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Archiv für die Kategorie ‘Sitcom’

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26. Mai 2009 2 Kommentare

1982 überraschten „The Young Ones“ die Fernsehzuschauer nicht nur mit anarchisch-derbem Humor, sondern auch mit Gastauftritten berühmter Bands: Motörhead, Madness, Dexy Midnight Runners und The Damned spielten, durch die Handlung der Serie nicht im Mindesten motiviert, ihre je aktuelle Single. Bemerkenswert war der Hintergrund dieser Musikeinlagen: Die Produktion bekam, weil die Serie nun eher in die Format-Kategorie „Variety“ statt „Light Entertainment“ fiel, von der BBC ein höheres Budget, das Ben Elton für Sachen zum Kaputtmachen ausgeben konnte. Nebenbei konnten sich „The Young Ones“ aber natürlich auch profilieren — und wurde nicht zuletzt wegen der Musik-Features zu einer der ersten Fiction-Shows auf MTV.

Daß „FM“ in jeder Folge berühmte Stargäste auffährt, von Marianne Faithfull über The Charlatans, Ladyhawke und The Wombats bis hin zu Justin Hawkins von The Darkness, liegt eher nicht am Budget. Sondern daran, daß das finanziell angeschlagene ITV2 den Erfolg seiner jüngsten Comedyserie ganz, ganz dringend wollte, und deshalb auf große Namen setzte. Allen voran: Kevin Bishop („Star Stories“, „The Kevin Bishop Show“) und Chris O’Dowd („The IT Crowd“). Letzterer darf im Grunde die gleiche Rolle wie in „The IT Crowd“ spielen: einen liebenswürdigen Nerd-Loser, der mit einem männlichen Kollegen und einer Frau am Arbeitsplatz mehr oder weniger glänzen und im Privatleben gänzlich versagen darf. Nur daß das Setting hier das einer Radiostation ist, Skin FM, was die berühmten Musiker erklärt.

Leider scheint das Budget dann aber nicht mehr für sehr viele Witze gereicht zu haben, denn an dem, was Ian Curtis (nein, nicht der, der die vielen guten Gags für Joy Division geschrieben hat) und Oliver Lansley in ihrem Erstling da zusammengekratzt haben, hat mein Zwerchfell keinen Schaden genommen. Wiederum wie in „The IT Crowd“ sind einige leidliche Dialogwitze („You’re not addicted, you’re just a dick“) enthalten: „Puns and witticisms, misunderstandings, awkward situations. Old-school then, to be polite. Or lame, if you prefer“, wie sich der Guardian mockiert. Die Plots sind dünn bis nicht vorhanden, und nur die beiden sympathischen Hauptdarsteller bewahren die Serie davor, gänzlich den Bach hinunterzugehen. Und Nina Sosanya, die farbige „SugaRape“-Assistentin aus „Nathan Barley“. Zu wenig leider für eine wirkliche Empfehlung. Daß nur wenige Wochen nach der Erstausstrahlung im Februar schon die DVD erschienen ist, könnte als Absage an eine zweite Staffel gewertet werden.

Unromantische Komödie

Kann eine Sitcom richtig gut sein, die man erst am Ende der vierte Folge (von sechs) zu mögen beginnt? Und deren erster laugh out loud-Gag irgendwo in der fünften Episode kommt? Ich hatte im Laufe der Serie schon überlegt, wie ich meine ja doch eher positive Kritik der Pilotfolge von „Free Agents“ (Channel 4) zurücknehmen könnte, als Stephen Mangan und Sharon Horgan mich doch noch gekriegt haben — aber leicht haben sie es mir nicht gemacht.

Denn die beiden Schauspieler-Agenten Alex und Helen sind reichlich kaputte Menschen: Er lebt in Scheidung, getrennt von seinen Kindern, und leidet unter regelmäßigen Weinkrämpfen, ihr ist der Verlobte gestorben, was sie mit einer intensiven Rotwein-Therapie zu kompensieren versucht. Für eine Beziehung, die über zwei One Night Stands hinausgeht, sind beide nicht in der Lage, kommen sich aber im Laufe der Serie doch näher: Eine ungemütliche On/Off-Beziehung entspinnt sich, deren romantische Seite gut versteckt ist unter Tonnen von vulgären Dialogen (einige Begriffe sucht man am besten mit der Google-Bildsuche). Daß er sich vom mitleiderregenden Weichei ebenso wie sie von der abgebrühten Alkoholikerin zu Menschen entwickeln, die man u.U. sogar mögen könnte, ist der nicht eben geringen schauspielerischen Leistung von Mangan und Horgan ebenso zu verdanken wie dem Autor Chris Niel.

Der hat für die Figurenzeichnung und die kaustischen Dialoge genügend Anschauungsmaterial gehabt während seiner eigenen Zeit als Agent, und am Ende der letzten Folge, bei einer einigermaßen bizarren Hochzeit des Agenturchefs mit einer Puffmutter, habe ich mir sogar leise gewünscht, daß es für eine zweite Staffel reichen möge. Und daß auch nach der zweiten Staffel „Free Agents“ fix eine DVD mit so großzügigem Bonusmaterial, Untertiteln und allem erscheinen möge. Ein echter grower, diese Serie, die niemand geringerer als Nira Park („Spaced“, „Black Books“) produziert hat.

I didn’t get where I am today by doing remakes!

„The Fall and Rise of Reginald Perrin“ ist eine dieser 70er-Jahre-Sitcoms, die für Briten meiner Generation kindheitsprägend waren; die Catchphrase I didn’t get where I am today by (hier irgend etwas Abseitiges einsetzen) kennt in England noch heute so ziemlich jeder. Perrin, gespielt vom hervorragenden Leonard Rossiter (außer in der ebenfalls epochalen Sitcom „Rising Damp“ auch in Kubricks „2001“ und „Barry Lyndon“ zu sehen), Reginal Perrin also war eine klassische Sitcom-Figur: Ein höherer Angestellter mit Vorstadthäuschen, glücklichem Familienleben und einer ausgewachsenen Midlife Crisis, die ihm seine sinnlose Tätigkeit, die einfältige Sekretärin, den selbstgefälligen „I didn’t get where I am today“-Boß und seine speichelleckenden Kollegen völlig unerträglich macht. Perrin beginnt in der ersten Staffel, sich zunehmend in Tagträume zu flüchten und merkwürdig zu benehmen und täuscht schließlich Selbstmord vor, um der Stupidität seines Alltags zu entkommen; als er (in der zweiten Staffel) ein kleines Geschäft für Quatsch eröffnet, um damit vorsätzlich zu scheitern, beginnt jedoch ein ungeahntes Comeback.

Ein solches nationales Heiligtum neu zu verfilmen, ist natürlich heikel. Wenn man aber, wie ich, das Original kaum gucken konnte, weil es für heutige Verhältnisse doch allzu behäbig inszeniert und mir die britische Gentleman-Attitüde auch zu fremd ist, die kein Klagen über persönliche Malaise zuläßt und Perrins Verhalten umso tabubrechender macht — dann kann man, glaube ich, über die in England gerade ausgestrahlte Sitcom „Reggie Perrin“ (freitags um 21.30 Uhr, BBC1) einigermaßen unvoreingenommen urteilen. Und so urteile ich: Gähn. Puh. Na ja.

Daß „Reggie Perrin“ so schwach ist, liegt eher nicht an Martin Clunes („Men Behaving Badly“) als Perrin, schon eher an Autor Simon Nye (ebenfalls „Men Behaving Badly“ sowie „Hardware“), der den Autor der Ur-Serie David Nobbs hier als Co-Autor zur Seite hatte, und mit Sicherheit an den schwachen Witzen, die von umso furioserem Gelächter begleitet werden (das aus einer abgelaufenen Konserve zu kommen scheint). Der heutige Reggie sitzt im Vorortzug umgeben von Leuten mit Ohrstöpsel-Kopfhörern und Laptops und leidet daran, daß die Menschen es verlernt haben, miteinander zu reden — ach je ach je. Und daß er seine Aktentasche jeden Morgen einfach unachtsam in sein Büro feuert, statt damit wie der alte Reginald wenigstens nach dem Kleiderständer zu zielen (und auch oft zu treffen), ist schon symptomatisch, auch wenn ich gerade nicht weiß wofür. So muß ich also auf einen Schlußakkord in Moll enden: „Reggie Perrin“ muß man nicht sehen, und „The Fall and Rise of Reginald Perrin“ auch nur, wenn man vorher schon alles aus den Achtzigern, den Neunzigern und dem Besten von heute gesehen hat. I’m very sorry.

You are all idiots!

13. April 2009 8 Kommentare

Ich kann mittlerweile weite Teile auswendig mitsprechen, so sehr liebe ich „Nathan Barley“ (2005, Channel 4), die Mediensatire-Serie der nuller Jahre von Chris Morris und Charlie Brooker rund um selbstverliebte junge Medienaffen, die coole Websites, hippe Stadtmagazine und ganz generell „was mit Medien“ machen. Nathan Barley (Nicholas Burns) ist der Oberaffe, dessen Webpage trashbat.co.ck (dot cock, got it?) ihm als Ort der Selbstdarstellung dient, an dem er seine Gratismeinungen über George W. Bush neben „lustige“ Videoschnipsel mit gemeinen Streichen stellt, die er seinem Praktikanten spielt. Ein ganzer Affenfelsen für Hipster-Medienprimaten ist die Redaktion des Untergrund-Magazins „Sugar Ape“ (das „Suga“ steht klein im Bauch des R von „RAPE“): Dort sieht man sie mit ihren lustigen Hütchen auf ultramodernen Handys herumspielen, während sie schaukeln oder albern mit Tretautos herumfahren, sich in Hipster-Speak unterhalten und „Cock, Muff, Bunghole“ spielen, eine obszöne Variante von „Stein, Schere, Papier“ — so habe ich mir die Spex-Redaktion in den späten Neunzigern immer vorgestellt (bestimmt sehr zu Unrecht!). Permanent grinsende Idioten, die sich für etwas Besseres halten, für „in“ und „vorne“.

Für „Sugar Ape“ schreibt Dan Ashcroft (Julian Barratt, „The Mighty Boosh“), dem allerdings diese Idioten sehr auf den Sack gehen. „The Rise of the Idiots“ heißt sein wegweisender Essay über die Spezies, als deren Spitzenkraft Barley gelten kann:


Doch kaum ist Dans Leitartikel erschienen, gratulieren ihm ebendiese Idioten herzlichst zu seinen kritischen Auslassungen, jubeln ihm nach Kräften zu und beginnen ihn regelrecht als Preacher zu verehren. Eine Rolle, die er aus Sachzwängen (Geldnot) annimmt, um in der zweiten Folge auf einer Club-Bühne als Prediger verkleidet aufzutreten. Ein Auftritt, der ihm zutiefst widerstrebt, bei dem er schließlich aus der Rolle fällt und alle als Idioten beschimpft: „You are all idiots!“ — „Yes, we are all idiots!“ schallt es zurück; was sonst.

„Nathan Barley“ (die Figur geht auf Brookers satirische Website TVgohome zurück, hier gesammelte Barley-Einräge) ist atmosphärisch dicht, so voller böser, lustiger Details, daß man erst beim wiederholten Sehen alle wahrnimmt: Wie etwa ein Plakat im Hintergrund, das für „Email the Musical“ wirbt („Ross Kemp as Pixel, Lyrics by Ben Elton“). Es geht um die Sorte Kunst, die meine Frau als „Kunscht“ bezeichnet, wenn etwa eine Vernissage von Schwarzweißfotos vorkommt, in der Prominente beim Urinieren (z.B. in einen Toaster) ausgestellt werden („When you urinate you are actually a lot more relaxed than when you sleep!“) und um einen Klamottenladen namens „bumphuk“ — alles spot on gezeichnet. Allen voran die Figur des Nathan Barley, der über einen Beischlaf prahlt: „Kicked the brown door in, painted it white on the way out.“

Drastisch und hochkomisch, das alles. So nimmt es kaum Wunder, daß im Abspann praktisch nur Menschen stehen, denen ich jederzeit mein gesamtes Erspartes ausleihen würde, bräuchten sie denn Geld für eine neue Serie: Neben den Giganten Chris Morris („Jam“, „The Day Today“, „Brass Eye“) und Charlie Brooker („Dead Set“, „Charlie Brooker’s Screenwipe“, „Newswipe With Charlie Brooker“) u.a. Noel Fielding (wie Barratt in „The Mighty Boosh“), Oliver Chris („The Office“, „Green Wing“) und Richard Ayoade („The IT Crowd“); für die Musik zeichnet neben Morris selbst (der auch „Jam“ bereits zu Radiozeiten selbst mitvertont hat) auch Jonathan Whitehead verantwortlich, der seinerseits etwa den perfekten „Green Wing“-Score komponiert und eingespielt hat und immer phantastisch ist, wenn es um parodistische Musik geht.

Weiteres „Nathan Barley“-Material, das gerüchteweise in der Pipeline ist, würde ich aufs Entschiedenste begrüßen, selbst wenn es so schrecklich erfolglos sein sollte, wie es die Serie zu ihrer Zeit leider war. „Nathan Barley“ ist, soweit ich das überblicken kann, so ziemlich komplett bei YouTube zu sehen, und weil ich die Schnipsel hier nicht einbetten kann, gibts halt nur einen Link — mit der dringenden Empfehlung, sich die DVD zu kaufen, die ihrerseits ein veritables Gesamtkunstwerk mit aufwendigem Booklet und tollen Menüs und allem ist. Kaufzwang!

Piloten-Check 6+7: Videoblogs aus der Zukunft

Aus der Werkstatt von BabyCow, deren Produktionen häufig etwas gewagter sind als die anderer Fernsehschmieden, kommt „Brave Young Men“ (BBC3, 22.3.): Die Geschichte zweier paarundzwanzigjähriger Simpletons Owen und Jamie. Owen wird von einem mysteriösen Fremden und angeblichen Zeitreisenden eines Tages zum „Caretaker of the world“ ernannt, einfach weil er zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sei: Denn auch die größten Katastrophen begännen irgendwann einmal mit Kleinigkeiten — und Owen sei in der Lage, diese Kleinigkeiten zu ändern. Zwar sträubt sich Owens Kumpel Jamie zunächst gegen die ihm zugedachte Rolle als Sidekick, ist dann aber doch mit von der Partie, als es darum geht, die Ladung selbst angesetzten Biers eines Nachbarn sicherzustellen: ansonsten werde das Selbstgebraute als Biermarke von einer Großbrauerei übernommen und im Jahr 2013 eine katastrophale Kontamination auslösen! Behauptet jedenfalls der mysteriöse Fremde und weist Owen und Jamie an, ihm „zu Testzwecken“ mehrere Kästen zu bringen. Nun sieht dieser ominöse Zeitreisende allerdings einem durchschnittlichen Obdachlosen verdächtig ähnlich, und so ist bis zum Schluß nicht ganz klar, ob Owen und Jamie wirklich die Welt retten — oder nur die nützlichen Idioten für einen cleveren Stadtstreicher sind.

https://www.youtube.com/watch?v=NgU5dhWmeNQ&hl=de&fs=1

„Brave Young Men“ von Sam Leifer und Tom Basden (Jamie) kommt völlig ohne CGI- und sonstige SciFi-Effekte aus; leider auch weitgehend ohne Witze. Trotzdem hätte eine Staffel davon lustig werden können — zwei Loser als vermeintliche Weltretter wären eine durchaus belastbare Grundlage für eine Sitcom. Offenbar haben sich aber die BBC3-Verantwortlichen bereits gegen eine Aufnahme von „Brave Young Men“ ins Programm entschieden.

Etwas gar zu langweilig für solche Überlegungen dagegen ist „Mark’s Brilliant Blog“ von Mark Padley (24.3., BBC3), die Geschichte eines jungen Mannes, der mit seiner Videokamera seine Nachbarschaft filmt (und die Filme dann ins Internet stellt), Noten für das Auspacken der Wochenendeinkäufe aus dem Autokofferaum verteilt, eine Nachbarin in Schwierigkeiten bringt, die er für eine Prostituierte hält, und… puh, selbst beim Nacherzählen schlafen mir die Finger auf der Tastatur ein. Ende der Durchsage.

Zaghafter Größenwahn

23. März 2009 5 Kommentare

„Der kleine Mann“ (ab Dienstag, 22.45 Uhr, Pro7) kann sich nicht zwischen Avantgarde und Mainstream entscheiden. Und zeigt mal wieder, daß bei deutschen Sitcoms noch viel Luft nach oben ist.

„Man muß nicht studiert haben, um ,Der kleine Mann‘ lustig zu finden“, läßt sich Ralf Husmann, Autor und Produzent des „Kleinen Manns“, in der Pressemitteilung zu seiner neuen Serie zitieren. Wem nichts Gutes bei diesem Satz schwant, liegt richtig — bei welchen Comedyformaten muß man schon studiert haben, um sie lustig zu finden?

Rüdiger Bunz (Bjarne Mädel, der Ernie aus „Stromberg“) hat sicher nicht studiert. Er arbeitet in einem kleinen inhabergeführten Elektroladen, repariert netten Omis schon mal gratis den Staubsauger, ist Mitte dreißig und seit zehn Jahren verheiratet: „Hält schon länger als das Dritte Reich. Und ist meistens auch lustiger.“ Bunz ist „ein Mann wie ein Opel Corsa“, er ist der titelgebende „kleine Mann“: eine gleichzeitig kleinbürgerliche und überlebensgroße Existenz aus einem Paralleluniversum der guten Nachbarschaft und herzigen Naivität. Eines Tages erlangt er durch TV-Werbespots für einen Schnaps namens „Der kleine Mann“ eine gewisse Prominenz und wird in der Folge in eine halbglamouröse Welt von Fernsehstars und Werbemillionen gezogen, in der er sich deplatziert fühlt und mit der er nichts zu tun haben will. Zunächst.

Dann will er aber doch, die Macht der Verführung ist einfach stärker. Also fällt er auf falsche Freunde herein wie den koksenden Starkoch, der mit ihm ein „Kleiner Mann-Kochbuch“ machen möchte („Wer weiß schon noch, wie man ein Käsebrot macht?“), und trifft Prominente wie Sarah Wiener, die sich mit angenehmer Ironie selbst spielen. Darüber vergißt Bunz schließlich seine Frau, seine wahren Freunde, seine Herkunft — mit den entsprechenden Konsequenzen.

Für deutsche Sitcomverhältnisse ist das ein ambitioniertes Setting und meilenweit entfernt vom Unfug der meisten Plots der Marke „Alles Atze“, wo Atze schon mal seinen Kiosk zu einer Kindertagesstätte erweitert, was alle Mütter in der Nachbarschaft in Begeisterungsstürme ob dieser „Idee“ ausbrechen läßt. Husmann bemüht sich redlich, eine Story zu erzählen, die in Zeiten, wo Hartz-IV-Empfänger mit Mundharmonikaspielen über Nacht berühmt werden können, durchaus glaubwürdig erscheint. Er schafft Fallhöhe auf eine Weise, wie man es noch nicht zigfach gesehen hat.

Doch es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Denn den Mut, seinen Protagonisten seiner Fallhöhe entsprechend auch mal hart aufschlagen zu lassen, hat „Der kleine Mann“ dann wiederum nicht. Bunz Größenwahn bleibt immer zaghaft, meist ist er sogar so weit Herr der Lage, daß er seine Situation aus dem Off reflektieren kann: „ne Flachzange wird durchs Fernsehen jetzt nicht plötzlich n Hammer, das stimmt schon“, sagt er an einer Stelle, oder: „Es muß nicht jeder im Fernsehen sein. Davor bin ich auch viel besser aufgehoben.“

Hier wollte jemand die Quadratur des Kreises: eine Synthese aus positivem und negativem Helden, damit der kleine Mann bloß nicht zu unsympathisch erscheint. Um Himmels willen kein Arschloch, das man einfach mal auslachen könnte, wenn es verdientermaßen auf die Fresse fiele. Sondern lieber eine Identifikationsfigur, einen Normalo, einen Heinz Rühmann der Post-„Stromberg“-Ära. Nun konnte Rühmann wenigstens schauspielen; ein Talent, mit dem Mädel leider nicht gesegnet ist.

Husmann geht mit diesem Mittelding aus Unsympath und nettem Kerl einen Schritt zurück hinter die von ihm geschriebene Sitcom „Stromberg“, wo die Hauptfigur ein gefühlloses Ekel sein durfte, das man zuvor selten in dieser Lupenreinheit gesehen hatte. Das war streckenweise komisch und am deutschen Durchschnitt gemessen weit vorne — hatte aber statt guter Quoten stets nur wenige hartnäckige Fans, die sich via Zeitungsfeuilleton mit ihrer Meinung Gehör verschafften, „Stromberg“ sei nun endlich mal gutes deutsches Oberschichtenfernsehen. Vor diesem Hintergrund leuchtet auch Husmanns Satz ein, man müsse nicht studiert haben, um den „Kleinen Mann“ lustig zu finden: Dies mal müssen nun aber bitte schön wirklich alle mit.

Leider aber ist der Spagat zwischen Mainstream und Avantgarde etwas zu gewagt, und wie das so ist mit verunglückten Spagaten: Sie können ganz schön wehtun.

Zuerst, äh, in der Zukunft erschienen in der taz vom 24. März. Eine zweite Meinung zum Thema gibt es in der Frankfurter Rundschau.