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Archiv für die Kategorie ‘Sitcom’

Das „Saxondale“-Rätsel

30. Oktober 2010 Keine Kommentare

Was macht eine schlechte Sitcom schlecht?

Erkennen kann man eine schlechte Sitcom ganz einfach: Man hält einen kleinen Handspiegel bereit und sieht, während eine Folge läuft, mehrmals hinein. Sieht man statt eines lachenden ein ernstes (trauriges/wütendes/verzweifeltes) Gesicht, ist die Sitcom schlecht (oder man hat versehentlich die ARD-Themenwoche „Essen ist Leben“ eingeschaltet).

Sehr viel schwieriger wird es, wenn man zu fragen beginnt: Warum ist diese Sitcom eigentlich schlecht?

Gestern habe ich in der Hoffnung, sie könnte ein bißchen besser sein als die erste, die zweite Staffel „Saxondale“ (BBC2, 2007) in einer Sitzung durchgehockt — und mußte zunächst feststellen: zumindest die erste Folge hatte ich schon irgendwann gesehen (und auch an die zweite konnte ich mich in Bruchstücken erinnern). Schon mal schlecht, denn das hieß, sie hatte mich nicht sehr beeindruckt. Und so war es dann auch nach dem zweiten Versuch: Schon heute kann ich mich kaum noch an etwas erinnern.

Aber warum eigentlich nicht? Saxondale ist wie Alan Partridge eine Comedy-Persona Steve Coogans. Wie Partridge ist er ein Verlierer:  früher Roadie für große britische Rockbands, heute Kammerjäger. Immer noch gegen das System, immer noch mit Zauselfrisur und Vollbart, während alle um ihn herum längst erfolgreich Irgendwasmitmedien machen. Er läßt alle an seinem reichen Wissensschatz teilhaben, auch wenn sich darin so manche Unze Falschgold findet. Er belegt einen Kurs in Anger Management, fährt privat einen Ford Mustang, auf den er sehr stolz ist, beruflich aber einen Renault Kangoo, und hat es sich mit seiner moppeligen Freundin (Ruth Jones, „Gavin & Stacey“), die systemkritische T-Shirts designt/historisch-pornographische Bilder malt, ganz bequem eingerichtet.

Da liegt womöglich schon die erste Schwachstelle: Saxondales zwei Welten sind für mich gleichermaßen uninteressant. Ich kann weder an das Klischee vom Roadie anschließen, der in den Siebzigern mit Jimmy Page und Brian May gesoffen hat, noch könnte ich behaupten, daß mich die Profession des Kammerjägers elektrisierte. Alan Partridge war in dieser Hinsicht viel universaler: ein unsympathischer TV-Moderator, der seine Show verliert und Radio-DJ in der Provinz wird.

Nun muß eine Sitcom, deren Setting auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet ist, nicht automatisch für alle anderen Zielgruppen uninteressant sein. Wer aber einen so großen Teil der Komik aus einem einzigen Umstand zieht wie „Saxondale“ aus dem „früherer Roadie“-Ding, könnte alle, die das nicht direkt anspricht, zum Beispiel durch einen weiteren Charakter gewinnen, der sich ebenfalls nicht für olle Rock’n’Roll-Kamellen interessiert. Hier etwa durch den Azubi Raymond (Rasmus Hardiker), der Saxondale überall hinbegleitet. Doch Raymond bleibt farblos, gelangweilt, indifferent (eine Paraphrase seiner Rolle in „Lead Balloon“). Reibungsfläche für Saxondale? Raymond ist das genaue Gegenteil.

Und er kriegt, wie auch sonst niemand, keine einzige Szene ohne Coogan. Das könnte der zweite Schwachpunkt sein: Die Serie konzentriert sich ausschließlich auf Saxondale. Selbst wenn ich kein Fan von Ruth Jones bin: ein bißchen mehr Tiefe hätte ihrer Figur hier nicht geschadet. Sie bleibt aber, weil auch sie keinen Moment alleine auf dem Bildschirm hat, immer Saxondales Anhängsel. Morwenna Banks als Rezeptionistin der Agentur, in der sich Saxondale seine Aufträge abholt, ist zwar sehr gut darin, Saxondale durch ihre passiv-aggressive Art, der er nicht gewachsen ist, auf die Palme zu bringen. Doch auch ihre Figur ist nur in der Serie, weil sie genau diese Funktion erfüllen soll — eigenes Leben wird ihr nicht zugestanden.

Die dritte Schwachstelle ist evtl., daß es eine solche Figur überhaupt braucht, die Saxondales Aggressionen befeuert. Aber während Alan Partridge verzweifelt (und immer kontraproduktiv) gegen seinen Abstieg kämpfte, während er sich also an immer dünnere Strohhalme klammerte, um nicht in ein tiefes Loch zu stürzen, ist Saxondale längst am Boden angekommen und hat im Grunde resigniert. Er hat keine Aussichten darauf, je wieder erfolgreich zu sein, es in irgendeiner Form wieder „zu schaffen“, also entfällt auch der Kampf darum. Genau der Kampf aber wäre es, der komisch sein könnte und der Menschen mit der Figur mitfühlen ließe. Nur dieser Kampf, oberflächlich der Kampf gegen praktisch alle, de facto aber der Kampf gegen sich selbst, war es, der Alan Partridge erträglich machte — ohne ihn wäre er tatsächlich nur der unsympathische Vollidiot gewesen, als der er häufig beschrieben wird. Saxondale ist viel sympathischer. Aber er kriegt nicht mein Mitgefühl.

Zuschlechterletzt erschien zumindest mir die zweite Staffel „Saxondale“ (die erste habe ich wirklich kaum noch im Kopf) zu formelhaft. Jede Folge beginnt mit einer Szene im Anger Management-Kurs (in dem jedesmal Matt Berry wieder unlustig sein darf — ich verstehe offenbar seinen Humor absolut nicht), in jeder Folge taucht der nervige Nachbar (Darren Boyd) auf (ich könnte mal eine Top-10 der nervigsten Sitcom-Nachbarn erstellen, beginnend natürlich mit Kramer), in jeder Folge der Disput mit Morwenna Banks als Rezeptionistin… Nichts gegen Running Gags und eine wiedererkennbare Struktur: Sie sind meistens sinnvoll, schließlich ist Wiedererkennbarkeit eines der wichtigsten Momente bei Comedy. Aber hier wirkt sie allzu korsetthaft: sie beengt eher, als daß sie zusammenhält.

Zuguterletzt: Ich bin mir absolut nicht sicher, ob es an all diesen Punkten liegt, einzeln oder in Kombination, daß ich „Saxondale“ nichts abgewinnen konnte. Möglicherweise liegt es auch an etwas anderem: zu hoher Erwartung zum Beispiel. Ich finde es immer schwierig, genau den Finger darauf zu legen, warum etwas nicht funktioniert. Nur DASS es nicht funktioniert, da bin ich mir ziemlich sicher.

Hier noch ein Trailer mit Ausschnitten aus den bald kommenden neuen Alan-Partridge-Online-Filmchen — allerdings ein etwas enttäuschender, weil statt der Dialoge nur Musik zu hören ist. Nicht so sehr vielversprechend, wie ich finde.

Empfehlung des Hauses

26. Oktober 2010 7 Kommentare

Es ist schon eine Weile her, daß Kochen der neue Rock’n’Roll und die englische Küche besser wurde, als ihr Ruf bis heute ist: Jamie Olivers erste Fernsehshow „The Naked Chef“ lief 1999 an; da gab es die neue britische Begeisterung für Haute Cuisine bereits eine ganze Weile. So lange sogar schon, daß bereits von 1993 bis ’96 drei Staffeln „Chef!“ auf BBC1 gelaufen waren, in denen Lenny Henry einen cholerischen Sternekoch in einem Gourmet-Restaurant auf dem Land spielte, bei dem sich Überheblichkeit und Talent die Waage hielten. Es ist also keine ganz fangfrische Idee, heute eine Sitcom zu machen, in der Alan Davies einen überheblichen, talentierten Chefkoch in einem Nobelrestaurant auf dem Land spielt.

Zum Glück haben Matt King und Oliver Lansley das berücksichtigt, als sie „Whites“ geschrieben haben (BBC2, dienstags). Ihr Chefkoch Roland White (dem eine gewisse Ähnlichkeit mit Bob Geldof nicht abzusprechen ist) hat sein Haltbarkeitsdatum erreicht, wo nicht überschritten. Ihm ist langweilig geworden über die Jahre, er spricht lieber seine Autobiographie (um die ihn niemand gebeten hat) ins Diktiergerät, als in der Küche zu arbeiten, und er kocht schon seit Jahren die gleichen Gerichte — meistens mit Fleisch. Mit sehr viel Fleisch. Seine Restaurant-Managerin Caroline hätte gerne, daß er auch mal ein, zwei vegetarische Gerichte in Angriff nimmt, und sein Souschef Bib hätte gerne, daß er überhaupt mal irgendwas in Angriff nimmt. Selbstredend wird aus Whites Buchvertrag nichts, denn die Verlegerin, Gast der Restaurant-Eigentümerin, ist: Vegetarierin. Und auch der Besuch des Sternekochs Shay Marshall in der zweiten Folge endet im Desaster, denn der hat, vor Urzeiten, mal als Lehrling bei Roland angefangen, seinen Chef aber längst einge- und überholt. Und nicht zuletzt hat Roland auch noch eine Rechnung mit ihm offen, die er nun auf hinterhältige Weise zu begleichen gedenkt.

Im Trailer: Kellnerin Kiki und Souschef Bib klären, was das Wort „Steak“ bedeutet.

https://www.youtube.com/watch?v=lN4V_tgXuNY?fs=1&hl=de_DE

„Whites“ (eine Kamera, kein Laugh Track) ist, ganz ähnlich wie „Rev.“, ein Slow Burner, der nicht auf schnelle Lacher und burleske Comedy setzt. Erst nach zwei, drei Folgen ist mir die Serie ans Herz gewachsen: Als klar wurde, daß die Charaktere lebendig sind und glaubwürdig, mit der gelegentlichen Ausnahme (etwa der naiv-geschwätzigen Kellnerin Kiki), die aber das Ensemble eher abrundet als herauszufallen. Alan Davies ist erstaunlich gut in seiner Rolle, obwohl er bislang noch nicht als Sitcom-Schauspieler in Erscheinung getreten ist (mir war er nur aus der Panel-Show „QI“, „Quite Interesting“, mit Stephen Fry bekannt).

Eine echte Überraschung aber ist Darren Boyd („Hippies“, zweite Staffel „Green Wing“, zweite Staffel „Saxondale“) als stellvertretender Chefkoch Bib, der immer überfordert und so schwach ist, daß er selbst gegen den Lehrling keinen Stich macht. Boyd spielt Davies, obwohl er dazu in der Lage wäre, zum Glück nicht an die Wand, sondern ergänzt ihn: Bib schätzt Roland als genialen Koch und ist ihm loyaler Freund, Roland weiß das und springt für den dauernd gestreßten Bib ein — auch wenn es ihm manchmal schwerfällt, seine Lethargie zu überwinden.

https://www.youtube.com/watch?v=3-m6EBVAcfg?fs=1&hl=de_DE

Es hilft der Serie, daß sie prominent besetzt ist: neben Boyd spielen Katherine Parkinson („The IT Crowd“) als Managerin und Isy Suttie (kann man in „Peep Show“ als Dobby schon gesehen haben), und es tauchen prominente Stargäste auf: etwa Kevin Bishop („The Kevin Bishop Show“, „Star Stories“) und Julia Deakin (Marsha in „Spaced“). Auch die Autorenduohälfte Matt King spielt selbst mit, und auch ihn kann man kennen: Als Superhans in „Peep Show“ und aus „Star Stories“.

„Whites“ erscheint am 22. November auf DVD.

Endlich Herbst (2): Neue US-Comedys im Schnelldurchlauf

25. September 2010 8 Kommentare

Die Herbstseason der amerikanischen TV-Sender hat eine Menge Comedy zu bieten, aber welche neue Serie taugt wirklich etwas? Genau läßt sich das natürlich erst nach zwei oder drei Folgen sagen, aber hier sind schon mal meine Vermutungen zu…

Better With You

ABC, 22 Min., Sitcom, Multi-Camera, Laugh Track

Worum geht’s? Drei Großstadt-Paare und ihre Beziehungsprobleme: Ein Paar (Ende dreißig) ist seit neun Jahren Jahren glücklich zusammen, ohne verheiratet zu sein, ein Paar (Anfang dreißig) erst sieben Wochen, aber schon bereit, vor den Altar zu treten, das dritte Paar (über sechzig) ist seit 35 Jahren verheiratet und hat sich kaum noch etwas zu sagen. Tatsächlich sehen wir aber eine Familie: die beiden Frauen der jüngeren Paare sind Schwestern, die Alten ihre Eltern.

Und ist das lustig? Ungefähr so wie „Dharma & Greg“: Solide, aber überraschungsfrei, alles leicht übertrieben gespielt und mit einer nervigen Lachspur verstärkt. Ein Restaurantbesuch zu sechst ist der Höhepunkt der ersten Folge: Das jüngere Paar gesteht seine Heiratsabsicht, die von den Eltern zwar ohne Begeisterung, aber auch ohne Entsetzen aufgenommen wird. Zwar ist Casey ein Trottel (ungefähr wie Joey aus „Friends“), aber immerhin gibt es eine Hochzeit — wenn schon die ältere Schwester nicht und nicht heiraten möchte. Ben, Caseys Schwager in spe, versucht dem jüngeren zu helfen, indem er ein Kärtchen mit Konversations-Dos-and-Don’ts vorbereitet („Nicht über die Schönheits-OP ihres Vaters sprechen — vor fünf Jahren hatte er noch Segelohren, und von einem Tag auf den anderen waren sie weg!“) — nützt aber natürlich nichts („I like your ears!“).

Fazit? „Modern Family“ — nur eben unmodern. Eine Sitcom für die konservative Mehrheit der Amis.

Muß man eine zweite Folge davon gucken? Nein.

***

Nach dem Klick: Kurzkritiken zu „My Generation“, „Shit My Dad Says“, „Outsourced“, „Raising Hope“ und „Running Wilde“!

Mehr…

Endlich Herbst

23. September 2010 11 Kommentare

Die Fall Season der US-Fernsehsender hat begonnen! Ich habe noch nichts gesehen (gibt’s denn was Neues, das man sehen müßte?), allerdings klingt „Outsourced“ (NBC, ab heute abend), über das ich gerade gestolpert bin, nicht sehr vielversprechend: ein amerikanischer Jung-Manager, der nach Indien versetzt wird, wo er in einer indischen Version von „The Office“ landet. Inklusive trotteliger Inder, die mit voll lustigen Akzenten uralte US-Popkultur-Referenzen darbieten.

Klingt nicht nur schlimm (wie ja so ziemlich alle Comedybemühungen von NBC), sondern auch entfernt wie „Mumbai Calling“ (2009), einer gemeinsamen Produktion von ITV, HBO und dem australischen Sender ABC1. Nur daß die wirklich in Indien gedreht haben, dementsprechend realistischer mit der Thematik umgegangen sind, als es bei „Outsourced“ den Anschein hat, und von Anfang an eine Wendung mehr in ihrem Setup hatten: Denn bei „Mumbai Calling“ war die Hauptfigur, die aus ihrem beschaulichen Londoner Leben gerissen und in ein Call-Center nach Indien versetzt wird, ein in England geborener Manager indischer Abstammung, der sich auf diesem Weg plötzlich mit seiner eigenen Herkunft konfrontiert sah und damit, wie wenig er über seine eigenen Wurzeln weiß.

Nun war auch „Mumbai Calling“ trotz  Sanjeev Bhaskar („Goodness Gracious Me“) kein für alle Zeiten unvergeßlicher Comedy-Höhepunkt. Aber es wirkte authentisch (location, location, location!)  und keine Sekunde problematisch im Umgang mit Ausländer-Stereotypen. Und es hatte viele Lacher auf der Seite der Inder, was „Outsourced“ wohl eher fehlt. Ich würde jedenfalls lieber eine zweite Staffel davon sehen als den amerikanischen Rip-Off.

Zu Unrecht vergessene Sitcoms (1): „Happiness“

20. September 2010 Keine Kommentare

Er ist keineswegs gescheitert im Leben: Danny Spencer (Paul Whitehouse) ist der Mann hinter einer beliebten Kinderfernsehsendung, in der ein Bär aus Knetgummi, eine Mischung aus Kung-Fu-Kämpfer und Krankenschwester in einer riesigen Herrenunterhose, die Hauptrolle spielt. Danny schreibt die Texte und spricht den Bär mit Namen Dexter, und hat es so zu einer C-Prominenz gebracht, die ihm einen komfortablen Lebensstandard erlaubt. Doch Danny ist nicht glücklich: Er feiert gerade seinen vierzigsten Geburtstag (sieht aber aus wie fünfzig), niemand erkennt ihn als Promi (es sei denn, er spricht mit der albernen Stimme Dexters), seine Freunde sind langweilig oder Alkoholiker (oder beides), und noch bevor die erste Episode beginnt, wird seine Frau auf dem Zebrastreifen von einem Eisverkaufswagen überfahren und stirbt. Ein erschütterndes Ereignis, aber was Danny mehr zu schaffen macht als der Tod seiner Frau selbst, ist die Tatsache, daß er gar nicht angemessen traurig deswegen ist.

„Happiness“ (BBC2, 2001 – 03) ist, in diametraler Entgegensetzung zum Titel, eine veritable Sadcom, denn Danny ist eine traurige Figur. Seine große Liebe Rachel (Fiona Allen) hat längst mit seinem besten Freund Terry (Mark Heap) zusammen Kinder, obwohl sie vom bürgerlichen Leben an der Seite eines Angestellten der London Library nicht immer begeistert ist. Die beiden Flatmates Charlie (Johnny Vegas) und Sid (Pearce Quigley), weitere Stammgäste in Dannys Pub, sind immer schmuddelig und meistens breit, obwohl sie für diese Art von studentischem Hänger-Leben längst zu alt sind. Angus (Clive Russell) ist über fünfzig und geschieden, benimmt sich aber konsequent, als wäre er zwanzig, fährt Motorrad und hüpft mit Betthasen in die Falle, die seine Töchter sein könnten. Und die beiden Tobys, die im Tonstudio arbeiten, wo Danny seine Texte einspricht, sind genau so hip und jung, wie Danny nicht ist: Während er (in der zweiten Staffel) etwa eine Szene aus „Fawlty Towers“ (schlecht) nachspielt, stehen die beiden Tobys ratlos daneben („Wer spielt denn da mit bei ‚Fawlty Towers‘?“), kommen dann aber auf ihre Lieblingsserie „Spaced“ zu sprechen und machen prompt die Shootout-Pantomime nach, die wiederum Danny konsterniert zurückläßt. (Doppelt komisch, dieser Moment, weil mit Heap und Russell gleich zwei Schauspieler aus „Spaced“ auch in „Happiness“ mitspielen.)

Überhaupt: Fernsehreferenzen! In beinahe jeder Folge tauchen in Dannys Studio Stargäste auf, und meistens führt das zu peinlichen Momenten. Sei es, weil sie Danny sagen, wie gerne sie auch mal auf der Straße nicht erkannt würden, oder weil sie einem Date mit ihm zustimmen — schließlich haben sie es sich ja nur zur Regel gemacht, niemals andere Promis zu daten. Oft erkennen sie ihn nicht einmal. Oder wollen sofort wieder weg, wie etwa Ricky Gervais, über den Danny sich kaputtlacht, weil er glaubt, der spreche mit ihm in der rechthaberischen David-Brent-Rolle. Tut er aber gar nicht.

Möglicherweise war „Happiness“ ein wenig zu düster, um ein größerer Erfolg zu werden. Möglich, daß es auch deswegen heute so in Vergessenheit geraten ist: An die erste Staffel ist auf DVD praktisch nicht mehr heranzukommen (die zweite ist aber ohnehin die stärkere und deshalb eine doppelte Empfehlung meinerseits). Der Aufwand lohnt aber, denn „Happiness“ hat Stil: die Figuren sind komplexer, als man es erwartet, es gibt die eine oder andere lustige Slapstick-Einlagen, die meistens auf das Konto des brillanten Johnny Vegas gehen, und die Storys sind zwar minimalistisch, aber bis ins Detail durchgeschrieben. Die zweite Staffel baute zusätzlich auf einen Handlungsbogen, was ein wenig zu Lasten der ersten Folge geht, die dadurch mehr Exposition als eigenständige Episode ist, aber der ganzen Serie sehr zuträglich ist. Insgesamt ist „Happiness“ ein weiterer Höhepunkt im an Höhepunkten nicht armen Leben Paul Whitehouses („The Fast Show“, „Help“, „Harry And Paul“) — wenn auch eben ein etwas vergessener.

Die Rückkehr des Nichts

16. September 2010 1 Kommentar

„Shows about nothing“ sind sooo Neunziger! Gut, „Seinfeld“ behauptete nur, „about nothing“ zu sein. In Wahrheit hatte aber natürlich jede Episode eine nacherzählbare Story, und oft sogar ein Thema, das Jerry in den ersten Staffeln meist im Anfangsmonolog umriß. Zeitgleich mit dem Ende von „Seinfeld“ aber lief in England eine Show an, die der Idee des „about nothing“ viel eher entsprach: „The Royle Family“ (1998 – 2000, BBC2/BBC1). Da sah man Woche für Woche einer Manchester Arbeiterklassen-Familie dabei zu, wie sie im Wohnzimmer vor dem Fernseher saß und sich unterhielt — und allenfalls ab und zu Besuch empfing. Das ganze in Realtime, mit nur einer Kamera und auf 16-mm-Material gefilmt statt wie die meisten Sitcoms mit mindestens drei Kameras auf Video. Und mit „Storys“, die man kaum als solche bezeichnen konnte: Es ging zwar schon immer um irgendwas — aber es passierte doch so gut wie nichts.

Ein minimalistisches Konzept also, mit dem Caroline Aherne und ihre Mitautoren Craig Cash und Henry Normal anfänglich auf wenig Gegenliebe stießen. Und zwar zuallererst beim legendären Comedy-Produzenten Geoffrey Perkins, der in seiner damaligen Funktion als Head of Comedy der BBC schon in der Entwicklungsphase vehement Einwände hatte. Zum Glück konnte sich Aherne durchsetzen — und so eine der erfolgreichsten und landesweit beliebtesten Sitcoms der späten Neunziger kreieren.

Offenbar ist die „Royle Family“ nun so lange her, daß man keine Bauchschmerzen mehr haben muß, sich das Konzept einfach anzueignen. Gleich zwei Sitcoms versuchen sich derzeit in dieser Art Kammerspiel: „Roger And Val Have Just Got In“ (BBC2) in der Rentner-Version mit Dawn French und Alfred Molina. Und nun „Him & Her“ (BBC3, bislang zwei Folgen) mit Sarah Solemani und Russell Tovey („Being Human“) in der Mittzwanziger-Version der storyfreien Realtime-Sitcom.

„Him & Her“ sind Steve und Becky: arbeitslos und sexbesessen, dabei aber auch faul, schlampig und eklig. Sieht man in der ersten Folge Becky bei offener Scheißhaustür defäkieren (und anschließend nicht runterspülen), puhlt sie ihm in der zweiten Folge einen schönen dicken Popel aus der Nase und schmiert ihn ans Bettlaken. Im Bett liegen die beiden eigentlich die ganze Zeit, dort essen sie (auch wenn Kontrollfreak Steve, in dessen Wohnung wir uns befinden, das wegen der Krümel nicht so gerne hat), dort sehen sie fern (und zwar mit einer Vorliebe den spießig-langweiligen „Inspector Morse“ auf DVD), und dort empfangen sie auch Besuch: den unvermeidlichen Weirdo-Nachbarn Dan (Joe Wilkinson, der tatsächlich einige Lacher verbuchen kann), die Schwester von Becky und ihren Freund, der gleichzeitig ein Kumpel von Steve ist, und Steves Mutter, die ihm zum Geburtstag einen Dachs-Kalender schenkt und eine Flasche Ouzo („Den gab’s günstig in der Zwei-für-eins-Packung!“ — „Und wo ist deine Flasche?“). Das erinnert, wenn man nach der „Royle Family“ noch einen zweiten Vergleich braucht, sehr an „Ideal“, wo Moz in einer ebenfalls, sagen wir: leicht unhygienischen Kifferhöhle haust und Besuch kriegt. Nur daß die beiden Spießer nicht mal kiffen.

Das Publikum schien sich schon nach der ersten Episode in zwei Lager geteilt zu haben: in begeisterte Fans, die von den brillanten Skripts von Stefan Golaszewski („Cowards“) sprechen, und in eine Fraktion, die „Him & Her“ nicht begreift. Oder höchstens als Zeitverschwendung. So wie, leider mal wieder, ich. Denn auch wenn ein paar gute Gags dabei sind pro Episode: Lange Strecken der ersten beiden Folgen kamen ohne jeden Witzversuch aus. Dafür mag ich weder sie noch ihn. Sie hat, so gut sie aussieht, leider zu viele abstoßende Angewohnheiten, und er neigt zu sehr zu Hysterie und Selbstverliebtheit („You are very good at blow jobs, and I am very good at receiving them“). Und daß er ihr aus reiner Gehässigkeit das Brot unterjubelt, das eben noch mit der Butterseite nach unten auf dem gewöll-übersäten Schlafzimmerteppichboden lag: igitt. Benehmen sich Mittzwanzigjährige wirklich so? Und wenn ja: Was hält sie zusammen? Denn Hinweise auf Affekte zwischen ihm und ihr fehlen einfach, da ist kein Moment von Zuneigung oder gar Liebe — nur dauerndes Gerede über Sex, Sex und noch mal Sex.

„Ehrlich und akurat beobachtet“ nennt der Comedy-Guide das. Ich will mal hoffen, daß das nicht stimmt. Und daß BBC3 („Two Pints Of Lager And a Packet Of Crisps“, „Horne & Corden“) bald auch für etwas anspruchsvollere Mittzwanziger gute Comedy produziert.