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Was will Will wirklich?

Gerade geht ein Ausschnitt aus der Jimmy-Kimmel-Show rum, in dem Will Arnett von seinen Erlebnissen vor und hinter den Kulissen von „Wetten, dass..?“ erzählt. Hier ist er:

… leider nicht mehr.

Eine schöne Vorlage, die Meedia wie auch Nutzer sozialer Netzwerke gerne nehmen, um ihre Kritik an „Wetten, dass..?“ von prominenter Seite bestätigt zu sehen. Aber auch zu Recht?

Damit zweierlei klar ist: ich will weder „Wetten, dass..?“ schönreden, dazu ist ja die häufig und von jedermann geäußerte Kritik dann doch zu berechtigt. Es ist halt ein in die Jahre gekommenes Format, dessen Moderator einem durchaus unsympathisch sein darf. Und ich will auch nicht unterstellen, Arnett sei böswillig oder hätte nicht Recht mit dem, was er erzählt. Ich glaube ihm alles, was er sagt.

Aber da liegt schon der Hase im Pfeffer: es geht im Grunde nicht um Wahrheit oder Fakten oder Informationen bei dem Ausschnitt aus Kimmels Show. Sondern es geht um eine Anekdote, um Comedy, um fünf Minuten amüsantes Geplauder, das umso komischer ist, wenn es auf Klischees und Vorurteilen fußt, an die die Zuschauer anschließen können.

Glaubt man ja auch sofort, dass es ein Handicap gerade für Comedians ist, wenn ein Gespräch erst von Synchronübersetzern nachgeplappert werden muss, so dass jede Pointe, jedes Timing ruiniert sind. Da kann man schnell auf die Idee kommen, Deutsche hätten per se keinen Humor und seien unempfindlich gegen Witze — selbst wenn das nicht ohnehin das Klischee wäre, das jeder gerne belacht.

Noch einmal: dagegen habe ich gar nichts — Klischees sind natürlich Klischees, eben weil sie so oft stimmen, und in der Comedy unverzichtbar, wenn man schnelle, mehrheitsfähige Witze machen möchte.

Aber ich glaube nicht, dass man diese Witze zur Grundlage von inhaltlicher Fernsehkritik machen sollte. Oder auch nur zur Bestätigung eigener Kritik heranziehen.

Denn natürlich hätte sich Arnett genauso gut über italienisches, französisches, polnisches, russisches Fernsehen und seine Shows lustig machen können, wäre er dort eingeladen gewesen. Macht er ja vielleicht auch, was weiß ich.

Genauso wie sich jeder deutsche Fernseh- und Filmstar darüber lustig machen könnte, wie im Ausland Fernsehen gemacht wird — wenn darüber in Deutschland nicht sofort die Nase gerümpft würde (und wenn es deutsche Fernseh- und Filmstars gäbe, die im Ausland in Fernsehshows auftreten): die schrill-bunten Kulissen des französischen Fernsehens! Die leicht bekleideten Mädels im italienischen Fernsehen! Zum Schießen, diese Ausländer.

Aber würde das in Italien oder Frankreich wirklich zum Beleg dafür herangezogen, dass die eigenen, landestypischen Sehgewohnheiten falsch, schlecht, doof wären? Ich hoffe nicht.

Denn kann es wirklich darum gehen, dass ein amerikanischer Star in eine deutsche Fernsehshow eingeladen wird und dann praktisch keinen Unterschied zu zuhause feststellt? Weil überall die gleichen Standards gelten, weil es einen globalen Mainstream gibt, der überall gleichermaßen funktioniert? DANN wäre etwas falsch und schief gelaufen.

Um es nochmal zu sagen: das heißt nicht, dass mit „Wetten, dass..?“ alles gut wäre. Ist es nicht.

Aber ich glaube nicht, dass Will Arnett ein guter Zeuge der Anklage ist und dass dieser Clip als Beleg dafür dient, wie desaströs das deutsche Fernsehen ist.

  1. Janni
    30. Oktober 2014, 16:03 | #1

    Ich habe auch auch gar nicht hören können, an welcher Stelle Will Arnett sagt, „Wetten, dass…“ wäre ein einziger Haufen TV-Schrott. Viel mehr höre ich da ehrliche Verwunderung über das für ihn exotische, undenkbare Format. Das ist sehr, sehr lustig, wie er das erzählt, aber wirklich keine Steilvorlage für Menschen, die Schaum vor dem Mund bekommen, wenn sie das Kürzel GEZ auf drei Kilometer Entfernung nur erahnen können, hast du Recht.
    Da wird in den einschlägigen Portalen halt so interpretiert, wie es die eigene Meinung zulässt. Normal. Trotzdem konnte ich nicht mehr vor Lachen. Ich mag Will.

  2. shtumm
    30. Oktober 2014, 19:40 | #2

    Wenn ich das richtig verstanden habe, äußert sich dieser Mensch doch auch wohlwollend-überrascht sowohl über die Weitläufigkeit als auch die extremen Ausmaße des “Wetten, dass…“ Studios. Und das klingt doch nicht wie Kritik, sondern wie eine Prise Verblüffung gepaart mit latentem Respekt. Und Probleme mit einem Synchron-Ohrstöpsel einem fehlenden deutschen Humor oder dessen nicht existierendem Timing anzulasten – so was ist doch richtig unfair.
    Man möchte fast schon meinen, dass unser Fernsehprogramm Hauptschuldiger an allem Elend in der Welt ist, wenn man sich die Kommentare hierzu durchliest. Diese Annahme ist aber nicht bzw. nur begrenzt richtig!
    Die „Wetten, dass…“- Episode, wo dieser Vorfall passiert ist, habe ich leider nicht gesehen. Ich bin mir aber sicher, dass Frank Elstner als (keineswegs unsympathischer) Gastgeber auch da wieder sein bestes gegeben hat.

  3. icrievertiem
    30. Oktober 2014, 20:03 | #3

    „Weil überall die gleichen Standards gelten, weil es einen globalen Mainstream gibt, der überall gleichermaßen funktioniert? DANN wäre etwas falsch und schief gelaufen.“

    warum?

  4. 30. Oktober 2014, 20:11 | #4

    Nun, weil unterschiedliche Völker, unterschiedliche Generationen, Geschlechter usw. unterschiedliche Geschmäcker haben und sich das im Fernsehen widerspiegeln sollte. Fernsehen, das allen gefällt, gefällt niemandem – das ist eines der (vielen) deutschen Probleme. Je Mainstream, desto gähn.

  5. Anthony Junior
    30. Oktober 2014, 21:28 | #5

    Wetten, dass… ist eine scheußliche Veranstaltung, und jedem, der sich darüber lustig macht, ist bedingungslos zuzustimmen. Es ist falsch, schlecht und doof. Tatsächlich sollten sich auch mehr Leute über den krassen Sexismus im italienischen Fernsehen lustig machen. Vielleicht würde es ja doch dort „zum Beleg dafür herangezogen, dass die eigenen, landestypischen Sehgewohnheiten falsch, schlecht, doof“ sind, ich würde es hoffen. Mir fällt halt nur kein Deutscher ein, der in italienische Fernsehsendungen eingeladen würde UND das auch nur annähernd so witzig wie Arnett hinbekommen könnte.

  6. 31. Oktober 2014, 04:22 | #6

    War doch eine lustige Anekdote von Will.
    Deutschland hat 6 mal im Jahr eine crazy Show, buehne so gross wie ein Footballfeld und jede Menge Stars aus USA, die absolut keine Ahnung haben, was da eigentlich vorgeht.
    Das nun als negative Kritik an Wetten dass zu sehen.. naja, wenn man unbedingt was braucht, gibt aber sicherlich bessere Ansatzpunkte, die Show zu kritisieren.

  7. Torsten
    31. Oktober 2014, 11:53 | #7

    Fast 1:1 genauso war es auch bei Tom Hanks, der angeblich auch ganz böse über Wetten, Dass..? hergezogen wäre, obwohl seine Kritik keinesfalls negativ, sondern eher nostalgisch-verniedlichend gemeint war, da er es als altmodische, aber irgendwie liebenswerte Unterhaltungs-Show beschrieb. Interessant auch, dass solche an sich harmlosen Äußerungen in der Presse überhaupt so einen Wirbel machen. Anscheinend ist Wetten, Dass-Kritik für viele deutsche Journalisten noch immer ein Sakrileg, obwohl sie es doch gleichzeitig ständig selbst praktizieren.

  8. anette
    31. Oktober 2014, 14:03 | #8

    Herr Arnett erschien auch sehr unterinformiert über die Show. So, als ob man unschuldig in ein Baseball-Stadion gerät und sich darüber aufregt, dass die Fußballer dort ohne Tore spielen und mit Stöckchen auf einen viel zu kleinen Ball eindreschen.
    Haben Stars keine Personal Assistants? Wird man zur Filmpromotion in ein Flugzeug gesetzt mit den Worten: „good luck, next stop is Germany. Everyone speaks English there“? Der Ärmste.

  9. anette
    4. November 2014, 13:20 | #9

    Ach, und nun erklärt Thomas Rogers von der New Republic der Welt wie der Deutsche so drauf ist: http://www.newrepublic.com/article/120105/wetten-das-german-talk-show-american-celebrities-fear.

    Und vergisst dabei sein Geschwätz von gestern über das deutsche Fernsehen: http://www.newrepublic.com/article/113138/our-mothers-our-fathers-germanys-wwii-miniseries-comes-us

  10. 4. November 2014, 13:40 | #10

    Haha, ich glaube, schlocky und smarmy werden meine zwei Lieblingsadjektive der nächsten Zeit. Oder sind es Schlumpfnamen? „Schlocky, Smarmy, kommt mal her!“

  11. anette
    4. November 2014, 13:57 | #11

    Oder die Sieben Disney Zwerge, „Heigh ho, heigh ho, to the show we go“. Schlocky, Smarmy, Sleezy, Cheesy, Grumpy und noch zwei.

  12. Kenny
    4. November 2014, 14:33 | #12

    anette :
    Oder die Sieben Disney Zwerge

    Oder The Zwei Deutsche (Fernseh-)Stooges.

  13. anette
    4. November 2014, 17:10 | #13
  14. 4. November 2014, 17:20 | #14

    Jein – tatsächlich gibt es ein Dutzend bis maximal 20 gut bis sehr gut bezahlte Autoren, die das Gros der Jobs machen. Aber nicht, weil es sonst keine guten Autoren gäbe, sondern weil die Produktionsfirmen am liebsten mit Leuten zusammenarbeiten, die Erfahrung haben und von denen sie wissen, dass sie sich auf die verlassen können. Die habens nicht so damit, Neues auszuprobieren – genau wie die Sender ja auch.

    Und sie wollen vor allem kein Geld damit vertun, neue Autoren nachzuziehen, die erst Zeit brauchen, sich einzuarbeiten. Einer der Gründe, warum man heute noch praktisch allerorten auf Comedyautoren trifft, die auf der Brainpool Gag Academy waren – eine der wenigen historischen Möglichkeiten, die Autoren mal für eine Form von Ausbildung hatten.

    Vor allem braucht es Allrounder, Autoren, die heute DSDS betexten können und morgen eine Late Night Show schreiben und übermorgen eine fiktionale Serie. Spezialisierungen in der Comedy sind, glaube ich, schwierig in Deutschland, weil es halt kein so großes Feld ist, das da bestellt werden kann. In den USA können sich Autoren auf Sitcom spezialisieren oder auf Late Night oder satirische News-Shows – hierzulande wäre das ein hartes Brot, schätze ich.

    Gerade das scheint Grimm ja auch zu schätzen, weil er praktisch nur Autoren erwähnt, die sogar noch vor der Kamera stehen – Welke, Ehring, van der Horst, Beisenherz -, und das ist natürlich die Steigerung des Allrounders, nicht nur Autor zu sein, sondern auch noch Darsteller.

  15. anette
    4. November 2014, 20:18 | #15

    Danke!

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