bzw. nicht ganz zufrieden mit den diesjährigen Gewinnern des jährlichen Preises der British Academy of Film and Television Arts (gestern abend war die Preisverleihung): Baftas für David Mitchell in „Peep Show“ (Comedy Performance) und „The IT Crowd“ (Situation Comedy) — das sind zwei Baftas für x-te Staffeln mittlerweile doch eher schwächelnder Sitcoms, und null (in Zahlen: zero) Baftas für die in beiden Kategorien ebenfalls nominierten „Outnumbered“ respektive Claire Skinner in ihrer Hauptrolle darin. Shame! Und auch den Bafta für das beste „Comedy Programme“ hätte ich nicht an „Harry and Paul“ vergeben, sondern sicher eher an „Star Stories“. Wo nicht „The Peter Serafinowicz Show“. Oder, wie es Karen formuliert hätte: „Up your beeping beep beep!“
Die gute Nachricht am Rande: Die zweite Staffel „Outnumbered“ ist noch besser als die erste und wird auf DVD erscheinen! Die schlechte: Allerdings erst im November.
Klar, kann natürlich lizensiert sein. Aber warum will ich einfach nicht dran glauben, daß Sat.1 vor der Entwicklung von „Die beste Idee Deutschlands“ (bei der Zuschauer ihre “ teils bahnbrechenden, teils verrückt anmutenden Einfälle“ einer Jury vorstellen) bei BBC2 gefragt hat, ob sie „Genius“ kopieren dürfen (wo Zuschauer ihre „extraordinary notions, amazing concepts and barn-storming ideas“ dem Team Genius vorstellen)? Eine feine Ironie, daß ausgerechnet Fernsehleute, denen selbst nichts besseres einfällt als britische Vorbilder zu kopieren, ihre Zuschauer um gute Ideen bitten. — Wer’s besser weiß, belehre mich bitte.
Am Besten ist Charlie Brooker, wenn er sich aufregt. In seinen Guardian-Kolumnen über alle Facetten des öffentlichen Lebens (und ihre mediale Vermittlung — gibt’s auch in Buchform), in „Charlie Brooker’s Screenwipe“ über das Fernsehen, in„Newswipe with Charlie Brooker“ neuerdings über, ratenSiemal, richtig: die Nachrichten; genauer: die Fernsehnachrichten. In seinem gerechten und meist recht komischen Zorn über mediale Zumutungen ähnelt er dabei von ferne Oliver Kalkofe, doch Brookers Ambitionen erstrecken sich nicht nur auf die spöttische Zurschaustellung mehr oder weniger offensichtlicher Unzulänglichkeiten des Fernsehens und seiner Protagonisten, er betreibt gleichzeitig feuilletonistisch kluge Kritik und will infomieren: darüber, wie Fernsehen, wie die Nachrichten funktionieren.
In „Screenwipe“ nahm sich Brooker der Selbstverliebtheit des Fernsehens und seiner zahlreichen Selbstauszeichungsshows an, beschrieb am eigenen Beispiel, warum Fernsehen immer sehr teuer ist und was alles bezahlt werden muß, bevor die erste Minute einer Show über den Bildschirm gehen kann, räsonierte über Angst- und Prangerfernsehen („Crimewatch“, eine Art britisches „Aktenzeichen XY“, und „Big Brother“) und über Gameshows, die neuerdings so tun, als wäre ihr Inhalt eben kein Spiel, sondern ernst — obwohl sie weder Superstars noch Topmodels machen, sondern lediglich so tun als ob. Brooker reflektierte klug über Vergangenheit und Zukunft des Fernsehens („You probably watch this show not on television but on a notebook“ — erwischt!), experimentierte selbst mit unterschiedlichen Fernsehformaten und gab DVD-Tips für Fortgeschrittene, immer wieder (vor allem zu Beginn des Hypes) besprach er „24“, das für ihn bald zu einer Obsession wurde, und zu einer, bei deren Auswüchsen ich immer gerne zusah.
Keine Überraschung also, daß auch „Newswipe“ kompetent und unterhaltsam ist; in der ersten Folge sogar mit einer deutschen Geschichte, aber zu einem Thema, das Briten vertraut ist: das allzu hemmunglose mediale Dauerfeuer, hier nach dem Amoklauf in Winnenden:
Zwar rennt auch Brooker hin und wieder offene Türen ein, zumindest bei etwas wacheren Zeitgenossen, die schon wissen, daß auch die Nachrichten ihrer Zurichtung zur Unterhaltung nicht entkommen können und deshalb immer mehr zu einer Ton- und Bildschnipselparade werden. Und natürlich schimpft Brooker auch deshalb so laut und so unflätig, damit manche eher banale Erkenntnis noch einen gewissen Unterhaltungswert bekommt. Aber ich mag „The Week in Bullshit“:
Und mir gefällt’s, wenn etwa der Trend beschimpft wird, die „öffentliche Meinung“ zur Nachricht zu machen — da könnte ich noch viel länger zuhören. Aber Brooker beschimpft ihn ja nicht nur: Er ordnet ihn historisch ein (nach dem Tod Dianas wurde erstmals die öffentliche Meinung und ihr Transport durch die Medien so übermächtig und so sehr zentraler Punkt der Berichterstattung, daß selbst die Queen nicht umhin konnte zu reagieren), kommentiert ihn klug (daß es nämlich scheint als ob es einen Großteil normaler Leute und einen kleinen Teil emotional überreagierender Leute gibt, letztere aber überproportional häufig in den Medien vorkommen) und schließt ein sehr komisches Beispiel an: Denn der letzte Winter hat nicht nur hierzulande für „Brennpunkte“ gesorgt, deren journalistischer Inhalt gegen null tendierte, sondern auch in Großbritannien Infotainment-Beiträge hervorgebracht, in denen etwa eine Onlineredakteurin im Interview erzählen durfte, die BBC habe noch nie in ihrer Geschichte so viel Zuseherreaktion erhalten wie im Falle des Wintereinbruchs, der zeitweise zu 35 000 eingeschickten Fotos am Tag geführt hätte. „How do you wade through that amount of pictures?“, fragt der Moderator, und Brooker merkt an: „Yeah, how — and why?“, und hält nebeneinander: Ein Bericht von der Hinrichtung Saddam Husseins — Nachricht. Ein Bild von einem Schneemann — keine Nachricht. Und nochmal, um es ganz klar zu machen: Ein Bericht von der Hinrichtung Saddam Husseins — Nachricht. Ein Bild von einem Schneemann — keine Nachricht. Doch gegen den user generated content ist kein Kraut gewachsen, und wenn die Redaktion es befiehlt, bitten auch seriöse Nachrichtenmänner ihre Zuschauer, Selbstgemachtes einzuschicken. Doch sie kommentieren es immerhin schön böse wie in diesem Clip Jeremy Paxman (via):
So gerne ich allerdings „Newswipe“ sehe: noch lieber wäre mir eine weitere Staffel „Screenwipe“ – oder gar noch eine Brooker-Serie wie das bereits gelobte „Dead Set“. Und ein ähnlich gewieftes, polemisches und pointiertes deutsches Pendant zu „Screenwipe“ und „Newswipe“ wäre natürlich ein Traum. Daß ich nicht daran glaube, ihn wahr werden zu sehen: Keine Nachricht.
Gut, das hier hat überhaupt nichts mit Comedy zu tun. Muß aber trotzdem raus und hier rein. Gestern gesehen: „Josef Fritzl: Story of a Monster“ auf Sky1, eine ziemlich gnadenlose Dokumentation über den Täter von Amstetten, die sich nicht zurückhält, haarsträubende Horrorfilmelemente zu benutzen: rieselnden Schnee, negativ gezeigt (also schwarze Flocken vor weißem Himmel), Überblendungen eines Fotos von Fritzl mit einer menschenleeren Straße, dräuende Musik, Verfremdungseffekte wie eine etwas langsamer gepitchte Frauenstimme, die die Briefe der Tochter vorliest, Einblendungen in Fraktur, ein vorangestelltes österreichisches „Sprichwort“ („If it’s not your business, don’t get involved.“). Die Aussagen der Mitschüler, Freunde, Nachbaren, Untermieter, des Faktotums, das Fritzl beim Kellerbau geholfen hat, und eines früheren Opfers Fritzls sind nicht synchronisiert, sondern untertitelt — sie sprechen also für sich. Selbstverständlich dürfen zu Beginn der Doku auch die allfälligen Nazibilder nicht fehlen, die die Kindheit und Jugend Fritzls unter (post-)faschistischen Umständen illustrieren sollen.
Niemals würde eine solche Dokumentation hier ausgestrahlt, wo etliche Medien den Fritzl noch immer als F. abkürzen, obwohl sie vergleichsweise subtil und im Grunde wenig sensationsheischend ist. Wirklich schockierend ist nicht ihr Stil, sondern sind die Menschen, die da gezeigt werden: Ein Horrorkabinett aus Strizzis und Spezerln, eine unerträgliche Mischung von Verschlagenheit und Dummheit schlägt einem da entgegen, die in Zeitungsberichten und Gerichtsreportagen schlechterdings nicht einzufangen ist. Die Videos und Super-8-Aufnahmen aus Urlauben und von einer Party bei einem der Untermieter zeichnen das Bild einer Welt, die man kaum für möglich gehalten hätte, und die offensichtlich auch die Beteiligten nur ertragen, indem sie von „man“ sprechen, wenn sie „ich“ meinen, und Passivkonstruktionen wählen („ist nie drüber gesprochen worden“), wo sie ahnen, daß ein bißchen mehr aktive Anteilnahme angezeigt gewesen wäre.
Warum aber ist es eigentlich so, daß deutsche und österreichische Medien sich eine solche Zurückhaltung auferlegen, wenn es um die Dokumentation derartiger Verbrechen geht? Die Opfer, um das klar zu sagen, werden auch in dem Stück von Sky1 geschützt und weitgehend außen vor gelassen. Es exponieren sich nur Menschen selbst, die mittelbar an den Amstettener Vorgängen beteiligt waren; selbstverständlich nicht nur zu ihrem eigenen Vorteil, aber freiwillig. Und nach dieser Dreiviertelstunde hatte ich das drängende Gefühl, daß die mitteleuropäische Diskretion in solchen Dingen tatsächlich eher angetan ist, Tätern eine ungute Privatheit ihrer Taten zuzugestehen als der Öffentlichkeit ein Recht darauf, sich selbst ein Bild zu machen von den Umständen, unter denen solche Taten möglich sind. Mir jedenfalls ist es jedenfalls ziemlich kalt den Rücken hinuntergelaufen bei der ungerührten Aussage des einen Untermieters, jetzt sei ihm klar, warum sein Hund im Garten jahrelang gelauscht und mit der Schnauze auf dem Boden herumgelaufen sei. Oder der Aussage des Urlaubsfreundes Fritzls, nun wisse man wohl, warum F. in Thailand ein Kleid gekauft habe, das seiner Frau ganz offensichtlich viel zu klein gewesen sei.
Ich habe gar nichts zu sagen zu dem Streit zwischen Dieter Hildebrandt und Mathias Richling, ich wollte nur mal diese Überschrift in meinem Blog lesen. Und den „Satire Gipfel“, bei dem erfreulicherweise schon der Titel kein richtiger Deutsch ist, werde ich heute abend selbstverständlich nicht sehen.
Wer wissen möchte, warum ich englischen Humor liebe, möge die heutige Seite drei der Süddeutschen lesen, in der Mario Barth porträtiert wird. Barth Geistlosigkeit zu attestieren, ist ja nun schon selbst geistlos; darum schweige ich und verweise nur auf ein bereits etwas älteres Interview mit Stermann & Grissemann, die in der taz etwas Abschließendes zum Fall zu sagen hatten.
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