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Archiv für die Kategorie ‘Allgemein’

Deutsche Bücher, deutsches Geld

8. März 2011 12 Kommentare

Wenn mir demnächst eine Mail ins Haus flatterte: die Hölle friert zu, und aus diesem Anlaß lädt die Zeitschrift Konkret gemeinsam mit Heckler & Koch zu einem kleinen Umtrunk ein — dann könnte ich auch nicht viel erstaunter sein als gerade eben. Vor ein paar Minuten erhielt ich diese Mail:

von: presse@keinundaber.ch
Betreff: Einladung zur Lunchlesung mit Markus Feldenkirchen am 21. März in den Deutsche Bank Türmen in Frankfurt am Main

(…) Der Verlag Kein&Aber und die Alfred Herrhausen Gesellschaft der Deutschen Bank laden Sie herzlich zu einer Lesung zur Mittagszeit: Markus Feldenkirchen liest aus seinem Roman „Was zusammengehört“. Im Anschluss: Der Autor und Spiegel-Redakteur im Gespräch mit Stephan Sattler, Editor at Large, Hubert Burda Media. Einführung: Wolfgang Nowak, Geschäftsführer der Alfred Herrhausen Gesellschaft“

Ja, wirklich? DAS gehört jetzt zusammen? Kein&Aber und die Deutsche Bank? Also der sympathische Schweizer Verlag, in dem Gerhard Polt, Harry Rowohlt und etliche Autoren der Neuen Frankfurter Schule verlegt sind, und die Bank, die Kredite für skrupellose Projekte vergibt und Spekulationsgeschäfte auf Kosten hochverschuldeter Länder betreibt? Die gehören jetzt zusammen? Herzlichen Glückwunsch!

Zur Erinnerung: Die Deutsche Bank finanzierte, um ein willkürliches Beispiel zu nennen, in den Neunzigern eine Gold- und Kupfermine in Indonesien, deren Betreibern grobe Menschenrechtsverletzungen und massive Zerstörung des Ökosystems vorgeworfen wurde und das indonesische Militär Zwangsumsiedlungen durchführen ließ, bei denen über ein Dutzend Menschen umkamen. Die Deutsche Bank hat dem afrikanischen Apartheitssystem durch großzügige Umschuldungen und langfristige Kredite zu günstigen Bedingungen wieder auf die Beine geholfen. Die Deutsche Bank zahlt kaum noch Steuern („Unsere Absicht ist es, … Industriebeteiligungen so zu veräußern, daß die Steuerfreiheit gegeben ist, d.h. der erwartete Steuersatz null Prozent beträgt“, so der Vorstand in seinem Geschäftsbericht), während die deutschen Steuerzahler via Hermes-Kreditsicherung durch den Bund für Ausfälle und Risiken haften. Die Deutsche Bank fördert die Atomkraft. Und, und, und.

Und mit dieser Deutschen Bank arbeitet jetzt ohne Not Kein&Aber zusammen, deren Autoren F.W. Bernstein, Wiglaf Droste, Bernd Eilert, Fil, Bernd Fritz, Greser & Lenz, Josef Hader, Eckhard Henscheid, Rudi Hurzlmeier, Ernst Kahl, Peter Knorr, Bernd Pfarr, Gerhard Polt, Harry Rowohlt, Rocko Schamoni, Michael Sowa, Hans Traxler, F.K. Waechter und Hans Zippert für das diametral Andere, das Gute und Schöne und Wahre in der Welt stehen? Nämlich auf der Seite des Menschen, des Kleinen, Ausgebeuteten, Schwachen? Deren Verlag arbeitet jetzt mit DER DEUTSCHEN BANK zusammen??

Ich muß gleich kotzen.

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Malcolm Tucker vs. Gutti

1. März 2011 3 Kommentare

Malcolm Tucker: It IS possible to have a good resignation, you know!

Guttenberg: „A good resignation“? Oh, I’m looking forward to how you’re gonna sell THIS to me!

Malcolm Tucker: Look, people really like it when you go just a bit early! You know, steely jawed, faraway look in your eyes! Before they get to the point when they sitting round in pubs and say „Oh, that fucker’s got to go!“, you surprise them! „Blimey, he’s gone! I didn’t expect that! Resigned! You don’t see THAT much anymore! Old school! Respect! I rather liked the guy! He was hounded out by the fucking press!“ How about that, ah? What a way to go! Yeah!

Zu spät.

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Pub Dog

17. Februar 2011 Keine Kommentare

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Dämliche Filmtitel

16. Februar 2011 35 Kommentare

Drüben im Britcoms-Facebookstrang stellte gestern jemand eine Frage, die ich so interessant finde, daß sie mir hier einen kleinen Eintrag wert ist:

Weiß jemand, wieso die meisten Filme (z.B. alle von Judd Apatow) im Deutschen stets solch dämliche Titel verpaßt bekommen? Ernsthaft, gibt’s dafür nen Grund?

Das Phänomen kennt ja nun jeder, der sich länger als zwei Sekunden mit Filmen beschäftigt hat (obwohl es mir jetzt bei Apatow-Filmen nicht aufgefallen ist): Komödien und Sitcoms kriegen in deutscher Übersetzung einen albernen Titel, der nicht selten auf Klamauk gebürstet ist und den Charakter der Serie oder des Films gar nicht richtig wiedergibt. Besonders Adam Sandler und Ben Stiller scheint es immer hart zu treffen: Aus „Waterboy“ wird „Der Typ mit dem Wasserschaden“, „Billy Madison“ heißt „Ein Chaot zum Verlieben“, „Cable Guy“ transformiert zu „Die Nervensäge“, „Duplex“ zu „Der Appartement-Schreck“, und „Dodge Ball“, o Gott: „Voll auf die Nüsse“. Aber auch Sitcoms bleibt es nicht erspart: „Fawlty Towers“ firmierte im Deutschen als „Ein verrücktes Hotel“ (ich hatte sogar „Ein total verrücktes Hotel“ in Erinnerung), und „Curb Your Enthusiasm“ als „Laß es, Larry“.

Aber warum? Zwingt jemand die Verleiher oder Fernsehsender dazu? Nein, natürlich nicht. Also muß es einen anderen, womöglich kulturellen, soziologisch erfaßbaren, humortheoretischen Grund geben.

Betrachtet man die Signale, mit denen bedeutet wird, daß man es mit Humor zu tun bekommen wird, also nicht nur die Titel selbst, sondern auch CDs, DVDs, Filmplakate und überhaupt Plakate für Comedy-Veranstaltungen, so wird man feststellen: der Deutsche kündigt seine Humor-Verrichtung gerne explizit an. Da gibt es viele lachende Gesichter, groteske Verkleidungen, überschminkte Frauen — grelle Farben, laute Töne. Besonders Filmaushänge aus der Zeit, als deutscher Humor noch weniger angelsächsisch geprägt war, wenn man etwa an die Filmkomödien der fünfziger und sechziger Jahre denkt, arbeiteten sogar ganz direkt mit Slogans wie „Es darf gelacht werden!“. Alles, was mit Karneval zu tun hat, der deutschesten Humoreinrichtung, läuft bis heute unter „jeck“, „verrückt“, wird mit lachenden Narren verbunden und, besonders wichtig: mit Gemütlichkeit. Die spannungsfreie Gemeinsamkeit, die gemütliche Fröhlichkeit ist die Basis, auf der der Deutsche Komik und Humor zulassen und verstehen kann.

Das wäre sagenwirmal dem Engländer nun äußerst fremd. Nicht nur braucht der keine Einladung, geschweige denn Erlaubnis zum Lustigsein, er zeigt auch nicht via breitem Grinsen, daß er gerade etwas Komisches sagt oder tut. Im Gegenteil: Er ist gerne mit todernstem Gesicht komisch, Stichwort: deadpan. Bei Monty Python wird nicht gelacht, Mario Barth aber ist ohne debiles Grinsen gar nicht vorzustellen. Das typisch deutsche Amalgam von Komik und Gemütlichkeit, das zeitlich und räumlich genau begrenzt ist, kennt der Engländer nicht. Dafür aber ist Humor und Komik bei ihm fester Bestandteil des Alltags, ja geradezu obligat im Umgang mit Mitbürgern. Durch Witz und Schlagfertigkeit kann er Spannungen abbauen, Konflikte entschärfen bzw. austragen, ohne dabei gewalttätig zu werden oder autoritär, was ja auch eine Form der Gewalt ist.

Diese Möglichkeit fehlt dem Deutschen weitgehend. Für ihn ist Komik immer eine Ausnahme, ihm sind in sehr vielen gesellschaftlichen Situationen Humor und Komik schlicht verboten. Vor allem in Situationen, die von starken Hierarchien geprägt sind: im Umgang mit der Polizei etwa (englische Polizisten sind, wenn sie einen nicht gerade verprügeln, unglaublich entspannt), vor Gericht, beim Militär, in der Kirche, auf dem Arbeitsamt, manchmal auch noch auf der Schule oder vor Ärzten. Überall, wo das Machtgefälle groß ist, sind Witze tabu. Umgekehrt muß, wo Komik und Humor erlaubt sind, dort eine entsprechende Beschilderung aufgestellt werden: „Es darf gelacht werden!“ „Jetzt wird’s lustig!“ Und am Besten weiß man auch, von wann bis wann gelacht werden darf („fünfte Jahreszeit“). „Heut‘ sind wir lustig“, so könnte ohne weiteres eine fröhliche Volksmusiksendung in der ARD heißen, von der alle Beteiligten schwören würden, sie wäre wirklich superlustig.

Diese Charakterisierungen von deutschem und englischem Humor sind überzeichnet, klar, und nicht nur hat sich der deutsche Humor seit dem Zweiten Weltkrieg stark verändert und mit dem angelsächsischen Humor vermischt (je jünger das Publikum, desto mehr), auch der englische Humor ist nicht mehr so englisch wie früher. Und natürlich gilt das Beschilderungsgebot für deutschen Humor auch nur für den viel geschmähten sog. „Nonsens“-Humor, der mit Verdikten wie „ist das schlecht“ belegt werden kann (im Gegensatz zu moralischem Humor, also Kabarett und Satire). Gerade deswegen fallen uns deutsche Filmtitel für amerikanische Filmkomödien so auf, die ein möglichst großes Publikum erreichen wollen und deshalb möglichst deutlich sagen wollen: Es wird lustig! Es darf gelacht werden! HAHAHA!! Aber sie werden weniger. Gut so.

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Phantom-Nostalgie

11. Februar 2011 2 Kommentare

Jedesmal, wenn ich eine BBC-DVD einlege, freue ich mich schon beim BBC-Video-Ident mit den rot-blau-grünen Rauchfäden, die von rechts oben nach links unten durchs Bild wabern; beim neuen mit dem konzentrischen Kreis-Feuerwerk natürlich auch. Ein pawlowscher Reflex, durch endlose Wiederholungen mittlerweile schön fest in meine Synapsen eingebrannt. Genau das ist natürlich der Sinn dieses Idents, und eben diese Strategie verfolgen auch die Myriaden von Fernsehstationen-Idents seit Generationen.

Als ich gestern Nacht TV-ARK entdeckt habe, war es schon spät, und es wurde sehr, sehr, sehr spät. Denn TV-ARK (oder Tvark) versammelt nicht nur britische TV-Idents seit der Erfindung des Fernsehens, sondern auch Endboards, Serien-Vorspanne, Testbilder und Teletext, stellt Soaps vor und Musiksendungen, Schulfernsehen und Public Information Films, und es gibt sogar eine Sektion mit internationalen Sendern, natürlich auch deutschen wie die zu RTL.

Über 9000 Clips versammelt Tvark angeblich, kommentiert alles kurz und kompetent und macht so den Eindruck eines Museums — wenn auch den eines Museums, das leider seit ein paar Jahren aufgelassen ist und durch das der Wind schon ordentlich durchgefegt ist: Es lädt zwar zum extensiven Stöbern ein, hat aber auch viele Ausstellungsräume, in denen nichts mehr zu sehen ist. Tatsächlich gibt es die Seite nämlich schon seit 1998 und wurde seither etlichen Relaunchs unterzogen, die aber nur zum Teil ausgeführt wurden, und etliche Sektionen sind nicht wieder online gegangen. Und natürlich gibt es keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Das macht aber nichts, denn auch so macht es großen Spaß, sich durch die Geschichte des britischen Fernsehens durchzuwühlen, von den BBC2-Idents von 1979 zu den dreidimensionalen Channel 4-Idents seit 2004, und sich zu wundern: sahen Rentner 1974 wirklich aus wie eine Mischung aus Catweazle und Beefeater? Gibt es Menschen, die wirklich alle Folgen „Doctor Who“ gesehen haben (hier der Vorspann des Pilotfilms von 1963)? Und hat man sich 1989 wirklich über die Softpornos von RTL aufgeregt, die plötzlich via Satellit auch in Großbritannien zu sehen waren?

Eine Zeitvernichtungsmaschine erster Güte ist dieses Tvark, soviel zur Warnung. Bei mir hat es eine Nostalgie ausgelöst, die eigentlich nur ein Phantom sein kann, denn aufgewachsen bin ich natürlich nicht mit den Bildern, die da zu sehen sind. Aber wer schon auf die Archiv-Schnipsel in Charlie Brookers Fernseh-Shows so steht wie ich, wird mit Tvark viel Spaß haben.

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How TV ruined my life… NOT

2. Februar 2011 1 Kommentar

Zwei Fragen drängten sich mir nach der ersten Folge von Charlie Brookers neuer Show „How TV Ruined Your Life“ (BBC2) auf, die sich mit dem Thema „Fear“ befaßte: Warum eine neue Show, warum nicht einfach „Screenwipe“ weitermachen? Und: Übertreibt er jetzt nicht ein bißchen?

Über die Antwort auf  die erste Frage kann man nur spekulieren — vielleicht hat es etwas damit zu tun, daß er mit seinem mediensatirischen Programm von einem gut versteckten Sendeplatz auf BBC4 zu einem besseren auf BBC2 gewechselt hat. Ansonsten ist nämlich kein großer Unterschied festzustellen.

Die zweite Frage ist schon ein bißchen weniger trivial. Denn die These, daß das Fernsehen maßlos übertreibt, was die Darstellung von Gefahren angeht, und uns ängstigen und unmündig halten will, ist natürlich nicht aus der Luft gegriffen. Aber ausgerechnet mit ihr eine neue Show zu beginnen, die  „How TV Ruined Your Life“ heißt — hmmmm, nein, stimmt schon, das Fernsehen hat mein Leben ruiniert. Und Ihres doch auch, geben Sie’s halt mal zu! Das Fernsehen ist schrecklich, es wird uns allen das Gehirn fritieren und auf unsere toten Körper scheißen! Es macht uns zu willenlosen Zombies! Der Untergang des Abendlandes ist nahe! — Sie ahnen vielleicht, worauf ich hinaus will.

Zum Glück deutet die zweite Folge darauf hin, daß Brooker doch nicht in einen Überbietungswettbewerb mit sich selbst getreten ist („Charlie Brooker — jetzt noch finsterer!“). „The Lifecycle“ zeigt einmal mehr aufs Feinste, wie das Fernsehen Menschen von der Wiege bis zur Bahre darstellt, was es für jede Altersgruppe bereithält und wie sich das über die letzte Generation geändert hat. Er stellt fest, daß das Fernsehprogramm für Überdreißigjährige vorwiegend in geschlossenen Räumen spielt und alles, was draußen vor sich geht, extrem gefährlich erscheinen läßt. Daß man früher denken mußte, im Fernsehen seien nur middle aged men, egal wie alt sie waren, und daß heute vorwiegend Männer im mittleren Alter zu sehen sind, die sich wie Jugendliche benehmen und nicht erwachsen werden können. Daß das auch für Politiker gilt, die früher wie verstaubte Dozenten wirkten und heute wie juvenile Air-Freshener-Verkäufer oder gut gelaunte Nachbarn aus schlechten Soap Operas. Und daß Senioren nur noch ins Fernsehen dürfen, wenn man sie wie Haustiere behandeln kann und ihnen bei Talent-Shows herablassenderweise schon für ihr biblisches Alter applaudiert, egal, was sie sonst noch machen.

Oder, wie Brooker es zusammenfaßt:

TV never’s quite got you. When you’re a kiddie-winky, it’s just a meaningless light source, when you’re young it either demonizes or patronises you, when you’re in your middle years it makes you feel too old by ruthlessly highlighting your flaws, when you’re older than that it wipes you off the screen altogether and leaves you feeling socialy irrelevant.

Aber was red ich mir den Mund fusselig. Gucken Sie’s halt selber. Die halbe Stunde wird Ihr Leben schon nicht ruinieren…!
Teil 1:

leider nicht mehr online

Teil 2:

dito