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Archiv für die Kategorie ‘Allgemein’

Bloß nicht Nr. 65: Eine Doktorarbeit schreiben

9. Februar 2013 Keine Kommentare

 In unserer kleinen Entspannungsfibel über alles, was man sich im Leben schenken kann, haben Hermann und ich uns auch dem Thema „Doktorarbeit“ gewidmet. Hätte Annette Schavan sich das mal rechtzeitig zu Herzen genommen!  Jetzt ist es zu spät — für Schavan. Sie aber haben noch die Gelegenheit, keine Doktorarbeit zu schreiben! Und vieles andere zu lassen, was wir in unserem Buch „101 Dinge, die Sie sich sparen können“ vorstellen. Wer jetzt bestellt, ist morgen schon schlauer! Und entspannter!

Die Idee: Ich möchte vorankommen im Leben und möglichst schnell befördert werden! Da ist es bestimmt klug zu promovieren, denn nichts sagt so sehr »Ich will etwas werden« wie ein Doktorgrad. Außerdem habe ich Lust, über ein Spezialthema ganz doll nachzudenken und meine Erkenntnisse dann zu veröffentlichen.

101 Dinge, die Sie sich sparen können

100 weitere Lassedasse für 9,90 — das ist doch praktisch geschenkt!

Die Wirklichkeit: Ein Doktorgrad sagt, falls Sie ihn in Ihrem Briefkopf und auf der Visitenkarte verwenden möchten: »Ich bin Doktor und du nicht. Ha, ha!« Falls Sie Ihren Dr. nicht spazieren führen wollen, sagt er: »Ich wusste nach dem Studium nicht, was tun, also hab ich einfach einen Doktor drangehängt und so locker noch drei Jahre rumgekriegt.« Ihre Dissertation selbst aber wird nur gelesen, falls Sie Karriere als Politiker machen. Dann wird jemand versuchen, Ihnen ein Plagiat nachzuweisen.

Es gibt Fälle, in denen eine Promotion von Bedeutung ist: für Mediziner, Wissenschaftler und Juristen etwa. Wer vorhat, an der Uni Karriere zu machen, wird nicht um einen Doktor herumkommen. Literaturwissenschaftler, Kunsthistoriker und Neogräzisten aber werden nach ihrer Promotion feststellen: Ihre Chance auf dem Arbeitsmarkt hat sich, ganz im Gegensatz zu ihrem Alter, nicht signifikant erhöht. Ihre Diss aber mit all der schönen Rhetorik, die in den sogenannten Geistes-»wissenschaften« die Fakten ersetzt, verstaubt in Archiven. Oft lesen nicht einmal die Doktorväter die meist zähen und viel zu langen Arbeiten ihrer Schützlinge in Gänze. Doch um Wissenschaft geht es den meisten Doktoranden vermutlich ohnehin nicht vorrangig. Sondern vielmehr um die zwei Buchstaben vor dem Namen, die ihren Träger fast so vom Rest der Menschheit unterscheiden wie die anderen drei zwischen den Namen. Ideal natürlich, wenn beides zusammenkommt: Adel und promoviert — in Ländern, die stolz sind auf eine starke gesellschaftliche Hierarchie, ist die Karriere damit schon so gut wie eingetütet.

Doch unter Gleichen, wo Rangordnung keine große Rolle spielt, wirkt es äußerst merkwürdig, etwa E-Mails mit seinem Dr. zu unterzeichnen. Zumal, wenn man einen Job macht, für den nicht einmal ein Studium notwendig gewesen wäre. Wofür genau fordert man den Respekt eigentlich ein, den dieser Titel heischt? Dafür, dass man jahrelang seine Produktivkraft der Gesellschaft entzogen hat, um einen riesigen Berg Papier vollzuschreiben? In dieser Zeit haben andere Menschen Kriege geschlichtet, sind zum Mond geflogen oder haben Bonbons erfunden, die gut für die Zähne sind! Allenfalls bezeugt dieses Ornament der eigenen sozialen Bedeutung, dass man sich gut auf ein Thema konzentrieren kann, egal wie abseitig es ist.

Weg also mit dem Doktortitel! Schluss mit der Inflation des Dünkels, die außer von den Hochschulen auch noch durch Plagiatoren, Ghostwriter und käufliche Doktorurkunden angetrieben wird! Schafft das Gewohnheitsrecht der Mediziner ab, für bessere Semesterarbeiten mit einem Doktorgrad belohnt zu werden! Fort mit den Doktormühlen der Universitäten, die am Quotienten Doktorarbeiten pro Profes­sor gemessen (und auch entsprechend finanziell gefördert) werden!

Zeigen Sie Haltung und verzichten Sie darauf, sich über andere aufzuschwingen. Oder ziehen Sie gleich nach Österreich. Im k.u.k-seligen Wien, so hört man, kommen von den Nachbarn nie wieder Beschwerden über zu laute Musik und zu viel Besuch, wenn man an seine Tür statt »Hier wohnt die Susi« schreibt: »Mag. Dr. S. Gruber«.

Ist das wirklich lustig?

18. Januar 2013 2 Kommentare

Das wird jetzt ein bisschen überraschen: Heute muss ich dem SZ-Magazin mal zustimmen! Obwohl es um Humor geht! Aber keine Sorge, das geht vorbei. Ziemlich schnell sogar.

Denn heute schreibt Tobias Haberl den Text zum Titel und kommt zu dem Schluss, dass Comedians, die auf Vorurteile und Klischees gegenüber Unterprivilegierte setzen, nicht lustig sind — auch nicht, wenn sie selbst unterprivilegiert sind oder zu sein scheinen. Türkischstämmige etwa wie Bülent Ceylan, oder Ost-Unterschichtler wie Cindy aus Marzahn respektive ihre Darstellerin Ilka Bessin.

So weit, so gut, so schlicht. Daraus wird allerdings nur ein Stück, weil dieser Erkenntnis ein Widerspruch vorausgeht: nämlich der, dass Bülent Ceylan im vergangenen Jahr Mario Barth als erfolgreichster Comedian abgelöst habe, also ein Mann, der schon für den Ausruf „Türk!“ von seinen Fans mit brüllendem Gelächter belohnt wird, — obwohl wir Deutsche doch so politisch korrekt seien!

„Das gesellschaftliche Leben ist geprägt von einem fast totalitären Sinn für Respekt und Toleranz“, schreibt Haberl, und stellt die Frage, ob „die sogenannten Comedians Stereotypen nicht aufbrechen, sondern bestätigen, reproduzieren, verfestigen.“

Und da muss man doch mal sagen: Jedes Land hat den Humor, den es verdient, und wenn Haberl glaubt, Deutschland sei ein Land der „politischen Korrektheit“ (ich gehe mal gar nicht erst drauf ein, wie schwierig dieser Begriff ist), dann muss ich feststellen: offenbar leben wir in verschiedenen Ländern, Haberl und ich. Ich jedenfalls lebe in einem, wo Antisemiten sich ihres Antisemitismus‘ heute weniger bewusst sind als vor zehn Jahren und die gesammelte Journaille jemandem wie Jakob Augstein geschlossen zur Seite springt, ohne auch nur hinzuhören, was Augstein und/oder diejenigen, die ihm Antisemitismus vorwerfen, genau sagen. In einem Land, in dem „Bimbo“ und „Kanake“ keine Schimpfworte sind. In dem Hierarchien und ihr Ausleben zum Volkssport gehören.

Mal im Ernst: Wie sollte, wie könnte der mehrheitsfähige Humor der Deutschen die Mehrheitshaltungen der Deutschen nicht ausdrücken? Humor ist doch kein Medium für das Gute, Schöne und Wahre; er erzieht nicht, transportiert keine Weisheit und auch keine Informationen (auch wenn sie das bei der Süddeutschen gerne hätten), er ist nicht per se pädagogisch oder aufklärerisch — er kommt aus dem Volk und ist für das Volk. In seinem Humor spiegelt sich ein Volk und sein Charakter. Ist das erstaunlich? Ich finde nicht.

Britcoms.de lebt!

11. Januar 2013 1 Kommentar

Ein frohes Neues allen Lesern und Alles Gute, britcoms.de — das Blog lebt und hatte am Montag vierten Geburtstag. Dass an dieser Stelle in den letzten vier Wochen nicht allzu viel passiert ist, hatte mehrere Gründe: ich war zweimal krank (bin es immer noch), Weihnachten, Silvester, und ungewöhnlich viel zu tun zwischen den Jahren war auch noch. Nicht zuletzt: Es war gar nicht mal so viel zu bloggen — die Weihnachts-Specials haben mich dieses Jahr weniger begeistert als in den Vorjahren.

Ausnahme: Das „Outnumbered“-Weihnachts-Special (BBC1, 24.12.), das zweite in Folge, ohne dass es zwischendurch reguläre neue Folgen gegeben hätte. Stärker noch als im Jahr davor hatte ich diesmal das Gefühl, dass die Autoren Guy Jenkin und Andy Hamilton das große Problem der vierten Staffel in den Griff bekommen haben. Wir erinnern uns: „Outnumbered“ lebte von drei Kindern, die ihren Eltern mit Klugscheißerei, sinnloser Aggression, Lügen und verheimlichten Problemen schön auf die Nerven gingen, und das in halb improvisierten Szenen, die sehr davon profitierten, dass zumindest die zwei jüngsten Kinder (Ramona Marquez als Karen und Daniel Roche als Ben, zu Beginn zehn und zwölf Jahre alt) mit offenkundig großer Lust am Spielen der Serie Leben einhauchten. Leben, das vielen ähnlichen Serien fehlt, in denen Kinder Kinder spielen, wie Erwachsene sie sich vorstellen, und Texte aufsagen, die Erwachsene geschrieben haben. Diese Natürlichkeit ging über die Jahre verloren, die Kinder waren irgendwann älter als ihre Rollen, und plötzlich stimmte die Chemie der ganzen Serie nicht mehr.

Das haben Hamilton und Jenkin nun aber wieder hingekriegt: das Special konzentrierte sich mehr auf eine typisch britische Story rund um eine entgleiste Weihnachtsparty mit viel Alkohol, Neurosen, Ärger mit der Polizei und anderen peinlichen Situationen, fügte einige immer gern gesehenen Gaststars dazu (Mark Heap, Sanjeev Bhaskar) — und fertig waren sehr amüsante 40 Minuten. So könnte ich mir sogar noch eine ganze Staffel „Outnumbered“ vorstellen; die wäre dann zwar nicht mehr das alte „Outnumbered“, sondern näher an einer traditionell geschriebenen und gespielten Sitcom — aber was soll’s. Also, BBC: Bitte mehr davon!

Das war’s dann aber auch schon mit der Weihnachtsherrlichkeit. Das „Downton Abbey“-Special (ITV1, 25.12.) war zwar okay, aber nicht herausragend: ein Familienausflug der Herrschaft nach Schottland (und ein Besuch des Jahrmarkts der Subalternen) brachte zwar einen Tapetenwechsel und schöne, ungewohnte Bilder, doch erst ganz am Schluss, als Cliffhanger, wurde die Handlung der Serie vorangetrieben. Das allerdings mit einem unweihnachtlichen Schock.

Den anderen Weihnachtsschock hat mir die erste Folge „A Young Doctor’s Notebook“ verpasst (vierteilige Miniserie, Sky Arts): Ein billiges Set (ich dachte erst, ich sei in einer BBC-Sitcom der frühen 80er), darin langatmig gespielt die düstere Adaption der „Aufzeichnungen eines jungen Arztes“ des bekannten russischen Humoristen Michail Bulgakow (bitte in die Luft gemalte Anführungszeichen mitdenken) — und als Stars tatsächlich, ich dachte, ich traue meinen Augen nicht: Jon Hamm (ja, der Jon Hamm, der Don Draper in „Mad Men“ spielt) und Daniel Radcliffe (ja, der Harry Potter, der Daniel Radcliffe in „Daniel Radcliffes Karriere“ spielt)?! Hm. Das war unerwartet. Und unkomisch. Wie zur Hölle kommen denn Don Draper und Harry Potter dazu, diesen komikfernen Schmarrn zu spielen? War an den Theatern dieser Welt keine Stellen mehr frei für überambitionierte Superstars, die kleine Nebenprojekte suchen?

Tscha, und das war Weihnachten. Gut, dass es vorbei ist.

Ali G. back in da House

14. Dezember 2012 3 Kommentare

Die British Comedy Awards 2012 haben mich doch ein wenig überrascht: „Hunderby“ (Sky 1), die Period-Drama-Sitcom (falls man das so sagen kann) von und mit Julia Davis, hat in den Kategorien Beste Sitcom und Beste neue Comedy abgeräumt — und ich habe davon nur die erste Folge gesehen, weil ich weder auf die allzu finsteren Sachen von Julia Davis stehe (wie etwa „Nighty Night“) noch auf historische Serien (wenn man von „Downton Abbey“ absieht). Die Briten allerdings lieben diese Kostümschinken.

Trotzdem hätte ich „Hunderby“ jetzt nicht als Gewinner des Abends auf dem Zettel gehabt, schon weil es auf dem Bezahlkanal Sky 1 von keiner breiten Öffentlichkeit gesehen worden sein kann, und weil derzeit ja doch eher warme, familienkompatible Comedy die Oberhand hat. Dass „Moone Boy“ (Sky 1) als beste Sitcom nicht mal nominiert war, dafür aber die zweite Staffel des eher biederen „Rev.“ (BBC2), hat mich schon irritiert, dito dass „Hunderby“ gegen „Moone Boy“ und „Alan Partridge: Welcome To The Places in My Life“ als beste neue Comedyshow gewonnen hat.

„The Thick of It“ hat ebenfalls gewonnen: Peter Capaldi und Rebecca Front sind als Best Comedy Actor respektive Actress ausgezeichnet worden; das wiederum kann ich verstehen.

Dann aber wieder etliche mir rätselhafte Entscheidungen: Jack Whitehall als 2012 King of Comedy? Really? Whithall ist zwar sehr gut in „Fresh Meat“ (Channel 4) als snobistischer JP, aber sowohl seine eigene Show „Bad Education“ (BBC3) als auch sein Stand Up sind allenfalls medioker.

Auch „Cardinal Burns“ (E4), ausgezeichnet als Best Sketch Show, fand ich schwächer als die Konkurrenten in dieser Kategorie, „Very Important People“ (Channel 4) und „Horrible Histories“ (CBBC/BBC). Letztere hat in den vergangenen Jahren abgeräumt, womöglich wollte die Jury dieses Jahr nicht noch einmal alle regulären Sketch Shows demütigen, indem man eine Kinderserie gewinnen lässt.

Hier finden sich alle Gewinner des Jahres; und nachstehend ist die Dankesrede von Sacha Baron Cohen, nein: von Ali G., der stellvertretend für Baron Cohen den Outstanding Achievement Award entgegennimmt und dafür zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder eine Bühne betritt. Zehn Jahre! Ich werde wohl alt. Ali G. dagegen nicht: seine Rede ist sehr, sehr lustig. Respect!

Jahresendabstimmung – Die Ergebnisse

10. Dezember 2012 Keine Kommentare

Der Poll zur besten englischen Sitcom 2012 bleibt offen; nichtsdestoweniger will ich die Ergebnisse bis heute kurz kommentieren — und gratuliere meinen Lesern zu ihrem guten Geschmack: „Moone Boy“ (Sky 1) hat gewiss nicht unverdient gewonnen; die im Irland der späten 80er beheimatete Geschichte des elfjährigen Martin Moone und seines unsichtbaren Freundes von und mit Chris O’Dowd ist sicher die herausragendste Show des zurückliegenden Jahres. Tusch und hurra!

Ich freue mich auch deswegen für „Moone Boy“, weil er mit „The Thick of It“ (BBC4/BBC2) und „Episodes“ (Showtime/BBC2) zwei starke Konkurrenten hatte, die schon im zweiten respektive vierten Jahr Zuschauer sammeln konnten. Beide wären ebenfalls keine schlechte Wahl gewesen, auch wenn die letzte Staffel „Thick of It“ mich schon nur noch bedingt in ihren Bann gezogen hat — zu sehr fehlte Malcolm Tucker (Peter Capaldi) als durchgehende Hauptfigur, zu wenig interessierten mich die LibDem-Knallchargen und die gepflegte Langeweile der Torys.

„Episodes“ fällt schon ein ganzes Stück hinter „Moone Boy“ und „Thick of It“ zurück; zu unrecht, nach meinem Empfinden, denn die zweite Staffel mit ihrem Richtungswechsel zu mehr Soap und mehr Hauptfiguren fand ich besser als die erste, die ja doch recht durchwachsen war. (Kürzlich erst, als ich Stephen Frys Einlassungen zu englischem im Gegensatz zu amerikanischem Humor im Blog hatte, ist mir aufgefallen, wie einleuchtend „Episodes“ diesen Unterschied doch darstellt: hie die ewig bedröppelt guckenden Engländer, die weder gegen ihren Star Matt LeBlanc einen Stich machen noch gegen die ihnen vorgesetzten amerikanischen Produktionsaffen, und die sich dann zu allem Überfluss sogar noch miteinander verstreiten und beinah voneinander trennen — und da der ewige Sonnyboy „Joey“ und die ganzen Grinsekatzen in seinem Schlepptau, immer einen Spruch auf den Lippen, furchtbar.)

Die weiteren Platzierungen haben schon fast zu wenig Stimmen, um aus ihnen noch etwas herauszulesen. Allein dass „Parents“ (Sky 1) so schlecht abgeschnitten hat, finde ich schade — diese Domcom um eine ganze Familie (mit der meistens lustigen Sally Phillips in ihrer ersten Hauptrolle als Mutter), die zu den Großeltern (zurück-) zieht, fand zumindest ich top-lustig.

Ach ja, und: „Life’s Too Short“ (BBC2), Ricky Gervais‘ Zwergensitcom, war natürlich schon 2011 auf dem Abstimmungszettel — und ist da mit 20 Stimmen immerhin auf Platz drei gelandet. Diesmal weit abgeschlagen mit einer einzigen Stimme — wie kommt sowas? Weil sich alle anderen erinnert haben, dass die schon 2011 angelaufen ist? Kann ich mir fast nicht vorstellen. Allenfalls, dass sie eben schon vor einem ganzen Jahr ausgestrahlt wurde und deswegen praktisch schon vergessen ist. Auch kein gutes Zeichen.

„Pardon“: Das untote Magazin kehrt zurück

9. Dezember 2012 53 Kommentare

Ich habe von der neuen Pardon, mittlerweile zum zweiten Mal exhumiert und wiederbelebt, natürlich nicht wirklich erwartet, dass sie im Wortsinne satirisch oder auch nur komisch sein würde. Nicht mal unterhaltsam. Interessiert hat mich, als ich sie gekauft habe, eigentlich nur, wie und wie sehr dieses Nebenprojekt des Ex-Cicero-Chefs Wolfram Weimer (Ex-Focus-, Ex-Welt-Chef) scheitern würde. Die Indizien dafür, dass es scheitern würde, häuften sich dann allerdings schneller als gedacht. Ich zähle sie mal auf.

Das Heft ist auf Einmaligkeit angelegt. Das ahnt man jedenfalls, wenn man sich nur den Titel ansieht: Da stehen (neben dem Cartoon eines lächelnden Gottvaters — wie oft habe ich mittlerweile darüber geschrieben, dass deutscher Humor sich v.a. dadurch auszeichnet, dass er sich immer plakatieren muss, dass er immer mit einem lächelnden oder lachenden Gesicht darauf verweisen muss, dass es hier was zu lachen gibt, dass es gleich lustig wird?), da stehen also neben dem Covermotiv nicht etwa die Themen des Heftes, sondern die Autoren: Martenstein, Kinski, Beetlebum, Nuhr, Barbie, Karasek, Hirschhausen, Loriot, Böll, Langhans, Woody, Obama, Schnutinger, Glück. Dann war kein Platz mehr, sonst wären da noch Vince Ebert, Matthias Matussek, Peter Härtling, Gerhard Zwerenz und, ja doch: Hilmar Klute gelandet, die ebenfalls im Heft vertreten sind.

Kein gutes Zeichen, wenn drei annoncierte Autoren schon lange tot sind, und viele andere so omnipräsent, dass man sich fragt, wer für Pardon Geld ausgeben möchte, wo er doch nur den Fernseher einschalten muss, um sie kostenlos sehen zu können. Abgesehen davon, dass man ahnt: kaum einer der Prominenten, schon gar nicht Woody Allen (der es sich gefallen lassen muss, nur mit Vornamen genannt und angekumpelt zu werden), hat speziell für Pardon zum Stift gegriffen — vermutlich könnte Pardon schon froh sein, wenn es nur Zweit- und nicht Viert- und Fünftverwertungen der Promiautoren wären.

Neu oder anders, irgendwie alternativ kann Pardon also schon mal nicht sein, im Gegenteil: da wird die größtmögliche Nähe zum Mainstream gesucht, von dem man sich wohl erhofft hat: der hat schon so viel gewichtloses Humor-Balsaholz mitgenommen, da wird es für ein weiteres Magazin auch noch reichen.

Alternativ möchte dieses Satiremagazin, das speziell auf die Humorbedürfnisse von Hilmar Klute zugeschnitten scheint, auch allenfalls zu Titanic sein. Zwar bedient man sich da in der Formgebung und kopiert etwa die „Briefe an die Leser“, die hier „Schreiberbriefe“ heißen (o Gott!), dafür hat man auch nur drei zusammenbekommen, in denen dann Wladimir Kaminer, Florian Schroeder und Hans A. Nikel irgendwas schreiben dürfen (obwohl zwei der drei nicht mal „Schreiber“ sind, sondern Kabarettist und Exverleger/Bildhauer). Aber gerade Hans A. Nikel, Herausgeber der alten Pardon, schafft es, seine Meriten und die alten Pardon-Autoren zu erwähnen, dabei aber konsequent alle späteren Titanic-Granden unter den Tisch fallen zu lassen: Erich Kästner wird da aufgezählt, Loriot, Werner Finck, Iring Fetscher, Peter Härtling, Erich Fromm, Robert Jungk, Carl Amery, Karlheinz Deschner, Elke Heidenreich, Ephraim Kishon, Alexander Kluge, Eugen Kogon, Robert Neumann, Wolfgang Neuss, Peter Rühmkorf, Wolf Wondratschek, Günter Wallraff und Gerhard Zwerenz — halt alle, die einem sofort einfallen, wenn man das Stichwort „deutsche Satire“ hört.

Das ist nicht das Who-is-who der deutschen Satire, das ist nur das Who?.

So wie es sich, wie Nils Minkmar in der FAZ schreibt, mit einer Neuauflage von Pardon ohne WimS (deren Macher Nikel beim Namedropping ignoriert) so verhält, als würde man „nur jene BBC-Sendungen, die umittelbar vor und nach ‚Monty Python’s Flying Circus‘ ausgestrahlt wurden, auf DVD vertreiben, nicht aber die Sketche der Komikertruppe“.

Wer aber ein Satiremagazin von Menschen vollschreiben lässt, die „politisch in der Nähe jeder Fernsehkamera stehen“ (Wiglaf Droste), der darf vor allem eines nicht erwarten: Haltung. Die einzige Haltung von Peter „Bulo“ Böhling und Daniel Häuser, den Verantwortlichen für die Neuausgabe — die übrigens aussehen, als kämen sie frisch aus einer Werbeagentur — ist die: dass sie möglichst dabei sein wollen beim großen Gesamtscheißdreck; und ihre Kränkung darüber, dass sie das nicht jederzeit und überall schaffen, halten sie schon für die Verzweiflung am System, die für Satiriker Grundlage ihres Schaffens ist.

Wenn sich nämlich Daniel Häuser „erbärmlich“ fühlt, dann weil er am Münchner Flughafen steht (wo sich Satiriker ja praktisch dauernd begegnen) und nur nach Köln-Bonn fliegt statt nach „JFK“, wie der Kollege, dem er begegnet. Der frühstückt ihn mit den Worten „Wir telefonieren!“ ab — und ruft dann aber nicht an. Frustrierend!

Wolfram Weimer hat es da besser, der darf zwar auch nicht nach „JFK“ fliegen, dafür nach Moskau. Und anschließend in einem „offenen Brief“ an (den Leser?) Wladimir Putin seinem Publikum mitteilen: „Vor einigen Tagen habe ich Sie im prächtigen Alexandersaal Ihres karminroten Kreml erlebt“; er, Weimer, durfte also dabeisein beim Jetset, aber gefallen hat es ihm nicht, schließlich ging es zu so einem Ausländer da, der vermutlich auch nicht anrufen würde, selbst wenn er es verspräche. Die Welt ist schlecht.

„Put in jail“ sagt auf der gleichen Seite ein (von „Bulo“ gezeichneter) Putin (warum und zu wem eigentlich?); das unterbietet locker noch das SZ-Karikaturenunwesen.

Was bleibt, sind Nachdrucke aus alten Kalendern (Tiere, die als Promis verkleidet sind), ganzseitige Fotos, die Häuser und Böhling offenbar irgendwie komisch vorkamen (Plastikprodukte, die kurz im Toaster waren, Promis, die fast unsichtbar werden vor einem zusammengephotoshopten Hintergrund aus Elementen ihrer Oberbekleidung) und Nachdrucke aus alten Ausgaben der Pardon. Warum aber heute eine Haitzinger-Karikatur vom Dezember 1973 ganzseitig ins Heft gerückt werden muss, auf der zu sehen ist, wie sich Richard Nixon auf Strümpfen ins Haus schleicht, wo schon die Freihheitsstatue mit dem Nudelholz auf ihn wartet — das bleibt vollkommen rätselhaft.

Wer noch einen Beleg braucht, dass die Macher dieses „Satiremagazins“ nicht nur praktisch Stümper sind, sondern auch in der Theorie versagen, dem liefern sie diesen Beleg gerne und gleich doppelt. Einmal im Editorial, wo die Herausgeber über ihre „spitze Feder“ schreiben, „mit der sich Menschen viel trefflicher wachrütteln lassen als mit dem Holzhammer“.

Eine spitze Feder, mit der man Menschen wachrütteln kann. Statt sie mit einem Holzhammer wachzurütteln.

Das ist auf so vielen Ebenen Quatsch und nicht mal ein halber Gedanke, dass ich gar nicht weiß, wo ansetzen: dabei, dass die „spitze Feder“ etwas für Autoren ist, die sich selbst „Schreiberlinge“ nennen? Dass die Angst vor dem „Holzhammer“ die ist, dass man anschließend nicht mehr von Kollegen angerufen wird, die nach „JFK“ fliegen? Dass das Vorhaben, mit Satire Menschen wachzurütteln, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist? Zumal wenn man im Heft erkennbar keinen Gedanken ans Wachrütteln von Menschen verschwendet hat?

Aber Häuser und Böhling übersetzen Satire ja auch mit „mit Früchten gefüllte Schale“, haben also in etwa den Wissensstand über Satire, den ein Oberstüfler nach dem ersten Besuch der entsprechenden Wikipediaseite hat.

Wie es um das Satireverständnis von Häuser und Böhling wirklich bestellt ist, hat sich mir aber spätestens auf Seite 23 erschlossen, wo die Frage „Hat Gott Humor?“ erörtert wird. Diese Verquickung von Humor (ein Begriff, den die Herren natürlich nicht von „Komik“ unterscheiden können) und Hierarchie als Gegenstand für einen Essay (bzw. eine Essay-Parodie) ist ungefähr das Deutsch-Humorloseste, was man sich überhaupt nur denken kann. Bezeichnenderweise ist aber schon begrifflich alles falsch, etwa wenn von „weltbefreiender Offenheit als Folge wahren Sinns für Humor“ schwadroniert wird. Weltbefreiende Offenheit, weil ich über etwas lachen muss? Ach so, ja, es geht ja um den „wahren“ Sinn für Humor.

Bzw. „Der Sinn für Humor beruht auf der existentiellen Situation des Nicht-Wissens, also dem Sinn für Neues“. Say what? Die These, dass „alles, was Menschen komisch finden, auf der Enttäuschung einer Erwartung“ beruht, hat heutzutage ja nicht mal mehr Proseminarniveau: Wenn dem so wäre, wie kommt es dann, dass Menschen bei Comedy-Liveauftritten über Witze immer und immer wieder lachen, obwohl sie sie schon -zigmal gehört haben? Lache ich über die drei Stooges, weil ich nicht damit gerechnet habe, dass Moe Curly auf den Kopf haut? Bei Catchphrases, weil es mich überrascht, dass Bart Simpson „Eat my shorts“ sagt? Oder lache ich am Ende gerade WEIL Frasier und Niles sich vollkommen erwartbarerweise wieder einmal über irgend eine Kleinigkeit in eine snobistische Konkurrenzsituation begeben haben, aus der sie nicht mehr herauskommen?

Nein, bei den Pardon-Machern ist es weder mit der Theorie noch mit der Praxis weit her. Und dabei habe ich jetzt noch keine halbe Zeile darüber geschrieben, dass auch Hellmuth Karasek in dieser Pardon vertreten ist. Es geht da um den Unterschied zwischen „gefiederten Freunden“ und „Vögeln“, glaube ich. Leider kann ich jetzt nicht weiterschreiben, sonst wird mir vor Kopfschütteln schwindelig.

Auch Hellmuth Karasek übrigens berichtet zwischen den Zeilen, wie gerne er „mit dabei“ sein möchte: er durfte immerhin Loriot besuchen. Genutzt hat es offenbar nichts.