Der Kilometa-Humor von „Community“
„Community“ (NBC, seit 2009) ist eine der besten Sitcoms, die derzeit laufen.
Dieser Meinung bin ich noch nicht lange, gebe ich zu: Nachdem ich damals den Piloten gesehen hatte, habe ich erst einmal auf weitere Folgen verzichtet. Erst seit ein paar Wochen gehöre ich zu der kleinen, aber enthusiastischen Fangruppe, die diese Show trotz nicht gerade überwältigender Einschaltquoten am Leben erhält. Warum hat das so lange gedauert?
Weil ich kein Freund von Meta-Humor bin. Nicht mehr jedenfalls. Ich war es mal, damals, als Redakteur einer großen deutschen Satirezeitschrift, und musste irgendwann feststellen, was für ein einsames Geschäft das ist: Witze, die (vorderhand) nicht witzig sind, werden eben von den meisten Menschen tatsächlich auch nicht als witzig empfunden. Sie fühlen sich ausgeschlossen und wenden sich ab („Nicht witzig!“, „…kündige ich mein Abo“ usw.).
Was aber ist Meta-Humor? Ein klassischer Witz unterläuft eine Erwartung; er enttäuscht den einen Sinnzusammenhang und stellt einen neuen her. Meta-Humor ist, wenn wiederum genau diese Erwartung unterlaufen wird: Dass ein neuer Sinnzusammenhang hergestellt wird. Meta-Humor ist also vor allem für Menschen lustig, die das klassische Witz-Schema in- und auswendig kennen. Der prototypische Meta-Witz („Sitzen zwei Atomkraftwerke im Baum und stricken“) erhält nur noch die Form des klassischen Witzes, in diesem Fall das Set-Up, verzichtet aber nicht nur auf die Pointe, sondern auch auf jeden Sinn. Das finden dann tatsächlich nur noch Leute komisch, die sich schon sehr viele Witze erzählt haben. Und auch die nur eine Weile.
Als Satirezeitschriftenredakteur kennt man den Aufbau und die Funktionsweise von Witzen im Schlaf. Schon deshalb beginnt man irgendwann, sich nach Alternativen zu den klassischen Gags zu sehnen, und möchte zu Witze-Ufern aufbrechen, die noch nie zuvor ein Mensch betreten hat. Stefan Gärtner und ich hatten jedenfalls immer das Gefühl, dass wir die lustigsten Typen der Welt sind, weil wir gut darin waren, gegenseitig unsere Sätze zu vollenden. Beim gemeinsamen Schreiben kamen auf diese Weise tatsächlich oft komische Wendungen heraus: Einer begann einen Satz, der andere merkte intuitiv, wo dieser Satz hinwollte, auf welchen Witz er hinauslaufen sollte — und setzte dann eben genau eine Wendung hinter den ersten Halbsatz, mit der nicht zu rechnen gewesen war. Das war gut, solange dann trotzdem eine Pointe kam. Wenn nur die Erwartung einer Pointe gebrochen wurde, war das zeitweise auch komisch — aber eben meta.
Hier genau liegt eine der großen Gefahren des Meta-Humors: er wird irgendwann beliebig, wenn die Voraussetzungen zu hoch und die Belohnungen zu klein werden, die als Scherz aus den vielen Voraussetzungen entspringen. Noch ein Beispiel: Gärtner und ich haben als Running Gag in unseren Texten oft den Namen meines vormaligen WG-Mitbewohners Dirk Schulz eingebaut, wann immer wir einen „Experten“ oder so brauchten. Für aufmerksame Beobachter war das (glaubten wir zumindest) lustig, wenn er erkannte, wie viele Auftritte dieser Dirk Schulz hatte. Dann begannen wir, Dirk Schulz zu variieren („Schilz Durk“), und irgendwann waren diese Variationen überhaupt nicht mehr lustig, sondern allenfalls albern, dann rätselhaft und zum Schluss wurscht. Meta. Gärtner und ich mussten aufhören, junge Kollegen entwandten unseren zitternden Händen Bleistift und Kugelschreiber, wir wurden entlassen und an einer Autobahnraststätte ausgesetzt.
Seitdem habe ich Meta-Humor als Humor für faule Autoren betrachtet, die sich den Aufwand ersparen wollen, richtige Witze zu machen.
Aber das ist natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Denn Meta-Humor kann sehr komisch sein, wenn man sich auf dem Feld, das mit Meta-Humor beackert wird, gut auskennt. „Geht ein Journalist an einer Kneipe vorbei“: das ist (bzw. war vor hundert Jahren mal) lustig, wenn man wusste, wie viel Journalisten so trinken. Und sie trinken sehr, sehr viel; jedenfalls die vom alten Schlag.
Und jetzt komme ich endlich zu „Community“: Das ist ebenfalls sehr, sehr komisch — wenn man sich in der Popkultur auskennt, und speziell mit Sitcoms.
Denn natürlich sind die Figuren, die sich da einmal die Woche an einer Art Volkshochschule zum gemeinsamen Studieren treffen, alle wahnsinnig konstruiert. Es ist ein Comedy-Ensemble, das mit maschinengewehrartiger Feuerkraft Witze aufsagt, also das Gegenteil britischer Sitcom-Figuren, die vom Charakter leben und weniger von Gags. Mit den „Community“-Figuren wird man lange nicht warm, weil man nicht an sie als Menschen anschließen kann. Sie sind keine. Sie sind Sitcom-Klischees.
Umso besser aber können diese Figuren in andere Rollen schlüpfen, in denen der „Community“-Macher Dan Harmon sie dann pro Folge durch einen Parcours der Popkultur jagt: durch eine Mafia-Film-Folge, durch eine Science-Fiction-Parodie, durch „Breakfast Club“, „Batman“, Anwaltsfilme, „Glee“-Parodien, durch Quentin Tarantinos Universum. Sie erfüllen ihr prototypisches Rollenbild so gut, dass sie die Mechanik hinter Sitcoms und Filmen bloßlegen können, dass sie die Fäden sichtbar machen können, an denen sie tanzen.
Wer die Voraussetzungen mitbringt, die „Community“ erfordert, der wird reich belohnt. Überreich, denn ich fürchte, mir bleibt die Hälfte aller Anspielungen, aller Zitate, aller kleinen Sight Gags im Hintergrund verborgen (hat hier jemand schon mal was von „My Dinner with Andre“ von Louis Malle gehört? Ich auch nicht). Aber auch so kommen noch derart viele Späße, die sich diese Show erlaubt, bei mir an, dass ich längst süchtig geworden bin.
„Community“ ist eine Show von Nerds und Geeks für Nerds und Geeks, sie ist exklusiv, weil sie viele Menschen ausschließt, die nicht ihr ganzes Leben vor dem Fernseher und im Kino verbracht haben. Sie lebt von Meta-Humor. Wer „Spaced“ mochte, wer Simon Peggs und Edgar Wrights Humor mag (was die Verweise auf Popkultur betrifft, weniger was die warmherzige Figurenzeichnung angeht), der wird „Community“ lieben. Wer „Parks & Recreation“, das zusammen mit „Community“ auf NBC läuft, für seine Humor-Farbe mag, der wird „Community“ lieben. Wer „Glee“ hasst, der könnte „Community“ lieben.
„Community“ hat mich mit dem Meta-Humor versöhnt. Nicht so sehr, dass ich mir jetzt Wes-Anderson-Filme freiwillig ansehen würde, aber doch versöhnt.
„Community“ läuft ab nächstem Samstag nachmittag um 13.30 Uhr (!) auf ProSieben.
„Schilz Durk“ – *prööt* *gnihihi*
Nun ja, „My Dinner With Andre“ ist in gewissen Kreisen fast schon ein Kultfilm. Die Grösse der entsprechenden Community-Episode (directed by Richard Ayoade, no less) erschliesst sich aber m.E. auch dem Uneingeweihten.
Wobei mir gerade (zum ersten Mal) auffällt, dass die Wahl von Ayoade als Regisseur der betreffenden Episode ebenfalls kein Zufall sein könnte: Ayoades Filmregiedebut „Submarine“ kann durchaus auch als Hommage an die Nouvelle Vague gesehen werden (und zitiert die eine oder andere Truffaut- oder Godard-Schlüsselszene ja sogar offen), mit der Louis Malle ja nun ebenfalls verbandelt ist…
Ein sicheres Anzeichen von Schreibfaulheit ist es z.B., wenn in fortgeschrittenen Staffeln einer Sitcom die Gags dadurch ersetzt werden, dass die Figuren den Sendeplatz kommentieren (Simpsons, 30 Rock, Futurama).
Wenn die Definition von „Meta-Humor“ aber einfach nur ist, dass irgendwelche Klischees mitreflektiert werden, finde ich ihn nicht besonders problematisch. Dass Figuren aus „Fleisch und Blut“ sein und „leben“ müssen, damit die Kunst „gut“ ist, ist doch bloß so ein Dogma des realistischen Romans, das besonders beim Film gerne als Universalkriterium verkauft wird. Aber gut, mir haben ja auch die ersten Wes-Anderson-Filme gefallen.
Also wenn ich das richtig verstanden habe, kann ein Zuschauer, der etwas „nicht witzig“ findet, demnach bedeuten, daß der Betreffende sich ausgeschlossen fühlt, weil er den Sinnzusammenhang eines (Meta-)Witzes nicht mehr versteht.
Und ich dachte bis jetzt immer, daß das u.U. ebenso bedeuten kann, daß überhaupt kein Witz vorhanden ist, geschweige denn irgendein Meta-Humor.
Meta-Humor ist dann vielleicht sowas ähnliches wie Kiffer-,Trinker- oder Kinderhumor – also Special-Interest-Humor. Lacht sich z.B. ein Säugling über die Teletubbies kaputt, man selber aber kriegt eine Bewusstseinstrübung davon, so bedeutet das demzufolge, daß man selbst einfach nur nicht in der Lage war, daraus einen (neuen und lustigen) Sinnzusammenhang herzustellen.
Wer sichs synchronisiert
!!
angucken möchte, kann sich hier schonmal an die Sprecher gewöhnen.
Gut, die Standardstimmen. Wobei ich die gar nicht mal sooo unpassend finde, nachdem die Charaktere auch im Original aus gutem Grund sehr klischeehaft klingen. Da passt’s also rein zufällig mal.
Aber wie jede Comedy – und eigentlich alles andere auch – kann man die Qualität über eine Übersetzung hinweg nicht erhalten.
…dass Harmon als Showrunner gefeuert wurde und die 4. Staffel jetzt ohne ihn auskommen muss (und übrigens auch ohne Chris McKenna, der von sich aus gegangen ist), ist hier schon angekommen?
jepp, habs gestern bei fb vermeldet; das war die „gute“ nachricht zum urlaubsende. muss jetzt wirklich mal wieder mehr bloggen…