sich noch jemand an „kids“ von1995? sowas in dem style hatte ich erwartet (+humor), aber die skins-kinderchen sind ja alle ganz herzallerliebst. (bis auf überferris tony). vor allem und zuallererst ist die chose witzig. gleich ma die nächste folge anmachen.
Meine Erfahrungen ähneln denen Herrn Jeuns. Die erste Staffel gefällt mir sehr gut, obwohl ich Teeniezeugs mittlerweile nicht mehr ausstehen kann und eigentlich sehr viele Klischees bedient werden. Aber immer wenn es in einem ja auch arg abgegrasten Genre zu manieriert oder wohlbekannt zu werden droht, kommt ein schöner Scherz oder einfühlsame Charaktervertiefung daher.