Great Piss!
Seit sie in „Lead Balloon“ (BBC4/BBC2, 2005 – 2011) die osteuropäische Haushaltshilfe Magda spielte, ist ihr Name ein Begriff, obwohl sie ansonsten gar nicht so häufig im Fernsehen war. Jetzt hat Anna Crilly zusammen mit Katy Wix („Not Going Out“, BBC1 seit 2006) eine eigene Sketch-Show: „Anna & Katy“ (Channel 4, seit 6. März). Die besticht vor allem durch liebevoll gemachte TV-Pastiches und einen ganz eigenen, schön albernen Tonfall.
Es sind keine Parodien auf konrete Fernsehshows, die Crilly und Wix abfeuern, sondern ihre höchst eigenwilligen Interpretationen gängiger Formate: von der Kochshow, in der ausschließlich Reis gekocht wird („Rice Britania“), über Chartshows („World’s Worst Words“), in denen X- und Y-Prominenz Statements abgeben dürfen, bis hin zu Soaps, die von Schleichwerbung gezeichnet sind („The Lane“). Authentisch inszeniert (von „The Office“-Produzenten Ash Atalla und seiner Produktionsfirma Roughcut TV) und mit einem hervorragenden Cast (in dem unter anderem „Not Going Out“-Star Lee Mack mitspielt) und etlichen Promi-Cameos macht „Anna & Katy“ einen prima Eindruck — auch wenn einige Sketche zu lang geraten und hin und wieder etwas zu absurd werden.
Das machen die gelungenen Sketche aber mehr als wett: Etwa die „Ignition“-Reihe, in der die drei Betreiber einer kleinen Autowaschanlage nicht dazu kommen, Autos zu waschen, weil sie permanente Mitarbeiter-Meetings haben, in denen sie sich in schönster „Apprentice“-Nullsprache Wirtschafts- und Motivationsgeschwätz um die Ohren hauen („There is no ‚U‘ in ‚Grop'“). Oder die Dokusoap über Beamtinnen im Polizeialltag, die unerklärter-, aber sehr lustigerweise überlange Arme haben.
Höhepunkt jeder Folge aber (für mich) ist die immer neue Parodie englischer als „deutsche“ Shows („mit Hosten Gretel Hubschrauberlandeplatz“). Man stelle sich ungefähr die „Channel 9“-Sketche der „Fast Show“ vor, ohne die „Fast Show“-typischen, immer wiederkehrenden Catchphrases, aber mit einer sehr lustigen Pigeon-Fäkalsprache („Great Piss!“), die… ach was soll ich das hier lange beschreiben, es gibt ja eine Folge bei YouTube: „Küntworts“, angelehnt an die britische Show „Countdown“. Und auch „World’s Worst Words“ ist online. Hier im Blog einbetten lässt Channel 4 mich aber nur den Trailer:
Wenn Anna Crilly und Katy Wix auf diesem Niveau weitermachen, könnten sie in absehbarer Zeit zu einem neuen weiblichen Double Act werden, auf den man zählen kann; ohne sie jetzt mit dem schlimmen Label der „neuen French & Saunders“ bekleben zu wollen. Einziger Wunsch meinerseits: Crilly könnte die „lustigen Akzente“ noch ein bisschen runterschrauben, mit denen viele Sketche gepimpt werden. Auch wenn sie mit einem solchen lustigen Akzent bei „Lead Balloon“ erst zu der lustigsten Nebenfigur der Show geworden ist, und obwohl Anna und Katy tatsächlich eine heimliche Vorliebe für Deutschland zu haben scheinen. Die Titelmelodie ist jedenfalls von der Berliner Band Stereo Total.
„Küntworts“ hat mir gefallen, auch wenn es nicht die erste Countdown-Parodie ist. Der Rest ist o.k., aber nach der zweiten Folge wiederholt sich doch vieles, und das Timing stimmt nicht. (Dass manche Nummen einfach zu lang sind hast Du ja schon geschrieben).
Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob ich Deiner Lesart des Themas der Sendung zustimmen würde: Insgesamt geht es vielleicht weniger um eine Parodie bestimmter Fernsehprogramme und -formate, als um eine Auseinandersetzung mit dem (vermeintlich) prototypischen Personals bestimmter Sendungen. Und da scheinen mir die beiden nicht so richtig überzeugend zu sein (das Spiel mit den etwas indifferenten Akzenten hat mich z.B. eher ratlos gemacht; und die Apprentice-Nummer war zu schnell ersichtlich). Es fehlt das Abgründige, finde ich.
Auf den ersten Blick recht spaßig – einige Lacher, ein paar Hä?s und das eine oder andere ungläubige Kopfschüttlen – das ist schon mehr als sonst meist.
Am besten fand ich übrigens den Abspann zu „Küntworts“ – der funktioniert aber wohl interessanterweise nur für Deutsche.