Britcoms?
Eines der Probleme dieses Blogs ist: es heißt britcoms.de und soll sich eigentlich um britische Sitcoms drehen. Das tut es allerdings nicht mehr so oft, und zwar nicht zuletzt, weil ich in letzter Zeit immer weniger britische Sitcoms finde, über die es sich zu berichten lohnen würde.
Warum ist das so? Finde ich sie nur nicht oder sind einfach nicht genügend gute dabei?
Nun, da gibt es noch die große BBC1-Sitcom wie etwa „I Want My Wife Back“ (seit April): Ben Miller und Caroline Catz („Doc Martin“) als Paar in einer zerrüttetend Ehe, sie trennt sich von ihm im gleichen Moment, wo sie von seinen Schwiegereltern, ihren Eltern, eine Reise in die Türkei geschenkt bekommen; er will all die Büroarbeit zurückfahren, die der Zweisamkeit bislang im Weg gestanden hat und steht; allein: die äußeren Einflussnahmen auf Murray und Bex sind übermächtig und ziehen und zerren die Protagonisten gegen ihren Willen in mal die eine, mal die andere Richtung.
Ein klassisches Setup, wie man es jetzt nur mal zum Beispiel auch in „Worst Week of My Life“ (BBC1, 2004 – 06) gesehen hat, ebenfalls mit Ben Miller und, Überraschung, ebenfalls von Mark Bussell und Justin Sbresni. Nur dass „Worst Week“ etwas Dämonisch-Komisches hatte, weil die Verschwörung der Welt gegen v.a. Howard (Miller) aber auch seine Verlobte Mel (Sarah Alexander) bis hin zu Gegenständen zu reichen schien, die regelrechte Komplotte zu schmieden schienen. Hier in „I Want My Wife Back“ sind es nur („nur“) (Schwieger-)Eltern, horrible bosses und verliebte Assistentinnen an der Grenze zum Stalkertum. Fragt man sich fast, warum es so lange gedauert hat, bis Bussell und Sbresni auf diese Idee gekommen sind: die höheren Mächte, die zwei Verliebte davon abhalten wollen zu heiraten, nun dazu einzusetzen, die Trennung von zwei Eheleuten zu verhindern.
Mit einem Wort: „I Want My Wife Back“ sieht aus wie eine gute Mainstream-Sitcom-Idee — fällt aber hinter die zwölf Jahre ältere Vorgängerserie zurück. „IWMWB“ hat keinen USP, nichts, was man so nicht schon zu sehen geglaubt hat, und tut so zwar nicht weh, weil man sich von gutem Handwerk und ansehbaren Darstellern ja immer noch unterhalten lassen kann. Aber für Begeisterung sorgt diese Serie zumindest bei mir nicht.
In „Flowers“ (Channel 4) hatte der Sender gleich so wenig Vertrauen, dass er die ganze Serie im Laufe einer einzigen Woche ausgestrahlt hat, mit einer Doppelfolge zum Auftakt, über die ich auch nicht hinausgekommen bin, trotz guten Willens. Denn ich mag Olivia Colman, ich mag Julian Barratt („Mighty Boosh“), und die düster-exzentrische Familie, die Will Sharpe in „Flowers“ porträtiert, erschien mir zunächst wie eine britische Version von „Arrested Development“ oder den „Royal Tenenbaums“, was ich allerdings nur so lange für eine gute Idee hielt, bis mir auffiel, dass ich weder „Arrested Development“ noch die „Royal Tenenbaums“ wirklich mochte.
Hier fehlte zum Mindesten eine Folie der Normalität, sei es nun eine Figur, die den Irrsinn aller anderen Figuren reflektiert und anschaulich macht; „Flowers“ war eine Wundertüte von grotesken, überlebensgroßen, zum Teil traurigen, zum Teil abscheulichen Figuren, die aber allesamt so wenig zur Identifikation einluden, dass ich von keinem wissen wollte, wie es nun weiterging.
Dann gibt es noch zwei, drei andere Britcoms, die mich entweder von vorneherein gar nicht ansprechen („Witless“, BBC3) oder die schon in der dritten Staffel laufen, so dass es kaum noch etwas hinzuzufügen gibt („Plebs“, ITV2, nach wie vor recht unterhaltsam, „Cuckoo“, BBC3, schwach, „Raised By Wolves“, Channel 4, an dem mein Interesse ebenso schnell wieder erlahmt ist, wie es entfacht war).
Es gibt kaum noch ComedyDrama, das der Rede wert wäre: namentlich „The Aliens“ (E4), das aus der gleichen Schmiede stammt wie das weitenteils brillante „Misfits“ (E4, 2009 – 13), aber durch dramaturgische Klopse recht schnell angeschossen war — womöglich die gleichen Fehler, die Fintan Ryan schon bei „In The Flesh“ (BBC3, 2013 – 14) gemacht hat, dessen Prämisse (geheilte Zombies, die in die Gesellschaft wieder eingegliedert werden müssen) ich ebenso gut fand wie die von „The Aliens“ (eine Parallelgesellschaft von Aliens, anhand derer Rassismus diskutiert wird), die allerdings in der Umsetzung deutlich zu wünschen übrig ließen.
Also: Wo sind die Britcoms, über die zu schreiben wäre? Was habe ich verpasst? Oder gibt es in diesem Jahr, das nun auch schon beinah zur Hälfte vorbei ist, einfach gar nichts, was mit den US-Serien des Jahres mithalten könnte? Ich bin wirklich ein bisschen ratlos — und, zugegeben, womöglich auch schlecht informiert, weil von all den guten amerikanischen Serien abgelenkt.
Weiß jemand Rat?
Ich fand die vierte und letzte Staffel von „Fresh Meat“ super. Zugegebenermaßen handwerklich und mit Blick auf narrative Überraschungen die schwächster aller Staffeln, aber mir waren die Figuren sehr ans Herz gewachsen und es war ein liebevolles Ende. Dieses Ende, der warmherzige Umgang mit den Figuren, as-large-as-life – das verkörpert für mich, worum es bei Britcoms geht, und deswegen schaue ich die auch lieber als die meisten amerikanischen Sachen.
Aktuell empfehlen kann ich „The Five“. Wirklich spannend. Läuft auf skyone…
Dann das großartige Thirteen.
Lief auf Bbc 3 gerade.
Wenn auch schon die 3. Staffel , aber Line of Duty geht immer.
Beste Serie seit langem war River.
Und nicht zu vergessen Capital.
Lief auf BBC One.
Danke für diese Hinweise; „Thirteen“, „River“ und „Capital“ sind mir geläufig, „The Five“ und „Line of Duty“ muss ich mal gucken — sind aber alles, scheint mir, keine Sitcoms/ComedyDramas, um die es mir ja ging.
„The Capital“ fand ich, allerdings hatte ich den Roman vorher gelesen und vielleicht zu große Erwartungen, eher enttäuschend.
.. ich traue es mich fast nicht schreiben bzw. fragen, schon in „The Windsors“ (Channel4) reingeschaut? Lief diese Woche an. Habe mir gerade mal die beiden Auftaktfolgen (legal über otr) heruntergeladen und werde mir die heute noch reinziehen.
Glaube aber dass es mir da ähnlich gehen wird wie dir mit „Flowers“, wobei ich in diese Serie auch noch reinschauen mag. Liegen zumindest schon mal auf der Festplatte.
Nein, noch nicht gesehen, stehen aber tatsächlich auch auf meinem Zettel.
… und nächste Woche natürlich der Start von „Upstart Crow“. Da habe ich sogar richtige Erwartungen.
Wirklich? Von Ben Elton erwarte ich jetzt schon länger nicht mehr so viel …
… gerade deswegen .. weil „ich es will“ … ist eher so eine Gefühlssache. Den Kopf schalte ich dann erst wieder nach zwei Folgen ein … oder so.
;O)
Hallo,
The Five ist definitiv Drama, und Line of Duty ist eine Cop Serie/ Drama.
Aktuell mag ich auch noch Marcella.
Läuft auch ITv.
Capital fand ich super, kannte aber auch nicht das Buch. Da geht es mir meistens ebenso.
Ich hab dann schon etwas im Kopf, was einfach anders ist als das ,was da so gedreht wurde.
Für die there’s-a-downton-abbey-sized-hole-in-my-life-fraktion gab es zumindest bis gestern Abend auf ITV sechs Folgen „The Durrells“, die lustiger waren als die Kolonialisierung in „Indian Summer“ und einen Tick weniger betulich als WWII in „Home Fires“.
@Tobias
Weia, wie kann denn heute noch eine Serie wie die „Windsors“ gleich so schiefgehen?! Hat da das Kamerakind Niklas Regie geführt? Mann, hat das weh getan.
hi,
nicht ein SitCom, gebe ich gleich zu, aber ich bin neulich über die 4te Staffel von Alan Davies „As Yet Untitled“ gestolpert. Sehr, sehr lustig und kurzweilig. Kann ich sehr empfehlen.
Wird mich gleich auf die suche nach den ersten 3 machen, lief auf „Dave“.
gruß.
Die beste „British Comedy“ neuerem Datums war für mich die US/UK Produktion „The Increasingly Poor Decisions of Todd Margaret“: http://www.imdb.com/title/tt1695989/
Die ersten beiden Staffeln waren eine gute Mischung aus „Cringe“-Humor und klassischer Britcom (die Serie spielt in London, und fühlt sich daher ziemlich Englisch an).
David Cross und Will Arnett sind aber hier quasi auch wieder in ihren Rollen aus „Arrested Development“ zu sehen, wer das nicht mag, wird auch diese Serie nicht unbedingt mögen.
Übrigens habe ich „Arrested Development“ zweimal probiert, und zweimal nicht lustig gefunden. Dann aus Langeweile Jahre später habe ich nochmal reingeschaut, und es hat „geklickt“ – jetzt finde ich es mit das Lustigste, was in den letzten Jahrzehnten aus den USA kam. Vielleicht muss man in einer bestimmen Stimmung sein, um sich auf den Humor einzulassen?
BBC3’s „Fleabag“ ist sehr zu empehlen.
Originell, humorvoll und die Hauptdarstellerin überzeugt vollkommen.
http://www.bbc.co.uk/programmes/p040tlqx
http://www.imdb.com/title/tt5687612/?ref_=nv_sr_1
Ja, stimme ich zu. Steht auf dem Zettel für den nächsten Blogpost hier.
River gefällt mir sehr, Stellan Skarsgård ist großartig, schon in der ersten Folge fließen eine Menge Tränen, die Liebe und der Bezug auf Shakespeare, großes Drama, wirklich, die Synchro ist gelungen und ich mag den flow. Ich heule halt auch mal gerne wenn die Geschichte so gut erzählt wird wie hier, verdammt ja, Stellan Skarsgård ist eine großartige Trauerklöte.
Ich habe das Bedürfnis, eine Lanze für „Flowers“ zu brechen. Das von dir, Oliver, bemängelte Fehlen einer Normalität, von der sich das Weirde als Weirdes absetzen könnte, finde ich durchaus in dem von Colman und Barrat gespielten Ehepaar wieder. Barrats Figur ist depressiv, aber durchaus bei Sinnen; Colmans Figur leidet nachvollziehbar (und damit „normal“) unter der von Depression gezeichneten Beziehung wie überhaupt an ihrer Existenz in ländlicher Isolation. Wirklich exzentrisch sind, wie ich meine, nur ihre Kinder und der Schönheitschirurg in ihrer Nachbarschaft.
Jedenfalls ist „Flowers“ für mich eine der besten Britcoms der letzten Jahre. Sie ist im besten Sinne britisch: dunkel, empathisch parteiergreifend für nichtgelungene Existenzen (und ja, meinetwegen auch für ihre Weirdness) und sehr, sehr komisch.
Schade, dass hier nur noch so wenig los ist. Was mich interessieren würde: Wie findest du @Oliver (aber natürlich können gerne auch andere antworten) eigentlich den David Brent-Film vom letzten Jahr? Als großer The Office/Brent-Fan würde ich den schon gerne sehen, allerdings waren die Kritiken ja eher mittelmäßig, und Gervais geht ja eigentlich schon lange gar nicht mehr und ist im wahren Leben viel peinlicher als David Brent jemals sein könnte.
Ja, tut mir auch leid, wie wenig hier los ist – das liegt aber tatsächlich überwiegend an fehlenden neuen britischen Sitcoms. Ich will aus diesem Blog kein US-Dramaserienblog werden lassen, und das ist nun mal das, was ich derzeit am meisten gucke.
Den Brent-Film kann ich tatsächlich nicht uneingeschränkt empfehlen. Er tut sehr weh, sprich: der Cringefaktor geht gegen 1000, das aber fast durchgehend und ohne den Relief, den Tim und Daisy und die anderen bei The Office oft bereitgestellt haben – NUR Brent, der NUR peinlich ist, das wird igendwann schwer erträglich. Sogar die Musiker im Film, mit denen er auf „Tour“ ist, kriegen ja irgendwann Mitleid mit ihm, und das ist dann schon fast nur noch traurig, kaum mehr lustig.
Insgesamt habe ich das Gefühl, aber das ist nur ein ebensolches, dass Gervais ohne Merchants stark steuernde Hand (ich weiß gar nicht, wie präsent Merchant bei der Entstehung dieses Films war) nur halb so viel wert ist.
Danke, Oliver. Das bestätigt mich darin, dass der Film wohl eher verzichtbar ist – wie das meiste andere, was in letzter Zeit aus dem UK kommt, leider in der Tat auch. Aber bei „Tim und Daisy“ ist offensichtlich der Spaced-Fan in dir durchgekommen, du meinst wohl Tim und Dawn. 😉
Oh, tatsächlich. Haha!