Büro, Büro
Über eine neue Form der Sitcom habe ich kürzlich sehr lachen müssen: Die Dokutainment-Parodie „The Office“, die gerade in Großbritannien alle Rekorde bricht. „The Office“ erzählt mit den Mitteln einer TV-Dokumentation die Vorgänge im Management des mittelständischen Papiervertriebs Wernham Hogg in Slough: Die Geschäfte gehen schlecht, die Zusammenlegung mit einer Schwesterfirma droht, parallel dazu natürlich auch Entlassungen. Leider ist der Chef David Brent völlig unfähig, kann weder mit seinen Untergebenen umgehen noch mit seiner Vorgesetzten und hält sich irrtümlich auch noch für einen verkannten Comedian, obwohl er für seine „Scherze“ stets peinlich berührtes Schweigen erntet – oder gar Heulkrämpfe, wenn er etwa zum Zwecke eines practical jokes das Empfangsfräulein „entläßt“, weil es „Post it-Notes gestohlen“ hat. War natürlich nur „Spaß“.
Auf Oneliner, Gags im herkömmlichen Sinne, verzichtet „The Office“ dabei fast völlig; Komik wird hier anders erzeugt: Je peinlicher Brent wird, je verständnisloser die Sales Representatives sich angesichts seiner Auftritte ansehen, je quälender und länger er sich um Kopf und Kragen redet, desto größer wird auch die Spannung im Zuschauer, bis sie qua Gelächter abgebaut werden kann. An den komischsten Stellen muß man schier den Blick abwenden, so unangenehm berührt fühlt man sich. Und die Identifikation wird nicht nur durch den dokumentarischen Ansatz gefördert, sondern auch dadurch, daß beinahe jeder ähnliche Szenen, ähnliches kollegiales Verhalten – Büro, Büro – aus eigener Anschauung kennt. Geradezu philosophisch könnte man angesichts dieser Meta-Komik werden, die in ihren besten Momenten geradezu zu einem Umschlag der Komödie in die Tragödie führt, denn Brent ist nicht nur ein Alptraum von Chef, sondern auch eine tragische Figur, mit der man nicht erst Mitleid entwickelt, wenn sie ihrer finalen Entlassung mit hochnotpeinlichem Flehen um Weiterbeschäftigung begegnet.
Eine Meisterleistung der beiden „Office“-Erfinder Ricky Gervais (alias David Brent) und Stephen Merchant also, die nicht nur in England einschlug: Die Serie ist bereits mehrfach prämiert, hatte in England fünf Millionen Zuschauer, setzte schon mit der ersten Staffel unglaubliche 500 000 DVDs und Videos ab (die zweite erscheint demnächst) und ist bereits an über 60 Länder weltweit verkauft; ob auch an Deutschland, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Die möglichen Verbrechen einer Synchronisation will ich mir ebensowenig vorstellen wie ein deutsches Remake. So bleibt nur die Empfehlung, sich möglichst eine Kopie zu besorgen, oder sich erstmal online zu informieren.
(zuerst erschienen in der Humorkritik in TITANIC 5/2003)
Neueste Kommentare