Zwei Serien, die wenig bis nichts mit Comedy, dafür umso mehr mit Untoten zu tun haben, sollen kurz vor dem sogenannten Fest der Liebe noch schnell erwähnt werden: die französische Gruselserie „Les Revenants“ (Canal+, 2013), als „The Returned“ in England auf Channel 4 gelaufen (im Original mit UT), und „In The Flesh“ (BBC3, 2013). Aber beides sind Serien, „The Returned“ mehr als „In The Flesh“, die einen speziellen Twist haben. Denn beide drehen sich um Zombies 3.0 (wenn 2.0 die schnellen Zombies waren) — und bei „The Returned“ kann man sich streiten, ob es überhaupt Zombies im engeren Sinne sind.
Es sind jedenfalls lebende Tote, Wiedergänger, die in einer französischen Kleinstadt, mitten in den Bergen, wieder auftauchen. Zunächst ist es die fünfzehnjährige Camille (Yara Pilartz), die sich auf den Weg macht, vom Staudamm über der Stadt hinunter in ihr Elternhaus, wo nur ihre Mutter ist, weil ihr Vater gerade in einer Trauergruppe sitzt für Eltern, die ihre Kinder allesamt bei einem tragischen Busunglück vor vier Jahren verloren haben — oben am Damm. Camille kehrt heim, wie es jede Fünfzehnjährige tut, macht sich ein Brot, fragt nach ihrer Zwillingsschwester — und wundert sich ein wenig über die Reaktion ihrer Mutter, die fassungslos ist, wenn auch nicht so fassungslos, dass sie schreiend davonliefe. Im Gegenteil, ihre Mutter versucht, so wie die Bezugspersonen vieler wiederkehrender Toter, möglichst nahtlos dort weiterzumachen, wo die Familie vor dem Busunglück war. Denn, das wird allmählich klar, alle Lebenden, zu denen Tote zurückkehren, haben sich diese Rückkehr sehr gewünscht. Aber es ist dann doch ein bisschen problematisch, wenn solche Wünsche in Erfüllung gehen.
Es ist eine Serie über Verlust und Trauer, mehr als über lebende Tote. Zwar wird es auch blutig, weil unter anderem ein mehrfacher Mörder zurückgekehrt ist, aber es geht nie um Schockeffekte. Es geht eher um offene Rechnungen, allerdings weiß man lange nicht, um welche. Es geht um ein dämmriges Zwischenreich zwischen lebendig und tot, zwischen gut und böse, und es geht um ein dreißig Jahre zurückliegendes Unglück, bei dem der Staudamm eine Rolle spielt.
Diese dämmrige, halbwache Stimmung zwischen Sonnenuntergang und Einbruch der Nacht spielt eine entscheidende Rolle: „The Returned“ ist vor allem sehr stylish, sehr sophisticated — und tatsächlich oft genau in der blauen Stunde gedreht, kurz nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist. Das und der Soundtrack der schottischen Postrocker von Mogwai macht „The Returned“ magnetisch — ich habe die acht Folgen á einer Bruttostunde an zwei Tagen verschlungen, und nur weil der Abend schon allzu weit vorgerückt war, sind es überhaupt zwei Sitzungen geworden.
Und es ist die erste Serie, die ich auf Französisch mit englischen Untertiteln gesehen habe. Sie hat darunter keine Sekunde gelitten, im Gegenteil, das Französische hat ihr sogar noch mehr Unheimliches, Gruseliges verliehen, als sie sonst gehabt hätte. (Man kann sie bei Whatchever auf Deutsch sehen, aber davon rate ich ab.)
„Les Revenants“ hat einen Emmy gewonnen dieses Jahr, und bei dem wird es, glaube ich, nicht bleiben. Zu brillant, zu fesselnd ist die Serie, die schon eine zweite Staffel bewilligt bekommen hat (alles andere wäre auch unerklärlich), und auf jeden Fall die beste nicht-englischsprachige Serie, die ich 2013 gesehen habe.
„In The Flesh“ ist dagegen typisch englisch: auch hier gibt es einen sehr guten Twist, allerdings nicht das passende Budget dazu, und die englische Prise Humor, die bei „The Returned“ aus gutem Grund fehlt.
Hier kehren die Toten bereits zum zweiten Mal zurück: nämlich wieder als Lebende. Nach einer Epidemie hat die Regierung es geschafft, ein medizinisches Programm aufzulegen, mit dem Zombies geheilt werden und zu ihren Lieben zurückkehren können. Zwar bleiben ihre Augen und ihre Gesichtsfarbe (wie auch Narben und andere Entstellungen) die von Zombies, aber mit Hilfe von Schminke und Kontaktlinsen sehen sie fast wieder menschlich aus.
Allerdings gibt es nach wie vor paramilitärische Gruppen von ehemaligen Zombiejägern, die alle Zombies, hier: „Rotters“, zutiefst hassen und ihnen weiterhin nach dem, äh, Leben trachten.
Dieser Konflikt wird exemplarisch innerhalb einer Familie gezeigt: Kieren Walker (!) (Luke Newberry) ist ein Teenager, der als geheilt zu seiner Familie zurückkehrt, allerdings sehr zum Missfallen seiner jüngeren Schwester Jem (Harriet Cains), die Mitglied der HVF ist (Human Volunteer Force). Sie weigert sich, am gleichen Tisch wie ihr Bruder zu essen, der selbst allerdings gar nicht essen kann (kein Zombie isst mehr), sondern nur so tut, um das Bild der heilen Familie aufrecht zu erhalten — was im Laufe der Zeit immer schwieriger wird.
Leider wird bei „In The Flesh“ allzu schnell klar, was eigentlich gemeint ist: Rassismus und Ausgrenzung beispielsweise von strafentlassenen Päderasten, die auch niemand in seiner Nachbarschaft haben will. Dieser allzu offensichtliche Kommentar zum britischen Alltag wird schnell recht pädagogisch. Da helfen auch die schönen Scherze nicht, die Dominic Mitchell eingebaut hat: etwa dass die Zombies an einer Krankheit namens PDS (Partially Deceased Syndrome) leiden und die NHS schöne Broschüren und Plakate hat drucken lassen, wie man mit PDS Sufferers umgehen sollte.
Und es hilft auch nicht, dass die Show es schafft, innerhalb der drei einstündigen Folgen am Ende noch einmal die dramaturgische Perspektive zu ändern und sich im letzten Moment von der pädagogischen Botschaft zu verabschieden, um noch eine Geschichte über homosexuelle Liebe einzubauen — da wollte Mitchell wohl ein bisschen allzu viel auf einmal.
Trotzdem ist es toll zu sehen, wohin man kommt, wenn man Popkultur-Phänomene wie Zombies aufnimmt, alte Konventionen zerbricht und versucht, aus den Scherben neue Geschichten zu legen. Anders als etwa „The Walking Dead“, deren aktuelle Staffel mich so schnell ermüdet hat, dass ich irgendwann feststellen musste: ich habe gar keine Lust mehr, und es fehlt mir auch nichts, wenn ich nicht weitergucke. Es ist ja doch nur immer mehr vom Ewiggleichen, und dabei gibt es sie doch noch, die wirklich neuen Ansätze.
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