Bewanderte Sitcom
Natürlich ist „The Great Outdoors“ (BBC4) jedem wirklichen Englandkenner von vorneherein verdorben, ja: auf das Fundament einer faustdicken Lüge gebaut. Denn in einer (der ersten, am Mittwoch ausgestrahlten) Folge dieser Sitcom um einen Wander-Club, dessen Leiter mit einem gewaltigen Lattenschuß allen Mitwanderern auf die Nerven geht, fällt einen ganzen Tag lang erkennbar kein einziger Regentropfen! Ja, die Wanderer kommen nach einer langen Wanderung trockenen Fußes nach Hause! Vollkommen ausgeschlossen, denn in England regnet es jeden Tag, und ganz besonders, wenn jemand wandern gehen möchte. Ich weiß, wovon ich rede! Sieht man über diese unwahrscheinliche Prämisse allerdings großzügig hinweg, ist „The Great Outdoors“ gut — und hat das Zeug dazu, noch besser zu werden.
Die Miniserie (leider auf nur drei Folgen angelegt) folgt dem Wanderleiter Bob (Mark Heap), dessen aufgeblasene, eitle und anmaßende Art schwer erträglich ist. Sein bester Freund Tom (Steve Edge) ist ein ausgemachter Simpleton, dem Bobs neurotische Anfälle daher auch nichts ausmachen; Bobs achtzehnjährige Tochter Hazel leidet da schon mehr unter ihrem Vater. Neue Mitglieder, die mal einen Tag lang mitwandern wollen, werfen schnell das Handtuch und setzen sich ab — bis auf Christine (Ruth Jones), die nicht nur eine Regenjacke (ha!) dabei hat, einen riesigen Rucksack, GPS und eine Leuchtpistole, sondern sogar Verpflegung. Um die gibt es prompt Verteilungskämpfe, als sich herausstellt, daß der von Bob angesteuerte Pub auf sündteure Gastronomie umgestellt hat. Logisch, daß Christine schnell und sehr zum Mißfallen Bobs zu einer ernsthaften Konkurrenz in der Club-Führung wird…
Prima, daß Mark Heap sich nie zu schade wird, seine Paraderolle zu spielen: die des tragikkomischen, von Obsessionen geplagten Soziopathen. Damit hatte er seinen Durchbruch in „Spaced“ als der krisengeschüttelte Künstler Brian, damit brillierte er als der Hochgeschwindigkeitsneurotiker Alan Statham in „Green Wing“, und gerade sehe ich ihn in „Happiness“, wo er eine ein wenig gedimmte Version dieses Charakters gibt, in der er ebenfalls glänzt. Prima aber auch, daß um Heap etliche weitere hervorragende Comedians aufgestellt sind: Ruth Jones darf mal eine andere Rolle spielen als Staceys dicke Freundin Nessa in „Gavin & Stacey“, Steve Edge („Star Stories“, „Phoenix Nights“) ist sowieso hervorragend, und Katherine Parkinson („The IT Crowd“, „Doc Martin“, „The Old Guys“, deren zweite Staffel gerade läuft) ist sich für eine kleinere Rolle in der zweiten Reihe ebenfalls nicht zu schade.
Das liegt vielleicht daran, daß die Autoren der Show, Kevin Cecil und Andy Riley, zwar noch keine Namen haben, bei denen es jedem Comedyfan in den Ohren klingelt, das das aber nur noch eine Frage der Zeit sein dürfte: die beiden haben schon nach Graham Linehans Abschied von „Black Books“ seinen Platz als Autoren eingenommen, für die „Armando Iannucci Show“ geschrieben, für „Little Britain“, „Armstrong & Miller“, „Smack the Pony“ und „Trigger Happy TV“. Ihre erste eigene Serie „Hyperdrive“ sei ihnen verziehen — zum Ausgleich für diese eher mittelgute Moppel-im-Weltall-Comedy (mit Miranda Hart und Nick Frost) hat ja Andy Riley etliche Comicbücher gezeichnet, die ich auf diesem Weg auch jedem ans Herz legen kann: „Bunny Suicides“ und „Great Lies to Tell Small Kids“. Kaufen! Jetzt sofort!
Irgendwie ist die Show selbst so ein etwas langweiliger Landspaziergang. Mir fehlt da etwas Außergewöhnliches. Die Figuren sind sehr plump, Mark Heap hat man so schon zigfach gesehen, dennoch muss er sich und sein sonst tristes Leben erklären. Nicht sehr elegant, was da bisher passiert ist. Und eben keinerlei Überraschungen.
Meh, nicht mein Geschmack, auch nach der zweiten Folgen nicht. Die Zielgruppe zwischen 14 und 17 allerdings dürfte „The Great Outdoors“ ganz lustig finden: ein bißchen Sketchshow, ein bißchen Sitcom, ein paar harmlose Gross-out-Momente hier, ein paar Gags nach bekannten Strickmustern da und flapsige Erwiderungen, die wohl die wenigsten Teenager im richtigen Leben zu erdenken und artikulieren imstande sein dürften. Aber deshalb gibt es solche Serien ja auch. Das ist stellenweise lustig, größtenteils belanglos, tut keinem weh und wird am Jahresende, wenn wir über unseren Jahresbestenlisten brüten, längst vergessen sein.
Interessant allerdings und durchaus nachahmenswert finde ich die Entscheidung der BBC, fürs erste nur drei statt der sonst üblichen sechs oder acht Folgen in Auftrag zu geben. Das sollte ruhig Schule machen, allgemeine Budgetkürzungen können auch ihr Gutes haben. Auf diese Weise kann man mehr Autoren eine Chance geben und sie zur Straffung und Verdichtung ihrer Plots zwingen, und der geneigte Comedyfreund muß nicht über Wochen mit dem ganzen mittelmäßigen Plunder wie zuletzt („Rev“ und „That Mitchell and Webb Look“) seine Zeit verplempern.
macht ja gerade bbc4 mit ihrem knappen comedy-budget immer wieder: „the thick of it“ und „getting on“ zum beispiel. was ich, zusammen mit „great outdoors“ (ohne die zweite folge bislang gesehen zu haben) immer noch besser finde als das meiste, was auf bbc3 oder 2 in der letzten zeit zu sehen war.
Wohl wahr.
Es gibt übrigens in den nächsten Tagen wieder ein paar neue Sachen, vielversprechend sieht allerdings anders aus: „Grandma’s House“ (mit Simon „You have outgayed me, Barrowman!“ Amstell, dem Ex-Moderator von „Never Mind the Buzzcocks“), „Roger & Val Have Just Got In“ (mit Dawn French und Alfred Molina), „Pete Versus Life“ (eine Sitcom, in der das Leben der Hauptfigur von zwei Sportkommentatoren aus dem Off kommentiert und analysiert wird – WTF) und einen Piloten mit dem Titel, höhö, „Inn Mates“.
Und natürlich „Getting On“ heute abend.
leider nur wiederholung, dachte schon, es gibt neue folgen.
Oh, stimmt. Schade.