Count Arthur doch recht Strong
Wir sehr Kritiker mit ihren Rezensionen neuer Shows daneben liegen können, hat Ricky Gervais unlängst dokumentiert, als er die allererste Besprechung von „The Office“ im Evening Standard noch einmal herausgekramt hat, die am 10. Juli 2001 erschienen ist:
Zum Glück war ich ein bisschen vorsichtiger, als ich die erste Folge „Count Arthur Strong“ (BBC2) vor fünf Wochen kritisiert habe. Denn trotz (oder, meiner Vermutung nach: wegen) einer gut abgehangenen, für BBC-Radiohörer längst eingeführten Comedy-Figur und trotz Coautorenschaft des von mir durchgehend bewunderten Graham Linehan („Father Ted“, „Black Books“, „The IT Crowd“) hatte mir die erste Episode rund um den alternden Variete-Star Arthur Strong, der sich stets ein bisschen überschätzt, eher nicht zugesagt.
Das hat sich, um es vorsichtig zu formulieren, geändert. Mittlerweile halte ich „Count Arthur Strong“ für eine der stärkeren neuen BBC-Sitcoms dieses Jahres (eigentlich für die einzige wirklich gute neben „Family Tree“; „Plebs“ und „Vicious“ liefen auf ITV, „The Mimic“ auf Channel 4), und es freut mich, dass die Serie sehr früh schon eine zweite Staffel erhalten hat. Und dass die DVD der ersten trotzdem bereits erhältlich ist (auf Amazon mag ich allerdings nicht mehr verlinken, kann sich ja jeder selbst zusammensuchen).
Der Sinneswandel kam so: Ich hatte die erste Folge „Count Arthur Strong“ alleine gesehen, die zweite aber mit der Frau zusammen — und die war, so unsere einhellige Meinung, sehr komisch: ein typischer Linehan-Plot inklusive einer Flucht in einem Ice Cream Van (der mich selbstverständlich an die „Father Ted“-Folge „Speed 3“ erinnerte, nur dass dort ein Milchlieferwagen eine entscheidende Rolle spielte), typische Linehan-Dialoge (Michael [liest einen handgeschriebenen Pinnwand-Aushang Arthurs]: „Horse rising lesions? What are horse rising lesions?“ Arthur: „What? Well, it’s when you get a horse and you… Give that to me. — Handwriting lessons!“) und das Internet/ein Laptop als Element der Story („I’ll tell that Stephen Fry what I think of him!“) — das war alles schön albern, dabei aber von einer zunehmend warmen Figurenzeichnung getragen, so dass man als Zuschauer schnell Zuneigung zu den beiden Protagonisten Arthur und Michael gewinnen konnte.
Es hat also die erste Folge gar nicht gebraucht, zumindest nicht für die Frau. Was sie wissen musste, um das Set Up zu verstehen (Arthur ein alternder Varietekünstler, Michael der Biograph seines gerade verstorbenen Vaters Max, mit dem Arthur vor Zeiten einen gemeinsamen Double Act hatte), konnte ich ihr in zwei Sätzen erklären. Ohne den Ballast der Einführung in der ersten Folge aber hatten Linehan und Steve Delaney, der den Arthur nicht nur spielt, sondern auch entwickelt hat, alle Freiheiten, direkt mit per se komischen Storys aufzuwarten. Von diesen war dann die eine durchaus etwas schwächer als die andere, aber insgesamt war „Count Arthur Strong“ eine deutlich bessere Serie, als ich es nach der Pilotfolge erwartet hatte.
In der nämlich war die Chemie zwischen den Hauptfiguren eine andere als in den weiteren Folgen: Michael (Rory Kinnear) kommt da eher als weinerlicher und missgünstiger Typ rüber, der Arthur zunächst belächelt und ihn dann ausnutzen möchte, um die Gedenkfeier für den ungeliebten Vater zu torpedieren. Erst ab der zweiten Folge funktionieren Michael und Arthur wirklich als Odd Couple, als das sie vermutlich von Anfang an geplant waren: ab da ist Michael wesentlich sympathischer, und Arthur vielleicht einen Ticken weniger nervig als in der ersten Folge.
Vielleicht, das ist aber reine Spekulation, war die maue erste Episode auch Folge eines Kompromisses zwischen Linehan und Delaney und/oder der BBC. Denn an und für sich ist Linehan kein Freund des zur Zeit sehr modischen Premise Pilot, in dem erst einmal erzählt wird, wie die Ausgangssituation für die darauf folgende Serie zustande gekommen ist. (Ausführlicher habe ich darüber mal am Beispiel von „Cuckoo“ geschrieben.) Wie man hier sehen kann, zu Recht: Die Einführung von Michael als neue Figur, die zu dem bestehenden Ensemble aus Arthur und seinen Freunden im Café dazukommt, hätte deutlich kürzer sein können, dann wäre vielleicht auch in der ersten Episode schon Zeit gewesen, eine ganz reguläre kleine Story mit einzubauen, die die chemische Balance der Hauptfiguren ad hoc herstellt, statt erst in der zweiten Folge.
Um es aber noch einmal ganz explizit hinzuschreiben: „Count Arthur Strong“ ist eine gute Sitcom, Graham Linehan kann es noch, und Delaneys Arthur ist ein wirklich komischer Charakter, von dem ich gerne mehr sehen würde.
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