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Dämliche Filmtitel

Drüben im Britcoms-Facebookstrang stellte gestern jemand eine Frage, die ich so interessant finde, daß sie mir hier einen kleinen Eintrag wert ist:

Weiß jemand, wieso die meisten Filme (z.B. alle von Judd Apatow) im Deutschen stets solch dämliche Titel verpaßt bekommen? Ernsthaft, gibt’s dafür nen Grund?

Das Phänomen kennt ja nun jeder, der sich länger als zwei Sekunden mit Filmen beschäftigt hat (obwohl es mir jetzt bei Apatow-Filmen nicht aufgefallen ist): Komödien und Sitcoms kriegen in deutscher Übersetzung einen albernen Titel, der nicht selten auf Klamauk gebürstet ist und den Charakter der Serie oder des Films gar nicht richtig wiedergibt. Besonders Adam Sandler und Ben Stiller scheint es immer hart zu treffen: Aus „Waterboy“ wird „Der Typ mit dem Wasserschaden“, „Billy Madison“ heißt „Ein Chaot zum Verlieben“, „Cable Guy“ transformiert zu „Die Nervensäge“, „Duplex“ zu „Der Appartement-Schreck“, und „Dodge Ball“, o Gott: „Voll auf die Nüsse“. Aber auch Sitcoms bleibt es nicht erspart: „Fawlty Towers“ firmierte im Deutschen als „Ein verrücktes Hotel“ (ich hatte sogar „Ein total verrücktes Hotel“ in Erinnerung), und „Curb Your Enthusiasm“ als „Laß es, Larry“.

Aber warum? Zwingt jemand die Verleiher oder Fernsehsender dazu? Nein, natürlich nicht. Also muß es einen anderen, womöglich kulturellen, soziologisch erfaßbaren, humortheoretischen Grund geben.

Betrachtet man die Signale, mit denen bedeutet wird, daß man es mit Humor zu tun bekommen wird, also nicht nur die Titel selbst, sondern auch CDs, DVDs, Filmplakate und überhaupt Plakate für Comedy-Veranstaltungen, so wird man feststellen: der Deutsche kündigt seine Humor-Verrichtung gerne explizit an. Da gibt es viele lachende Gesichter, groteske Verkleidungen, überschminkte Frauen — grelle Farben, laute Töne. Besonders Filmaushänge aus der Zeit, als deutscher Humor noch weniger angelsächsisch geprägt war, wenn man etwa an die Filmkomödien der fünfziger und sechziger Jahre denkt, arbeiteten sogar ganz direkt mit Slogans wie „Es darf gelacht werden!“. Alles, was mit Karneval zu tun hat, der deutschesten Humoreinrichtung, läuft bis heute unter „jeck“, „verrückt“, wird mit lachenden Narren verbunden und, besonders wichtig: mit Gemütlichkeit. Die spannungsfreie Gemeinsamkeit, die gemütliche Fröhlichkeit ist die Basis, auf der der Deutsche Komik und Humor zulassen und verstehen kann.

Das wäre sagenwirmal dem Engländer nun äußerst fremd. Nicht nur braucht der keine Einladung, geschweige denn Erlaubnis zum Lustigsein, er zeigt auch nicht via breitem Grinsen, daß er gerade etwas Komisches sagt oder tut. Im Gegenteil: Er ist gerne mit todernstem Gesicht komisch, Stichwort: deadpan. Bei Monty Python wird nicht gelacht, Mario Barth aber ist ohne debiles Grinsen gar nicht vorzustellen. Das typisch deutsche Amalgam von Komik und Gemütlichkeit, das zeitlich und räumlich genau begrenzt ist, kennt der Engländer nicht. Dafür aber ist Humor und Komik bei ihm fester Bestandteil des Alltags, ja geradezu obligat im Umgang mit Mitbürgern. Durch Witz und Schlagfertigkeit kann er Spannungen abbauen, Konflikte entschärfen bzw. austragen, ohne dabei gewalttätig zu werden oder autoritär, was ja auch eine Form der Gewalt ist.

Diese Möglichkeit fehlt dem Deutschen weitgehend. Für ihn ist Komik immer eine Ausnahme, ihm sind in sehr vielen gesellschaftlichen Situationen Humor und Komik schlicht verboten. Vor allem in Situationen, die von starken Hierarchien geprägt sind: im Umgang mit der Polizei etwa (englische Polizisten sind, wenn sie einen nicht gerade verprügeln, unglaublich entspannt), vor Gericht, beim Militär, in der Kirche, auf dem Arbeitsamt, manchmal auch noch auf der Schule oder vor Ärzten. Überall, wo das Machtgefälle groß ist, sind Witze tabu. Umgekehrt muß, wo Komik und Humor erlaubt sind, dort eine entsprechende Beschilderung aufgestellt werden: „Es darf gelacht werden!“ „Jetzt wird’s lustig!“ Und am Besten weiß man auch, von wann bis wann gelacht werden darf („fünfte Jahreszeit“). „Heut‘ sind wir lustig“, so könnte ohne weiteres eine fröhliche Volksmusiksendung in der ARD heißen, von der alle Beteiligten schwören würden, sie wäre wirklich superlustig.

Diese Charakterisierungen von deutschem und englischem Humor sind überzeichnet, klar, und nicht nur hat sich der deutsche Humor seit dem Zweiten Weltkrieg stark verändert und mit dem angelsächsischen Humor vermischt (je jünger das Publikum, desto mehr), auch der englische Humor ist nicht mehr so englisch wie früher. Und natürlich gilt das Beschilderungsgebot für deutschen Humor auch nur für den viel geschmähten sog. „Nonsens“-Humor, der mit Verdikten wie „ist das schlecht“ belegt werden kann (im Gegensatz zu moralischem Humor, also Kabarett und Satire). Gerade deswegen fallen uns deutsche Filmtitel für amerikanische Filmkomödien so auf, die ein möglichst großes Publikum erreichen wollen und deshalb möglichst deutlich sagen wollen: Es wird lustig! Es darf gelacht werden! HAHAHA!! Aber sie werden weniger. Gut so.

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  1. claus
    16. Februar 2011, 13:05 | #1

    Gute Antwort.

    Das deutsche Kabarett ist mit seiner Wortspieleritis aber nicht wirklich frei vom Beschilderungsgebot. Was den Verleihen die klamaukigen Titel, sind den Kabarettisten die Parenthesen („Kom(m)ödchen“).

    Die spezielle Schnoddrigkeit deutscher Film-Verleihtitel scheint auch vor allem in den Sechzigern losgegangen zu sein, mit den Filmen von Louis de Funès oder Jerry Lewis, vorher ging man meist betulicher zu Werke (mir fallen grad keine Filmtitel ein, aber Bücher hießen dann eben „Heiterkeit in Dur und Moll“, „Kästners Kabinett der Komik“ o.ä.). Paradoxerweise steckte dahinter wohl gerade der Wunsch, lockerer, weltläufiger, jugendlicher zu erscheinen (was in Deutschland natürlich auch entsprechend beschildert werden muss).

    Natürlich hat das Phänomen auch einen geistigen Vater: Rainer Brandt. Und der hat dafür (mit Blick auf seine Synchronfassung der „Zwei“) auch die passende Erklärung gefunden: „Das hätte ja sonst keiner angeschossenen Großmama die Bananen aus den Zähnen gezerrt!“

  2. archeophyt
    16. Februar 2011, 13:07 | #2

    Eine amerikanische Freundin meinte mal. dass der bizarrste deutschsprachige Satz ihrer Meinung nach „Spaß muss sein“ sei. Mir war es bis dahin nicht aufgefallen, aber seitdem ich mir dieses seltsame Miteinander aus Entspannung und Zwanghaftigkeit auf der Zunge zergehen ließ, ist es einer meiner Lieblingssätze geworden, wenn ich jemandem mit anderem kulturellem Hintergrund Deutschlands Besonderheiten näher bringen möchte. Und hier im Osten, wo ich seit ein paar Jahren arbeite, sind diese vielleicht noch einen Zacken heftiger ausgeprägt.

    Was Seriennamen angeht: Mein Favorit ist immer noch „Prost Helmut!“ (Cheers bei der Erstausstrahlung im ZDF).

  3. 16. Februar 2011, 13:12 | #3

    Schöner Text. (kann den leider nicht flattern, weil der Button nicht will).

  4. 16. Februar 2011, 13:37 | #4

    @archeophyt: oh, toll, in dem „spaß muß sein“ steckt ja tatsächlich der deutsche humor in nucleo drin. wenn man das analysiert, merkt man nämlich: da heißt nichts anderes als schunkelzwang. man versuche nur einmal, durch den kölner karneval zu gehen, ohne dabei mitmachen zu wollen, sich der gemütlichen gemeinschaft also individualistisch zu entziehen. das wird nicht gehen, da wird man schnell zum außenseiter, und die haben nichts zu lachen, wenn der deutsche humorig wird. spaß muß sein, darüber könnte gerhard polt einen ganzen abend machen. das könnte auch über gewissen toreinfahrten stehen.

  5. Chris
    16. Februar 2011, 13:49 | #5

    Danke für diesen Beitrag. Der Vergleich war wohl nicht optimal (hatte in dem Moment „Forgetting Sarah Marshall“). Ich habe bis vor kurzem noch in New York gelebt und als ich zurück kam wollte ich einem Freund im Diplomarbeitsstress ein paar Filme empfehlen, die ihn nicht unbedingt überfordern. Die Titel „Ananas Express“, „Trauzeuge gesucht“, „Lügen macht erfinderisch“ oder „Shopping-Center King – Hier gilt mein Gesetz“ haben ihn allerdings etwas abgeschreckt. Leider entgehen einem dabei einge wirklich lustige Filme. Früher habe ich Adam Sandler gehasst bis ich jedoch seinen ersten Film auf englisch gesehen habe. Ähnlich war es mit „Monty Python and the Holy Grail“. Allein die Anfangsszene ist einfach unbeschreiblich.
    Leider hat Humor in Deutschland meist nur die Wahl zwischen den Kategorien „prollig“, „niedlich“ oder „bitterernst“. Ein bisschen mehr Gelassenheit wäre wünschenswert.

  6. johannes
    16. Februar 2011, 13:57 | #6

    hach, da spricht jemand aus was ich schon so lange denke.

    und wenn mal der originaltitel übernommen wird muss zumindest ein ganz doll witziger untertitel dazu, damit die leute merken, das es witzig ist, ich sag nur

    Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis

  7. Kenny
    16. Februar 2011, 14:17 | #7

    Ich glaube eher, diese ganzen schlimmen Filmtitel sind eher dem Desinteresse derjenigen zu verdanken, die sie sich haben ausdenken müssen: diese Leute hatten sich wahrscheinlich keinen einzigen der Filme richtig angesehen die sie betiteln mussten. Vermutlich verachten sie auch das gesamte Komödien-Genre sowie das Publikum welches diese Filme mag. Darum denken sie sich perfiderweise dauernd Titel aus, die eine größtmögliche Zahl an potentiellen Zuschauern abschrecken sollen.

  8. Jeun
    16. Februar 2011, 14:17 | #8

    Adam Sandler hass ich aber immer noch

  9. Chris
    16. Februar 2011, 14:25 | #9

    Auch grandios abschreckend wirken „Voll daneben, voll im Leben“ für „Freaks and Geeks“, „Ich, beide und sie“ für „Me, myself and Irene“ und alles in der Tradition von „Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug“ für „Airplane!“. Ein anderer Favorit ist „96 Hours“ für „Taken“. Nicht weil „96 Hours“ schlecht klingt, sondern weil es einfach keinen Sinn macht sich einen neuen Titel auszusuchen, der dann ebenfalls englisch ist. Was sind das eigentlich für Leute, die dafür verantwortlich sind? Ist das vielleicht deutscher Humorprotektionismus?

  10. Jochen Rudolf
    16. Februar 2011, 14:28 | #10

    Danke Oliver für diesen Text. Du hast die Unterschiede klar benannt. Bei mir ist es so, dass ich mit meinem eigenen Land und den meisten seiner Einwohner aus genau diesen Gründen nicht viel anfangen kann. Was dem ganzen, für mich jedenfalls, schon eine gewisse tragische Note verleiht. Seit dem Internet ist es allerdings zu verschmerzen, denn durch solche Blogs wie diesen hier weiss ich, dass es auch andere Leute gibt, die dem Deutschen Humorverständnis kritisch gegenüberstehen, oder zumindest darüber reflektieren.

    Das Mario Barth und Konsorten nicht witzig sind, da wird sich jeder halbwegs wache Mensch drauf einigen können. Was ich viel schlimmer finde, ist die Tatsache, dass es tatsächlich Leute gibt, die zwar Mario Barth hassen, aber im gleichen Atemzug die „Heute-Show“ (oder wie diese Sendung mit dem Sportmoderator heisst) als „total lustig“ empfinden. Und teilweise kennen diese Leute sogar die „Daily Show with Jon Stewart“. Das ist für mich unbegreiflich.

    Ich glaube nicht, dass Konzepte oder Personen, die auf ein Massenpublikum angewiesen sind, in Deutschland tatsächlich lustig sein können. Dazu müssen sie zu viele der im Text angesprochenen Kompromisse eingehen.

  11. Chris
    16. Februar 2011, 14:30 | #11

    @Jeun: Der hat tatsächlich einige wirklich gute Filme gemacht. Er macht zwar auch zugegeben viel Mist, aber er kann unglaublich lustig sein. „Don’t mess with the Zohan“ war wirklich extrem lustig, das hat mich damals schon fast schockiert. „Funny People“ und vor allem „Puch Drunk Love“ sind auch sehr zu empfehlen. Leider zeigt er zu selten was er kann. Er sollte mal mehr mit Seth Rogen machen als mit dem „King of Queens“-Typen. Die Serie gewinnt allerdings auch nicht im Original.

  12. justus_jonas
    17. Februar 2011, 01:07 | #12

    Immer noch komplett unverzeihbar: „Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis“. So richtig erklärt es der Beitrag aber doch noch nicht. Kein Mensch steht am Ende doch in der Kinoschlange und sagt: „Guten Tag, ich hätte gerne zwei Karten für „About a Boy oder: Der Tag der toten Ente““. Demnächst übrigens in ihrem Kino: „Paul – Ein Alien auf der Flucht“. Die Frage nach dem WARUM bleibt irgendwie.

  13. Emil S
    17. Februar 2011, 18:46 | #13

    Stimmt alles mit dem Humor.
    Aber die falsch übersetzten Titel beschränken sich doch nicht nur auf Komödien. Bei allen möglichen Büchern ist das doch auch so, man denke an diese Schwarten mit dem „Bis(s)“ im Titel.
    Bei Fernsehserien fällt mir das auch regelmäßig auf, z. B. wird im Titel meistens schon mal angedeutet, wovon die jeweilige Folge handelt, für die ganz Dummen. Vielleicht liegt es ja daran: es wird gemacht, weil der dt. Zuschauer nun mal schwer von Begriff ist, und deshalb soll er am Titel erkennen, was ihn erwartet. Z. B. dass es gleich witzig wird, oder dass die Protagonisten gebissen werden.

  14. jeun
    18. Februar 2011, 08:30 | #14

    Das mit dem Deutschenbashing ist zwar wahr, schön, gut und in großen Teilen wohl auch richtig, aber als einzige Erklärung ein bissl zu einfach. Ich weiß nicht mehr, wo, aber ich hab mal irgendwo im Zusammenhang mit der Übersetzung von „The Holy Grail“ den Begriff „Verklimbimisierung“ gelesen und fand ihn sehr passend. Aber der Grund dafür, dass, um mal beim Beispiel zu bleiben, der Film heute nicht mehr untr einem Titel wie „6 Vollchaoten treiben’s dick“ laufen würden, sondern eher wasweißich „The holy grail – wer suchet, der findet“, liegt wohl daran, dass man inzwischen glaubt, die Leute können eigentlich englisch, aber dann halt irgendwie doch nicht. Oder nicht so richtig. Kurzum: es liegt nicht an der Beschränktheit von UNS, sondern an den, fehlenden balls von DENEN.
    @chris: Adam Sandler find ich trotzdem doof. Und Seth Rogen ist jetzt auch nicht soo der Niveaugarant. Außerdem mag ich meine Urteile und trenne mich prinzipiell nur ungern.

  15. Kenny
    18. Februar 2011, 09:26 | #15

    Nachdem ich gerade die (gescheite) Analyse von dem Herrn Emil gelesen habe, muss ich meine eigene obige Theorie revidieren: es stimmt, man geht wahrscheinlich davon aus, daß die Zuschauer einfach ein bißchen dumm sind und man ihnen alles vorher noch einmal erläutern muss. Vielleicht wird der Trend in Zukunft darum möglicherweise zu (längeren) Filmtiteln gehen, die die Form von (kürzeren) Inhaltsangaben haben.
    PS: der Cartoon mit dem Hund ist super!

  16. 18. Februar 2011, 10:17 | #16

    Meines Erachtens ist das nicht nur im Comedy-Bereich so. Letztlich werden alle Genres mit Übersetzungen/Zusatztitel „verschönert“, die bestimmte Assoziationen wecken, damit jeder Depp auch weiß, worum es hier geht. Ich zitiere immer wieder gern die Lieblingsbeispiele „Music & Lyrics“ und „Holiday“, aus deren Titeln ja tatsächlich nicht ohne Weiteres hervorgeht, dass es sich um Liebesfilme handelt. Deswegen muss der erste eben „Mitten ins Herz“ heißen, obwohl der Titel sich perfekt und mit demselben Hintersinn ins Deutsche hätte übersetzen lassen und der zweite dann „Liebe braucht keine Ferien“ (was die Handlung des Films mal nebenbei komplett auf den Kopf stellt). „Herz“ und „Liebe“ müssen halt bestimmte Assoziationen wecken (besonders witzig „Maid in Manhatten“ wird „Manhattan Love Story“), wie auch „irre“, „verrückt“ oder im Actionbereich andere Worte wie „stahlhart“, „Mörder“, „Tod“, „Feind“ („Child’s Play“ in „Chucky die Mörderpuppe“).

    Aber ich habe schon den Eindruck, dass es langsam abnimmt. Oder gab´s einen Zusatztitel zu „Inception“ (5 knallharte Träumer)?

  17. 18. Februar 2011, 10:56 | #17
  18. Tim
    18. Februar 2011, 11:38 | #18

    Mir erscheint das mit der deutschen Komik wie in der Seinfeld-Episode mit dem Aidslauf, in der Kramer verdroschen wird, weil er sich weigert, die Schleife zu tragen: Selbst wenn man irgendwie dafür ist, gibt es auf die Fresse, wenn man nicht die zwangsnormierten Etiketten vor sich herträgt bzw. akzeptiert.
    Was die dämlichen Film- und Serientitel angeht, vermute ich, daß man von verschiedenen Ursachen bei komischen und ernsten Werken ausgehen muß. Bei der Komik scheint es mir eine traditionelle Verachtung zu geben, die eben auch Verleiher dazu veranlaßt, das ganze in die Schunkelecke zu stellen. Und bei den ernsten Werken sind – wie die bisher genannten Beispiele zeigen – ja vor allem „jugendliche“ Produktionen Opfer des Titelquatschs, vermutlich weil man annimmt, daß junge Menschen es eben flapsiger mögen.

  19. MK
    18. Februar 2011, 11:54 | #19

    Ist jetzt nichts neues, den Grundgedanken hat Kalki vor über zehn Jahren festgestellt und durchexerziert am Beispiel der „Superlachparade“: http://www.youtube.com/watch?v=kDYhd6HGqyo

  20. Chris
    18. Februar 2011, 15:24 | #20

    @Jeun: Dann legen wir das mal unter der Kategorie „Geschmackssache“ ab. Kann aber verstehen, wenn man die nicht mag. Niveaugaranten sind die sicherlich nicht. Aber sich ein bisschen mit Seth Rogens Arbeit auseinander zu setzen kann echt lohnenswert sein. z.b. „observe and report“, „funny people“, „pineapple express“ und auf jeden fall „superbad“. Keine Ahnung wie die auf deutsch sind, besser auf englisch schauen.

    Zur eigentlichen Disskusion würde ich noch anmerken, dass viele Ironie dem Sarkasmus vorziehen. Sarkasmus hat immer noch einen gewissen Ruf. Jemandem wie Harald Schmidt würde man in England oder den USA sicherlich nicht den Spitznamen „Dirty Harry“ verpassen. Ich wurde mal von einer Amerikanerin, die bei einer deutschen Firma arbeitet, gefragt, was die Deutschen gegen Sarkasmus hätten. Deutsche müsste man immer daraufhin weisen, dass etwas als Witz gemeint war und vor allem nicht böse. Was in dem Sinne ja die Grundaussage des Blogeintrags bestätigt.
    Für mich verlieren Artikel, Fime oder was auch immer, wenn man vorher schon klar macht, dass das nur Satire sei.

  21. Torsten
    18. Februar 2011, 21:22 | #21

    Danke für den tollen Text, exakt meine Meinung. Wobei es auch den umgekehrten Fall gibt, nämlich dass witzige Originaltitel im Deutschen zu nichtssagenden 0815-Titeln verwurschtelt werden. So wurde aus „How to lose friends and alienate people“ hierzulande „New York für Anfänger“, weil der sarkastische Originaltitel den Deutschen dann wohl schon wieder viel zu lustig und kreativ gewesen wäre…

  22. Jochen Rudolf
    21. Februar 2011, 14:42 | #22

    @Torsten genau – ich wette, in Deutschland gäbe es dann Leute, die den Film „Scheisse“ finden, weil sie beim Schauen gemerkt haben, dass er nicht wirklich eine Anleitung zum Freunde verlieren und Leute zum Fremdeln bringen ist. Spielerischer Umgang mit Sprachwitz, Sarkasmus, und Ironie führt zu Verwirrung, und Verwirrung ist per se schlecht. Deswegen muss sie im spätestens im Untertitel wieder aufgeklärt werden. Schönes Beispiel dafür sind auch die Kundenrezensionen auf Amazon.de. Es gibt da so ein nettes Buch namens „Ich werde ein Berliner“, dass die kreative Szene von Berlin satirisch aufs Korn nimmt, und eigentlich alles ist ausser einer Anleitung zum „Berliner werden“. Bei Amazon gibt es bei dem Buch jede Menge Rezensionen, wo sich die Leser beschweren, dass das Buch nicht tatsächlich eine Anleitung zum „Berliner werden“ ist.

    Diese seltsamen Filmtitel gibt es imho auch nur, weil Leute in den Marketingsabteilungen der Deutschen Verleiher ihr Publikum schon kennen, und das ist in der Mehrheit absolut humorfrei. (Abgesehen von Slapstick a la Bully etc.)

  23. Tj
    21. Februar 2011, 15:31 | #23

    johannes :
    hach, da spricht jemand aus was ich schon so lange denke.
    und wenn mal der originaltitel übernommen wird muss zumindest ein ganz doll witziger untertitel dazu, damit die leute merken, das es witzig ist, ich sag nur
    Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis

    „Hot Fuzz“ war auch mein erster Gedanke 😀 Und gleichzeitig einer der deutschen Titel, über die ich mich am meisten geärgert habe, denn das hat ja nun wirklich rein gar nichts mit dem Film zu tun…

    Vielen Dank für die Erklärung!

  24. Margot
    24. Februar 2011, 12:17 | #24

    Tja, sitze gerade mit Grippe daheim vor der Glotze und was seh ich für eine Vorschau?

    Mitgemacht und Mitgelacht – Frankfurt feiert Fasenacht. 😀

    Da war sie wieder, die Aufforderung zum Lustigsein…

  25. peter
    27. Februar 2011, 16:40 | #25

    gerade in der Intro gelesen: ‚In the Loop‘ kommt jetzt hier als ‚Kabinett außer Kontrolle‘ auf DVD. Hört sich für mich an wie ‚Kabinett außer Rand und Band‘ oder ‚Kabinett dreht total durch‘ so nach dem Motto: die Politiker machen ganz verrückte witzige Sachen in diesem Film, ausnahmsweise.
    Richtig grausam ist die Synchronisation, ich mein, ist der Mensch der Malcolm Tucker spricht irgendwie gelangweilt von seinem Job?
    http://www.youtube.com/watch?v=xwLWM4Lom20
    und warum muss in der Übersetzung alles immer so verharmlost werden? „den Berg des Konlfickts zu besteigen – das hört sich an wie ‚der Berg ruft'“ statt „Climb the mountain of conflict – you sound like a Nazi Julie Andrews“. Ich versteh ja, dass sich die Übersetzer denken, dass man so kulturelle Anspielungen nicht unbedingt versteht und nicht jeder weiß, wer Julie Andrews ist, aber das ist nun wirklich keine gelungene ÜBersetzung, allein schon, weil da niemand beleidigt wird. Und der Schluss über Zivilisten, die in den Krieg ziehen wollen: „Wenn du mal da warst willst du nie wieder hin. Es ist grauenvoll“ statt „Once you’ve been there you never want to go angain unless you actually have to. Its like France“ – warum nicht auch mal die Pointe weglassen?

  26. peter
    27. Februar 2011, 16:43 | #26

    oh, ich seh grad wie ich ‚Konflikt‘ geschrieben habe. Kann man als Freudschen Verprecher interpretieren. Ich behaupte, es liegt an den vielen Schimpfwörtern, die in meinem Kopf sind, wenn ich an Malcolm Tucker denke, und deren deutscher Übersetztung 😉

  27. Günther Schlawentzke
    28. Februar 2011, 13:24 | #27

    Schöne Übersetzungen wurden bereits in folgenden Foren gelistet. Ist auf jeden Fall mal nen Blick wert:

    http://forum.cinefacts.de/215658-anspruchsvolle-originaltitel-vom-ubersetzer-nicht-verstanden.html

    http://starcraft2.ingame.de/forum/showthread.php?t=109734

  28. Günther Schlawentzke
    28. Februar 2011, 13:28 | #28

    Ach ja! Und ganz wichtig in diesem Zusammenhang: es gibt ein tolles Buch, welches sich detailliert mit diesem Thema auseinandersetzt: Hans-Dieter Gelfert: “ Max und Monty. Kleine Geschichte des deutschen und englischen Humors“

  29. 28. Februar 2011, 17:35 | #29

    @peter: das ist ja grauenhaft! muß ich gleich mal bei fb herumzeigen.

    @günther: ja, ein standardwerk, in dem ich oft und gerne herumschmökere! absolut empfehlenswert.

  30. Chris
    1. März 2011, 15:59 | #30

    Interessant ist auch „The Early German Reception of American Humor“ von Holger Kersten. Interessant wäre hier mal eine soziologische Analyse des Themas. Vielleicht ändere ich mein Diplomarbeitsthema noch in „Richard Pryor, Ricky Gervais und cindy aus Marzahn – Humor im Ländervergleich“. Vielleicht lässt sich da ja irgendwas über Pfadabhängigkeit erklären. Nur was soll man da messen? Vielleicht sollte ich auch einfach wieder an meiner DA weiterschreiben…

    Waren die Deutschen vor den Weltkriegen lustiger als heute?

  31. Chris
    1. März 2011, 16:00 | #31

    Ach so, nochmals ein großes Lob an diesen Blog!!!

  32. 1. März 2011, 16:09 | #32

    @Chris: „Waren die Deutschen vor den Weltkriegen lustiger als heute?“

    glaub ich nicht. gelfert (siehe „max und monty“) hat eine theorie, daß der stadtbürgerhumor der frühen neuzeit (hans sachs‘ schwänke in nürnberg, brandts „narrenschiff“, till eulenspiegel) durch den 30jährigen krieg praktisch zerstört wurde – danach waren die 20 größten deutschen städte zusammen nicht so groß wie london alleine – und der später erstarkende absolutismus mit seinen strengen hierarchien den bis heute fortwirkenden staatsbürgerhumor befördert hat. wohingegen in england der humor unter gleichen und freien bürgern (leibeigenschaft schon im 15. jahrhundert abgeschafft!) erblühen konnte – der englische humor ist also im prinzip ein londoner humor. für vergleichende wissenschaftliche arbeiten ist gelfert wirklich unerläßlich.

  33. Chris
    1. März 2011, 16:31 | #33

    Das hatte ich irgendwie geahnt bzw. befürchtet, hatte aber nicht wirklich Ahnung davon. Das Buch muss ich mir unbedingt besorgen. Das macht wirklich Sinn und trifft im Kern, was einige Theorien über das Funktionieren von Demokratie besagen. Vielen Dank dafür!

  34. Thorsten
    10. März 2011, 19:44 | #34

    Ich habe 2005 mal eine Seminararbeit zum Thema „Neubetitelung englischer Filme“ angefertigt, bei Komödien ist der Hang zu neuen Titeln (bei Kinderfilmen übrigens auch) tatsächlich deutlich ausgeprägter als bei Action- oder Horrofilmen.
    Ach ja, die gute Studentenzeit, als man über sowas forschen durfte 🙂

  35. Torsten
    14. Dezember 2011, 10:54 | #35

    Auf Super RTL läuft seit ein paar Wochen ein Trailer für neue Folgen von „Upps – Die Pannenshow“, wo irgendwas unlustiges zusamen gereimt wird, und die letzte Zeile ist „Lachen ist Pflicht“. Auch wieder ein schönes Beispiel, wie die Deutschen nahezu auf Kommando zur Heiterkeit gezwungen werden.

  1. 24. Februar 2011, 08:54 | #1