Archiv

Archiv für September, 2014

Der respektiert Mr. Sloane

26. September 2014 Keine Kommentare

Wenn der Protagonist einer neuen Sitcom in deren erster Minute den Versuch unternimmt, sich zu erhängen, dies aber nicht schafft, weil die Schlinge aus der Verankerung reißt und der halb Strangulierte auf dem Wohnzimmerboden landet — dann ist das keine Überraschung (und deshalb auch kein Lacher). Wenn allerdings im nächsten Moment das Telefon klingelt, der eben noch Suizidale rangeht und mit melodischer Stimme »Watford 10579« in den Hörer flötet, als sei gar nichts gewesen und als säße er nicht mit einem Seil um den Hals im Bauschutt: dann ist das ein Gag. Und mehr als das: Es umreißt den Grundkonflikt von »Mr. Sloane« (Sky Atlantic), nämlich den eines nicht mehr ganz jungen Biedermannes, vor dem Abgrund zu stehen, sich aber nichts anmerken lassen zu dürfen.

Mr. Sloane jedenfalls gibt sein Bestes, die »old chap«-Fassade aufrechtzuerhalten. Von seiner Frau verlassen, als Buchhalter gefeuert, lässt er sich stoisch weiterhin von seinen drei Kumpel im Pub freundlich demütigen. Alles, was er dem trostlosen Leben entgegenzuhalten weiß, sind Saufen und Fressen. Denn obwohl es Ende 1969 ist und London längst swingt, ist davon in der Spießerwelt Watfords rein gar nichts zu spüren: Dort gehört es zum guten Ton, die Kinder während des abendlichen Pub-Besuchs im Auto warten zu lassen und anschließend volltrunken nach Hause zu fahren. Sloane selbst, stets korrekt gekleidet und immer verbindlich, ist im Grunde sogar noch in den Fünfzigern zu Hause. Da braucht es schon den Weckruf eines amerikanischen Blumenmädchens, das sich in die Provinz verirrt hat, um Sloane aus seinem selbstgeschaufelten Grab zu helfen. Oder ihn jedenfalls erkennen zu lassen, dass es sein Grab ist, das er sich da geschaufelt hat, und nicht seine Zukunft als wohlangesehener Mann.

»A Well Respected Man« von den Kinks hat Robert B. Weide, seines Zeichens Co-Creator und Regisseur von »Curb Your Enthusiasm«, als Titelsong für seinen Ausflug ins britische Fernsehen gewählt, und Weide schafft es, den Spott über das Altmodisch-Reaktionäre, der in diesem Song wie in der ganzen Serie steckt, stets auszubalancieren: indem er nämlich Nick Frost als Sloane besetzt. Frost, statt diesen armen Mann zur Witzfigur zu machen, legt Sloane so melancholisch-gutmütig an, dass man gar nicht anders kann, als mit ihm zu sympathisieren. Und nicht nur mit ihm, sondern mit der ganzen Serie.

Denn »Mr. Sloane« ist durchgehend sympathisch: sehr britisch (was erstaunt; ist doch Weide selbstredend Amerikaner), sehr filmisch gedreht mit viel Dunkelheit und starken Kontrasten, sowohl mit trockenem Humor als auch mit Slapstick ausgestattet und mit einer durchgehend starken Besetzung, von Olivia Colman (»Peep Show«) als (Ex-)Frau Sloanes bis hin zu Peter Serafinowicz als Sloanes Freund, Arbeitskollege und Bully.

Leider ist Weides Vorliebe fürs Altmodische zugleich die Schwäche der Serie. Denn einige Scherze (dicke Frauen fragen, »wann es denn soweit ist«; verstopfte Toiletten mit einem Regenschirm bearbeiten; Verwechslung von anzüglichem Hochzeitsgruß mit einer Beileidskarte) meint man nun doch schon gesehen zu haben, und auch ein unfreiwilliger Haschischrausch Sloanes hat Auswirkungen, die man eher LSD zuschreiben würde als harmlosem Marihuana. Andererseits sind viele von Weides Onelinern so gut, dass man sie bereits für Klassiker halten könnte. Etwa den, wenn sich die Freunde im Pub über das Eheleben unterhalten: »I’ll never get married. I just find a woman who hates me and then buy her a house.«

zuerst erschienen in der Humorkritik in Titanic 10/2014.

Larger than Wildlife

21. September 2014 Keine Kommentare

Wann haben Sie das letzte Mal mit leuchtenden Augen vor einer deutschen Fernsehserie gesessen?

Rhetorische Frage. Aber eine, die sich mir aufgedrängt habe, als ich feststellen durfte, dass Weihnachten dieses Jahr ein bisschen früher gekommen ist: nämlich mit der Ankunft von „Our Zoo“ (BBC1, drei von sechs Folgen sind bereits gelaufen). Man stelle sich eine Mischung aus „Downton Abbey“ und „Dschungelbuch“ vor, also ein großes BBC-Kostümdrama. Mit Tieren.

Nordengland, 1930. George Mottershead (Lee Ingleby) entdeckt in der Quarantänestation des örtlichen Hafens einen Papagei und ein Totenkopfäffchen, an denen niemand Besitzansprüche geltend macht und die deshalb eingeschläfert werden sollen. Bevor es dazu kommt, erwirbt lieber er die beiden Tiere. Allerdings lebt George noch, zusammen mit Frau und zwei Töchtern, bei seinen Eltern über deren Gemischtwarenladen; entsprechend knapp ist der Platz für die Tiere. Doch bei seinem Versuch, die Viecher wieder loszuwerden, bringt er es nicht nur nicht übers Herz, sie an den im Ort gastierenden Zirkus zu verkaufen — er kommt sogar mit einem weiteren Tier nach Hause zurück: einem Kamel. Leicht vorzustellen, dass das die Neugierde der Nachbarn weckt. So sehr, dass sie sogar dazu bereit sind, Geld für einen Blick auf die exotischen Tiere zu bezahlen.

Das ist die — wahre — Gründungsgeschichte des Chester Zoo: der Weltkriegsveteran Mottershead, nach Erfahrungen an der Front eher Tier- als Menschenfreund, beginnt eine skurrile private Tiersammlung und setzt irgendwann alles auf eine Karte: er ersteigert Oakfield Manor, ein verfallendes Anwesen, und baut es auf eigene Faust zu einem Privatzoo um. Ohne Konzession, erst mal. Was weder seine Familie freut (seine Eltern müssen ihr Geschäft verkaufen, seine ältere Tochter Muriel (Amelia Clarkson) hat es überhaupt nicht mit Tieren) — noch die Dorfgemeinschaft von Upton by Chester, die sich wegen möglicher ansteckender Krankheiten der Tiere Sorgen macht.

Und um die beiden Schwarzbären, die Mottershead als nächstes erwirbt. Denn Mottershead will nicht irgend einen Zoo: er will einen ohne Käfige, ohne Gehege, einen Zoo mit freilaufenden Tieren. Hagenbeck lässt grüßen.

Klar, „Our Zoo“ ist Wohlfühlfernsehen — aber brillantes. Die Konflikte sind überschaubar und nicht allzu bedrohlich. Es gibt etliche Identifikationsfiguren, etwa „The Royle Family“s Ralf Little als Georges Schwager Billy, die vierjährige Tochter June (Honor Kneafsey), die auch als Erzählerin fungiert, und Georges Vater Albert (Peter Wight). Vor allem aber kann man in die plüschigsten Bilder versinken, seit „Downton Abbey“ ihre Tore geöffnet hat: Kostüme, Herrenhäuser, Stadtlandschaften der 30er-Jahre und Tiere, Tiere, Tiere: Äffchen, Pelikan, Schwarzbären, Fuchs, Ziegen, Pinguine; es ist wie Weihnachten und Welttierschutztag an einem Tag.

Was „Call The Midwife“ (BBC1 seit 2012) für die Diskussion von (junger) Familie ist und „Downton Abbey“ für die über gesellschaftliche Unterschiede während einer tiefgreifenden Zeitenwende, ist „Our Zoo“ für den Diskurs darüber, wie wir mit den Tieren umgehen wollen: die Historisierung nimmt die Schärfe aus der Auseinandersetzung und rückt alles in ein weiches, warmes Licht, aber in der Sache wird es dafür umso direkter. Nicht zufällig rettet George einen gehetzten Fuchs vor der Jagdmeute, zu der auch der zwielichtige Reverend Webb (Stephen Campbell Moore, „The Wrong Mans“) gehört: die Fuchsjagd ist ja immer noch geradezu symbolisch für den Widerstreit zwischen Tradition und einem sich wandelnden Weltbild, wie man mit Tieren umgehen darf und sollte.

Aber „gesellschaftlicher Diskurs“ ist wirklicht nicht das Erste, was einem in den Sinn kommt, wenn man „Our Zoo“ sieht. Nicht mal das Zweite. Das wären nämlich „awww“, und dann noch mal „awwwwwww!“.

Zum Glück kommt dieses Jahr aber Weihnachten auch noch an Weihnachten, und wer Frau und (des Englischen mächtigen) Kindern eine schöne Bescherung machen will, der kann jetzt schon die DVD von „Our Zoo“ vorbestellen. Sie erscheint am 27. Oktober.

Giftige Romcom

16. September 2014 3 Kommentare

Toxic nennen Amerikaner, für die soziale Begegnungen ja gar nicht oberflächlich freundlich genug sein können, solche Mitbürger, deren Stinkstiefeligkeit alle Menschen in ihrer Umgebung „runterzuziehen“ droht. Quietschvergnügt muss das Sozialleben ja mindestens sein in den USA, und wer seine Umwelt nicht permanent mit guter Laune ansteckt, sondern ein Miesepeter ist, ein mürrischer Brummkopf oder gar Engländer, der wird geschnitten, kriegt keine Weiber ab und kann sich schon freuen, wenn er zur Hochzeit seiner Exfreundin eingeladen wird.

Wenn er dann doch eine abkriegt, die gerade Bock auf einen sinnlosen One Night Stand hat, weil sie Hochzeiten deprimierend findet, und sich aus diesem One Night Stand dann eine (Nicht-) Beziehung entwickelt, die „kompliziert“ zu nennen eine schamlose Untertreibung wäre: dann ist das Rezept für eine Sitcom gefunden, die auf dem amerikanischen Markt gerade ziemlich einzigartig ist.

„You’re the Worst“ (FX, gerade sind neun von zehn Folgen gelaufen) erzählt die Geschichte dieser, genau: toxic relationship, also die Geschichte von Jimmy Shive-Overly (Chris Geere), einem englischen Jungautor in Los Angeles, und Gretchen (Aya Cash), der PR-Frau einer schwer angesagten schwarzen HipHopper-Bande. Beide sind recht erfolgreich, zumindest hat Jimmys Vorschuss auf sein erstes Buch für ein schniekes Haus gereicht, und Gretchen hat jederzeit genügend Kohle für Drogen auf der Naht.


Beide funktionieren also, wie es sich für anfang Dreißigjährige in L.A. (und auch überall sonst) gehört; aber beide sind emotional taub und blind, könnten ihre Gefühle kaum benennen, wenn sie denn welche hätten, und würden sie aber auch dann verleugnen, wenn sie welche hätten und sie benennen könnten.

Stattdessen haben sie schon mit Anfang Dreißig das Konzept von festen Beziehungen begraben — und müssen sich, als sie einander als verwandte Geister erkannt haben, umso quälender an den kleinsten Dingen abarbeiten, die Paare so tun: zusammen aufwachen, Schlüssel tauschen, die gemeinsamen Sonntags-Aktivititäten gegen nervtötende Hipster verteidigen.

Zum Glück schafft es Creator Stephen Falk, der schon für das hervorragende „Orange is the New Black“ (Netflix seit 2013) und „Weeds“ (Showtime, 2005 – ’12) geschrieben hat, Jimmy und Gretchen nicht als die ungehobelten, narzisstischen, lauten dreißigjährigen Pubertierenden erscheinen zu lassen, die sie sind — nun ja, jedenfalls nicht nur. Er stellt ihnen Jimmys Hausmitbewohner Edgar (Desmin Borges) zu Seite, einen an PTSD leidenden Veteran, der trotz seiner Heroin- und Medikamentenabhängigkeit die verständigste, mitfühlendste, sympathischste Figur der Serie ist, immer um Jimmy und Gretchen und ihre Beziehung besorgt, und Lindsay (Kether Donohue) als Gretchens beste Freundin, die längst bereut, dass sie einen spießigen Langweiler geheiratet hat, um finanziell abgesichert zu sein.

Dank dieser Nebenfiguren ergibt sich nämlich ein größeres Bild: eines von einer Generation, die sich zwischen beruflicher und existenzieller Anpassung und innerer Leere aufreibt, an sich selbst leidet und damit ihren Mitmenschen gehörig auf die Nerven geht. Im wirklichen Leben möchte man nämlich weder Gretchen noch Jimmy begegnen (z.B. im Kino).

Allerdings möchte man den meisten Figuren dieser Serie nicht im wirklichen Leben begegnen: weder dem noch egozentrischeren Filmregisseur, mit dem Gretchen hin und wieder schläft, noch den schwarzen Hip Hoppern, von denen einer Shitstain heißt und die insgesamt enorm von Donald Glovers Troy Barnes in „Community“ profitieren. Schon gar nicht aber den Hütchen-Hemdchen-Bärtchen-Hipstern, die schamlos Edgars „Funday“-To-Do-Liste abkupfern (obskurer Plattenladen, Nackenmassage im Park, versteckter Taco-Stand).

Bedauerlich, dass „You’re the Worst“ noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die die Serie verdient (in den USA im Schnitt nur eine halbe Million Zuschauer), denn die könnte, wenn sie sich so weiterentwickelt, durchaus mit „Parks and Recreation“ oder dem US-„The Office“ mithalten. Mit Alex Hardcastle ist auch schon ein (britischer) Regisseur genau dieser Serien an Bord, der außerdem schon bei „Lead Balloon“ und „Not Going Out“ Regie geführt hat, und ebenso Matt Shakman, der schon bei „Mad Men“, „Six Feet Under“, „House M.D.“ und „It’s Always Sunny in Philadelphia“ auf dem Regiestuhl saß.

Vielleicht lösen dann Jimmy und Gretchen am Ende noch „Communitys“ Britta ab, von der es ja nun bislang immer hieß: You’re the worst. Sechs Staffeln und einen Film, bitte!

Gute Witze, schlechte Witze

2. September 2014 6 Kommentare

Seit ich (bewusst) fernsehe, gibt es amerikanische Sitcoms, bei denen ich immer mal wieder beim Durchzappen hängen geblieben bin; einige davon habe ich irgendwann regelmäßig geguckt; zwei davon habe ich irgendwann komplett auf DVD erworben und auch noch einmal von A bis Z geguckt: „Seinfeld“ (NBC, 1989 – ’98, deutsche Erstausstrahlung 1995 auf ProSieben) und „Frasier“ (NBC, 1993 – 2004, dt. Ea. 1995 auf Kabel eins). Jetzt, nachdem das Box Set in Großbritannien auf erschwingliches Niveau gefallen ist, ist „Cheers“ dran (NBC 1982 – ’93, dt. Ea. 1985 im ZDF).

Klar, nach „Cheers“ kamen US-Sitcoms, die mich mehr geprägt haben: „Married … with Children“ (Fox, 1987 – ’97, dt. Ea. 1992 auf RTL als „Eine schrecklich nette Familie“) und „Frasier“, weniger schon wieder „Friends“ (NBC, 1994 – 2004, dt. Ea. 1996 auf Sat.1). Heute bleibe ich hin und wieder bei „The Big Bang Theory“ (CBS, seit 2007, dt. Ea. 2009, ProSieben) und „How I Met Your Mother“ (CBS, 2004 – ’15, dt. Ea. 2008, ProSieben) hängen, aber erwerben und von Anfang an gucken würde ich sie nicht. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

Alle diese Sitcoms hatten drei Gemeinsamkeiten:

– Sie liefen sehr lange und hatten viele Folgen pro Staffel (i.d.R. über 20), so dass sie schon allein qua Menge praktisch täglich liefen und laufen, oft sogar mehrere Folgen am Tag. Man konnte ihnen gar nicht entkommen. Schon gar nicht früher, als es noch nicht so viele Sender gab.

– Sie waren praktisch statisch, d.h. es kamen zwar über die Staffeln hinweg Figuren dazu und andere Figuren verließen die Show, aber abgeschlossene Handlungsbögen (wie sie bei britischen Sitcoms mit ihren sechs Folgen pro Season die Regel sind) gab es praktisch nicht. Dass mal eine Figur eine andere heiratete (Niles etwa Daphne) war schon ein Höhepunkt und auf lange Sicht auch schon einigermaßen knifflig, weil es das Beziehungsgefüge der Figuren ja nicht unwesentlich veränderte. Die Frage will they, won’t they war damit nämlich beantwortet.

– Sie waren alle live vor Publikum aufgezeichnet.

Als ich gestern nun die ersten drei Folgen „Cheers“ zum ersten Mal in dieser Reihenfolge gesehen habe (womöglich auch tatsächlich zum ersten Mal, jedenfalls konnte ich mich nicht daran erinnern, wie Diana überhaupt zum Bar-Team gestoßen ist), war ich überrascht: überrascht, wie gut „Cheers“ gealtert ist. Denn 1982 war ich zehn, die Fernsehstandards haben sich seitdem stark geändert, und ich wüsste auf Anhieb weder eine deutsche noch eine englische Sitcom aus dieser Zeit, die heute noch den Test der Zeit so gut bestünde.

Aber „Cheers“ funktioniert wie ein Uhrwerk: Diana (Shelley Long) kommt in der Pilotfolge als die neue Figur in ein schon bestehendes Setting (das der Bar), und zwar auf eine Weise, die ihre spannungsgeladene Beziehung zu Sam (Ted Danson) klärt: sie, Studentin der Boston University, ist mit ihrem Verlobten, dem Professor Sumner Sloan auf dem Weg zur Hochzeit und in die Flitterwochen. Er will nur noch den Ehering von seiner zukünftigen Exfrau holen, Diana wartet so lange im Cheers. Und wartet. Und wartet. Und lässt sich so lange von Sam aufziehen, der als ehemaliger Jock, als gutaussehender (und dem Vorurteil nach dümmlicher) Sportler das Gegenteil von dem ist, was Diana als männliches Ideal vorschwebt. Während umgekehrt natürlich auch sie als halbintellektuelle Oberschichtsangehörige überhaupt nicht in sein Beuteschema passt.

Während Diana also auf ihre Verlobten wartet (der selbstverständlich nicht zurückkehrt), wird uns das restliche Personal vorgestellt: Coach (Nicholas Colasanto) als seniler Alter, der für irrlichternd-abseitige Witze zuständig ist, Carla (Rhea Perlman) als verbitterte Kellnerin, dere Gebiet die schneidend-treffende Punchline ist, sowie die Stammgäste Norm (George Wendt) und Cliff (John Ratzenberger), die das tun, was Bargäste tun: saufen und Quatsch reden („Bier? Ja, davon habe ich gehört“).

Die Dialoge aber sind so schnell und mit guten, nacherzählbaren Pointen gestrickt, dass ich kaum mit dem Mitschreiben nachgekommen bin: visuelle Scherze, Dialogscherze, schnell reingestreute Gags (das Telefon klingelt. Carla: „Who’s not here?“ alle Gäste: „Me!“) — alle Witze zeitlos (also ohne Anspielungen ewta auf zeitgenössische Promis oder Themen), immer in charakter (also nicht nur komisch, sondern auch die Figur beschreibend, die den Gag liefert) und selten der erwartbarste Witz, sondern meistens ein besserer. Wenn es aber der Witz war, den ich habe kommen sehen, dann war er immerhin viel schöner ausgeführt, als ich es erwartet hätte.

Aber das sind halt die Vorteile, wenn man erfahrene Produzenten (in diesem Falle James Burrows, Glen Charles und Les Charles) und Autoren hat (u.a. Ken Levine und Earl Pomerantz), die in der Lage sind, so gute Witze gut in Szene zu setzen, dass ein Live-Publikum sich wegschmeißt vor Lachen.

Und dann habe ich „Welcome to Sweden“ gesehen (NBC, 2014).

Gut, das hätte ich nicht, wenn nicht Amy Poehler („Parks and Recreations“) als Produzentin hinter dieser Show steckte, in der ihr Bruder Greg Poehler die Haupt- und sie selbst eine Nebenrolle spielt. Wie auch Aubrey Plaza (dito „Parks and Rec“), Will Ferrell, Gene Simmons von Kiss, Patrick Duffy und andere Prominente.

„Welcome to Sweden“ ist eine mit nur einer Kamera gefilmte Sitcom (das immerhin im schönen Schweden), also ohne Publikum. Und das ist auch besser so, denn viel zu lachen hätte da auch niemand. Was jetzt nicht bedeuten soll, dass das die Anforderung an jede Comedy ist; Louis CK etwa schafft ja auch (oft) gute Sitcomfolgen, die ohne große Lacher auskommen.

Aber „Welcome to Sweden“ behauptet, komisch zu sein. Stattdessen liefert die Show über US-Expat Bruce (Poehler), der mit seiner schwedischen Frau Emma (Josephine Bornebusch) in ihre Heimat zieht, dann allerdings nur konventionelle Peinlichkeitsscherze, die ohne große Pointen auskommen — wenn sich etwa Emma mit einer Freundin auf Schwedisch über eine sterbende gemeinsame Bekannte unterhält und Bruce dazwischenkaspert, indem er sich über die schwedische Sprache lustig macht. Oder komisch gemeinte Figuren wie Emmas Slacker-Bruder Gustaf, der aber über diese eine Eigenschaft großer Faulheit hinaus völlig flach bleibt.

Ich habe so eine Ahnung, dass „Welcome to Sweden“ in dreißig Jahren nicht mehr so gut funktioniert wie „Cheers“ heute. Aber das ist nur so eine Ahnung. Als Kontrastmittel zu einer klassischen Sitcom hätte es aber kaum ein besseres geben können.

Und „Welcome to Sweden“ hat so (unfreiwillig und eher zufällig) meine These untermauert, dass es kein Zufall ist, dass die großen Sitcoms, die, mit denen wir auf- und die uns ans Herz wachsen, alle live vor Publikum gedreht sind. Schon weil ein Livepublikum der beste Test dafür ist, wie komisch eine Sitcom tatsächlich ist.

„Cheers“ ist komisch, nach dreißig Jahren immer noch. „Welcome to Sweden“ nicht.

Ich werde über die nächsten Wochen nach und nach die 42 DVDs durcharbeiten, die der Ziegel von einer Komplettbox „Cheers“ hat, oder es jedenfalls versuchen, und darüber bloggen. Wenn es etwas Bloggenswertes gibt jedenfalls.