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Archiv für die Kategorie ‘ComedyDrama’

Solidarity forever

Was haben walisische Bergarbeiter und Londoner Homosexuelle gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel. Doch zumindest Mitte der 80er hatten sie: den gemeinsamen Feind Margaret Thatcher und die gemeinsame Verfolgung durch Staat und Obrigkeit, namentlich die Polizei. Eine Gemeinsamkeit, die so stark war, dass die englischen Schwulen und Lesben sich organisierten und begannen, aus Solidarität mit den streikenden Minenarbeitern Geld für diese zu sammeln und Kontakt mit ihnen aufzunehmen. Was, wie man sich denken kann, vor allem auf Seiten der walisischen Kumpel zunächst einmal auf Argwohn stieß.

Das ist die wahre Geschichte, die „Pride“ (2014) zugrunde liegt, der Ende letzten Jahres wohl kurz auch in deutschen Kinos war, mir aber vollkommen entgangen ist. Bedauerlicherweise, denn „Pride“ ist auf Augenhöhe mit Filmen wie „Brassed Off“ (1996) — komisch und kurzweilig, und er gibt einem zumindest für zwei Stunden den Glauben an die Menschheit zurück, wie es nur englische Filme können.

Denn es könnte ja so schön sein: wenn die Menschen erkennten, wie leicht alles wäre, wenn man Seit‘ an Seit‘ stünde. Und wenn schon mal die, die für die Rechte der einen Minderheit kämpfen, sich mit anderen Minderheiten solidarisierten. Wie kann man für die Rechte von Homosexuellen kämpfen, aber nicht für die von Frauen? Wie kann man gegen Rassismus sein, aber nicht gegen Ausbeutung? Unterdrückte aller Couleur müssten doch gemeinsame Sache machen, wenn sie wirklich etwas erreichen wollten.

Das ist der Gedankengang von Mark Ashton (Ben Schnetzer), dem Londoner Schwulenrechtler, der empört ist darüber, dass Margaret „there is no such thing as a society“ Thatcher die 1984 streikenden Bergbauarbeitern am liebsten am langen Arm verhungern lassen würde — und zwar so ziemlich im Wortsinne, denn Thatcher lässt sogar die Konten der Bergbaugewerkschaft pfänden, so dass die Streikenden nicht einmal auf diesem Wege Geldzuwendungen erhalten können, also tatsächlich vor dem Nichts stehen und schließlich vom Hunger getrieben wieder an die Arbeit gehen müssten — wenn nicht auf anderen Wegen Geld herbeigeschafft werden könnte.

Genau daran machen sich Ashton und sein Freund Mike Jackson (Joe Gilgun, „Misfits“ Rudy): Sie gründen L.G.S.M., Lesbians and Gays Support the Miners, und sammeln Geld für die Waliser. Ein walisischer Abgesandter nach London wird freundlich aufgenommen und lädt die Londoner nach Wales ein, und die Schwulen und Lesben schicken tatsächlich eine Delegation aus ihrem Hauptquartier, dem Buchladen „Gay’s the Word“, in die kleine Gemeinde Onllwyn — unter anderem den recht flamboyanten Jonathan (Dominic West). Die treten dort im örtlichen Social Club auf und treffen dort auf die Einheimischen, bei denen Homophobie die Norm ist.

Zum Glück jedoch vermeidet „Pride“ bei allen dramaturgisch vorhersehbaren Konflikten jedes Klischee: Es gibt keine dumpfen Provinzler-Karikaturen, genausowenig, wie es schrille Tunten und lesbische Amazonen auf dem Kriegspfad gibt. Freilich gibt es eine murrende Mehrheit von Konservativen und eine intrigante Schachtel, die diese Mehrheit zu organisieren weiß, und es gibt Frauenrechtlerinnen, die schon mal den Schnabel aufreißen, wenn man besser schweigt — nämlich beim Bingospielen.

Aber die Atmosphäre in „Pride“ ist doch deutlich geprägt von einer freundlichen Annäherung völlig verschiedener sozialer Schichten — or are they? Natürlich sind sie das nicht; einer der Londoner stammt selbst aus Wales und hat die bedrückende Engstirnigkeit seines Elternhauses dort im Schlechten hinter sich gelassen, um nun gegen seine inneren Widerstände dorthin zurückzukehren.

Glücklicherweise vermeidet Stephen Beresford (Drehbuch) genau die Scherze allesamt, die auf die Bestätigung von Klischees aufgebaut hätten. Und das macht „Pride“ wahnsinnig sympathisch.

JUNGE WALISERIN
(zu zwei Londoner Schwulen)
So, you live together like, you know, husband and wife. But what I want to know is …

SCHWULER
I know what you’re going to say.

WALISERIN
Wich one does the housework?

SCHWULER
Oh, well, that’s … that’s not what I thought you was going to say.

Vor allem die walisischen Frauen, allen voran Hefina Headon (Imelda Staunton), finden Gefallen an den jungen Menschen mit dem ungewöhnlichen Lebensstil. Und sie sind es auch, die sich beim nächsten Gegenbesuch in London mit Begeisterung durch sämtliche Gay Clubs führen lassen. Eine Gelegenheit, bei der der Film dann die ganze Fallhöhe zwischen übermütigen Landeiern und schwuler Großstadt-Szene auskostet, bevor er dann wiederum eine ernste Saite anschlägt.

Matthew Warchus (Regie) ist mit einem erstklassigen Cast (vor allem der phantastische Bill Nighy als schüchtern-verstaubter Waliser spielt mit größtmöglicher Zurückhaltung wieder einmal alle an die Wand) ein Film gelungen, dem hierzulande die Aufmerksamkeit versagt geblieben ist, die ihm eigentlich gebührt. Zumindest bei den Filmfestspielen in Cannes hat „Pride“ den Queer Palm Award gewonnen (von dem ich allerdings noch nie etwas gehört habe), und bei Rotten Tomatoes glänzt er mit verdienten 92 Prozent Zustimmung.

Vielleicht liegt die fehlende Aufmerksamkeit in Deutschland daran, dass es eine sehr britische Geschichte ist: zum einen historisch, natürlich, weil die sozialen Unruhen der 80er auf die Gesamtverfasstheit der politisch denkenden Schicht Englands bleibenden Eindruck hinterlassen haben, den man hier nicht voraussetzen kann. Zum anderen aber vielleicht auch, weil es in Großbritannien einen Sinn für Gleichheit und Solidarität gibt, der uns Deutschen fehlt, die wir Solidarität gleich für Kommunismus und jeden Kommunisten für den Leibhaftigen halten.

„Pride“ aber ist ein großer Film über eben das: Solidarität. Da werden Arbeiterlieder gesungen, die einem das Wasser in die Augen treiben, so schön sind sie, Billy Bragg darf „There’s a Power in a Union“ singen, und gerade die Absurdität, die in einer Unterstützung streikender walisischer Bergarbeiter durch Londoner Schwule und Lesben liegt, und dass diese Allianz trotzdem erfolgreich ist, auch wenn der Erfolg primär in eben der Solidarität und der daraus entstehenden Freundschaft zwischen so wesensverschiedenen Menschen liegt — in Wales spricht man angeblich von Mark Ashton immer noch wie von einer Jeanne d’Arc — gerade die Absurdität dieser Freundschaft, dieser Solidarität macht „Pride“ zu einem Film, aus dem der Humanismus nur so herausleuchtet, warm und hell und strahlend. Am Ende marschieren die walisischen Bergarbeiter bei der Gay Pride-Parade in London mit Transparenten vorneweg.

Was aber die Arbeiterlieder angeht: Nicht zuletzt der prima Soundtrack, in dem selbstverständlich auch die ikonographischen schwulen Songs der 80er von Queen über Bronski Beat bis Franky Goes to Hollywood nicht fehlen dürfen, und die sagenhaften Aufnahmen des verschneiten Wales, das hin und wieder fast nach Island oder einem anderen von Elfen und Kobolden bewohnten skandinavischen Land aussieht, machen aus diesem Sozialfilm, den man problemlos auch als „kleinen“ Film hätte inszenieren können, einen richtig großen.

’s all really good, man!

11. März 2015 1 Kommentar

Mehr als die Hälfte der ersten Staffel „Better Call Saul“ (AMC) ist nun schon durch, und hätte es noch einer Episode bedurft um zu belegen, wie großartig diese Serie ist, wäre es die letzte, sechste Folge gewesen.

Denn in „Five-O“ (dem amerikanischen Slangbegriff für Polizei, der angeblich auf „Hawaii Five-O“ zurückgeht) stand zum ersten Mal nicht Saul Goodman (Bob Odenkirk) im Mittelpunkt, sondern Mike Ehrmantraut (Jonathan Banks), und auch die Tonalität der Show, bis dahin mal mehr, mal weniger komisch, war zum ersten Mal deutlich dramatisch-düster, ging es doch nicht um die lustigen Abenteuer des noch jungen Rechtsanwalts James „Jimmy“ McGill, sondern um die rabenschwarze Backstory des ehemaligen Polizisten Mike.

Damit aber, dass sie es geschafft haben, diese plötzliche Ernsthaftigkeit, diese Dunkelheit, in eine ansonsten eher bunte Show zu integrieren, haben Vince Gilligan und Peter Gould das Fundament für ein viel größeres Haus gelegt, als ich zunächst vermutet hätte, und für eine Show, an die vermutlich schon bald niemand mehr als das Spinoff einer anderen denken wird.

Denn nun, nach einigen Folgen, die sehr gemächlich die Entwicklung des unbedarften Con-Artists McGill hin zum windigen Anwalt von Großkriminellen angedeutet haben, so gemächlich, dass man nach den ersten beiden Folgen noch gar keine Ahnung hatte, wo die Fahrt hingehen soll, nun, nach der Hälfte der ersten Staffel, zeichnet sich langsam ab, dass es genau diese Langsamkeit, mit der die Serie (wie auch schon „Breaking Bad“) Fahrt aufnimmt, ihr eben ein viel größeres Momentum verschafft, als es schnell erzählte, in sich geschlossene Episoden je könnten. Mit diesem Momentum, mit der erzählerischen Wucht, die „BCS“ erreicht, gewinnt die Serie erst einen völlig eigenen Charakter und damit Größe.

Natürlich gleicht „BCS“ dabei „Breaking Bad“ durchaus, wenn man sie doch noch einmal vergleichen möchte: darin nämlich, dass die Show sich ebenso viel (wo nicht mehr) Zeit nimmt, uns ihre Hauptfiguren vorzustellen. Und das aus dem gleichen Grund, wie „BB“ es getan hat: weil die Veränderung der Figuren gezeigt werden soll, weil die Charaktere sich stark entwickeln (Mike allerdings weniger als Jimmy). Sehr literarisch, fast wie in einem Roman breitet „BCS“ den Plot der Serie sehr langsam aus und gibt wichtige Informationen erst ganz allmählich preis, wo old school-Fernsehserien möglichst schnell erklärt hätten, warum welche Figur wo steht, wenn die Handlung beginnt.

Anders als bei „BB“ aber: Eine eigentliche Handlung, eine die Staffel überspannende Erzählung, gibt es (zumindest bislang) nicht (außer ich hätte etwas verpasst), genauso wenig wie die einzelnen Episoden klassische in sich abgeschlossene Handlungen hätten; oft ist es eher ein motivisches Erzählen à la „Mad Men“, Anekdoten, die Charakterzüge illustrieren oder Beziehungen zwischen den Charakteren.

Insofern entzieht sich „BCS“, und auch das macht einen Teil des Reizes dieser Serie aus, auch immer noch einer Beurteilung: Es könnte nämlich in jeder nächsten Folge wieder etwas ganz unerwartet anderes passieren, als man denkt, das womöglich alles in Frage stellt, was man bislang gesehen hat. Genau dadurch wird die Serie auch spannend, obwohl sie auf klassisch spannungserzeugende Cliffhanger und ähnliche Mätzchen völlig verzichtet.

Mein Tipp wäre, dass erst zum Ende der Staffel, vielleicht erst in den letzten beiden Folgen, klar wird, in welche übergeordnete Geschichte Jimmy und Mike verwickelt werden, die dann aber die nächste Staffel bestimmt. Ziemlich sicher wird es genau dann auch klassisch spannend, und ich wette auf einen Cliffhanger am Ende der letzten Folge dieser Staffel, der für Diskussionen und Spekulationen sorgen wird, bis die nächste Staffel beginnt.

Bis dahin ist es aber auf jeden Fall schon mal die beste Serie, die man sich von Gilligan und Gould nach „Breaking Bad“ hätte wünschen können.

Jahresendabstimmung

15. Dezember 2014 5 Kommentare

Ich war dieses Jahr mehr mit Dramaserien beschäftigt als mit Sitcoms, stelle ich fest: Über den Sommer habe ich endlich „The Wire“ (HBO, 2002 – 08) nachgeholt und bin pünktlich fertig geworden, als eine Neufassung der Serie bekannt gegeben wurde, diesmal in 16:9 statt 4:3 und in HD. Na toll. Danach ging es mit „The Shield“ (FX, 2002 – 08) weiter, und dazwischen waren noch allerhand aktuelle Serien wegzuglotzen, so dass die reinen Brit- und Sitcoms dafür ein bisschen zu kurz gekommen sind.

Es waren allerdings auch außergewöhnlich viele zweite und dritte Staffeln dabei dieses Jahr und weniger neue Produktionen: von den 27 Britcoms sind 15 Fortsetzungen. Dass die Abstimmungsliste länger ist als 27, liegt daran, dass ich „You’re the Worst“ (FX) einfach den Briten zugeschlagen habe, obwohl es natürlich in Wahrheit eine US-Sitcom ist, und daran, dass ich die paar ComedyDramas aus Großbritannien nicht in eine eigene Abstimmung werfen, aber auch nicht ganz unter den Tisch fallen lassen wollte. Bei „Inside No. 9“ etwa kann man sich ohnehin streiten, was das nun genau ist: Sitcom oder ComedyDrama.

Weil aber für mein Empfinden sehr viele sehr gute amerikanische und britische Drama-Serien dieses Jahr gelaufen sind, gibt es zum ersten Mal eigene Abstimmungen dafür. Beide haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil ja doch zu vieles unter meinem Radar fliegt und auch meine Zeit begrenzt ist, aber ich hoffe, die besten Serien sind doch darunter. Ach ja, und weil das mein Blog ist, in dem ich machen kann, was ich will, habe ich bei den US-Dramaserien „Game of Thrones“ und „The Walking Dead“ weggelassen — dass die sonst auf Platz eins und zwei gelandet wären, ist mir ohnehin klar.

Nun denn, zur Abstimmung. Alle Polls schließen am nächsten Sonntag um Mitternacht. Beim ersten Poll zur besten britischen Sitcom 2014 hat jeder drei Stimmen, und ich bitte um Hinweise auf evtl. fehlende Sitcoms:

Beste Britcom 2014

  • You're the Worst (US) (12%, 25 Votes)
  • Detectorists (11%, 24 Votes)
  • Episodes (UK/US, Series 3) (10%, 21 Votes)
  • Uncle (8%, 18 Votes)
  • Moone Boy (Series 2) (7%, 16 Votes)
  • Scrotal Recall (7%, 15 Votes)
  • W1A (6%, 13 Votes)
  • Plebs (Series 2) (5%, 11 Votes)
  • Cuckoo (Series 2) (5%, 10 Votes)
  • Mr. Sloane (4%, 9 Votes)
  • Toast of London (Series 2) (3%, 7 Votes)
  • Siblings (3%, 7 Votes)
  • Rev (Series 3) (3%, 7 Votes)
  • Friday Night Dinner (Series 3) (3%, 6 Votes)
  • The Trip to Italy (2%, 5 Votes)
  • Outnumbered (Series 5) (1%, 3 Votes)
  • Inside No. 9 (ComedyDrama) (1%, 3 Votes)
  • Babylon (ComedyDrama) (1%, 3 Votes)
  • Him & Her (Series 4) (1%, 2 Votes)
  • House of Fools (1%, 2 Votes)
  • The Mimic (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • The Walshes (0%, 1 Votes)
  • The Life of Rock with Brian Pern (0%, 1 Votes)
  • The Job Lot (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Stella (Series 3) (ComedyDrama) (0%, 1 Votes)
  • Bluestone 42 (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Derek (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Edge of Heaven (ComedyDrama) (0%, 0 Votes)
  • Edge of Heaven (0%, 0 Votes)
  • Pramface (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Puppy Love (0%, 0 Votes)
  • Big School (Series 2) (0%, 0 Votes)

Total Voters: 97

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Bei den anderen beiden Abstimmungen hat jeder zwei Stimmen (und mir ist klar, dass einige gute Serien fehlen werden):

Beste britische Dramaserie 2014

  • Sherlock (Series 3) (31%, 31 Votes)
  • Happy Valley (17%, 17 Votes)
  • Downton Abbey (Series 5) (11%, 11 Votes)
  • The Fall (Series 1+2) (11%, 11 Votes)
  • In the Flesh (Series 2) (8%, 8 Votes)
  • Call the Midwife (Series 3) (7%, 7 Votes)
  • The Missing (7%, 7 Votes)
  • Our Zoo (4%, 4 Votes)
  • The Game (2%, 2 Votes)
  • The Driver (1%, 1 Votes)
  • Our Girl (0%, 0 Votes)

Total Voters: 67

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Bei den Wahlen zur besten US-Dramaserie sind, stelle ich gerade fest, nicht nur viele Serien nicht dabei, sondern auch eine eher apokryphe Show, nämlich „Z Nation“ (SyFy), eine postapokalyptische Zombieserie, die mir gerade mehr Spaß macht als „The Walking Dead“, weil es nämlich deutlich rabaukiger ist und hin und wieder schön die Grenze zum Quatsch streift, ohne sie zu übertreten, wenn es nämlich zum Beispiel bei einem Tornado fliegende Zombies gibt — und ein Protagonist dann auch gleich die Parallele zu „Sharknado“ zieht. Tounge in cheek nennt man das wohl.

Beste amerikanische Dramaserie 2014

  • Fargo (28%, 36 Votes)
  • True Detective (26%, 34 Votes)
  • Orange is the New Black (Series 2) (14%, 18 Votes)
  • Hannibal (Series 2) (6%, 8 Votes)
  • The Americans (Series 2) (5%, 6 Votes)
  • The Newsroom (Series 3) (5%, 6 Votes)
  • Masters of Sex (Series 2) (4%, 5 Votes)
  • Mad Men (Series 7) (4%, 5 Votes)
  • Homeland (Series 4) (4%, 5 Votes)
  • The Knick (2%, 3 Votes)
  • The Affair (2%, 2 Votes)
  • Z Nation (1%, 1 Votes)
  • From Dusk Till Dawn (0%, 0 Votes)
  • Extant (0%, 0 Votes)

Total Voters: 80

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Babylonische Verwirrung

11. Februar 2014 Keine Kommentare

Danny Boyle ist das Medium Fernsehen nicht so fremd, wie man diesseits des Ärmelkanals vielleicht annehmen könnte, wo man seine Arbeiten vorwiegend aus dem Kino kennt. Tatsächlich war er, nach einer Karriere beim Theater, zunächst Fernsehproduzent und -regisseur für BBC Northern Ireland, wo er in den späten achtziger Jahren unter anderem zwei Folgen „Inspector Morse“ gemacht hat und eine BBC 2-Serie namens „Mr. Wroe’s Virgins“; zwei Fernsehfilme für die BBC aus dem Jahre 2001 gehen außerdem auf sein Konto.

Es ist also keine so große Sensation, wie man annehmen möchte, dass Boyle jetzt, falls es kommissioniert wird, ein ComedyDrama für Channel 4 macht, dessen Pilotfolge jüngst zu sehen war: „Babylon“, eine Polizeiserie unter der Autorenschaft von Sam Bain und Jesse Armstrong. Die haben sich ihre Meriten nicht zuletzt durch „Peep Show“ (Channel 4, seit 2003) verdient, mit „Fresh Meat“ (C4, seit 2011) sowie durch Kollaborationen mit Chris Morris („Four Lions“, 2010), Charlie Brooker („Black Mirror“, C4, seit 2011) und Armando Iannucci („The Thick of It“, BBC 4 und 2, 2005 – ’12).

Tatsächlich erinnert „Babylon“ also wohl nicht zufällig an „The Thick of It“ und arbeitet bewusst mit truisms, die auch in der Politsatire Iannuccis vorkommen könnten: die neue amerikanische Pressechefin der Londoner Polizei Liz Garvey (Brit Marling) setzt ganz auf „Transparenz“ und den ganzen derzeit virulenten PR-Schmarrn, der sich in Phrasen wie „the 24/7 world requires 360 degree communication!“ niederschlägt. Die Polizeioberen kämpfen gegen die Tücken der modernen Technik, wenn ihnen etwa die wackelige Skype-Verbindung zum Einsatzteam im Antiterrorkampf in die Quere kommt. Ein Fernsehteam, das eine Dokusoap über die Polizeiarbeit machen soll, wird erst von den eher schlicht gestrickten Polizisten im Außendienst schikaniert und rächt sich dann mit extrem tendenziös geschnittenen Fernsehbildern. Und Intrigen und Durchstechereien machen dem ganzen Apparat zu schaffen, dessen einzelne Mitglieder alle nicht durch besondere Geisteskräfte hervorstechen.

Danny Boyles Regiekunst schlägt sich durchaus in schönen Bildern nieder, und hin und wieder darf man sich an seiner Vorliebe für Action und laute Elektromusik freuen und über seinen Sinn für böse Szenen, wenn etwa bei einem Einsatz von zehn schwerst bewaffneten Polizisten gegen einen halbnackten Wohnungsbesitzer mit Hund der renitente, aber völlig wehrlose Mann genauso wie sein Hund zusammengetasert werden und das als völlig normal abgebildet wird.

Aber leider hat man oft das Gefühl, Boyles Regie steht der Komik ein bisschen im Weg. Und mit Komik ist es ohnehin eher nicht so weit her.

Denn die truisms (die mit „Gemeinplätze“ unzureichend übersetzt wären) werden, anders als bei „The Thick of It“, oft nicht zu Ende gespielt; ab und zu scheint irgendwo eine Pointe zu fehlen, die das build up rechtfertigen würde. Und die atemlosen Ellipsen, die es schon bei „Thick of It“ manchmal schwer machen, der Handlung zu folgen, sorgen hier schnell für Verwirrung, wenn man nicht konzentriert aufpasst, welche der zahlreichen Figuren welche Position hat, was die ganzen Kürzel im Polizeijargon zu bedeuten haben und wer hinterrücks gegen wen intrigiert.

Die eigentliche Geschichte der Pilotfolge, in der sich Garvey an ihrem ersten Arbeitstag mit der killing spree eines Scharfschützen in London konfrontiert sieht, scheint in der Dramaturgie dann eher zu wenig Gewicht zu haben, weil sie zu gleichberechtigt mit vielen anderen, aber im Grunde untergeordneten Handlungsstränge erzählt wird (etwa mit dem Einsatz des Reality-TV-Teams). Und parallel zu der Unsicherheit darüber, was nun der Hauptplot ist, kann man sich auch nie ganz sicher sein, wer überhaupt die Hauptfigur ist: Garvey scheint zwar wichtig zu sein, ist aber an der Story des Snipers nur am Rande beteiligt, weil sie lediglich mit den desaströsen Folgen für die PR der Polizei zu kämpfen hat. Sie ist aber nicht Malcolm Tucker, der für „The Thick of It“ zwar auch nicht die eine Hauptfigur, aber doch Dreh- und Angelpunkt der Show war.

Möglicherweise werden die weiteren Folgen der Serie, die ab März gedreht werden sollen, nicht nur kürzer und damit überschaubarer sein (der Pilot war brutto 90 Minuten lang), sondern auch das Personal etwas detaillierter beschreiben. Dazu müssten Armstrong, Bain und Boyle noch ein paar Rädchen nachjustieren: Haupt- und Sub-Plots genauer trennen, die schiere Menge der Figuren reduzieren, ein paar mehr Gags, ein bisschen weiter auserzählte Szenen.

Dann könnte „Babylon“ tatsächlich für die Polizei das werden, was „The Thick of It“ für die Politik war: eine Satire, die deswegen so gut funktioniert, weil man sie für realistisch halten kann, die aber gleichzeitig zumindest einige Figuren hat, die larger than life sind und immer wieder für Komik sorgen können.

Jahresendabstimmung

9. Dezember 2013 9 Kommentare

Alle Jahre wieder: der kleine britcoms.de-Poll zu den UK-Sitcoms des vergangenen Jahres. Dieses Jahr war so viel los, dass ich erstmals tatsächlich zwei Polls zu Sitcoms und ComedyDrama mache; von den US-Sitcoms dagegen habe ich übers Jahr so wenig mitbekommen, dass ich mir einen Poll mangels eigener Qualifikation spare. Einzige Ausnahme: Ich habe Stephen Merchants „Hello Ladies“ ganz unten der Liste hinzugefügt, obwohl die Serie genaugenommen us-amerikanisch ist (HBO).

Interessanterweise gibt es dieses Jahr sehr viele neue Sitcoms, im Vergleich dazu aber sehr wenige neue ComedyDramas — und umgekehrt: „Doc Martin“ war schon in der sechsten Staffel zu sehen, „Being Human“ und „Misfits“ in der fünften (wobei „Misfits“ einen angenehmen Qualitätszuwachs in diesem Jahr im Vergleich zur vierten Staffel zu verzeichnen hatte, wohingegen „Being Human“ doch sehr schwächelte); von den Veteranen „Skins“ (siebte Staffel) und „Shameless“ (elfte! Staffel) ganz zu schweigen.

Dieses Jahr hat jeder Voter drei Stimmen bei den Sitcoms und zwei Stimmen bei den ComedyDramas. Der Poll läuft bis einschließlich nächsten Sonntag, den 15.12., und wie immer bitte ich, mich auf eventuell fehlende Serien hinzuweisen, die ich dann nachtrage.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse!

Hier bitte drei Stimmen abgeben:

Beste Britcom 2013

  • Family Tree (13%, 18 Votes)
  • Plebs (12%, 16 Votes)
  • Count Arthur Strong (8%, 11 Votes)
  • Vicious (8%, 11 Votes)
  • Some Girls (7%, 9 Votes)
  • The Mimic (4%, 6 Votes)
  • The Spa (4%, 5 Votes)
  • Toast of London (4%, 5 Votes)
  • The Job Lot (4%, 5 Votes)
  • Big School (4%, 5 Votes)
  • Up The Women (4%, 5 Votes)
  • Yonderland (4%, 5 Votes)
  • Him & Her (Series 4) (3%, 4 Votes)
  • Miranda (Series 3) (3%, 4 Votes)
  • Man Down (3%, 4 Votes)
  • Citizen Khan (Series 2) (2%, 3 Votes)
  • Bluestone 42 (2%, 3 Votes)
  • Trollied (Series 3) (1%, 2 Votes)
  • A Young Doctor's Notebook (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Pramface (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Bad Education (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Psychobitches (1%, 2 Votes)
  • Way To Go (1%, 1 Votes)
  • Chickens (1%, 1 Votes)
  • Drifters (1%, 1 Votes)
  • Father Figure (1%, 1 Votes)
  • London Irish (1%, 1 Votes)
  • Heading Out (1%, 1 Votes)
  • Big Bad World (0%, 0 Votes)
  • Badults (0%, 0 Votes)
  • You Me And Them (0%, 0 Votes)
  • Blandings (0%, 0 Votes)
  • Bob Servant Independent (0%, 0 Votes)
  • The Wright Way (0%, 0 Votes)
  • Pat And Cabbage (0%, 0 Votes)
  • The Café (Series 2) (0%, 0 Votes)

Total Voters: 59

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Hier bitte zwei Stimmen abgeben:

Bestes britisches ComedyDrama 2013

  • The Wrong Mans (29%, 35 Votes)
  • Ambassadors (27%, 33 Votes)
  • Black Mirror (Series 2) (13%, 16 Votes)
  • Misfits (Series 5) (9%, 11 Votes)
  • Fresh Meat (Series 3) (7%, 9 Votes)
  • Derek (5%, 6 Votes)
  • Doc Martin (Series 6) (4%, 5 Votes)
  • A Touch of Cloth (Series 2) (3%, 4 Votes)
  • Skins (Series 7) (2%, 2 Votes)
  • Being Human (Series 5) (1%, 1 Votes)
  • Shameless (Series 11) (0%, 0 Votes)
  • Mount Pleasant (Series 3) (0%, 0 Votes)
  • Being Eileen (0%, 0 Votes)
  • Hebburn (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Great Night Out (0%, 0 Votes)
  • Common Ground (0%, 0 Votes)

Total Voters: 68

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Yes, Ambassadors

8. November 2013 5 Kommentare

Es ist ein bisschen schade, dass sich James Wood und Rupert Walters entschlossen haben, die drei Stunden Serienzeit für „Ambassadors“ (BBC2, gerade zu Ende gegangen) auf dreimal eine Stunde zu verteilen, statt auf die üblichen sechs halben Stunden. Denn wäre „Ambassadors“ eine „richtige“ Serie geworden statt einer Miniserie, die nach drei Folgen gerade erst Fahrt aufgenommen zu haben schien, dann hätte sie das Zeug gehabt, 2013 neben „The Wrong Mans“ ganz oben auf dem Treppchen zu stehen. So muss sich das ComedyDrama mit David Mitchell und Robert Webb in den Hauptrollen mit einem zweiten Platz begnügen.

„Ambassadors“ ist die Geschichte des britischen Botschafters Keith Davis (Mitchell) im fiktionalen Tazbekistan (hat nichts mit der alternativen Tageszeitung zu tun, auch wenn hier wie dort vermutlich ähnliche Löhne gezahlt werden). Tazbekistan ist eines der ex-sowjetischen Länder mit -stan am Schluss, wo Erdöl und Bestechungsgelder sprudeln, Menschenrechte keine entscheidende Rolle spielen und wo noch lukrative Rüstungsdeals abzuschließen sind. Keith und seine leidensgeprüfte Ehefrau Jennifer (Keeley Hawes, die Stimme von Lara Croft in den „Tomb Raider“-Spielen) sind neu in Tazbekistan, und Keith hat noch etwas vor mit seiner Karriere (obwohl er oft eher zögerlich handelt, wohl wissend, dass ein einziger Fehler alles ruinieren kann). Unterstützt wird er vom erfahrenen Deputy Head of Mission Neil Tilly (Webb), einem idealistischen Zyniker, der die alltäglichen Abläufe in der Botschaft managed. Dort wiederum finden wir einen Mitarbeiterstab aus Briten und Tazbeken, miteinander verbandelt in amourösen wie kritischen Beziehungen gleichermaßen, und tazbekische Geheimdienstler, die die Botschaft rund um die Uhr abhören.

Ein realistisches Setting also, ähnlich dem von „Yes, Minister“ bzw. „Yes, Prime Minister“ (BBC2, 1980 – 88), einer der klassischen politisch-satirischen Britcoms (die heute aber kaum noch erträglich ist, wenn man nicht sowohl eine große Zuneigung zu kostengünstigen Serien der Achtziger hat als auch ein profundes Wissen englischer Politik). Webb erklärt denn auch, „Ambassadors“ sei

sort of „Yes, Prime Minister“ meets „Spooks“ at a bad disco and „Yes, Prime Minister“ is a bit sick on „Spooks“, but „Spooks“ doesn’t mind. It’s like that.

Entsprechend sind auch die Geschichten im Grunde recht glaubhaft: Wenn etwa Keith alles daran setzt, den Tazbeken britische Militärhubschrauber zu verkaufen (bevor der französische Botschafter einen ähnlichen Deal machen könnte), ihm aber ein arroganter, wichtigtuerischer Menschenrechtsaktivist dazwischenkommt, den es vor dem Gefängnis (und schlimmerem) zu bewahren gilt — womöglich allerdings auf Kosten des Deals. Eine schwierige Entscheidung, zumal der Aktivist wirklich sehr arrogant ist…

„Ambassadors“ ist, und das macht mir die Serie so sympathisch, dabei eher auf der politisch korrekten Seite. Natürlich werden die Tazbeken als Klischee-Russen aus der Provinz gezeichnet, die gerne Wodka trinken und ungenießbare schwere Essen servieren, deren Weiber in geschmacklosen Flittchenklamotten herumlaufen (sehr gut: die Präsidententochter, die Sängerin, Politikerin, Charity-Lady und Sexobjekt in einem ist) und deren Militärpolizei genauso skrupellos ist wie die oppositionellen Drogenbarone (oder sind es drogendealende Oppositionelle?). Und mit am lustigsten sind die Szenen, in denen Keith die (ausgedachte, aber ebenfalls glaubwürdig klingende) tazbekische Sprache mit typischen Beispielsätzen übt: „Das Minenfeld ist neben der Schule.“ — „Ich habe neun Finger. Du hast zehn Finger.“

Aber das Gros der Scherze geht auf britische Kosten. In der ersten Folge etwa wird uns nicht nur das Leben der Tazbeken als Witzvorlage gereicht, sondern vor allem das der Briten im Ausland: viel schlimmer/lustiger als alle Klischeerussen ist das „Best of British“-Festival der Engländer, die nicht mehr auf die Füße zu stellen in der Lage sind als eine Mittelaltertruppe aus Gloucestershire, eine Vorführung, wie man Pork Pie macht, und einen gockelhaften Schauspieler, der eine Ein-Mann-Version von „Frankenstein“ vorführt.

Und da wäre noch die Frage, wo eigentlich Keiths Vorgänger geblieben ist…

JENNIFER
Does anyone know what actually happened to Keith’s predecessor?

NEIL
Someone from the Cabinet Office thought they saw him recently in Phuket — working in a transvestite hammam. But technically he’s just missing.

JENNIFER
(Pause) What was someone from the Cabinet Office doing in…?

„Ambassadors“ profitiert natürlich enorm von der Chemie zwischen Mitchell und Webb. Besonders Robert Webb ist in seiner Rolle als Assistent Neil glaubwürdig, der einerseits immer auf Seiten der Moral ist (und etwa den Aktivisten gegen die Rüstungspläne Keiths raushauen möchte), andererseits von den Tazbeken erpresst wird (und ihnen die Privat-Telefonnummern englischer B-Promis verraten muss): Ein schön vielschichtiger Charakter.

Gegen die fein gezeichneten Botschafter dürfen die Gaststars dann entsprechend etwas gröber geschnitzt sein. Tom Hollander („Rev.“) gibt in der zweiten Folge einen englischen Aristokraten von eher niederem Adel, Prince Mark, dessen IQ kaum über seiner Bedeutung für die königliche Familie liegt und dessen Vorliebe für asiatische Frauen, Alkohol und Four Season-Hotels prompt zu diplomatischen Spannungen führt. Hollander spielt Mitchell und Webb in dieser Folge beinahe an die Wand: denn er darf so überspannt sein, wie Mitchell und Webb zurückhaltend sein müssen. Man fragt sich unwillkürlich, wer wohl das Vorbild war für diesen überdrüssigen royalen Kindskopf, der mit Steinen nach Pfauen wirft, wie man in diesem Ausschnitt sehen kann:

„Ambassadors“ ist keine schnelle und laute Serie, sondern setzt eher auf sophistication. Wer Witze von „Borat“-Kaliber erwartet, ist hier falsch. Sie ist eher langsam und verkneift sich hin und wieder Scherze, die man sich vielleicht gewünscht hätte, Scherze der etwas derberen und drastischeren Art. Dafür glaubt man ihren Figuren und dem Look der Serie, die zu weiten Teilen in Bursa in der Türkei gedreht wurde, wo es sehr realistisch nach Tazbekistan aussieht.

Mitchell und Webb sind, wenn man das von Comedians um die vierzig sagen kann, erwachsen geworden, und ich bin gespannt, ob sie in ihren Rollen in „Peep Show“ (Cannel 4, seit 2003) noch glaubwürdig sein können. Deren nächste, die neunte Staffel (!) ist für 2014 angekündigt, und Channel 4 hat schon bekannt gegeben, dass es die letzte sein wird.

Dafür gibt es hoffentlich ein Wiedersehen mit den „Ambassadors“. Gerne eines, das länger dauert als drei Folgen.