Gegen den Osterhasen
Da hier dieser Tage so wenig passiert, hier eine gerade wieder aktuelle Humorkritik zu Bill Mahers „Religulous“, der morgen in die, na ja, eher: in manche deutsche Kinos kommt. Jaha, auch das hat wieder nix mit Britcoms zu tun!
Zunächst einmal: Mit Religiosität, wie man sie in weiten Teilen Westeuropas versteht, hat die spinnerte Eiferei der US-Amerikaner eher nichts zu tun. Deshalb ist Bill Mahers Dokumentation „Religulous“ (ab morgen, 2.4., in ausgesuchten Kinos) für deutsche Zuschauer auch weniger als Kirchen- und Religionskritik interessant denn als Dokumentation der Diskrepanz, die sich in den USA zwischen weltweiter Spitzenwissenschaft und beinhartem Glauben an Kreationismus auftut. Die ist allerdings erschreckend.
Mahers Reise führt ihn zu korrupten Fernsehpredigern, die sich in feinste Anzüge werfen, Reptilienlederschuhe und schweren goldenen Schmuck tragen und im Brustton der Überzeugung erklären, Jesus sei selbst reich gewesen, zu einem römischen Priester, der ihm direkt vor dem Vatikan erklärt, ein Großteil dessen, was in der Bibel stehe, sei Unsinn, und in einen »Holy Land« genannten Freizeitpark in Florida, in dem sich der Jesusdarsteller erst von Maher in kompromittierende Gespräche verwickeln und anschließend vor den Augen etlicher adipöser Frührentner ans Kreuz schlagen läßt, woraufhin seinem überwiegend in Shorts und T-Shirt gekleideten Publikum das Pipi in die Augen schießt. Versetzt sind diese offen manipulativ geschnittenen Interviews mit Ausschnitten aus religiösen Spielfilmen, Zeichentrickszenen und allerhand anderen Schnipseln, die zusammen das Bild einer grenzdebilen Gläubigenschar von Christen, Juden und Moslems bis hin zu Mormonen ergeben, die an sprechende Schlangen glauben und daran, daß tatsächlich Menschen im Inneren eines großen Fischs mehrere Tage überleben können, um anschließend wieder an Land zu steigen. Das ist plakativ und kurzweilig; daß Regisseur Larry Charles (»Seinfeld«) sein satirisches Handwerk im Schlaf beherrscht, weiß man spätestens seit dem »Borat«-Film.
Problematisch wird „Religulous“ (aus religious und ridiculous) nicht erst da, wo Maher etwas zu routiniert seine Gegenüber der Lächerlichkeit preisgibt, woraufhin diese häufig prompt das Interview abbrechen oder ihre aggressiven Impulse jedenfalls kaum verbergen können. Zumindest auf halbwegs aufgeklärte Zeitgenossen wirkt Mahers Mühen oft, als wolle er Kindern beweisen, daß es keinen Osterhasen gibt, während diese aber um jeden Preis weiterhin an den Osterhasen glauben wollen. Das mag in einer Nation, die die Existenz des Osterhasens zu ihrem gesellschaftlichen Fundament gemacht hat, durchaus ehrenhaft sein, wie ja auch Mahers politische Talkshow/Standup-Show »Real Time« zu loben ist. So brisant wie in seiner Heimat ist Mahers Dokumentation in hiesigen, weitgehend agnostischen Gefilden leider nicht.
Zuerst erschienen in TITANIC 3/2009, da noch mit dem ursprünglich früheren Kinostart
Auch nicht direkt Britcom-relevant, aber immerhin aus dem Bereich Britische Stand-Ups kommt mein TV-Tipp für die glücklichen Empfänger von BBC2. Montags um 10 pm GMT kommt „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“, das mich bisher begeistert und erheitert hat. Manchmal nahe an „pretentious crap“, wie’s in der zwoten Episode selbstkritisch hiess, aber oft Kultur- und Gesellschaftskritik vom Feinsten.
danke für den tip – habe die ersten drei folgen gesehen und fand sie schön. mit armando iannucci als produzent und chris morris als script editor kann ja nun auch kaum mehr was schiefgehen.