Gerade sehe ich, die ARD zeigt die 25 beliebtesten Sketche der Deutschen. Das klingt so gruselig wie interessant, und nachdem ich noch nie live gebloggt habe, probiere ich das einfach mal: Live-Kommentar zur ARD-Show mit Kim Fischer (was die für diese Sendung qualifiziert, ist mir völlig unklar), Ralf Schmitz und einer schönen Flasche Rotwein hier neben mir auf dem Tisch.
20:20 Uhr: Ein Sketch von Otto — dagegen ist wenig zu sagen: „Theo, vier fahr’n nach Lodz“. Fand ich lustig, dochdoch.
20:21 Uhr: Rudi Carrell, Beatrice Richter und Diether Krebs in dem Windmaschinen-Suppen-Sketch. Ich glaube, ich konnte noch nie über einen Witz von Rudi Carrell lachen. Zu autoritär, der Typ. Warum dürfen eigentlich Knallchargen wie Andi Borg, Uta Ranke-Heinemann und dieser dicke Ossi kommentieren? Und warum glauben Schmitz und Fischer, noch (!) lustiger sein zu müssen als Carrell und Richter und Krebs?
20:25 Uhr: Platz 23: Bully & Co als Captain Cork & Co.
20:27 Uhr: „Der Lottogewinn“ von Loriot. „Ich heiße Erwin Lindemann und bin 500 000 Jahre alt“ — Klassiker!
20:35 Uhr: Platz 21: Die Tagesschau mit Theo Lingen, einem Überbleibsel des deutsche 50er-Jahre-Humortums. Die Leute, die das lustig finden, haben Internet? Diesen Sketch habe ich noch nie gesehen, aber daß Hellmuth Karasek ihn gut findet, sagt alles. Ich weiß nur nicht, ob über den Lingen-Sketch oder über Hellmuth Karasek.
20:38 Uhr: Ein Badesalz-Sketch. Normal stehen Sketche, in denen die Akteure Dialekt sprechen, unter Generalverdacht, denn Dialekt läßt Gags oft lustiger erscheinen, als sie sind. Badesalz sind da eine Ausnahme — Hessisch ist einfach wirklich lustig, und Badesalz meistens auch.
20:40 Uhr: Hape Kerkeling als Simultanübersetzer. Französisch ist halt auch immer lustig, fast so wie Hessisch. Diese Froschfresser, die sind aber auch…!
20:43 Uhr: Platz 18: Jürgen „Tegtmeier“ Manger, der seine Schwiegermutter umgebracht hat. Man sollte erwarten, daß Schwiegermutterwitze in Verbindung mit Ruhrpott-Komik schrechlich schief gehen. Dieser ist aber komischer als erwartet — zumal er drastischer ist, als die versöhnliche rheinische Frohnatur-Komik es sonst so ist. „…daß mir diese Untat sehr, sehr… also, wie jesacht.“
20:45 Uhr: Eine „Derrick“-Parodie mit Harald Schmidt und Herbert Feuerstein. Spielt in einer Liga mit „Switch“-Parodien, eh klar.
20:49 Uhr: Helga wer? Hahnemann? Achim Mentzel scheints aber gut zu finden. „Traudls Talkshow“, wat et allet jibt, wa? Das Publikum schreit mehr als daß es lacht, immer ein „gutes“ Zeichen für Hochkomik. Olaf Schubert habe ich lange unterschätzt, der ist viel lustiger, als seine aufdringliche Kunstfigur es ahnen läßt. Wer einmal ein ganzes Programm von ihm gesehen hat, weiß, wie kunstvoll der Mann Sprache, äh, dingens, drechseln kann.
20:53 Uhr: Platz 15: Harald und Eddi in Frauenkleidern. Günther Beckstein findet’s gut und macht es an Fasching in Veitshöchheim auch, sich als Frau verkleiden, falls das wen interessiert. Mich nicht, aber hey, das bin nur ich. Wenn ich Männer in Frauenkleidern sehen will, schalte ich auf die türkischen Satellitenkanäle.
20:56 Uhr: Noch mehr DDR-Humor: Rolf Herricht und Hans-Joachim Preil in einem Eisenbahn-Sketch, der sich über die Verhältnisse der Reichsbahn mockiert. Erinnern mich an das britische Comedy-Duo Morecamb & Wise. Sieht lustig aus, aber mir fehlen die rechten Maßstäbe zur Bewertung von Ost-Komik, fürchte ich.
20:59 Uhr: Olli Dittrich und Wigald Boning in RTL-„Samstag Nacht“ als Beckenbauer und Moderator. Die „Samstag Nacht“ war immer schlechter als ihr Ruf (und als er vor allem in der Retrospektive immer noch ist), aber Dittrich als Beckenbauer überzeugt mich gerade durchaus. Mehr als Matze Knop jedenfalls.
21:02 Uhr: Platz zwölf: Gerhard Polts „Mai Ling“-Sketch. Und endlich mal ein Dead-Pan-Komiker, der nicht immer schon durch breites Lachen (Schmitz!) drauf hinweisen muß, wie lustig er ist.
21:04 Uhr: „Das Wetter“ mit Peter Frankenfeld. Diese Ausgewogenheit von Comedians, Epochen, West und Ost macht mich langsam stutzig — inwiefern durfte da „im Internet“ eigentlich abgestimmt werden? Die 25 beliebtesten aus 30 zur Auswahl gestellten Sketchen?
21:08 Uhr: Platz zehn: Die Flasche Pommes von Didi. Didi ist ein heikler Fall: mit zehn fand ich ihn super, und das prägt mich bis heute: Allen „kabarettistischen“ Auswüchsen des Hallervordenschen Schaffens zum Trotz finde ich Didi noch lustig — in seinen alten Sachen. Palim-palim! Andererseits: Man hört ja nichts so richtig Gutes über Didi unter Comedyschaffenden. Ein Komiker ohne eigene Scherze, ein Kollegenschwein par excellence. Aber was für ein Timing! Und was für Grimassen!
21:11 Uhr: Bastian „Brisko Schneider“ Pastewka und Anke „Ricky“ Engelke auf Platz neun. Pastewka mag man, oder man mag ihn nicht.
21:15 Uhr: Rudi Carrell und Heinz Erhardt in dem Regenlied-Sketch. Zzzzzzzzzzzz…. zzzzzzzzz…. zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz… zzzzzzzzzzz… zzzzzzzz…
21:19 Uhr: Platz sieben: Ein „Sketchup“-Sketch mit Iris Berben. Ah, der kleine Hund, den dann der Teppichverleger… Zzzzzz… zzzzzzzzzzzzzz…. zzzzzzzzzzzzz………. Hauptsache, Günther Beckstein findet’s gut. Ich finde, Günther Beckstein sollte viel öfter im Fernsehen Sachen gefragt werden.
21:22 Uhr: Platz sechs: Loriot bzw. Evelyn Hamann und die englische Krimiserie, deren „Was bisher geschah“ Hamann erzählen muß. Haha, seit über einer halben Stunde muß ich mal wieder wirklich lachen! Und zwar über Marcel Reich-Ranickis Geschwätz. Zwei Loriot-Sketche, und beide ohne Loriot, das ist auch gut.
21:27 Uhr: Otto und „Der menschliche Körper“. Ein echter Klassiker! Ich bewundere Otto sehr dafür, nicht den Didi-Fehler gemacht zu haben und irgendwann „ernst“ geworden zu sein. Otto muß immer Otto bleiben! Und soll ja auch privat einer der wenigen Comedians sein, die tatsächlich so sympathisch sind, wie sie alle immer tun.
21:30 Uhr: Platz vier: Peter Frankenfeld in einem „Büro, Büro“-Sketch, den ich noch nie gesehen habe. Mhm, mit Direktoren telefonieren heißt ja auch heute oft noch, immer „ja… mhm… Gewiß, Herr Direktor“ zu sagen. It’s so funny ‚cause it’s true! Vor allem, daß Angestellte mit Frack und Fliege im Büro sitzen, ist sehr gut beobachtet. Die kleine Tochter, die immer auflegt, heißt Uschi. Wahrscheinlich ist es Uschi Glas. „Was ich wollte? Das habe ich vergessen!“ — Klick. Toll.
21:33 Uhr: Platz drei: Heinz Erhardts „G-Sketch“. Und gleich kommt noch die Nudel. Bzw. natürlich Die Nudel. DIE NUDEL! Wer das nicht hat kommen sehen, der kennt die Deutschen und ihre Lieblingssketche nicht. Es werden noch Wetten darauf angenommen, daß nicht der Silvester-Butler-Miss-Sophie-Sketch auf Platz eins ist. Den in England übrigens kein Mensch kennt. Wer ihn einmal gesehen hat, weiß auch, warum nicht.
21:36 Uhr: Platz zwei. Die Nudel. Kaum abgenudelt, muß man sagen. Und ich verliebe mich allmählich ein bißchen in Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann. Warum durfte Jürgen von der Lippe eigentlich nur zwei kleine Sätze zu den 25 beliebtesten Sketchen der Deutschen sagen?
21: 41 Uhr: Ja. Gute Nacht. Nicht mal die Version mit Bernd dem Brot kann aus dieser Soße noch etwas machen. Same procedure as every scheißyear, ich habe diesen Sketch schon immer gehaßt. Na ja, mit fünf vielleicht noch nicht, mit sieben dann aber schon.
Ganz schön anstregend, dieses Live-Bloggen! Das nächste Mal kündige ich es fünf Minuten früher an, dann sieht vielleicht auch jemand zu. Und jetzt mache ich noch eine Flasche Rotwein auf! Same prosiitscher äs ewweriabend. Schöööössss! Hähähähä…
Nachtrag: Wie ich gerade erfahre, lag ich gar nicht mal so falsch: Abgestimmt werden durfte zwischen paarnfumsich Sketchen. Ich will nicht sagen, daß ich das typisch deutsch finde, die Entscheidung über Komik und Humor von oben nach unten schon vorzugeben, aber… das ist typisch deutsch. Und erklärt auch, warum da fast keine Beiträge von den Privaten vorkamen. Bzw. genau drei (Bully, Pastewka/Engelke, Dittrich/Boning). Dem zwei DDR-Fernseh-Sketche entgegenstehen. Das ist mal ausgewogen, liebe ARD, liebe ARD-Humorbeamte! Hut ab.
Nachtrag zwei: Es wäre noch eine Untersuchung wert, von wann die „beliebtesten“ Sketche so im Schnitt waren. Der jüngste dürfte die Bully-Parodie auf „Star Trek“ gewesen sein, und die ist vorneweg zehn Jahre alt. Ist das dem Altersschnitt in der ARD-Redaktion geschuldet? Oder dem der ARD-Zuschauer an einem Donnerstagabend?
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