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Archiv für die Kategorie ‘ComedyDrama’

„Black Mirror“ zum Dritten

20. Dezember 2011 2 Kommentare

Nach zwei Verrissen und der Prognose, die Serie könne man insgesamt wohl abschreiben, muß ich nun doch noch etwas zum dritten Teil von Charlie Brookers „Black Mirror“ (Channel 4) und zur Ehrenrettung der Serie sagen: Die letzte Folge war nämlich gut.

https://www.youtube.com/watch?v=3bFCqK81s7Y?version=3&hl=de_DE

„The Entire Hirstory of You“ (Autor hier mal nicht Brooker, sondern Jesse Armstrong) hatte die mit Abstand glaubwürdigste Geschichte der Serie zu erzählen und tat dies sehr geradlinig, schnörkellos fast, mit einem Plot, wie er auch in jedem anderen Drama hätte ausgebreitet werden können (ja, der Comedy-Aspekt kam diesmal sehr kurz): der junge Anwalt Liam (Toby Kebbell) kommt von einem eher erfolglosen Vorstellungsgespräch zu einer Party, wo er seine Frau Ffion (Jodie Whittaker) dabei beobachtet, wie sie in mehreren Situationen fast flirtös mit dem Gast- und Angeber Jonas (Tom Cullen) redet. Später stellt er sie zur Rede und findet seinen Verdacht bestätigt: Ffions und Jonas‘ Affäre, vor Liams Zeit, war länger als die eine Woche, von der sie bis dahin immer geredet hatte. Sie war sogar länger als der Monat, den sie dann zugibt.

*** Hmpfja: Spoiler, again. ***

Im Unterschied zu den uns bekannten Konflikten, die sich aus solchen kleinen und großen Lügen ergeben, wenn sie auffliegen, gibt es hier aber ein tückisches kleines Gerät, das „grain“ genannt wird und das sich alle, die Spaß an solchen Gadgets haben, hinter einem Ohr haben implantieren lassen: Ein Aufzeichnungsgerät, das es ermöglicht, alles, was man je erlebt hat, in Stereo und HD abermals zu sehen und zu hören — ein Festplattenrekorder für die Realität, der Ehekrächen ungeahnte Möglichkeiten bietet. Denn man kann seine Aufzeichnungen entweder sich selbst vor Augen führen (was die Regie mit einer milchigen Färbung der Augen darstellt, zusammen mit dem abwesenden Gesichtsausdruck ein schön zombieesker Effekt) oder auf abermals ubiquitären Bildschirmen (die Show muß ihrem Namen ja gerecht werden) auch mit Freunden teilen kann. Oder eben mit treulosen Ehefrauen.

Ein Gedankenspiel, das gar nicht so weit von der Realität weg ist: Die lückenlose Dokumentation der individuellen Wahrnehmung hat ja längst begonnen; dank Handy-Kameras und Facebook kann jeder, der das möchte, jedes einzelne Mittagessen (bzw. die Bilder davon) mit allen teilen, die es interessiert — von da bis zu legendären Partys, die man noch Monate und Jahre später zusammen mit Freunden aus der Perspektive jedes einzelnen wieder und wieder ansehen kann, ist es nur noch ein kleiner Schritt.

Genauso klein aber ist der Schritt dahin, sich peinliche und demütigende Momente immer und immer wieder ansehen zu können. Oder zu müssen, zwanghaft, wie Liam, der sich schon im Taxi zur Party den letzten Satz seines Vorstellungsgespräches immer wieder ansieht bzw. -hört: „We hope we’re looking forward to seeing you again.“ Nicht gerade vertrauensfördernd, sich diesen Satz immer wieder sagen zu lassen.

Oder natürlich: Sex. Bei der Party etwa wirft Jonas aufrichtig, aber auch großmäulig in die Runde, er säße oft lieber im Wohnzimmer und sähe sich die re-dos früherer erotischer Abenteuer an, als zu der Frau in seinem Schlafzimmer zu gehen und mit ihr richtigen Sex zu haben. Eine Vorstellung, die Liam, ohnehin unsicher, nicht gefallen kann: daß sich Jonas immer wieder den Sex ansieht, den er mit seiner, Liams, jetzigen Frau hatte. Welche erschütternden anderen Möglichkeiten es gäbe, erzählt Armstrong (der überhaupt viele Ideen en passant anspielt, die sich aus der Grundidee ergeben könnten) in einer späteren Szene, als Liam und Ffion wilden Sex haben. Beziehungweise eben nicht — sie haben eher schlechten Blümchensex und sehen sich währenddessen die Aufzeichnung einer stürmischeren Nacht an.

Es endet alles nicht schön: der Untreue überführt per Videobeweis, der endlos rekapituliert werden kann — das ist eine ziemlich gruselige Vorstellung. Und das sogar obwohl (oder gerade weil) Liam eher unsympathisch dargestellt wird und das Mitgefühl bei der untreuen Nuß von Ehefrau liegt, in deren Vergangenheit gnadenlos herumgestochert wird.

Es hätte gewiß ambitioniertere Geschichten gegeben, die sich auf der Grundlage dieser Idee hätten entwickeln lassen — ganze Steven-Spielberg-Filme (mit Tom Cruise in der Hauptrolle) lägen da im Bereich des Denkbaren. Aber gerade diese einfache Erzählung, an die jeder anschließen kann, hat mich für sich eingenommen, eben weil sie keine „Jeder sein eigener Privatdetektiv“-Story entwickelt hat, sondern eine menschliche, persönliche, emotionale. Für Jesse Armstrong, Autorenduohälfte von „Peep Show“ und „Fresh Meat“ sowie „The Thick of It“, eine ungewöhnlich ernste Story, aber genauso clever und geistreich wie seine bisherigen Arbeiten. Mehr davon und weniger von Brookers seltsamen bis haarsträubenden Ideen — oder vielleicht einfach doch eine andere Reihenfolge, in der sich die Extreme steigern statt abzunehmen — hätten „Black Mirror“ womöglich gut getan.

„Black Mirror“ zum Zweiten

13. Dezember 2011 3 Kommentare

Nach der ersten Folge von Charlie Brookers „Black Mirror“ (Channel 4) war ich nicht wirklich überzeugt und hatte schon die Vermutung, daß die zwei verbleibenden Teile, weil völlig unabhängig voneinander, ebenfalls nicht zu einem nachsichtigeren Urteil beitragen würden, weil man sonst eine bessere Folge ja einfach an den Anfang hätte stellen können. Die zweite Folge, „15 Million Merits“, schien mir dennoch zunächst die bessere, auch wenn sie den ganzen ersten und auch zweiten Akt über sehr minimalistisch, fast kammerspielhaft, jedenfalls aber klaustrophobisch war. Dann aber hat Brooker doch noch mit dem Arsch eingerissen, was er mit den Händen aufgebaut hatte. Denn zu meiner Überraschung hat sich Brooker hier selbst plagiiert — und dabei das Original nicht etwa übertroffen.

*** Achtung, schon wieder Spoiler! ***

Ohne allzu viel verraten zu wollen: „15 Million Merits“ führt uns in eine dystopische Welt ein, in der die Menschen umzingelt sind von Touchscreens (nun ja, interaktive Screens jedenfalls), die ihr ganzes Leben ausmachen — denn außer daß jeder den ganzen Tag via Tretmühle Strom erzeugt, passiert nichts mehr in der Welt. Dafür ist die Ablenkung durch Ballerspiele, zynische Fernsehshows und Pornos so perfekt, daß niemand rebelliert. Statt Geld sind (über die Tretmühle zu verdienende) Punkte die Währung; wer etwa Werbung ausblendet, zahlt dafür ein paar Punkte Strafe. Unser Held Bing (Daniel Kaluuya) aber verliebt sich in Abi („Downton Abbey“s Jessica Brown-Findlay), die er zufällig hat singen hören, und schenkt ihr all seine 15 Millionen Punkte, damit sie sich bei einer Variation der „X-Factor“-Show bewerben kann (in der Jury: Julia Davis und Rupert Everett). Dort aber wird nicht ihr Gesangstalent erkannt, sondern ihre Ausstrahlung, die sich prima für Pornos eignen würde — und so entscheidet sie sich unter Tränen dafür, lieber in Pornos mitzuspielen als weiter in der Tretmühle zu schuften. Daß er nun, ohne Punkte, auch noch seiner großen Liebe bei Pornos bzw. den Werbetrailern dafür zusehen muß (!), treibt Bing zur Verzweiflung, und so ackert er, bis er abermals 15 Millionen Merits hat und sich selbst bei der Show bewerben kann, wo er vor laufenden Kameras mit Selbstmord droht und ein (leider nicht wirklich) erschütterndes Plädoyer gegen die schöne, neue Welt hält, voller Verzweiflung und höchst emotional (na ja, ebenfalls nicht wirklich). Was passiert? Genau: Die Jury erkennt sein Talent — und bietet ihm eine zweimal die Woche laufende eigene Show an, Bing sagt zu und läßt sich als Prediger gegen das System vom System vereinnahmen.

Äh, Moment: als Prediger gegen das System vom System vereinnahmen? Jepp, das ist genau der „Nathan Barley“-Dreh, wo Dan Ashcroft (Julian Barratt) einen Artikel über den „Rise of the idiots“ schreibt und anschließend von allen Idioten dafür geliebt und verehrt wird, daß er sie hasst: „You are all idiots!“ — „Yes, we’re all idiots!“ Das ist, vermutlich, Brookers ureigenstes Trauma und Dilemma.

Bloß: Bei „Nathan Barley“ war dieser Dreh innerhalb einer Farce sehr komisch, weil man als Zuseher sich zusammen mit Ashcroft so gut für etwas Besseres halten konnte, für einen Intellektuellen unter Trotteln, der dann aber doch lieber von den Trotteln geliebt wird als als Outcast zu enden. Bing hier aber ist innerhalb dieses Dramas, das fast ohne Comedy auskommt, eine arme Wurst und von Anfang an Opfer. Es ist nicht sein Hochmut, der ihn zu Fall bringt — und darum ist es hier nicht komisch, sondern tief traurig. Und, leider, ein Selbstplagiat.

Was ich sehr schade finde. Vielleicht hat Brooker zu viel zu tun, um sich neue Geschichten auszudenken, vielleicht hat Konnie Huq, Brookers Ehefrau, „Xtra-Factor“-Moderatorin und Co-Autorin dieser Folge, auch „Nathan Barley“ einfach nicht gesehen. Wie auch immer: So schön abermals das Look & Feel dieser Episode war, sie hat das Schicksal von „Black Mirror“ leider besiegelt — die dritte Folge kann so gut sein, wie sie will, sie wird die Serie nicht retten.

Very Black Mirror

6. Dezember 2011 Keine Kommentare

Die erste Folge von „Black Mirror“ (Channel 4), der neuen Miniserie von Charlie Brooker, hat mich eher ratlos hinterlassen: „The National Anthem“ war zwar genau die rabenschwarze Satire, die von Brooker zu erwarten war — aber leider nicht so auf den Punkt wie viele seine anderen Arbeiten.

*** ACHTUNG, SPOILER! ***

Der englische Premier Michael Callow (Rory Kinnear) sieht sich von Terrorismus der (haha!) schweinischsten Sorte bedroht: Entführer haben Prinzessin Susannah gekidnappt und drohen über einen nicht zurückverfolgbaren YouTube-Clip damit, sie umzubringen, falls Callow nicht live auf allen Fernsehkanälen ein, ähm, Schwein fickt. Ja, ein lebendes Schwein, bis zum Schluß und mit Wackelkamera gefilmt, damit Motion-Capturing- oder ähnliche Tricks ausgeschlossen sind. Zwar versucht Downing Street, das Erpresservideo nach Kräften aus der Öffentlichkeit fernzuhalten, aber weder YouTube noch Twitter lassen sich als Nachrichtenkanäle trockenlegen, und die ausländischen Medien halten sich natürlich auch nicht an britische restriction orders. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, die Zügel wieder in die Hand zu bekommen, und nachdem sich die Öffentlichkeit gegen ihn gestellt hat, bleibt dem Premier nichts übrig: Es kommt, live im Fernsehen, zum Äußersten. Den Zusehern in Pubs, Krankenhäusern und zuhause aber vergeht das Lachen recht schnell. Im Epilog erfahren wir, daß auch ein Jahr später Callow noch an der Macht ist, die Öffentlichkeit hinter ihm steht, seine Frau aber hat sich von ihm abgewendet.

Geschmacklosigkeit ist ein Stilmittel. Ein drastisches, aber nicht von vorneherein ein verwerfliches. Trotzdem ist mir, um mal ein ganz schlimmes Klischee zu bedienen, das Lachen im Hals stecken geblieben — und das ist nun nicht so gut. Denn hier hatte ich das Gefühl, daß das aus noch anderen Gründen war als nur, weil „The National Anthem“ erschreckend weit jenseits aller sonst gültigen Geschmacksgrenzen sogar des englischen Fernsehens operierte (was wohl nur Charlie Brooker schafft).

Da waren einfach von Anfang an Fragen der Plausibilität, die zu schwerwiegend waren, als daß man sie einfach des hübschen Gedankenspiels wegen zur Seite legen konnte: Seit wann verhandeln Politiker mit Terroristen? Gerade wenn man einen so realistischen Ansatz wählt wie Brooker hier, ohne tongue in cheek, sondern mit einer allgegenwärtigen Beklemmung, die sich auf den Zuschauer überträgt, einen Ansatz ähnlich wie den von „The Thick of It“, aber mit einem viel dramatischeren Plot — dann muß eine so grundliegende Frage geklärt sein. Ebenso wie das Verhalten der Öffentlichkeit. Gut, Brookers Botschaft, die Öffentlichkeit ist ein Haufen Kretins, kommt relativ schnell klar rüber, sie ist ja auch seit Jahren die selbe — aber würde die öffentliche Meinung tatsächlich so umschlagen, wären alle so dermaßen cheerful, wie „Black Mirror“ das zeigt, wenn der Premier öffentlich ein Schwein bumst…?

Irgendwie konnte ich das alles nicht recht glauben. Vielleicht, weil ich es selbst nicht sehen wollte — und das ist ja nun Brookers Haupt-Dreh: Einen erst in dem Glauben lassen, man könnte sich guten Gewissens über die gezeigten Medien-Trottel von „Nathan Barley“ oder die Big-Brother-Deppen von „Dead Set“ lustig machen, weil man selbst was besseres sei — und einen dann kalt erwischen, wenn man sich doch mit ihnen identifiziert.

Das soll nun alles nicht heißen, daß die Show insgesamt schlecht gewesen wäre. Da waren sehr schöne Scherze drin: „The Guardian is running a fucking live blog and a short think piece on the historical symbolism of the pig“ bzw. der Hinweis der Beraterin, der Premier solle doch nicht ganz so schnell zum Höhepunkt kommen, weil die Öffentlichkeit sonst denken könnte, er hätte am Ende Spaß an dem Ganzen. Und auch die Darsteller waren allesamt fantastisch, genauso das look and feel der ganzen Episode.

Aber es war alles ein bißchen zu unglaubwürdig und ungemütlich, um so viel Spaß zu machen wie Brookers andere Fiction-Serien. Ein bißchen zu absehbar, ohne große Wendung am Schluß, die nochmal alles rumreißt und zeigt, daß eine ganz andere Perspektive auf die grotesken Vorgänge möglich oder gar zwingend wäre. Vielleicht stellen die verbleibenden zwei Folgen die erste in einen Kontext, der die Serie insgesamt in einem anderen Licht dastehen läßt; allein ich bezweifle es. Schließlich sind alle Episoden in sich abgeschlossen — es wäre also möglich gewesen, eine andere, einleuchtendere erste Folge zu finden.

Endlich Frischfleisch

30. September 2011 1 Kommentar

Sechs Erstsemester ohne Gemeinsamkeiten ziehen in ein Studentenhaus — das ist die Prämisse von „Fresh Meat“ (Channel 4, bislang zwei Folgen ausgestrahlt). Da wäre die niedliche Josie (Kimberley Nixon) aus Wales, die etwas furchterregende Vod (Zawe Ashton) sowie Oregon (Charlotte Ritchie), mittelste Mittelklasse, gute Studentin und stets von der Befürchtung geplagt, langweilig zu sein. Und die Jungs: der sympathische Kingsley („Inbetweener“ Joe Thomas), ein schnöseliger Oberschichts-Affe namens JP (Jack Whitehall) und Howard (Greg McHugh), ein merkwürdiger schottischer Nerd (der einzige, der schon seit Längerem im Haus wohnt). Einen siebten Mitbewohner namens Paul gibt es zwar — zu sehen kriegt man ihn aber nie.

https://www.youtube.com/watch?v=QsDnApqgREw?version=3&hl=de_DE

Eine Ensemble-Comedy also, mit Charakteren, die schon in der ersten Episode zum Leben erwachen: Nach einem sehr unbehaglichen ersten Kennenlernen von fünf der Mitbewohner trifft Kingsley im Pub auf das rich kid JP. Der spricht ihn auf der Toilette an und lädt ihn auf ein Näschen Koks ein — allerdings nicht, weil er so großzügig wäre, sondern weil er das Zeug geschenkt bekommen hat und jemanden braucht, der für ihn testet, ob es wirklich Koks ist. Und ob es nicht am Ende vergiftet ist. Kingsley kann wenig später bei einem gutaussehenden Mädel landen, was die aus der Ferne ein bißchen in ihn verknallte Josie so enttäuscht, daß sie sich JP an den Hals wirft und später mit ihm im Bett landet — nur um am nächsten Morgen festzustellen, daß sie ihn a) nie wiedersehen möchte und b) jeden Tag wiedersehen wird, weil er nämlich der letzte noch fehlende Mitbewohner ist.

Wenig davon scheint neu zu sein, weder Setting noch Stil, aber bevor ich erkläre, warum „Fresh Meat“ trotzdem die wichtigste neue Comedy des Jahres werden könnte, hier die beiden wichtigsten Referenzen:

„Spaced“ (Channel 4, 1999 – 2001). Nicht nur das Studentenhaus aus „Fresh Meat“ sieht wie eine verlotterte Version des „Spaced“-Hauses aus, auch Howard ist eine Version von Mike (Nick Frost), und Oregon hat mich mehr als einmal an Daisy (Jessica Stevenson bzw. mittlerweile Hynes) erinnert. Die Situation selbst ist ebenfalls nicht ganz unähnlich: Tim (Simon Pegg) und Daisy kannten sich schließlich ebenfalls kein bißchen, als sie zusammengezogen sind. Die zweite Folge in beiden Serien drehte sich um eine Housewarming-Party (da hören die Gemeinsamkeiten der Partys aber auch schon wieder auf). Die Wärme, mit der die Charaktere in „Spaced“ gezeigt werden, ist in „Fresh Meat“ auch da — Josie und Kingsley jedenfalls sind mit genügend Charme gesegnet.

„Skins“ (E4, seit 2007). „Skins“ hat Maßstäbe gesetzt, was authentische Jugendliche in Serien angeht, die an ebendiese Zielgruppe adressiert sind. Wie „Skins“ kommt auch „Fresh Meat“ in Comedy-Drama-Episodenlänge (45 Minuten) daher, beides spielt im Norden Englands (Bristol/Manchester), hie wie da gibt es Regie-Mätzchen, die ambitioniert sind, aber nicht überambitioniert. Die Idee, SMS-Texte einzublenden, hat sich „Fresh Meat“ von „Sherlock“ geborgt.

Sam Bain und Jesse Armstrong („Peep Show“, „The Thick of It“) machen alles richtig: Sie verzichten auf allzu hassenswerte und larger than life-Figuren (wie etwa Andy Nymans Jonty de Wolfe in „Campus“, der mißratenen anderen Universitäts-Comedy des Jahres vom „Green Wing“-Team, ebenfalls Channel 4), stattdessen gibt es realistischere Situationen und Stories sowie Charaktere, zu denen man als Zuschauer unmittelbar Anschluß findet. Dafür wählen sie einen Regie-Stil, der auf allzu großen Realismus verzichtet, weggeht von allem Dokumentarischen und Semidokumentarischen, und hin (bzw. zurück) zu den elaborierteren Erzählformen gerade aktueller Drama- und ComedyDrama-Serien. Kurz: Weniger „The Office“, mehr „Spaced“.

Das aber halte ich für die Comedyform der Zukunft: Keine Wackelkamera und Riesenarschlöcher mehr, dafür kunstvollere Erzählweisen und familienkompatiblere Geschichten. Mag sein, man muß sich daran erst wieder gewöhnen — die zweite Folge „Fresh Meat“, vom „The Thick of It“-Autor Tony Roche, hatte zwar einen guten bis sehr guten Plot, allerdings fehlten ihr für die volle Punktzahl dann doch ein, zwei Knaller-Pointen. (Abgesehen davon, daß Robert Webb in seiner Gastrolle als Uni-Prof mich nicht nur schmerzlich an mein eigenes Alter erinnert hat [ich meine: Robert Webb! Als Uni-Prof!!], sondern auch die allzu platte Karikatur eines anbieternden Dozenten war.)

Größtes Manko von „Fresh Meat“ dürfte die dreiviertelstündige Form sein. Auf eine halbe Stunde eingedampft wäre die Show ohne weiteres die beste Sitcom der Saison. So aber könnte es sein, daß die Autoren noch ein, zwei Folgen brauchen, bis die Serie völlig ausbalanciert ist. Die Chancen dafür aber stehen gut, und vielleicht markiert „Fresh Meat“ ja in der Rückschau in ein paar Jahren den Wendepunkt der Comedy in den Zehnerjahren. Schaumermal.

Come on, Sirens

6. Juli 2011 1 Kommentar

In den Straßen und Sozialbauwohnungen von Leeds, hoch im Norden Englands, tummeln sich (insbesondere des Nachts) genügend Gestalten, die einen Sanitäter an der Menschheit zweifeln lassen können: schwer betrunkene Obdachlose, Streithähne mit offenen Wunden und komatös besoffene Schwangere mit soviel Übergewicht, daß selbst drei Sanis sie kaum die vier Stockwerke hinuntertragen können. Kein Wunder also, daß in „Sirens“ (Channel 4) der Sanitäter Stuart (Rhys Thomas, „Fast Show“, „Nathan Barley“, „Star Stories“, „Bellamy’s People“) an der Menschheit zweifelt und lieber an Biologie und Chemie glaubt als an psychologische Mätzchen.

https://www.youtube.com/watch?v=P4W-_Dl7f5Y?version=3&hl=de_DE

Mit überschaubarem Erfolg: Nach einem Einsatz bei einem dramatischen Autounfall, der Eröffnungsszene der ersten Folge, soll Stuart mit seinen beiden Crew-Kollegen Ashley (Richard Madden) und Rashid (Kayvan Novak, der unterbelichtete Terroris aus „Four Lions“) zur psychologischen Betreuung. Aber was ist so eine posttraumatische Belastungsstörung schon für einen Intellektuellen wie ihn? Mit seinem Titelgebenden „Up, horny, down“-Syndrom wird er schon fertig — indem er es unterdrückt, verdrängt, und weder der Euphorie noch der sexuellen Erregung nachgibt, die einem in so einem Fall die Synapsen fluten, bevor die depressive Phase beginnt. Während sich Rashid und Ashley die Seele aus dem Leib vögeln, bleibt Stuart nur, zu seiner (platonischen) Freundin Maxine (Amy Beth Hayes) zu gehen, um bei ihr abzuwarten, bis alles vorbei ist. Das ist zumindest der Plan. Allerdings empfindet Maxine es nicht gerade als Kompliment, daß Stuart sie ob ihrer niedrigen sexuellen Anziehungskraft auf ihn ausgesucht hat — und setzt ihn vor die Tür.

Natürlich geht Stuarts Verdrängungsstrategie nicht auf. Natürlich muß er am Schluß von der psychologischen Betreuerin erfahren, daß auch diese Verdrängung eine natürliche Reaktion auf Streßerfahrungen ist, wie sie bei Sanitäter-Einsätzen nun einmal vorkommen. Und natürlich geht es auf dem Weg zu dieser Erkenntnis um sehr viel Sex. Nicht nur in der ersten Episode.

Das ist das Set-Up des neuen Comedy-Dramas von Channel 4: ein ebenso smarter wie misanthroper Sanitäter, zwei Sidekick-Kumpel (einer orientalischer Abstammung, einer schwul) und eine beste Freundin. Maxine ist Polizistin, so daß er ihr regelmäßig bei Einsätzen begegnet, ebenso wie den Jungs von der Feuerwehr. Mit denen liefern sich die Sanitäter regelmäßig Wettrennen zum Einsatzort — für Buben und ihre Spielzeuge, ein ewiger Quell der Komik, ist also reichlich gesorgt.

Sehr innovativ ist das zwar nicht. Einige Charakterzüge Stuarts lassen ab und zu an „House“ denken, und etliche Standardsituationen (wie das regelmäßige bollocking vonseiten Stuarts Vorgesetzter wg. Kompetenzüberschreitung und Beschwerden über seine schroffe Art) ebenfalls. Womöglich würden auch ein paar mehr Gags „Sirens“ nicht schaden. Das aber macht die Serie (bislang, nach zwei Folgen) mit viel Charme und hohen Schauwerten wett, und auch der Soundtrack ist vom Feinsten. Zwei der Autoren, Tony Basgall und Sarah Phelps, haben bereits je eine Folge für „Being Human“ geschrieben; Creator Brian Fillis hat mit „Fear of Fanny“ (2006) schon einen sehenswerten Film vorgelegt.

Wenn „Sirens“ also noch ein bißchen besser eingestellt wird, eine kleine Lustigpille hier und ein Innovations-Zäpfchen da, dann könnte der Serie noch ein langes Leben bevorstehen. Von meiner Seite jedenfalls: Alles Gute, „Sirens“.

Neues vom coolen Onkel Charlie

12. Mai 2011 1 Kommentar

Charlie Brooker hat erstmals Details über seinen zweiten Ausflug in die Welt der Fiction-TV-Serien bekanntgegeben: „Black Mirror“ soll die Miniserie von dreimal einer Stunde heißen und im Herbst auf Channel 4 ausgestrahlt werden.

Shane Allen, Head of Comedy von Channel 4:

„Black Mirror“ is a satirical drama for the social media generation all rooted in the world around us now. A thought-provoking and gripping reflection and extrapolation of current social, cultural and technology-inspired trends and fears.

Und was hat es mit dem Schwarzen Spiegel auf sich? Zum Glück etwas wesentlich weniger Esoterisches, als man zunächst denken könnte:

Over the last ten years, technology has transformed almost every aspect of our lives before we’ve had time to stop and question it. In every home; on every desk; in every palm — a plasma screen; a monitor; a smartphone — a black mirror of our 21st Century existence. Our grip on reality is shifting. We worship at the altars of Google and Apple. Facebook algorithims know us more intimately than our own parents. We have access to all the information in the world, but no brainspace left to absorb anything longer than a 140-character tweet.

Charlie Brooker selbst sagt zu „Black Mirror“, er sei begeisterter „Twilight Zone“-Fan gewesen, und „Black Mirror“ werde zwar ganz anders, aber immer noch mehr „Twilight Zone“ als (der Kostüm-Schinken) „Downton Abbey“:

It combines satire, technology, absurdity and a pinch of surprise and it all takes place in a world you almost — almost — totally recognise. It changes each week — like the weather, but hopefully about 2,000 times more entertaining. If you don’t like it, you will be beaten about the face and neck by Channel 4 executives.

Wird nicht nötig sein, denke ich, schließlich war Brookers erste Serie „Dead Set“ ja auch schon brillant.