Der unsichtbare Zweite
Es gibt Sitcoms, die haben eine so gute Grundidee, dass man sich in ihnen sofort zuhause fühlt. Eine Idee, die so brillant ist, dass sie naheliegend erscheint (obwohl dann ja auch schon mal jemand anderes hätte draufkommen können). Wenn diese Idee dann auch noch so schön umgesetzt ist, dass man als Zuschauer das Gefühl hat, genau diese Serie hätte man lange vermisst, obwohl man sie noch gar nicht gesehen hat —
dann könnte es sich um Chris O’Dowds „Moone Boy“ handeln (gerade angelaufen bei Sky1, die einmal mehr ein Händchen für Comedy beweisen). „Moone Boy“ erzählt die Geschichte einer Kindheit: Martin ist elf und hat, wie viele Kinder, einen unsichtbaren Freund. Unsichtbar aber nur für die Menschen in der Story; wir können ihn durchaus sehen: Es ist Sean (Chris O’Dowd, „The IT Crowd“), der ihm immer zur Seite steht. Mal mit klugen, mal mit weniger klugen Ratschlägen, manchmal nur, um allzu derbe Schimpfworte mit seinem Banjo zu übertönen. Einmal hilft er Martin (David Rawle) bei einem Liebesbrief: „You smell even nicer than…“ — „Crisps.“ („I smell like crisps?“ fragt später die Adressatin. Martin: „Nicer!“) Und Sean ist genauso uncool wie Martin, das sieht man schon daran, dass sie beide die gleiche schlimme Wollmütze tragen.
Patina erhält „Moone Boy“ dadurch, dass es ins Irland der Achtziger verlegt ist; es ist nämlich tatsächlich halb autobiographisch von O’Dowd angelegt, und obwohl die Zeiten rau sind (wann waren sie das nicht in Irland) und die Schulkameraden von Martin sich als echte Bullies erweisen, sind ihre Väter das genaue Gegenteil: der Vater der Bullies, von Martins Dad zur Rede gestellt, erweist sich als Softie, mit dem sich gut trinken und Karten spielen lässt, was Martin nicht weiterhilft, aber der ersten Folge zu vielen Lachern Anlass gibt: Immer mehr butterweiche und überforderte Väter schließen sich zusammen, tun so, als ob sie Angeln oder Karten spielen, sind aber in Wirklichkeit echte Herzchen („Be dad, not sad!“), die sich von ihren Kindern herumschubsen lassen. Etwa wenn sie gerne ihr „Water-Colouring Programme“ (was auch immer das sein soll) sehen wollen, die Kinder aber „Dynasty“ gucken möchten: „Switch over please!“ versucht Martins Dad vor versammelter Vätermannschaft sich gegen einen älteren Sohn durchzusetzen. „No Dad, Dynasty’s on!“ gibt der zurück, und „I think we should leave“ wispert sofort einer der eingeschüchterten Väter den anderen zu.
Zwar habe ich mich nicht wenig gewundert, als schon in der zweiten Folge Sean, der unsichtbare Freund, gar nicht richtig eingesetzt wurde; womöglich ist er in der Rolle des Sidekicks aber schon ganz gut aufgehoben. Dafür hatte Steve Coogan einen sehr guten Auftritt, und auch Johnny Vegas soll sich noch im Verlauf der Serie blicken lassen. Die ist mitproduziert von Baby Cow und wagt sich an nichts weniger als die Nachfolge von „Father Ted“ (1995 – ’98, Channel 4), unternimmt also den Versuch, genauso warm und komisch zu sein wie das große irisch-englische Vorbild. „Feck off, ducks!“ ruft Martin einmal, als ob es das father ted’sche Schimpfwort in den Achtzigern schon gegeben hätte.*
Diese Latte liegt hoch, aber „Moone Boy“ ist so schlafwandlerisch sicher im Ton, so eigenständig und rund, dass es sicher das Zeug zum kleinen Bruder von „Father Ted“ hat. Den Regisseur teilen sich die Serien jedenfalls: Declan Lowney, den sich Coogan auch als Regisseur des kommenden Alan Partridge-Films (2013 ist es so weit) ausgesucht hat.
* Tatsächlich gibt es „feck“ als (milderen) Ersatz für „fuck“ wohl schon länger, „Father Ted“ hat dem Wort nur größere Bekanntheit auch außerhalb von Irland eingebracht. Zumindest „feck off“ dürfte allerdings trotzdem eine Anspielung auf „Father Ted“ sein.
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