Ich war ein paar Tage weg, und weil es Urlaub war, habe ich in dieser Zeit nicht ferngesehen, sondern gelesen, wie es sich gehört — nämlich (unter anderen) ein Buch über Fernsehen: Alan Sepinwalls „Die Revolution war im Fernsehen“ (Luxbooks 2014).
Sepinwalls Fernsehkritiken auf hitfix.com verfolge ich schon lange, genauer gesagt, seit „Breaking Bad“ (das er zu Beginn noch hier besprochen hat), weil er nicht nur gut darin ist, einzelne Folgen zu analysieren und interpretieren, sondern auch noch Zugang zu Autoren, Schauspielern, Produzenten und Showrunnern hat, die er gerne und oft interviewt. Ich lese nicht alles, logischerweise, sondern nur Beiträge zu Serien, die ich auch sehe; außerdem aber gucke ich hin und wieder mit einem Auge auf Texte zu Serien, die ich (noch) nicht kenne. Vorsichtig allerdings, denn wie schnell ist man angefixt, und dann muss man sieben Staffeln à 34 Folgen einer SciFi-Serie über Hirnchirurgen auf dem Mars angucken oder sowas.
Tja. Genau das (angefixt) ist mir dann allerdings mit „Die Revolution war im Fernsehen“ passiert. Denn hier schreibt Sepinwall in langen, fundierten Essays über die zwölf US-Serien, die das serielle, erzählende Fernsehen seit der HBO-geführten Revolution geprägt haben: Von „Oz“ und den „Sopranos“, „The Wire“, „Deadwood“ und „The Shield“, über „Lost“, „Buffy, the Vampire Slayer“ und „24“ bis zu „Battlestar Galactica“, „Friday Night Lights“, „Mad Men“ und „Breaking Bad“.
Und weil ich davon wohl gute zwei Drittel kannte, ein Drittel aber nicht, steht jetzt ein schönes großes Paket mit staffelweise DVDs hier noch ungeöffnet herum und wartet auf das Sommerloch.
Auch von den Geschichten, die Sepinwall zu erzählen hat, kannte ich zwar schon einige, aber nicht in dieser Tiefe, die meisten waren mir komplett neu, und im Zusammenhang haben sie ein aufschlussreiches Bild davon ergeben, wie Fernsehen funktioniert.
Zum einen nämlich immer wieder anders: Jeder Autor, jeder Showrunner tickt auf seine Weise, und die Umstände, unter denen Serien entstehen, sind genauso unterschiedlich wie die Serien selbst.
Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten bei allen großen, neuen, wagemutigen, „anderen“ Serien. Die größte Gemeinsamkeit: Sender wollen sie, die große, neue, wagemutige, „andere“ Serie. Kleine, unbekannte Sender wollen auf sich aufmerksam machen. Sender wollen eine Alternative zu den frei empfangbaren, großen Anbietern sein, wollen umgekehrt die Freiheiten von Bezahlkanälen für sich nutzbar machen, Sender wollen ein neues Profil oder überhaupt erst mal irgend ein Profil.
HBO macht die schreckliche „Rome“-Erfahrung: eine Serie, die nach zwei Staffeln eingestellt wird, weil die erste Season in der Erstausstrahlung überhaupt nicht gesehen wurde. Ohne vernünftiges Finale, sondern mittendrin (wie ja auch „Deadwood“). Dummerweise ist nicht nur die zweite Staffel viel erfolgreicher als die erste, sondern die Leute beginnen auch noch, die erste auf DVD zu kaufen wie verrückt. Leider sind zu diesem Zeitpunkt schon alle Mitarbeiter entlassen, die Sets abgebaut. Keine Chance, die nun doch erfolgreiche Serie fortzusetzen. Ein potentieller Riesen-Hit — verschenkt, weil die Quoten der ersten Staffel zu mau waren, und ohne dass die Serie vernünftig zuende erzählt wäre. HBO beschließt also, auch vermeintlich erfolglose Serien lieber zuende zu erzählen, als noch einmal einen möglichen Erfolg zu verschenken.
Diese Entscheidungen sind es, die statt nur gutem wirklich brillantes Fernsehen hervorbringen: Manager, die Künstler machen lassen. Aus welchem Grund immer. Oft genug, weil sie als David gegen Goliath antreten und mutige Entscheidungen brauchen. Nach dem ersten Sieg Davids gegen den Riesen sieht es dann oft schon wieder anders aus: wenn der Außenseiter erst einmal in der Favoritenrolle ist, kommen dann auch die Anzugträger wieder und wollen mitreden.
So lange die Bosse lange Leine lassen, gibt es Hoffnung. Nie ist eine gute Serie gegen den Sender entstanden, der sie ausstrahlt. Höchstens trotzdem (wie etwa „Lost“, eine Serie, die es eigentlich nicht geben dürfte, so chaotisch war ihre Entstehungsgeschichte).
In den nächsten Wochen werde ich also etliche Grundlagenwerke der jüngeren US-Fernsehgeschichte nachholen (in der ich ja lange nicht so bewandert bin wie in der britischen). Ich bin sehr gespannt, ob die frühen Serien der Nach-Revolutionszeit das halten, was Sepinwall mir von ihnen versprochen hat. Ich werde auch den „Sopranos“ noch eine Chance geben — ich hatte mal ca. eineinhalb Staffeln gesehen, war und bin aber kein Freund des Mafia-Genres und hatte insgesamt zu hohe Erwartungen, glaube ich.
Möglicherweise werde ich dann berichten. Erst einmal aber empfehle ich allen Freunden der guten Fernsehunterhaltung noch einmal ausdrücklich Alan Sepinwalls „Die Revolution war im Fernsehen“, freue mich darüber, dass es ein deutscher Verlag überhaupt ins Programm genommen hat, weise dann aber doch noch darauf hin, dass Sepinwalls Original bereits von 2012 ist. Weshalb dann letzte Worte zu „Breaking Bad“ etwa fehlen, weil die Serie noch nicht zuende war, als Sepinwalls Buch in Druck gegangen ist.
Nun, aber so lange Fernsehserien an sich nicht auserzählt sind, wird man nie ein Resümee ziehen können — irgend eine tolle Serie läuft (im angelsächsischen Fernsehen) ja immer. Hoffentlich.
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