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Archiv für die Kategorie ‘Allgemein’

The Kalk must go on

12. Oktober 2012 5 Kommentare

Wer sich fragt, was ich den lieben langen Tag so mache, kriegt heute abend um acht eine weitere (Teil-) Antwort: Witze; in diesem Falle für Oliver Kalkofe und die „Mattscheibe“, die ab sofort immer Freitags um acht auf Tele 5 läuft. — Ja, Tele 5. Ein obskurer kleiner Sender, aber (laut Kalk) mit Liebe zum Fernsehen gesegnet. Neben Kalkofe gehen dort auch Benjamin v. Stuckrad-Barre, Christian Ulmen und Peter Rütten mit eigenen neuen Shows an den Start. Ein Grund, den Sender mit den schlechtesten Filmen der Welt vielleicht mal kurz im Auge zu behalten.

Die „Mattscheibe Rekalked“ aber, mittlerweile die zweite Show mit einem „Re-“ vor dem Titel, für die ich schreibe, ist mir seit ihren Anfängen bei Premiere lieb und teuer — ein böser Onkel sozusagen, der immer noch mit der Kettensäge durchs Fernsehprogramm fräsen darf und große Geschütze auffahren gegen mieses Fernsehen, auch und gerade weil man oft denkt, dazu ist längst alles gesagt.

Ich denke das auch manchmal, aber das ist ja die Gefahr: Wenn man glaubt, alles ist längst gesagt, hat man sich nämlich damit abgefunden, dass man vom Fernsehen mit so viel gequirlter Scheiße gefüttert wird. Dann ist es doch ganz gut, wenn mal jemand mit dem Holzhammer vorbeikommt und so lange auf alles draufhaut, bis man den Schmerz wieder fühlt. So wie ich diesen Schmerz wieder gefühlt habe, als ich Clip um Clip, Ausschnitt um Ausschnitt geguckt habe für die „Mattscheibe“. Das ist eine Weile lang ganz lustig, aber irgendwann tut’s richtig weh, so wie damals, als der Privatsendermist noch neu und unfassbar war. Jetzt ist er alt und unfassbar, aber unfassbar ist er immer noch.

Switch, Switch, hurra! Reloaded

27. August 2012 12 Kommentare

Alle zwei Jahre wieder: Heute abend um 22.15 Uhr auf ProSieben läuft die erste Folge der neuen Staffel „Switch Reloaded“ — und zwar abermals mit einigen Nummern von meiner Wenigkeit.

Fantastischerweise ist der gesamte Cast trotz langer Pause, diverser anderer Projekte der Beteiligten und neuer Produktionsfirma wieder an Bord — diese Kontinuität ist, glaube ich, ein nicht unerheblicher Faktor für den Erfolg von „Switch“. Was nicht heißen soll, dass es nichts Neues geben wird. Im Gegenteil: So ziemlich alles ist neu in dieser Staffel. Jedenfalls die meisten Fernsehformate, die parodiert werden. Unter anderem werden das „Aktenzeichen XY“, „Die Geissens“ und „Berlin — Tag & Nacht“ sein. Ein echter Knaller könnten auch die Parodien auf den „Tatort“ aus Münster werden. Am meisten freue ich mich aber auf die Umsetzung der brillanten Idee, wie man „Obersalzberg“ weiterführen kann, obwohl das nach der letzten Staffel (in der der Russe Berlin ja schon erreicht hatte) nicht sehr wahrscheinlich erschien. Doch Stefan Stuckmann, von dem die ganze „Obersalzberg“-Reihe bei „Switch“ stammt, hat einen Weg gefunden.

Was riecht hier denn so komisch?

Was habe ich gelernt aus dem Sketcheschreiben für „Switch“? Zum einen musste ich (abermals) feststellen, ein wie großer Teil des deutschen Fernsehens mir unbekannt ist — und das, obwohl er zum Teil erschreckend erfolgreich ist. „Berlin — Tag & Nacht“ etwa. Wer hätte gedacht, dass es ein Format gibt, das sich Pseudo-Doku-Soap nennt? Oder Inga Lindström. Hätte ich glatt für einen Schwedenkrimi gehalten, hätte ich nicht für „Switch“ was davon gucken müssen. Und wie bei „Um Himmels Willen“ vor zwei Jahren war es auch hier: wenn man es ironisch guckt, lacht man ganz gut — jedenfalls die erste halbe oder Dreiviertelstunde. Danach ist dann zu klar, wo es lang geht, wer mit wem in dieser Rosamunde-Pilcher-Variante für Schwedenfreunde am Ende in der Kiste landen wird.

Zum anderen: So gut es für die Kreativität auch ist, Einschränkungen zu unterliegen — bei „Switch“ etwa die Festlegung auf einen einzigen Schauplatz und die Kürze der einzelnen Szenen (die bei „Switch“ logischerweise „Switches“ heißen und von denen es meist drei braucht für einen Sketch): sobald die Einschränkungen so weit gehen, dass man auf Dialogscherze reduzierte Sketche schreiben muss, tu ich mir schwer. Ich mag einfach visuelle Gags, Aufziehscherze (so heißt das, wenn die Kamera gegen Ende einer Nummer von z.B. einem Protagonisten wegzoomt und man sieht, dass alles ganz anders ist als gedacht) und Slapstick. Leute, die mit dem Fahrrad in Mülltonnen fahren — da könnte ich mich kaputtlachen, schon beim Schreiben. Grobe Reize? Von mir aus.

Zuguterletzt habe ich gelernt, warum Bücher übers Schreiben von Comedy für die Tonne sind: Weil man nicht aus Büchern lernen kann, komisch zu sein, so wenig, wie man aus Büchern das Fahrradfahren lernt. Ich jedenfalls brauche immer neue Ansätze, Herangehensweisen und Anläufe: Mal hilft es, wenn ich mich frage, wie wohl ein z.B. „Seinfeld“-Autor eine Nummer für „Switch“ angehen würde (nämlich vermutlich mit viel Gelaber). Manchmal hilft es mir, nur von einem einzigen komischen Bild auszugehen (etwa: jemand simuliert in einer unpassenden Situation ganz offensichtlich, auf dem Handy angerufen zu werden, und geht allen damit auf die Nerven) und einen Sketch drumherum zu stricken. Neulich habe ich von einem Cartoonisten des New Yorker gehört, er gehe wiederum ganz anders an Cartoons heran, nämlich so, dass er sich zuerst eine bestimmte Reaktion seiner Leser auf den Cartoon vorstelle — zum Beispiel eine Mischung aus ungläubigem Staunen und Entsetzen — und dann überlege, wie er diese Reaktion erzeugen könnte. Das Geheimnis ist wohl, dass man sich selbst überraschen muss. Das wiederum kann man vielleicht üben oder Routine darin erwerben, aber lernen? Ich weiß nicht.

Aber was ich weiß: Heute abend um 22.15 Uhr ist „Switch“-Pflicht. Für alle. Morgen frage ich ab!

Emmy-Nominierungen 2012: Am besten nichts Neues

Die Emmy-Nominierungen sind raus, und insbesondere in puncto Comedy hat die Academy alle auch nur ansatzweise innovativen Shows weiträumig umfahren — auch wenn sich etwa Louis C.K. offenbar selbst keinen Gefallen getan hat.

Die (Nominierungs-)Abräumer des Jahres sind zum größeren Teil seit Jahren geläufig: „Modern Family“ (ABC) ist 14 Mal (!) nominiert, „30 Rock“ (NBC) ganze 13 Mal; neben diesen beiden sind noch der Mainstream-Krempel „Big Bang Theory“ (CBS) von Chuck „Two and a Half Men“ Lorre sowie der Klassiker „Curb Your Enthusiasm“ (HBO) als beste Comedyserien nominiert.

Nicht prominent vertreten unter den Nominierungen ist dagegen die für meine Begriffe phantastisch komische Meta-Sitcom „Community“ (NBC), die eine einzige eher versteckte Nominierung für „Outstanding Writing“ erhalten hat (für die brillante Folge „Remedial Chaos Theory“); das gleichfalls hochkomische „Parks And Recreation“ (NBC) ist ebenfalls lediglich für eher abseitige Auszeichnungen nominiert wie „Outstanding Writing“, „Outstanding Special Class – Short-format Live-Action Entertainment Programs“, „Outstanding Sound Mixing For A Comedy Or Drama Series (Half-Hour) And Animation“ (ja, das gibt es wirklich) und, nun gut, Amy Poehler ist nominiert als „Outstandin Lead Actress In A Comedy Series“.

Louis C.K. hat sich, wenn man dem Blogger und Comedy-Veteran Ken Levine Glauben schenken darf, mit der Auswahl seiner eingereichten Folge „Louie“ (FX) ins Knie geschossen:

There were better, funnier episodes he could have submitted. The first one he offered opens with him waiting at a subway platform. There’s a violinist playing furiously for five minutes and a homeless guy showering by pouring bottled water on himself. This goes on endlessly. Then the subway arrives. We see the refuge of New York City. On a seat there is some disgusting sludge. People stare at it. Louie finally gets us, takes off his jacket, and mopes up the disgusting mess. If you’re a LOUIE fan, I’m fan this was all rollicking. But if you’re not, or you’ve heard good things but were sampling the show for the first time, I think by the seven-minute mark you were done.

Immerhin ist auch Louis C.K. wenigstens zweimal nominiert, für Regie und Drehbuch.

Weitere Überraschung dieses Jahr: „Veep“ (HBO) ist prominent vertreten, obwohl Armando Iannuccis Politsatire um die Vizepräsidentin der USA (gespielt von Julia Louis-Dreyfus, auch als Outstanding Lead Actress In A Comedy Series nominiert) für meine Begriffe nicht so recht funkioniert hat: Dass sich Amerikaner so angiften, wie es für Briten selbstverständlich erscheint, will mir nicht recht einleuchten — zu niedrig erscheinen mir die amerikanischen Hierarchien, als dass auf diesem Weg Komik erzeugt werden könnte, wie es in „The Thick of It“ sehr einleuchtend funktioniert hat.

Viel interessanter als die Comedy-Nominierungen aber sind die für Drama: da rangeln mit „Boardwalk Empire“ (HBO), „Breaking Bad“ (AMC), „Downton Abbey“ (wegen der Ausstrahlung auf PBS trotz britischer Herkunft nominiert), „Games of Thrones“ (HBO), „Homeland“ (Showtime) und „Mad Men“ (AMC) gleich sechs Schwergewichte um die Auszeichnung „Outstanding Drama Series“. Favoriten hier „Mad Men“ mit 17 Nominierungen — und „American Horror Story“ (FX). Letzteres bleibt mir unbegreiflich, denn „American Horror Story“ war wirklich Car Crash TV: So schlecht, dass man nicht wegschauen konnte.

Wer noch mehr wissen möchte: DWDL berichtet ausführlich, und hier gibt es ein .pdf mit allen Nominierungen auf ingesamt 40 Seiten. Viel Spaß.

Titanic und der Papst: Anatomie eines Skandals

13. Juli 2012 36 Kommentare

Nun ist also endlich mal wieder was los.

Es gab eine lange Zeit, von den mittleren Neunzigern bis ins neue Jahrtausend, in der es meistens eher still blieb, wenn die Titanic ihrem Kerngeschäft nachging, nämlich dem Witzemachen, das hin und wieder neben Politik und Medien eben auch Religion betrifft. Dass es nun wieder Wellen gibt, wenn jemand (Titanic) im Gottesdienst pupst und sich der Bischoff (Papst) prompt darüber so aufregt, dass er am liebsten jemanden exkommunizieren möchte, ist ja schön — aber auch wieder nicht. Denn es deutet darauf hin, dass die allgemeine Religionsbegeisterung wieder zunimmt, nicht nur bei Moslems, sondern im Gegenzug und um der vermeintlichen Muslimisierung des Abendlandes etwas entgegenzuhalten, auch bei Christen. Das ist durchaus bedauerlich, weil gegenaufklärerisch. Religiösem Fanatismus begegnet man nicht wirklich klug damit, selbst in die Kirche zu rennen und sich zu radikalisieren (talkin‘ to you, Martin Mosebach!).

Aber Skandale um Scherze auf Kosten der Religion gab es schon immer. Und es ist mit ihnen wie mit Eisbergsalat: Kennste einen, kennste alle. Das sagt sich natürlich leichter, wenn man schon ein paar aus der Nähe gesehen hat, und weil ich bei einigen zufällig anwesend war, möchte ich die Gemeinsamkeiten aller Empörungen nach vermeintlich blasphemischen Witzen kurz beschreiben.

1. Wann ist ein Skandal ein Skandal? Die Titanic mit dem inkriminierten Pipikackatitel lag etwa zwei Wochen lang am Kiosk, bevor jemandem aufgefallen ist, dass man da ja einen veritablen Skandal an der Hand hat. Warum eigentlich erst nach zwei Wochen? Antwort: Weil man bis dahin dachte, es sei ganz normal, dass ein Satiremagazin Satire für Satirefreunde macht.

Ist es ja auch. Es sind stets nur die, die von Anfang an keine Freunde der Satire waren, die sich empören. Die aber müssen erst erreicht werden, und zwar von anderen Medien (Titanic lesen sie ja nicht, aus gutem Grund). Einer der letzten größeren „Skandale“ war der um diese Bilder („Spielt Jesus noch ein Rolle?“) — aber nicht, als sie in Titanic veröffentlicht wurden, sondern in einem Kirchenmagazin. Dort, vor einem Publikum, für das sie nie gedacht waren, sorgten sie prompt für die Wirkung, die beabsichtigt war, nämlich für organisierte Empörung.

So auch hier: Nun erst, nach der Klage des Papstes, sind sich alle einig, was geht und was nicht.

2. Seit Religion in Deutschland weniger Selbstzweck als vielmehr Rüstzeug gegen den bösbösen Islam geworden ist, kommt auch regelmäßig der Anwurf: Das müsste mal einer mit Mohammed machen! Das traut ihr euch nicht, ihr Feiglinge! So im aktuellen Fall etwa von Bild-Wagner, SpOn-Fleischhauer und Kai „Penisverlängerung“ Diekmann. Ob das stimmt, kann man ganz leicht hier, hier, hier, hier, hier und hier überprüfen. — Nein, ich schreibs lieber explizit hin: Es stimmt nicht. Titanic macht Witze über alles, was der Redaktion relevant scheint. Das ist der Islam allerdings nur bedingt — Titanic ist schon ein deutsches Satiremagazin, und in Deutschland ist es nach wie vor in erster Linie das Christentum, mit dem Autoren wie Leser sozialisiert sind.

Und so sehr es Gewohnheit von Bild und SpOn ist, so deutsch es insgesamt auch ist, Witze über „die anderen“ zu machen, am besten über Ausländer, Schwächere und alle, die nicht so sind wie „wir“ — Titanic tut das nicht, sondern kehrt vor der eigenen Haustür. Wäre der Islam tatsächlich in Deutschland so verwurzelt, dass auch in der Titanicredaktion Muslime säßen, sähe die Sache vermutlich anders aus: die würden dann auch regelmäßig Witze über ihre Themen machen.

3. Am deutschsten aber, wenn man das so sagen kann, ist die Diskussion, die sich jetzt schon wieder an den „Skandal“ anschließt und die jedes Mal auf einen so gelagerten Fall folgt: die moralische Bewertung, an die prompt Regeln und Vorschriften geknüpft sind. Dürfen die das? Sollte denen nicht die Satirelizenz entzogen werden? Wo ist die Grenze dessen, was erlaubt ist? Daran schließt sich natürlich die Gegenfrage an: Wer will das entscheiden? Thomas Goppel? Die Grenzen des Witzes lege immer noch Titanic fest, heißt es bei solchen Diskussionen sofort polemisch aus der Redaktion, was natürlich wiederum eine satirische Wendung ist als Reaktion auf die moralische Überlegenheit, die Wagnerfleischhauerdiekmann aus allen Poren tropft.

Da dient dann auch gleich alles zur Empörung: Titanic sei pennälerhaft und pubertär, das seien doch Furzkissenwitze, wie Fleischhauer mosert, nur um im gleichen Atemzug zu behaupten, das seien politische Witze, wie sie das Kabarett pflegt, und die seien von vorneherein nicht lustig. Was denn nun? Da geht doch was durcheinander. Aber die strengsten Urteile fällen nun einmal die am wenigsten humorbegabten Menschen darüber, was komisch ist und was nicht. Zu pubertär, zu politisch, jaaaa, früher, Tucholsky, das war noch Satire! Von Seneca mal ganz zu schweigen. Was gute Witze sind und was nicht, beurteilen stets diejenigen am strengsten, die noch nie einen Witz gemacht haben. Warum aber soll ich Urteile darüber, wie man richtig radfährt und warum man nicht so und so radeln darf, von jemandem entgegennehmen, der selbst noch nie auf einem Fahrrad gesessen ist?

Ich will mich aber über die Pressereaktionen auf den Vorgang Papst vs. Titanic nun nicht selbst empören. Zu gut ist die PR für Titanic, die da kostenlos gemacht wird. Und zu lustig finde ich nach wie vor die Vorstellung, dass der Stellvertreter Gottes auf Erden Titanic liest.

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Bafta 2012: Die Gewinner

29. Mai 2012 3 Kommentare

Am Sonntag wurden die Television Award Winners 2012 der British Academy of Film and Television Arts bekanntgegeben; und im Zusammenhang mit Comedy wurden ausgezeichnet:

  • Jennifer Saunders in der Sparte Female Performance in a Comedy Programme für ihren Auftritt in den neuen Specials des ewigen Superknallers „Absolutely Fabulous“ (BBC1): geht klar; aber auch gegen die Mitbewerberinnen Olivia Colman („Twenty Twelve“, BBC4) und Tamsin Greig („Friday Night Dinner“, Channel 4) hätte ich wenig einzuwenden gehabt. Einzig Ruth Jones, Mit-Erfinderin und Darstellerin von „Gavin & Stacey“ (BBC3, 2 und 1) scheint mir nach dem arg süßlichen „Stella“ (Sky1) ein wenig überschätzt zu sein.
  • Darren Boyd in der Sparte Male Performance in a Comedy Programme für seinen Auftritt in „Spy“ (Sky1) — habe ich leider noch immer nicht gesehen. Nach allem, was man so hört, war diese Auszeichnung für Boyd aber verdient, und ich gönne sie ihm jedenfalls mehr als ich sie Brendan O’Carroll für seine Mrs Brown in der Männer-in-Frauenklamotten-Burleske „Mrs Brown’s Boys“ (BBC1) gegönnt hätte.
  • Stewart Lee in der Sparte Comedy Programme für „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (BBC2). Auch Charlie Brooker hätte ich den Bafta für „Charlie Brooker’s 2011 Wipe“ gegönnt, aber zum einen war das nur ein One-off, zum anderen ist dieses Blog ja irgendwie sowieso Stewart Lee und seinem Werk gewidmet, also geht auch das in Ordnung. Weiter abgeschlagen in meinem persönlichen Ranking: der Mitbewerber „Comic Strip: The Hunt for Tony Blair“ (Channel 4) mit Stephen Mangan. Das war denn doch einen Ticken zu krude und unlustig; das mag ja im Sinne der Original-„Comic Strip“-Serie sein, aber nicht in meinem.
  • „Mrs Brown’s Boys“ in der Kategorie Situation Comedy. Ja. Hm. Gut. Nicht ganz klar, warum so eine rückwärtsgewendete Klamotte gegen „Friday Night Dinner“ und „Fresh Meat“ gewonnen hat (gut, letzteres war vielleicht näher am ComedyDrama als an der Sitcom), und sogar das sehr stille „Rev.“ hätte ich den Mrs Brownschen Jungs vorgezogen. Meh.

Außerdem: der Special Award für Steven Moffat („Dr. Who“, „Sherlock“) geht in Ordnung (ich behalte jetzt mal diesen gönnerhaften Tonfall), und auch Andrew Scott als James Moriarty (Supporting Actor) fand ich erst gestern wieder sehr gut in der ARD-Ausstrahlung von „The Reichenbach Falls“ (auch wenn ich dann am Schluss doch wieder den Faden verloren habe. Was soll’s, tolle Bilder immerhin).

Dass „Holy Flying Circus“ (BBC4) nicht in der Kategorie Single Drama gewonnen hat, ist absolut verständlich, und dass „Shameless“ (Channel 4) jetzt in einer Liga mit „Holby City“, „EastEnders“ und „Coronation Street“ spielt (gegen die es in der Kategorie Soap & Continuing Drama“ verloren hat, leuchtet mir auch ein. Schade um ein ehemals schönes ComedyDrama. Guckt eigentlich noch jemand die US-Version davon?

Ebenso nicht gewonnen hat Gervais’/Merchants/Pilkingtons „An Idiot Abroad“ (Sky1, nominiert in der Sparte Reality & Constructed Factual, was ich einen sehr guten Begriff finde, Constructed Factual).

Mal was anderes: die aktuelle Buchkritik auf britcoms.de

23. Mai 2012 1 Kommentar

Der Titanic-, Fernseh- und Buchautor Thomas Fuchs hat eine Mark Twain-Biographie geschrieben: „Ein Mann von Welt“, erschienen bei Zweitausendeins, und dort im Unterverlag von Gerd Haffmans. Ich habe meinen Urlaub genutzt, um nicht nur Fuchs‘ Buch zu lesen, sondern auch ein bisschen in Twains Schriften zu schmökern. Letztere sind, durch die Lupe des Humor-Historikers gesehen, zum Teil noch erstaunlich stilprägend; ich meine, das Twainsche Augenzwinkern hin und wieder noch zum Beispiel in den „Zippert zappt“-Texten von Hans Zippert zu entdecken. Der, so glaube ich mich zu erinnern, tatsächlich Twain-Fan ist oder zumindest war.

Das erste, was dem Leser auffällt, wenn er Thomas Fuchs‘ Buch in die Hand nimmt, ist: mit wieviel Liebe zum Buch da schon der Verlag in Vorleistung gegangen ist. So handlich das Format, so fest der Einband und gediegen das Papier – ein Buch, das schon haptisch seine Begeisterung für’s Gedruckte mitteilt (wie viele Bücher von Zweitausendeins, und noch mehr die früher im damals noch eigenständigen Haffmans-Verlag erschienenen). Solche Bücher brauchen kein Kindle zu scheuen, solche Bücher sagen: Ich bin noch da, wenn die letzten Pixel längst im digitalen Nirvana verglüht sind.

So ein Buch-Buch verrät natürlich auch gleich: Ich bin von einem Autor-Autor. Thomas Fuchs ist auf den Spuren seines Lieblingsschriftstellers gereist und hat sich dort umgesehen, wo Twain gelebt und gewirkt hat. Wie auch sonst sollte man sich einem Autor nähern, der vor allem Reiseschriftsteller war, wenn nicht geographisch? Dass er, Fuchs, bei dieser Reise aber meistens dezent im Hinergrund bleibt, auch wenn er zu verstehen gibt, dass alles Berichtete durch seinen persönlichen Filter gegangen ist: das macht diese Biographie höchst vergnüglich.

Und stellenweise beinah zu einem Abenteuerroman. Auch das ist selbstverständlich im Sinne des Poträtierten: Denn Mark Twain war ja nicht nur Abenteuerromanautor (die Tom Sawyer-Bücher hat er nicht für Kinder geschrieben), sondern geradezu selbst ein Abenteurer, der sich für allerlei Leichtsinn und überstürzt eingegangene Geschäfte nicht zu schade war. Ein Filou, der auf schnellen Reichtum aus war und hin und wieder Städte verlassen musste, um aufgebrachten Geneppten aus dem Weg zu gehen, die ihm ans Leben wollten.

Wer also einen leichten Zugang zu Twain finden möchte, dabei etwas über die Zeitgeschichte des amerikanischen Bürgerkriegs erfahren, über das Leben als Mississippi-Dampfschiff-na ja-Kapitäns und die Sicht der Amerikaner auf Europa und Deutschland, bevor zwei Weltkriege die Beziehungen der Kontinente prägten: Der möge zu Thomas Fuchs „Ein Mann von Welt“ greifen! Es wird sein Schaden nicht sein.

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