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Archiv für September, 2013

„Breaking Bad“-Gewinnspiel: Der Gewinner

30. September 2013 7 Kommentare

Das war’s mit der größten Serie der letzten zehn Jahre: „Breaking Bad“ ist vorbei — und damit auch das Gewinnspiel. Aber natürlich will ich auf keinen Fall etwas spoilern, darum geht es erst nach dem Klick weiter.

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Große Schule, kleine Lacher

29. September 2013 Keine Kommentare

Ich wollte diese Sitcom mögen. Und das, obwohl — oder gerade weil? — ich weder mit David Walliams („Little Britain“) noch mit Catherine Tate („The Catherine Tate Show“) je sonderlich viel anfangen konnte. In „Big School“ (BBC 1) aber schienen beide gut aufgehoben zu sein: Tate als die neue Französischlehrerin Sarah Postern, die kein Französisch kann (und noch nie in Frankreich war), und Walliams (auch der Autor von „Big School“) als verklemmter Chemielehrer Keith „Churchy“ Church, der nur wegen der neuen Lehrerin an der Schule bleibt und sich plötzlich als Konkurrent des Sportlehrers Trevor Gunn (Philip Glenister, „Mad Dogs“) um die Gunst Posterns wiederfindet.

„Big School“ ist von Anfang an eine altmodische Sitcom ohne bemühten Dokumentarstil oder verwackelte Handkamera (allerdings auch ohne Lacher), erzählt die Geschichten, die man erwartet (Church will Postern bei der jährlichen Talentshow beeindrucken, Church will Postern beim Iron Man beeindrucken, Church will Postern beim Schulausflug nach Frankreich beeindrucken), verwendet dabei die richtige Mischung aus dialogischem Witz und Slapstick, und es spielen auch noch etliche gute Schauspieler in guten Rollen mit: Frances de la Tour (zuletzt sehr gut in „Vicious“) als misanthrope Direktorin mit Drogenproblemen, Joanna Scanlan („The Thick of it“, „Getting on“) als stoffelige und lesbische Schauspiellehrerin, Steve Speirs („Stella“) als trotteliger Erkdundelehrer und Daniel Rigby als Mod-Boy und Musiklehrer. Letzterer darf als neue Entdeckung für die britische Comedy gelten; umso bedauerlicher, dass seine Auftritte die kleinsten in der Show waren und er in einigen Folgen überhaupt nicht vorkam. (Philip Glenisters erster Ausflug in die Comedy muss allerdings als misslungen gelten. So gut er als ernster Schauspieler ist, hier war das Bemühen zu spürbar, es jetzt auch noch im komischen Fach zu Ruhm und Ehre bringen zu wollen.)

Ich wollte „Big School“ also mögen, und die zweite Folge (oft ja die entscheidende, meiner Meinung nach) war auch tatsächlich recht komisch, wie es überhaupt durchaus kurzweilige Momente, ja, ganze Episoden gab.

Dann aber gab es auch zähe Folgen, in denen unmotivierte Dinge geschahen, und selbst wenn die Plots funktionierten, waren die richtig lauten Lacher an einer Hand abzählbar. Das alleine macht britische Sitcoms nicht schlechter — britische Fernsehshows haben nun einmal nicht die finanzielle Möglichkeit, ein Dutzend Autoren an einer einzigen Serie arbeiten zu lassen (wenn man sich dagegen die gerade angelaufenen neuen Staffeln von „Modern Family“ und „Parks and Recreation“ ansieht, weiß man sofort, was ich meine: da folgt Gag auf Gag auf Gag). Aber hier, bei einer Mainstream-Show auf BBC1, die Freitag abends um neun zur besten Sendezeit läuft, waren es ja schon mindestens drei: Walliams und die Dawson Bros., und immerhin David Baddiel als Script Editor war auch noch mit an Bord.

Doch sie alle konnten den zweidimensionalen Charakteren nicht genügend Leben einhauchen: da war nichts als Klischee, keine Brechung, keine unerwartete Tiefe, nichts von dem, was für gewöhnlich britische von amerikanischer Comedy unterscheidet: dass Witze, dass Komik aus dem Charakter heraus entstehen, mehr als aus noch so komischen Onelinern.

Exemplarisch konnte man das an den Schülern sehen. Die spielten für die meisten Plots nur eine untergeordnete Rolle als desinteressierter Pöbel (weswegen sie gleich mit richtigen Schülern besetzt wurden statt mit Schauspielern) und entsprachen so genau der Vorstellung, die man von heutigen Sechzehnjährigen auf Secondary Schools hat. Das aber ist für eine Comedy eigentlich ein bisschen zu wenig, Vorurteile und Erwartungen eins zu eins zu übernehmen, statt sie — und sei es nur ein bisschen — zu brechen, oder immerhin zu übertreiben.

„Big School“, um es in der Sprache von Zeugnissen zu sagen, war stets bemüht. Das ganze Potential aber konnte die Serie nicht ausschöpfen. Eine Britcom, die gerne ein bisschen britischer hätte sein dürfen, was die Charaktere angeht, und ein bisschen amerikanischer, was die Gags betrifft.

„Big School“ ist gerade auf DVD erschienen und kann per Import bestellt werden.

This is Family Tree

27. September 2013 3 Kommentare

Spinal Tap, die Heavy Metal Band mit den röck döts über dem n, war bekanntlich die lauteste Band der Welt — weil sie die einzige Band mit Verstärkern war, deren Lautstärke man nicht wie üblich bis zehn, sondern sogar bis elf aufdrehen konnte. Doch trotz ihrer ungeheuren Lautstärke war der humoristische Ton von »This is Spinal Tap« (1984, Regie: Rob Reiner) eher leise. So entstand eine fein beobachtende, bisweilen sogar melancholische Doku-Parodie, die vor allem von den Hauptdarstellern und ihren improvisierten Dialogen (in einem parodierten Britisch-Englisch) lebte.

Christopher Guest, seinerzeit Leadgitarrist von Spinal Tap, hat diese komische Grundstimmung beibehalten, ebenso seine Vorliebe fürs Britische — und nun nach einigen kleinen Filmen (Titanic 5/2004) seine erste Sitcom vorgelegt: »Family Tree« (HBO/BBC). Auch hier gibt die Komik eben nicht eins auf die Zwölf, sondern, man verzeihe mir das gemopste Bild: auf die Elf. Chris O’Dowd (»The IT Crowd« und »Moone Boy«, siehe auch die »Humorkritik Spezial« in Titanic 12/2012) trägt hierzu als Tom Chadwick, Protagonist der Serie, das Seine bei, indem er den mehr oder weniger meschuggenen Menschen, auf die er trifft, stets zurückhaltende Irritation und ahnungslose Freundlichkeit entgegenbringt.

Und er trifft auf viele Meschuggene. Denn Tom, just arbeitslos geworden, erbt einen Koffer mit altem Krempel, zieht das Foto eines eindrucksvollen edwardianischen Offiziers heraus und beschließt umgehend – fasziniert von einer möglicherweise spannenden Familiengeschichte – seinen Stammbaum zu erforschen und noch lebenden Verwandten nachzuspüren.

Schnell stellt sich jedoch heraus, daß sein Vorfahr gar nicht der Porträtierte ist, sondern der Fotograf. Und natürlich war sein Urgroßvater, der neben Sir Laurence Olivier auf der Theaterbühne stand, nur Komparse und, als Teil seines eigenen Double Acts, die hintere Hälfte eines menschlichen Pferdes (die auch auf seinem Grabstein eingraviert ist). Doch Tom ist immun gegen Enttäuschungen, forscht immer weiter und gelangt in der zweiten Hälfte der Serie schließlich in die USA, wo er auf immer mehr Spinner trifft – und tatsächlich auf die komischeren. Womöglich ist die Fallhöhe in Amerika größer als in Großbritannien, wo Exzentriker förmlich zur Rudelbildung neigen; oder Christopher Guest kennt seine Landsleute doch ein bißchen genauer. Unter Umständen ist Guests amerikanischer Cast (der auch in seinen Filmen stets der gleiche ist) auch etwas besser eingespielt. Jedenfalls wird »Family Tree« nach einer eher schwachen ersten Episode von Folge zu Folge erfreulicher.

Am besten gefielen mir die Miniaturen, die Guest in jeder Folge untergebracht hat: kleine Parodien auf englische Sitcoms, wie sie Toms Vater gerne sieht (»There Goes the Neighbourhood«), oder die sehr komische Mischung aus Sherlock Holmes und Star Trek, »The New Sherlock Holmes«, die sich Tom gerne reinzieht. Überhaupt scheint mir Christopher Guest im episodischen Genre viel besser aufgehoben als im Spielfilm. Hier kann er sich ganz in seine Charaktere und deren absurde kleine Geschichten verwickeln – und prompt entsteht eine Serie, die mindestens doppelt so kurzweilig ist wie seine Filme. Gerade ist sie auf DVD erschienen und via Import erhältlich.

zuerst erschienen in der Humorkritik in Titanic 10/2013.

It ends with a bang

14. September 2013 Keine Kommentare

Nicht nur die Welt endet mit einem Knall, auch die Cornetto-Trilogie hat einen würdigen Abschluss gefunden: „The World’s End“, Edgar Wrights dritter Film mit dem Gespann Simon Pegg und Nick Frost, ist um einiges besser, als ich kurz befürchtet hatte.

Befürchtet hatte ich nämlich, dass die Begegnung Saufkumpane vs. Bodysnatcher, die hier in der englischen Provinz veranstaltet wird, eine flachere Variation von „Shaun of the Dead“ (2005) sein würde, und dass der fehlende Tiefgang womöglich durch Edgar Wrights überambitionierte Effekt-Exzesse (siehe „Scott Pilgrim vs. the World“, 2010) ausgeglichen werden sollte. Tatsächlich macht sich der mitunter arg gimmickhafte Einsatz von Special Effects in den ein, zwei Längen im dritten Akt bemerkbar, ebenso die daraus resultierende Comichaftigkeit, die arg zu Lasten der Realität geht: dass nach einer unerwarteten Schlägerei zwischen fünf Anfang Vierzigjährigen mit einer Horde Jugendlicher vom Roboter-Stern, die mit allerlei abgetrennten Gliedmaßen und zermatschten Köpfen endet, keiner der nicht sehr trainiert wirkenden Menschen auch nur die geringsten Blessuren hat, keinen abgerissenen Kragen, kein blaues Auge, und sogar Nick Frosts Brille noch genauso gut sitzt wie vorher — das ist dann doch ebenso unwahrscheinlich wie die gänzliche Unversehrtheit eines vierzig Jahre alten Autos, das später durch eine Hauswand fährt, ohne dass Kühler, Scheinwerfer und Stoßstange auch nur den geringsten Schaden nehmen. Nun denn, mit hat „Scott Pilgrim“ aus ähnlichen Gründen schon nicht gefallen.

Having said that, ist „The World’s End“ ein komisches Spektakel mit einer sympathischen Botschaft: Anpassung, soziales Funktionieren, letztlich Erwachsenwerden und Arbeiten (Roboter!) sind großer Bullshit — es lebe das Unvollkommene, das Kindische, das Besoffene, das Faulenzertum! „We wanna be free. We wanna be free to do what we wanna do. And we wanna get loaded. And we wanna have a good time.“ (Peter Fonda in Roger Cormans „The Wild Angels“, 1966, dessen Sample nicht nur hier im Film, sondern auch in Primal Screams „Loaded“ erscheint.)

In „The World’s End“ sind viele Motive drin, die nicht nur denen von „Shaun“, sondern natürlich auch von „Spaced“ (1999 – 2001, Channel 4) ähneln: Gary King ist ein Bruder im Geiste von Tim Bisley, zehn Jahre älter und ohne jede Karriere, auf die auch Tim nie hoffen durfte; und Wright und Pegg, die auch das Buch geschrieben haben, werfen alten „Spaced“-Fans jede Menge Schmankerl hin, die von kleinen Sound-Bits über Cast und Cameos (Julia „Marsha“ Deakin, Mark „Brian“ Heap, Michael „Tyres“ Smiley) bis hin zu Figuren reichen, die direkt aus „Spaced“ in „The World’s End“ rübergehüpft zu sein scheinen.

Wie schon Tim Bisley, obwohl aus dem Alter heraus, nicht von seinem Skateboard lassen konnte, so trägt hier Gary immer noch sein altes Sister of Mercy-T-Shirt, fährt einen morschen Ford Granada und lebt insgesamt hauptsächlich von seinen Jugenderinnerungen. Eine davon ist ein legendärer Pub Crawl, zwölf Kneipen am Stück, den er vor zwanzig Jahren mit vier Kumpels gemacht hat (Paddy Considine, Martin Freeman, Frost, Eddie Marsan) — damals allerdings, ohne dass sie es bin in den letzten Pub (das „World’s End“) geschafft hätten. Das will Gary nun, eher gegen den Willen seiner bürgerlich gewordenen Kumpels, nachholen, und muss feststellen, dass die Pubs durch Systemgastronomie ersetzt worden sind. Und die Einwohner des Provinzkaffs durch Roboter. Das hält ihn und seine Freunde allerdings nicht ab, und so (um nicht aufzufallen) ziehen sie, immer stärker alkoholisiert, von Kneipe zu Kneipe, bis sie zunächst ihren eigenen Konflikten nicht mehr davonlaufen können, und dann den Konflikten mit den Bodysnatchern.

Zum Glück übertreibt „The World’s End“ es nicht mit den Reminiszenzen, weder mit denen an Wright-Pegg-Frost-Projekte, noch mit denen an die Neunziger. Klar besteht der Soundtrack aus Primal Scream, The Soup Dragons (wie lange habe ich „I’m Free“ nicht mehr gehört!), den Happy Mondays, Pulp, Suede und Blur — aber alles in der richtigen Dosis. Ein kleines bisschen übertrieben ist möglicherweise die schiere Action, auf die sich „Shaun“ noch nicht so verlassen hatte, „Hot Fuzz“ dann schon etwas mehr, und die hier sehr dick aufgetragen ist, bis zu einem dann allerdings überraschend antiklimakterischen Ende. Aber hey, mit drei, vier Bieren und einem Cornetto geht’s schon.

Und muss ich abermals erwähnen, dass man „World’s End“ schon wegen der Wortgefechte und Sprachwitze nur auf Englisch sehen darf? Wer will denn bitte einen Witz verpassen wie „To the bitter end. Or the Lager end“?