Comedy Landmarks (4): Staverton Station
1982 änderten sich die Zeichen, unter denen bis dahin Comedy im britischen Fernsehen stattgefunden hatte. Ein neuer, „alternativer“ Fernsehkanal, Channel 4, machte den drei alteingesessenen, BBC1, BBC2 und ITV, ab November Konkurrenz, und eine junge Gruppe von Comedians fand sich zusammen, um gegen das Comedy-Establishment anzutreten, das sie für konservativ, tendenziell rassistisch und minderheitenfeindlich hielten. „The Young Ones“ (BBC2, 1982) von Ben Elton steht heute stellvertretend für die alternative Comedy — und war, so anarchisch-grell, wie die „Young Ones“ daherkamen, vermutlich auch das komischste, was die alternative Comedy-Bewegung hervorgebracht hat; ansonsten litt die Komik ja doch ein bißchen an der selbstverordneten politischen Korrektheit ihrer Macher.
Sieben Tage jedoch, bevor „The Young Ones“ debütierten, lief am ersten Sende-Abend von Channel 4 die erste Folge einer anderen Comedy-Reihe, die den eigentlichen Startschuß für die alternative Comedy lieferte: „The Comic Strip Presents: Five Go Mad in Dorset“. In dieser halbstündigen „Fünf Freunde“-Parodie trafen erstmals etliche spätere Stars der Bewegung aufeinander: Dawn French und Jennifer Saunders hatten ihren allerersten Fernsehauftritt, mit von der Partie waren Adrian Edmondson und Robbie Coltrane, letzterer ebenfalls in seinem ersten TV-Auftritt. The Comic Strip begriff sich als Comedy-Kollektiv, dazu gehörten Rik Mayall, Nigel Planner und Peter Richardson; „The Comic Strip Presents…“ lief in fünf Staffeln bis 1993, etliche Specials nicht mitgezählt.
Die erste Szene der ersten Folge „The Comic Strip Presents…“, die am ersten Abend von Channel 4 lief, und jetzt komme ich langsam mal zum Punkt: wurde gedreht in Staverton Station. Hier kommen die Freunde in der Provinz an, um mit einer ziemlich elitären, um nicht zu sagen: schwer konservativen Attitüde vermeintlich sinistren Gestalten nachzuspüren, die sich später als zwar homosexuell (Onkel Quentin!), aber nicht kriminell herausstellen. Was die fünf Freundchen nicht davon abhält, sie der Polizei zu übergeben.
Wenn man diese Folge heute sieht, wundert man sich schon ziemlich — nicht nur darüber, daß sie damals zu einem kleinen Aufschrei unter den Fans der „Fünf Freunde“ führte (obwohl die Enid-Blyton-Gesellschaft sie vorher abgesegnet hatte), sondern auch, daß sie als der Beginn einer Comedy-Revolution gilt. Denn für heutige Sehgewohnheiten ist das natürlich alles sehr langsam, beinah zäh, und über weite Strecken auch nicht besonders komisch. Manche Gags sieht man überhaupt nur, wenn man um ihre Existenz weiß: In einer Szene etwa, die am Teetisch der Tante spielt, wo die fünf Freunde untergekommen sind, sieht man in jeder einzelnen Einstellung eine blaue Ginflasche. Das heißt: man sieht sie — aber nur, wenn man schon weiß, daß sie da ist, sonst geht dieser visuelle Scherz leider völlig unter.
Daß die einspurige und nicht elektrifizierte Eisenbahnstation noch immer genau so aussieht wie vor 28 Jahren, nämlich bilderbuchhaft schön, hat einen einfachen Grund: Sie gehört nicht zum regulären Eisenbahnnetz, sondern ist quasi museal. Am Wochenende, bevor wir dort hin kamen, hatte ein 40er-Jahre-Event stattgefunden, mit Loks und Waggons dieser Zeit, Uniformen und allem, was dazugehört. Täglich kann man an Fahrten mit historischen Zügen teilnehmen. Ein gerahmter Aushang vermerkt alle Film- und Fernseh-Dreharbeiten, die auf Staverton Station bislang stattgefunden haben: Eine ganze Menge. Angefangen von Peter Cushing und „The Hound of the Baskervilles“ über Michael Palins „Ripping Yarns“ bis hin zu den „Tripods“, einer Sci-Fi-Kinderserie, die ich mit 14 als sehr verstörend empfunden habe, beim Wiedersehen neulich allerdings eher als billig und sensationell schlecht gespielt.
Das bemerkenswerteste an Staverton Station aber: der Bahnhofsvorsteher, der mit imposantem Bart und Taschenuhr in der Hand alle fünf Minuten den Bahnsteig auf und ab geschritten ist, als käme gleich königlicher (oder zumindst hochadeliger) Besuch. Wie mir überhaupt noch mehrmals aufgefallen ist, wie viele erwachsene Männer in England einen Eisenbahnfetisch haben und sich mit größter Ernsthaftigkeit damit beschäftigen können, den ganzen Tag extra gebaute Schmalspur-Dampfloks zu fahren, Gleisanlagen zu pflegen, alte Dieselaggregate am Laufen zu halten — oder eben Bahnhofsvorstand zu spielen. Toll.
Sehen ein bißchen „unwirklich“ aus, die Fotos. Wie in einem Potemkinschen (aber trotzdem englischen) Dorf. Erinnert mich ein wenig an diese The Avengers-Episode mit dem verrückten Millionär, der wo eine riesige Modelleisenbahn in seinem Garten…und dann…..blabla…und so weiter.
„… “Tripods”, einer Sci-Fi-Kinderserie, die ich mit 14 als sehr verstörend empfunden habe …“
Aber Hallo! Alpträume galore, mir machen bis heute die riesigen Stromleitungsmäste Angst, haben mich als Kind immer an die Tripods erinnert. Die BBC hat eine ganze Generation traumatisiert … nicht minder „einflussreich“: Wenn der Wind weht, ebenfalls aus GB. Wahrscheinlich muß ich deswegen soviele Britcoms konsumieren, um die Horror-Kindheit made in Great-Britain zu nivillieren. 😉
mhm, ich hab auch so momente, wo es mir kalt den rücken runterläuft, weil ich an die tripods denken muß und wie sie unvermittelt über wäldern und feldern auftauchen können – neulich z.b. in wien, wo mitten aus dem schönen, grünen augarten ein grauer, düsterer ww2-flakturm aufragt – unheimlich!
Oh ja – die Tripods! Die wollte ich mir schon seit längerer Zeit mal wieder ansehen! Jetzt zögere ich aber doch – sind die wirklich so billig und schlecht gespielt? Wenn ja, bleibe ich lieber bei meinen diffusen und paranoiden Kindheitserinnerungen… (Wär aber schade – das war meine erste Serie, bei der ich buchstäblich vorm Fernseher geklebt habe. Ich habe seitdem Angst vor Haarkämmen.)
Larry: Dann ziehen Sie sich stattdessen doch bei Gelegenheit mal „Sapphire & Steel“ mit Joanna Lumley („The New Avengers“, „Ab Fab“) und David McCallum („The Man from U.N.C.L.E.“) rein. Aber schauen Sie dann vor dem Schlafengehen besser noch kurz unters Bett und in den Kleiderschrank, denn man weiß ja nie.