Die Leiden des jungen Gärtners
Ich muss es gleich einräumen: Den obenstehenden Titel habe ich nur gewählt, weil der Anklang so schön gepasst hat. So jung ist er ja nämlich nicht mehr, der „junge“ Gärtner, haha, und es wäre natürlich auch unprofessionell, die Hauptfigur in Gärtners Roman „Putins Weiber“ (Rowohlt Verlag) mit dem Autor gleichzusetzen. (Apropos setzen: Neben ihm, also Gärtner, habe ich zehn Jahre in der Redaktion von TITANIC gesessen und wir sind befreundet, nur damit das gleich offengelegt ist.)
Andererseits ist die Hauptfigur schon erkennbar mit Zügen des Autors ausgestattet: selbst Autor, Kolumnist gar; der Roman spielt an Orten, wo auch sein Autor wohnt oder gewohnt hat (Frankfurt/Main, Bielefeld), und es gibt auch einige Details, die sich dem Leser ohne persönliche Bekanntschaft zu Gärtner nicht ohne weiteres erschließen.
Allerdings, und da fängt das Verwirrspiel schon an, distanziert sich der Autor sofort von seinem Werk, auch innerhalb des Romans, der nämlich aus der Sicht von gleich zwei männlichen Hauptfiguren geschrieben ist, einmal in der ersten und einmal in der dritten Person: Da gibt es nicht nur Putin, der von Vera, seiner Freundin betrogen und anschließend freigestellt wird in dem Sinne, dass er nun ebenfalls „einen gut“ hat. Sondern da ist noch der Icherzähler Winkelhock, (allzu) freier Autor, ebenfalls um die 40, der es mit den Weibern in seinem Leben immer so gehalten hat, dass er sich zwar überall Appetit geholt hat, aber wie die Maus im Käseladen darüber beinah verhungert wäre und sich nun auf die Suche macht: Nach den vertanen Chancen, verpassten Gelegenheiten und nicht getroffenen Entscheidungen.
Wie deckungsgleich diese beiden Figuren sind, soll nicht verraten werden. Wohl aber, dass diese recherche du temps perdu mit leichter Feder geschrieben, mit funkelnden Dialogen durchsetzt und überhaupt sehr unterhaltsam geraten sind. Denn „Putins Weiber“ ist zwar ein Roman der (auch nicht mehr ganz so) neuen Innerlichkeit — durchaus verblüffend, ist Gärtner doch sonst eher systemtheoretisch und -kritisch unterwegs –, aber klarerweise ein ironischer, humorvoller.
Da bramarbasieren die Provinz-Bohemiens in bester Henscheid-Schule bei endlosen bekifften Gartenfesten, werden freundschaftliche Dialoge mit der ganz feinen Klinge ausgefochten und, ja, dann doch auch Frauen verräumt. Zur Sache, Schätzchen, wünscht man sich zwar hin und wieder, wenn die Parenthesen sich türmen, aber das ist nun mal Gärtners Stil, und der ist ansonsten von Genauigkeit und Poesie getragen, also seien ihm die allzu absichtsvoll komplizierten Schachtelsätze verziehen.
„Putins Weiber“ stellt sich in die Tradition der Neuen Frankfurter Schule: komisch, vor allem, literarisch eher im Vorbeigehen, ohne große Botschaft und ohne den Anspruch, für mehr zu stehen als sich selbst, am Ende gar für eine Generation, obwohl sich womöglich genau deshalb mehr Männer in Putin wiedererkennen könnten, als man glaubt: die ihr Leben vor sich her geschoben haben und nun, weil sie nichts verpassen wollten, befürchten müssen, alles verpasst zu haben.
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