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Archiv für die Kategorie ‘Allgemein’

In eigener Sache: „101 Dinge, die Sie sich sparen können“

26. November 2012 3 Kommentare

Hermann Bräuer und ich haben ein Buch geschrieben! Es heißt „101 Dinge, die Sie sich sparen können“, ist bei dtv erschienen, hat 300 Seiten, kostet trotzdem nur schlappe 9,90 Euro und beinhaltet dafür 101 Einträge über Ratschläge, Tipps und Modetrends, die Sie sich getrost sparen können im Leben.

Ein Antiratgeber also, der ein- für allemal klärt, warum man weder Bungeejumping machen muss noch ein Tattoo braucht, welche Orte man nicht bereist haben muss (Venedig), warum man die Steuererklärung nicht selbst machen sollte und nicht am Strand (mit jemandem) geschlafen haben braucht, warum man es sich sparen kann, Wählen zu gehen, Politiker zu werden, Pantomime, Zauberer oder Weinexperte (von Zigarrenexperte zu schweigen), warum man kein Haus gebaut, kein Kind gezeugt und keinen Baum gepflanzt zu haben braucht im Leben, und warum man tunlichst die Finger lassen soll von Kreuzfahrten, Whale Watching, Oktoberfest und Silvester. Und von Zorbing. Es steht auch drin, was das überhaupt ist, Zorbing.

Es hat großen Spaß gemacht, das zusammen mit Hermann aufzuschreiben (und dass Hermann ein Guter ist, wird Lesern dieses Blogs bestimmt sofort klar, wenn sie erfahren, dass Stewart Lee, DER Stewart Lee, über Hermann gesagt hat, er sei „a talented comedy writer“, und wenn Stewart Lee, DER Stewart Lee! das sagt, dann stimmt das auch! Ich wünschte, Stewart Lee hätte über mich gesagt, „he is a talented comedy writer“!), und jedesmal, wenn ich das Buch wieder aufschlage und reinlese, muss ich wieder lachen, was ein gutes Zeichen ist, weil man bis zur Veröffentlichung eines Buches die Texte, die drinstehen, ja sehr, sehr oft gelesen hat.

Wenn Sie mir immer noch nicht glauben, dann glauben Sie doch bitte Dieter Nuhr, der über unser Buch schreibt:

Endlich der Ratgeber, auf den alle gewartet haben. Hier wird vor allem gewarnt, was einem das Leben zur Hölle macht: Vegetarier, Memoiren und Disneyland. Meiden Sie alles, wovon in diesem Buch abgeraten wird, und Sie werden glücklich, reich und sexuell befriedigt sterben. Tot sind Sie dann trotzdem. Aber glücklich. Wunderbar!

Offiziell erscheint das Buch erst am 1. Dezember, aber weil Amazon es schon seit über einer Woche ausliefert und ich gestern auch den ersten Stapel hier in München am Ostbahnhof in der Buchhandlung habe liegen sehen, empfehle ich: Jetzt kaufen, lesen, lachen, dann noch eines kaufen, verschenken und das eigene nochmal lesen! Hurra!

Ach so, und man findet uns auch bei Facebook. Obwohl man sich Facebook auch sparen kann. Steht zumindest in unserem Buch.

Was Komödie schon wieder alles nicht darf

24. November 2012 2 Kommentare

Mag ja sein, ich bin überempfindlich. Oder aber die Kritiker, die sich mit komischen Film- und Fernseherzeugnissen beschäftigen, verstehen wirklich ihr Handwerk nicht.

Heute schreibt Christian Buß bei Spiegel online eine Kritik zum Münsteraner „Tatort“ morgen abend. Der hat ihm offenbar nicht so gut gefallen. Statt aber nun zu schreiben: Der Münsteraner „Tatort“ morgen abend hat mir nicht so gut gefallen, weil… wird er grundsätzlich:

Sexuelle Gewalt lässt sich … nicht in einer Komödie verarbeiten.

Punktum, Schluss, aus. Das ist einfach so: Sexuelle Gewalt lässt sich nicht in einer Komödie verarbeiten. Da sind die Grenzen der Komödie! So ein Glück, endlich hat sie jemand gefunden.

Kein Gedanke daran, dass etliche Filme von Quentin Tarantino sich mal mehr, mal weniger auch mit sexueller Gewalt beschäftigen. „Death Proof“ ziemlich ausschließlich, aber auch  „Pulp Fiction“, das Buch zu „Natural Born Killers“ usw.; auch Wolf Haas‘ „Silentium“ thematisiert sexuelle Gewalt; gewiss ließen sich noch mehr Beispiele finden, wenn ich die Geduld zu längerer Suche hätte.

Der Punkt ist: die meisten (und in meinen Augen die besseren) Komödien könnten genauso gut Dramen sein. Gute Komödien sind die, deren Stoff sich auch ernsthaft verfilmen ließe. Und genau deshalb sind gerade ernste Themen in Komödien gut aufgehoben.

Der Unterschied zwischen Komödie und Tragödie ist nämlich nicht der, dass Komödien einen anderen Plot hätten. Sie haben den gleichen Plot, sie erzählen ihn nur anders. Das ist der Unterschied zwischen Plot und Story. Mir hat mal jemand einleuchtend erklärt: Der Plot ist: Erst stirbt der König, dann die Königin. Die Story ist: Erst stirbt der König an Krebs, dann die Königin an gebrochenem Herzen. Das ist die Story, wenn man sie als Tragödie schreibt. Als Komödie ginge sie vielleicht so: Erst stirbt der König, dann verschluckt sich die Königin vor lauter Freude, dass der alte Esel endlich tot ist, an einem Stück Schinken und erstickt. Vielleicht nicht der lustigste Dreh, aber für dieses Beispiel muss es reichen.

Allerdings: in beiden Variationen sterben zwei Menschen. Dass das nicht alle komisch finden, vor allem nicht die, die gerade selbst jemanden verloren haben, versteht sich von selbst. Beim Thema sexuelle Gewalt ist das vielleicht ein bisschen heikler, aber das grundliegende Problem ist das gleiche.

Daraus aber eine Regel abzuleiten („…ist nie lustig“), ist, um es vorsichtig zu formulieren, total schwachsinnig. Das heißt nämlich nur, dass man sich noch nie, nie, nie mit Komik beschäftigt hat.

Gerade Kriminalkomödien leben davon, dass bitterernste Momente und Komik zusammengebracht werden. Wie könnte man da ein Regelwerk aufstellen, welche ernsten Themen einfach zu ernst sind für Komik? Vielleicht bin in in diesem Punkt ein bisschen überempfindlich, aber ich meine: Auf diese Idee können wirklich nur deutsche Feuilletonisten kommen.

Englischer Humor vs. amerikanischer Humor

22. November 2012 7 Kommentare

Selten hat jemand so schlüssig und einleuchtend erklärt, worin der Unterschied zwischen amerikanischem und englischem Humor besteht, wie hier Stephen Fry:

Fry erklärt  auch sehr schön, was überhaupt das spezifisch englische am englischen Humor ist: die Perspektive von unten nach oben. Der Blick des Verlierers, der keine der Erwartungen erfüllen kann, die in ihn gesetzt werden.

Vielen Dank an Jonas Cords für den Hinweis auf das Video!

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Das gute Buch: Gunnar Homanns „Letzte Fragen der Menschheit“

13. November 2012 1 Kommentar

Es ist natürlich vollkommen richtig und ein Zeichen von Integrität, dass Titanic nicht die Werke der eigenen festen wie freien Autoren in der Humorkritik bespricht. Zu leicht geriete das Blatt dadurch in den Ruch, Kumpelwirtschaft zu betreiben. Aber es ist auch ein bisschen schade, denn dadurch entgehen manchen Titaniclesern womöglich Bücher von Titanic-Autoren, die sie durchaus interessieren würden.

Ein solches Buch ist Gunnar Homanns „Die letzten Fragen der Menschheit (mit allen Antworten)“ (carl’s books). Gunnar Homann, der auch schon als prima Romanautor viel zu wenig Beachtung gefunden hat, ist dem regelmäßigen Heftchenleser vorwiegend durch seine höchst komischen quasijournalistischen Texte bekannt, und genau solche, teils schon veröffentlichte, teils neue, sind hier versammelt: ein bunter Reigen aus Interviews, Bildreportagen, Multiple-Choice-Tests, Tagebuch und FAQs, die gelegentlich die Realität streifen, aber vorwiegend aus feinsten Sprachgirlanden gebastelt sind; viele Texte sind eher kurz als lang.

Manche Texte sind auch gar nicht so kurz — dass sie mir aber so vorkommen, liegt wohl daran, dass sie die berühmte „kleine Form“ eingewoben haben: die Kurz- und Kürzestkomik aus „Partner Titanic„, „Sondermann“,  „Kolibri“ und, noch früher, „Welt im Spiegel“, die oft der reine Quatsch ist (kein Wunder, dass Sonneborn und Schiffner ihr „Partner Titanic„-Buch einfach nur „Quatsch“ genannt haben). Umso bewundernswerter, dass bei Homann diese Kürzestform auch über etwas längere Strecken trägt — das kann nur daran liegen, dass Homann das journalistische Handwerkszeug so gut beherrscht, dass er damit auch äußersten Nonsens auf einer Distanz plausibel klingen lassen kann, wie das sonst vielleicht nur noch Thomas Gsella gelingt. Dessen vorletztes Buch deshalb womöglich nicht ganz zufällig im gleichen Verlag erschienen ist („Komische Deutsche“).

„Die letzten Fragen der Menschheit“ (was die im Titel versteckte Anspielung mit dem Buch zu tun hat, müssen Sie schon selbst rausfinden!) ist das ideale Buch für Menschen, die schon alles von Max Goldt haben und ihre Kompetenz in puncto zeitgenössischem, titanic-affinen Humor stärken möchten. Gewissermaßen DER Geheimtipp der Saison! Und natürlich auch als Weihnachtsgeschenk primstens geeignet.

The Exorcist (die Sitcom)

25. Oktober 2012 Keine Kommentare

Zur Beruhigung nach dem kleinen Rant von eben jetzt eine leichte Sitcom aus den Achtziger: „The Exorcist“. Danke, Leo Fischer!

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Darüber lacht die „Süddeutsche“

25. Oktober 2012 14 Kommentare

Anlässlich der Verleihung des Comedypreises fragt heute die SZ in ihrem Panorama-Teil (leider — noch? — nicht online): „Welche Art von Spaß kommt eigentlich in anderen Ländern gut an?“ und führt Beispiele für Comedy aus Afghanistan, der Türkei, Südafrika und anderen Teilen der Welt an. Allerdings nicht ohne im Einleitungstext auch gleich als erstes die Frage zu stellen:

Ob es so etwas wie den deutschen Humor überhaupt gibt?

Das ist in diesem Fall keine rhetorische Frage; der Autor weiß es wirklich nicht. Und nach einer kurzen „Die einen sagen so, die anderen so“-Wendung („Manche finden die ‚Heute Show‘ witzig, andere flach. Manche lachen über das Titelbild der Titanic, andere beschweren sich“) folgt eine Aufzählung:

Es gibt den Georg-Schramm-, den Cindy-aus-Marzahn-, den Gerhard-Polt-, den Stuckrad-Barre- und den Kaya-Yanar-Humor. Und nichts ist unlustiger, als den jeweiligen, miteinander verfeindeten Lagern beim Theoretisieren zuzuhören.

Nun, klarerweise ist Humortheorie genauso wenig komisch wie Bergbautheorie. Das Schisma aber zwischen „den Lagern“ ist es, was beschworen werden soll, denn lt. SZ-Autor in etwa sind bei der Comedypreisverleihung alle doof und lachen noch über die dümmlichsten Scherze, während die Humorintellektuellen nicht mal wissen, wo beim Fernseher der „An“-Knopf ist. Das Ende der Ein- vor der Überleitung zum internationalen Humor:

Kommt der deutsche Humor denn niemals aus seiner Krise raus?

Nein, was die Süddeutsche angeht, die zumindest online lieber Komikprodukte aus dem Internet abstaubt, die nichts kosten und qua Weiterverbreitung schon eine Qualitätsprüfung hinter sich haben, wird die „Krise“ des deutschen Humors nie enden.

Allerdings ließe sich zu der Argumentation des Autors etwas sagen, der nämlich schon deswegen zu keinem Ergebnis kommt, weil er (wie die meisten, die den deutschen Humor diskutieren) seine Begriffe nicht definiert. Das Augenmerk sollte bei dieser Frage nämlich nicht auf „Humor“ liegen, sondern auf „deutsch“.

Was ist deutsch? Was heißt deutsch? Diese Frage ist weniger trivial, als man denken möchte. Vor allem, wenn man (meine Lieblingsdisziplin) mal ganz kurz den englischen Humor daneben hält: Was Großbritannien ist, ist ja nun ziemlich festgeschrieben — schon durch die natürlichen Grenzen der lustigen Insel. Die deutschen Grenzen allerdings verschieben sich alle paar Jahre, sogar ohne Krieg. Und einen deutschen Staat gibt es, historisch gesehen, erst seit sehr viel kürzerer Zeit als die meisten anderen europäischen Staaten.

So hätte dem SZ-Autor ja durchaus auffallen können, dass er da implizit einen bayerischen Humor (Polt) anspricht, Humor, der von unterschiedlichen sozialen Faktoren und solchen der Herkunft geprägt ist, und (mit Georg Schramm) auch einen, der insofern tatsächlich deutsch ist, als er staatstragend ist: der Humor des Kabaretts.

Dieser Humor beschäftigt sich mit dem Staat und mit den Deutschen, und auch wenn Schramm selbst eine Ausnahme im deutschen Kabarett ist, weil er nämlich im Gegensatz zu den meisten Kabarettisten polarisiert: der Humor des Kabaretts setzt, ganz wie der deutsche Staat („Einigkeit und… so weiter“) auf Einigkeit. Selten ist sich das Publikum einiger, als wenn ein Kabarettist „Angela Merkel“ sagt (früher: „Kohl“).

Genau das ist zentral: so wie die deutschen Länder irgendwann einmal begriffen haben, dass sie nur eine Chance haben in Europa, wenn sie sich zusammenschließen zu einem starken, großen Staat, der z.B. gegen durchreisende Schwedenhorden zusammenhält oder gegen französische Soldaten, so ist auch der ursprüngliche deutsche Stadtbürgerhumor (der in der frühen Neuzeit etwa in Nürnberg und den Schwänken Hans Sachs‘ durchaus ausgeprägt war) abgelöst worden durch einen Staatsbürgerhumor.

Der Staatsbürgerhumor nun ist aber einer, der, ich sagte es schon, auf Einigkeit setzt, auf Gemeinsamkeit, auf Gemütlichkeit. Es sollen im deutschen Humor möglichst keine Unterschiede diskutiert werden, jedenfalls keine individuellen, dann schon lieber solche zwischen Mann und Frau — universale Unterschiede. (Mann-Frau-Humor ist ja auch nach wie vor Hauptthema des erfolgreichsten deutschen Comedians.) Über sich selbst aber kann der Deutsche  nicht lachen. Schon weil er gar nicht weiß, wer er selbst ist.

Der Bayer (Polt) (und natürlich auch der Sachse, Hamburger, Ostfriese) kann das, der Migrationsdeutsche (Yanar) weiß auch sehr spezifisch, wer er ist (läuft allerdings Gefahr, dem Staatsdeutschen wiederum zum Gegenstand, zum Objekt zu werden), und Cindy aus Marzahn sagt schon in ihrem Namen, wer sie ist und woher sie kommt (auch wenn Cindy aus Marzahn mit der Frau, die die Cindy spielt, natürlich längst nicht mehr deckungsgleich ist). Das sind alles Ausschnitte aus dem deutschen Humor, aber nicht „der“ deutsche Humor.

Weil „der“ deutsche Humor nun aber ein Staatsbürgerhumor ist, funktioniert er von oben nach unten: eine starke Autorität bestimmt, wer „wir“ sind und was unsere Werte sind; das ist am stärksten immer noch und abermals im Kabarett zu spüren, das ja auch mit einer starken Autorität von der Bühne herab seine Werte verkündet und Urteile fällt, die bitteschön für alle zu gelten haben. Diese starke Autorität ist auch in anderen Momenten zu bemerken, etwa wenn sie festlegt, wann und wo Humor ausgeübt werden darf (Karneval, Köln). Und sie ist am stärksten da, wo sie bestimmen möchte, was komisch ist und was nicht.

Das ist womöglich das deutscheste am deutschen Humor: dass die, die sich für humorbegabt halten, am liebsten Vorschriften darüber erlassen würden, was komisch ist. Auch das natürlich eine Folge der ausgeprägten Hierarchien, die im starken deutschen Staat immer wichtig waren und sind. Man versuche einmal, gegenüber einem deutschen Polizisten, Richter, Oberst oder Arbeitsagenturmitarbeiter einen Witz zu machen. Oder gegenüber einem SZ-Redakteur.

Zum Glück aber irrlichtert diese ganze „deutscher Humor“-Debatte selbst ja nur noch durch Feuilletons, wo sich die Fürsprecher des Deutschtums Scheindebatten liefern, die keinen interessieren. Schon gar nicht Comedians. Mich interessieren sie ja selbst nur, weil ich irgendwann durch die Beschäftigung mit britischem bzw. englischem Humor drauf gekommen bin, dass man durchaus sagen kann, was deutscher Humor ist, und nicht immer so tun soll, als wäre das absolut unmöglich zu bestimmen. Es ist nur bestimmten Feuilletonisten unmöglich, und die projizieren das dann nach außen („Krise“).

Heute ist vom deutschen Humor allerdings wenig und immer weniger zu bemerken. Zu stark ist längst der angloamerikanische Einfluss, und Gott sei Dank dafür. Heute wird man allenfalls noch auf die letzten Zuckungen protodeutschen Humors aufmerksam, wenn samstagnachmittag irgendwelche schlimmen deutschen Komödien aus den Fünfzigern und frühen Sechzigern im Fernsehen laufen, die beworben werden mit den Worten „Es darf gelacht werden!“.

Ja, es gab mal Zeiten, da brauchten die Deutschen eine Erlaubnis, lachen zu dürfen. Damals wurde sie von Filmverleihen erteilt, heute versucht sich das SZ-Feuilleton daran. Aber we don’t need no education.

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