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Archiv für die Kategorie ‘Sitcom’

Scherze nach dem Ende der Welt

20. März 2015 3 Kommentare

Diese Sitcom dürfte eigentlich nicht funktionieren. Ein Mann, „The Last Man on Earth“ (Fox), alleine auf der weiten Welt? Wie kann das komisch sein — abgesehen davon, dass da vorher ja erst einmal die Welt untergegangen und also eine Katastrophe von unermesslicher Größe passiert sein muss?

Die Überraschung ist: Es kann. Es ist. Ziemlich lustig sogar.

Kleiner Spoiler: Phil Miller (Will Forte, auch Creator der Show) ist nur eine Folge lang wirklich allein, und auch die nur bis kurz vor ihrem Ende. Diese erste Folge aber ist so verblüffend komisch, dass er von mir aus auch noch zwei Episoden lang damit hätte zubringen können, Sachen kaputtzumachen, zu trinken, Kunstschätze aus aller Welt zusammenzutragen und sich ordentlich zugrunde zu richten.

Eine pubertäre Wendung des postapokalyptischen Schreckensszenarios ist das also erst einmal: Endlich allein zuhause auf der Welt — woohoo! Party like it’s 1999! Nie mehr Salat essen, mit dem Auto durch Schaufenster semmeln, den ganzen Tag besoffen! So muss das Paradies sein. Wenn man zwölf ist (innerlich).

Allerdings wird es Adam im Paradies bzw. Phil in seinem postapokalyptischen Bällebad doch recht schnell langweilig, denn er merkt: Tom Hanks war in „Cast Away“ vielleicht doch nicht der Trottel, für den ihn Phil zunächst gehalten hat. Man(n) braucht etwas mehr, um glücklich zu sein — eine Frau.

Phil hat Glück: Diese letzte Frau auf der Welt, Carol (Kristen Schaal), gibt es — sie ist seinen Schildern gefolgt, mit denen er auf sich aufmerksam machen wollte. Leider stellt sich schnell heraus, dass Carol nicht so hübsch ist, wie Phil seine Eva fantasiert hätte, und außerdem anstrengend konservativ bis spießig. Sex erst nach der Hochzeit, wenn überhaupt. Bzw.: Sagt dir die Formulierung „nicht einmal, wenn du der letzte Mensch auf der Welt wärst“ etwas?

Aber auch dieses schon etwas gewohntere Terrain für eine Sitcom, sozusagen die kompakteste, reduzierteste Form für Männer-sind-so-und-Frauen-sind-so-Witze, halten Forte und seine Produzenten Phil Lord und Christopher Miller („Cloudy With a Chance of Meatballs, „21 Jump Street“) nur zwei Folgen lang durch.

Dann tritt eine weitere Frau auf den Plan: Melissa („Mad Mans“ January Jones), und Phil bereut es sehr schnell, auf Carols alberne Hochzeitspläne eingegangen zu sein …

So verblüffend wie die erste Folge, in der Fox unerklärlicherweise Dinge wie betrunken Autofahren und versuchten Selbstmord durchgehen lässt, sind die anschließenden Episoden zwar nicht mehr. Dazu ist die Dreiecksbeziehung zwischen Phil, Carol und Melissa doch zu konventionell. Aber es ist immer noch außergewöhnlich komisch, was Will Forte („Saturday Night Live“, „30 Rock“) aus der Prämisse herausholt, eine Sitcoms nach dem Ende der Zivilisation anzulegen (eine Idee, die das britische „Cockroaches“, ITV2, leider längst nicht so gut umgesetzt hat).

Denn dass kein gesellschaftliches Korrektiv mehr da ist (die Menschheit soll von einem Virus ausgelöscht worden sein, aber es gibt keine sichtbaren Toten, alle Menschen scheinen — ohne dass die Show das je erklären würde — schlicht von der Erdoberfläche verschwunden), dass also keine Kontrollinstanz mehr existiert, wirkt wie ein Vergrößerungsglas auf die kleinen und großen Schrullen der letzten Menschen: Phil lässt sich vollkommen gehen, nutzt einen Swimmingpool als Toilette und richtet sich ein Margherita-Planschbecken ein, und Carols Liebe zu Ordnung und Regeln gibt ihr Halt in einer ansonsten haltlosen Umgebung.

Das aber führt zu lustig überdramatisierten Konflikten, die dementsprechend komisch sind. Und hoffentlich auch bleiben. Da wird es nun sehr drauf ankommen, ob die Serie eine sich weiterentwickelnde Geschichte erzählen will (was zumindest die Entwicklung der ersten Folgen andeutet), oder ob sie nun, da das komplizierte Dreieck angelegt ist, frozen in time weitergeht und die Konflikte der drei stets aufs Neue variiert. Das könnte dann ein bisschen wie die „Flintstones“ in einer Zukunfts-Steinzeit werden.

Gegen einen sich weiterentwickelnden Plot der Serie spräche, dass dafür vermutlich noch weitere Figuren nötig wären, die ihrerseits aber die Prämisse („last man on earth“) noch weiter verwässern würden, als es jetzt schon der Fall ist (immerhin sind es jetzt schon drei letzte Menschen auf der Erde).

Das Dilemma, das sich da abzeichnet, lässt mich leise befürchten, dass „The Last Man on Earth“ noch im Laufe der zehn Folgen dieser ersten Staffel (vier sind bereits gelaufen) schal werden könnte.

Andererseits hat diese Show in den ersten Folgen so viele gute Einfälle gehabt, dass ich hoffe, sie haben auch einen, wie das alles weitergehen soll.

Parks and Recs and Kimmy Schmidt

16. März 2015 6 Kommentare

Groß war meine Trauer nach dem Ende von „Parks and Recreations“ (NBC, 2009 – 15): Gerade die siebte Staffel, mit 13 Folgen knapp halb so lang wie die Mehrheit der Staffeln (nur die erste hatte lediglich sechs Folgen und die dritte 16, alle anderen bestanden aus 22 bzw. 24 Folgen), gerade diese Staffel also, die NBC statt am Donnerstag nun Dienstags ausgestrahlt hat, und zwar zum größeren Teil in Doppelfolgen, war noch einmal ein Beleg dafür, welch enormes Potential Amy Poehler und das Ensemble hatten (insbesondere Nick Offerman und Aubrey Plaza), und mit welch brillant komischen Einfällen Greg Daniels und Michael Schur aufwarten konnten.

Allein die Idee, die letzte Staffel zwei Jahre (bzw. drei in der erzählten Zeit) in die Zukunft zu verlegen, so dass sie 2017 spielt, war Gold wert: all die lustigen technischen Gimmicks (allen voran die Smartphones mit Holoscreens), von Gryzzl, einer Firma, die sich zwar wie der Orwellsche big brother verhält, inklusive Datensammeln und Totalüberwachung, aber eben wie ein extrem cooler, hipstermäßiger großer Bruder, dem keiner böse sein kann (Firmenmotto: „Wouldn’t it be tight if everyone was chill to each other?“)!

Auch die persönlichen Veränderungen — Ben (Adam Scott) und Leslie sind nun Dreifacheltern, allerdings sieht man die Drillinge kaum, stattdessen aber die Schneisen der Zerstörung, die sie in der elterlichen Wohnung hinterlassen, Ron führt eine Baufirma namens „Very Good“, Andy (Chris Pratt) hat seine eigene Fernsehshow — erlauben es den Figuren, noch einmal über sich hinauszuwachsen und ihre komischen Seiten noch stärker vergrößert auszuspielen.

Figuren und Stories so stark zu überzeichnen, dass ihr Wahnsinn noch heller strahlt, ohne dabei zu Karikaturen zu werden: das hätte sicher nicht länger als diese eine Staffel lang funktioniert (womöglich nicht einmal über 24 Folgen). So aber, eine halbe Staffel lang, war es der beste Abschluss, den sich „Parks and Recs“ wünschen konnte.

Es wird für Amy Poehler sicher nicht einfach, über Leslie Knope hinwegzukommen. Leslie war ein so guter Charakter — komisch, charmant, durch und durch positiv, was für eine Comedy-Figur eine echte Ausnahme ist: man konnte sich mit Leslie einwandfrei identifizieren — dass die Versuchung groß sein wird, wieder in eine ähnliche Rolle zu schlüpfen, oder eben in eine komplett andere. Beides wäre schade, wie es überhaupt schade ist, dass Leslie Knope nun nie mehr neuen Herausforderungen mehr mit telefonbuchdicken Aktenordnern mit Strategiepapieren begegnen soll.

Ich werde Leslie Knope vermissen, ich werde Ron Swanson, die humane Erscheinungsform der grumpy cat, vermissen, und ich werde die weirdness von April Ludgate vermissen.

Zum Glück allerdings ist genau in dem Moment, wo der Comedygott die Tür hinter „Parks and Recs“ zugemacht hat, auch ein Fenster aufgegangen: das zu „Unbreakable Kimmy Schmidt“.

Tina Feys 13teilige Netflix-Serie hat sich als das perfekte Betäubungsmittel für die Trauer um „P&R“ erwiesen: und die Figur der Kimmy Schmidt (Ellie Kemper aus dem US-„The Office“) mich zunächst auch verblüffend an Leslie Knope erinnert.

Denn auch Kimmy ist eine durch und durch optimistische, aufgekratzt-fröhliche, zur Identifikation einladende weibliche Hauptfigur, für die das Glas immer halb voll und auch noch das schönste Glas auf der ganzen Welt ist. Sie ist ähnlich unerschütterlich, will jedem Menschen Freund sein und sieht die Welt durch die Augen einer Fünfzehnjährigen.

Denn Kimmy ist eine von vier Frauen, die ihr halbes Leben von einem irren Sektenführer (als Gast: „Mad Mans“ Jon Hamm) in einem unterirdischen Bunker in Indiana gefangengehalten worden sind im Glauben, die Welt sei bei einer atomaren Apokalypse vernichtet worden. Erst als Kimmy schon fast 30 ist, werden die „Mole Women“ (wie die Presse sie geringschätzig bezeichnet) befreit — und Kimmy, der sofort klar wird, dass sie sich von diesem Stigma befreien muss, zieht umgehend nach New York und fängt ein neues Leben an. Von nun an ist alles für sie neu — nicht nur, weil sie 15 Jahre von der Welt abgeschnitten war, sondern auch, weil sie die ersten 15 Jahre ihres Lebens in der tiefsten Provinz verbracht hat.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ trägt unverkennbar die Handschrift von Tina Fey (und Robert Carlock, auch bei „30 Rock“ schon als Showrunner mit dabei): unglaublich schnell erzählt, vollgepackt mit absurdistischen Gags, getragen von einem Netz von guten Figuren und deren Beziehungen untereinander. Kimmy lernt die Welt nämlich zunächst durch die Augen ihres Mitbewohners Titus Andromedon kennen (Tituss Burgess), eines arbeitslosen, schwarzen, homosexuellen Musicaldarstellers — das Paradebeispiel einer Figur, die larger than life ist. Und da ist Jacqueline Voorhees (Jane Krakowski, „30 Rock“), die rich bitch, alleinerziehende Manhattanbewohnerin, bei der Kimmy als Nanny arbeitet.

Schon nach wenigen Folgen aber ergibt sich ein ganzes Geflecht von Figuren, die „Kimmy Schmidt“ zu einem Ensemble erweitern, das dem von „30 Rock“ und „Parks and Recs“ in nichts nachsteht: die verzogenen Plagen von Mrs. Voorhees, ein reicher Schnösel sowie Dong, ein koreanischer GED-Kollege Kimmys, die um ihre Liebe konkurrieren.

Und es gibt etliche Gastauftritte, von Kiernan Shipka („Mad Men“) als Kimmys schlecht gelaunte Halbschwester über „Breaking Bads“ Dean Norris als Titus‘ straight coach bis hin zu Fey selbst als Parodie einer unbegabten Rechtsanwältin.

Aber Ellie Kemper als Kimmy Schmidt ist sicher die beste Besetzung, die man sich vorstellen kann: ihre Präsenz, ihr perfektes Timing, und welch komischen Effekte sie allein mit ihrem Gesicht erzielen kann, mit einem Schmollmund, einem Augenaufreißen, einem ratlosen Augenrollen, ist sensationell. Kemper ist eine große Entdeckung, und sollte „Kimmy Schmidt“ zu dem Erfolg werden, den es verdient, wird sie in acht oder neun Jahren vor dem selben Problem stehen wie Amy Poehler: sie wird mit Kimmy Schmidt verschmolzen sein zu einer der ganz großen weiblichen Comedyfiguren.

„Unbreakable Kimmy Schmidt“ ist, was viele andere Sitcoms nicht sind: hysterically funny. Für einen guten Gag schlägt das Drehbuch da nicht einen Haken, sondern drei, und nach dem dritten läuft es dann einfach mal eine Weile in eine vollkommen unerwartete Richtung und kommt nicht mehr zurück — sondern kippt, nur zum Beispiel, in einen schwarzweißen Musical-Film aus den 30ern über schwule Seemänner.

Das einzig Ärgerliche an „Kimmy Schmidt“ ist, dass es nur 13 Folgen sind, die man auch noch alle auf einmal gucken kann, und nicht, sagen wir, 130, von denen nur eine am Tag kommt. Dann hätte man nämlich viel länger etwas davon. So muss man darauf warten, dass Netflix die zweite Staffel online stellt. Was hoffentlich bald passieren wird, denn „Unbreakable Kimmy Schmidt“ gehört zu den besten, komischsten, genialsten Sitcoms der letzten Jahre.

#Erwachsenenfernsehen

18. Februar 2015 Keine Kommentare

Schriebe man eine der stärksten Szenen von „Togetherness“ (HBO) ab, käme vermutlich kein Mensch, der die Serie nicht kennt, darauf, dass das komisch ist oder sein soll. Keine Pointe, die sich nacherzählen ließe, kein Slapstick; cringe comedy, komisches Erschaudern vor allzu drastischer Peinlichkeit, ist zwar im Spiel, aber es ist viel mehr als das, was diesen Moment so lange nachwirken lässt.

Was also ist an einem Streit zwischen einem Mann und einer Frau, die schon lange miteinander verheiratet sind, so komisch, dass ich Bauchschmerzen vor Lachen (und aber gleichzeitig auch vor Traurigkeit) bekommen habe? Es ist vermutlich die Unausweichlichkeit, mit der Brett (Mark Duplass) und Michelle (Melanie Lynskey) daran scheitern, ihr Sexleben nach zehn Ehejahren wiederzubeleben, dieser zwischenmenschliche Unfall, eindringlich wie ein schlimmer Eisenbahnunfall in Zeitlupe, verheerend, mit der Wucht von Waggons und Waggons voll Schrott und Steinen, die aus den Schienen springen, sich ineinander verkeilen und niemandem eine Chance lassen, der im Weg steht, keinem Baum, keinem Strommasten, nichts.

Dabei meinen sie es nur gut. Brett Pierson, Tontechniker beim Film in L.A., und Michelle gehen ja doch behutsam miteinander um. Sie sind über die Jahre spießig geworden, aber sie lieben sich; sie lässt ihre ältere (aber attraktivere) Schwester Tina (Amanda Peet) vorübergehend im Haus unterkommen, weil die gerade mal wieder eine nur allzu flüchtige Affäre hinter sich hat, er gibt seinem besten Kumpel Alex (Steve Zissis) Obdach, einem mehr oder weniger gescheiterten Schauspieler, dessen Grundproblem ist, dass er für Hauptrollen zu dick und für Nebenrollen als lustiger Dicker nicht dick genug ist. Diese beiden entwickeln eine ganz eigene Dynamik, als Kontrastfolie zum schwierigen Eheleben der Piersons.

Und klar, Brett ist eine schlimme Pfeife mit schlimmer Frisur und schlimmer Brille (samt schlimmer Angewohnheit, diese Brille hochzuschieben). Aber er ist kein Arsch. Er lädt Michelle ein, überraschend, in ein Hotel, zu einem romantischen Dinner und aushäusigem Übernachten, um mal die Kinder los zu sein, aber die Erwartungen sind zu hoch: Er schiebt ihr wieder das Kopfkissen zurecht, bevor er in sie eindringt, damit sie es bequem hat, was sie hasst, ihm aber nicht sagt; er will alles richtig machen, aber beide kennen jeden Handgriff des anderen schon zu lange und viel zu genau, auch im Voraus, da entsteht kein magischer Moment mehr, kein Funke, die Zündplättchen sind längst feucht, und zwar kann man dies und jenes kurz sagen und klarstellen, um vielleicht Kleinigkeiten zu ändern, aber je mehr man redet, desto weniger spontan und unbefangen ist man, und wenn man erst dreimal „in den Rhythmus kommen“ gesagt hat, wird es furchtbar, wenn man das aber anmerkt, wird es noch furchtbarer, man kann schließlich kein Meeting abhalten, während man Sex hat, keine diplomatischen Gespräche führen, während man ficken will, das geht nicht, da hat man keine Chance, man kann nicht gewinnen.

Und so explodiert er schließlich, unten schlaff und oben verspannt, weil er nicht gewinnen kann und keinen hoch kriegt, und das ist so gemein, weil sie ja auch nichts dafür kann und sich eigentlich freut, dass er sie überraschen will, wo ja ihre eigene Überraschung, ihn mit verblüffend dominantem Begehren zu sexuellem Handeln zu zwingen, auch schon nicht geklappt hat, und es ist alles so traurig und so erbärmlich und gleichzeitig so tragikomisch, weil man meint, es genügt schon, einen Schritt zurückzutreten, dahin, wo man selbst ist, vor der Mattscheibe, um zu erkennen, wie albern und wie lächerlich diese Hemmungen und Verspannungen sind, diese sich selbst reproduzierenden Muster, Abwärtsspiralen, Todesstrudel im Ehebett, schaut euch doch mal an, ihr Trottel! Aber sie können es natürlich nicht, sie sind ja sie selbst und keine Zuschauer, und immerhin erkennt Brett sich ja im Badezimmerspiegel dann doch wieder und findet zu sich zurück und bittet Michelle um Verzeihung, und sie verzeiht ihm natürlich auch sofort.

Das ist alles mehr der ruhige, unaufgeregte Gestus des Independent-Films als der typischen Sitcom, und tatsächlich kommen Mark und Jay Duplass, die Brüder hinter „Togetherness“, auch vom Indiefilm und machen nun ihre erste Sitcom bei HBO, die eine so berührende Nähe zwischen den Figuren herzustellen vermag, eine solche Intimität, dass die kleinen Katastrophen dann richtig weh tun, und da haben wir noch nicht von der Chemie zwischen Zissis und Peet gesprochen, die eine ganz andere ist: er der Loser, sie, die in einer ganz anderen Liga spielt und kein Problem hat, sich an Filmproduzenten ranzuschmeißen, vor denen er sich am liebsten in einer Sofaritze verstecken würde, aber in Wahrheit ist natürlich sie haltlos und er, obwohl nach außen eine lächerliche Figur mit Clownsfrisur, der viel stärkere.

„Togetherness“ ist neben „Catastrophe“ schon die zweite Sitcom, die ich unter #Erwachsenenfernsehen zusammenfassen würde: klar, wegen der Erwachsenenthemen von a) lange Verheirateten oder b) Menschen, die einander erst mit über 40 finden, schwanger werden und sich dann zusammenraufen müssen. Aber #Erwachsenenfernsehen auch, weil es ehrlich ist, nicht der drastisch-komische Reiz (der ja auch sehr komisch sein kann), sondern funny ‚cause it’s true, nicht die typischen Sitcom-Figuren, die alle larger than life sind, sondern eher ein bisschen kleiner.

Deswegen will ich „Togetherness“ auch gar nicht über den grünen Klee loben und Erwartungen von Überwältigung ob der neuen Comedy-Entdeckung wecken, die dann vielleicht enttäuscht werden, denn die Serie ist eher leise und klein und (wenn wir schon bei so viele Anglizismen sind) ein slow burner, weil man Brett nicht wirklich sofort mag, er ist halt doch ein bisschen patronizing, ein bisschen analfixiert, und geht seinem Filmregisseur mit echtem Koyotengeheule auf die Nerven, das er, Brett, extra in einem Tal jenseits der Stadtgrenzen aufgezeichnet hat, obwohl der Regisseur, faktisch falsch natürlich, das Heulen eines Wolfs unter eine Filmszene in Kalifornien gelegt hatte, weil das besser klingt und nicht irritiert wie das merkwürdige Koyotenheulen, und Brett hat natürlich genaugenommen Recht, aber wen interessiert das, niemanden, genauso wenig wie das viele gute Essen, das vom Büffet am Set im Müll landet, obwohl man es doch nicht alles wegschmeißen muss, es ist doch noch gut, aber nur Brett will es retten; armer, nerviger Brett.

Die wahre Entdeckung aber ist freilich Zissis, den ich künftig in allen HBO-Serien sehen möchte, wenn es geht.

„Togetherness“ hat schon eine zweite Staffel zugesagt bekommen, und ich finde es ganz gut, falls man das noch nicht gemerkt haben sollte.

Same old, but different

30. Januar 2015 Keine Kommentare

Schon klar: Die Überschrift ist alles andere als originell. Hat man schon gelesen, trifft auf praktisch alles zu — es gibt nichts Neues unter der Sonne; gerade nicht, was Sitcoms angeht. Mann trifft Frau, es ist erst einfach, dann kompliziert, hilarity ensues.

Andererseits dachte ich das auch, als ich die Prämisse von „Catastrophe“ (Channel 4) gelesen habe: Mann (Rob Delaney) trifft Frau (Sharon Horgan), sie haben einen One-Night-Stand (nun, genau genommen einen Six-Night-Stand), er fliegt zurück in die USA, sie ist schwanger, und weil sie in einem Alter ist, wo es das letzte Mal sein könnte, will sie das Kind behalten. Er kommt zurück, und … wie der Titel schon sagt. Same old.

But eben different. Denn womit ich nicht gerechnet hätte: Horgan und Delaney wringen aus diesem eigentlich verbrauchten Set Up unerwartet die (bislang) zwei lustigsten halben Stunden des Britcom-Jahres.

Vielleicht, weil „Catastrophe“ so schön erwachsen ist. Sharon (Horgan) und Rob (Delaney, ja sie benutzen einfach ihre eigenen Vornamen) sind ein bisschen zu alt, um im „Gavin & Stacey“-Stil oder à la „Pramface“ zum ersten Mal mit Erwachsenenproblemen konfrontiert zu sein, die so entstehen, wenn man plötzlich nicht mehr allein im Kinderzimmer wohnt oder mit den merkwürdigen Freunden des je anderen zusammentrifft. Sie haben schon Erfahrung mit ähnlichen Situationen — allerdings nicht genau mit dieser: „I never had casual sex with a sober person before“, sagt Sharon in der ersten Folge.

Denn sie ist zum ersten Mal schwanger, und auch er will das Kind und ihm ein Vater sein, schon weil er seinen eigenen nicht kannte und es bei seinem Kinder anders halten will. Also stürzen sie sich Hals über Kopf in eine Beziehung. Hilarity ensues.

Die Gelassenheit im Angesicht der Katastrophe (die bislang so schrecklich katastrophal gar nicht ist) macht die beiden sehr sympathisch, dass sie sich ohne großes Zögern einig sind, die Sache mit dem Kind einfach mal durchzuziehen, steht in schönem Kontrast zu ihren offensichtlichen Persönlichkeitsschwächen (sie ist zynisch und ein bisschen antisozial, er ist trockener Alkoholiker und Schürzenjäger), und vor allem funktioniert die Chemie zwischen Darstellern ebenso wie zwischen den Figuren ganz ausgezeichnet: Rob und Sharon, Delaney und Horgan sind sehr, sehr komisch (und haben ihre Dialoge so wie die ganze Serie auch selbst geschrieben).

Das beginnt beim gegenseitigen Identifizieren und Kennenlernen (Er: „I’m a friend who helped you make a mistake“), setzt sich fort darin, wie sie sich mit der Situation arrangieren (Nochmal er: „I’m just saying: a terrible thing has happened — let’s make the best of it!“) und endet bei den trivialen Sachen frischer Partnerschaften: Er hat bei seiner Rückkehr aus den USA keine Unterkunft in England. Sie: „So, where are you staying? — I’m joking! You can stay in my spare room. — I’m joking! I’m a teacher, I don’t have a spare room.“

Echte Lacher zu liefern, und zwar viele, das hatte ich vor allem nicht von Sharon Horgan erwartet, war sie mir bislang doch eher in so „meh“-Sitcoms begegnet („Dead Boss“, „Free Agents“, mit ihrem größten Hit „Pulling“ (BBC3, 2006 – 09) habe ich mich nie anfreunden können). In „Catastrophe“ aber ist sie brillant, und der Stand Up-Comedian und Twitter-Star Delaney nicht weniger.

Das sieht offenbar auch Channel 4 so: Der Sender hat „Catastrophe“, obwohl bislang erst zwei Folgen zu sehen waren, bereits eine zweite Staffel gewährt, und wenn sich die Serie auch weiterhin an den ersten beiden Folgen messen lässt, haben wir hier schon einen echten Kandidaten für die Top-5-Britcoms 2015.

Jahresendabstimmung

15. Dezember 2014 5 Kommentare

Ich war dieses Jahr mehr mit Dramaserien beschäftigt als mit Sitcoms, stelle ich fest: Über den Sommer habe ich endlich „The Wire“ (HBO, 2002 – 08) nachgeholt und bin pünktlich fertig geworden, als eine Neufassung der Serie bekannt gegeben wurde, diesmal in 16:9 statt 4:3 und in HD. Na toll. Danach ging es mit „The Shield“ (FX, 2002 – 08) weiter, und dazwischen waren noch allerhand aktuelle Serien wegzuglotzen, so dass die reinen Brit- und Sitcoms dafür ein bisschen zu kurz gekommen sind.

Es waren allerdings auch außergewöhnlich viele zweite und dritte Staffeln dabei dieses Jahr und weniger neue Produktionen: von den 27 Britcoms sind 15 Fortsetzungen. Dass die Abstimmungsliste länger ist als 27, liegt daran, dass ich „You’re the Worst“ (FX) einfach den Briten zugeschlagen habe, obwohl es natürlich in Wahrheit eine US-Sitcom ist, und daran, dass ich die paar ComedyDramas aus Großbritannien nicht in eine eigene Abstimmung werfen, aber auch nicht ganz unter den Tisch fallen lassen wollte. Bei „Inside No. 9“ etwa kann man sich ohnehin streiten, was das nun genau ist: Sitcom oder ComedyDrama.

Weil aber für mein Empfinden sehr viele sehr gute amerikanische und britische Drama-Serien dieses Jahr gelaufen sind, gibt es zum ersten Mal eigene Abstimmungen dafür. Beide haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, weil ja doch zu vieles unter meinem Radar fliegt und auch meine Zeit begrenzt ist, aber ich hoffe, die besten Serien sind doch darunter. Ach ja, und weil das mein Blog ist, in dem ich machen kann, was ich will, habe ich bei den US-Dramaserien „Game of Thrones“ und „The Walking Dead“ weggelassen — dass die sonst auf Platz eins und zwei gelandet wären, ist mir ohnehin klar.

Nun denn, zur Abstimmung. Alle Polls schließen am nächsten Sonntag um Mitternacht. Beim ersten Poll zur besten britischen Sitcom 2014 hat jeder drei Stimmen, und ich bitte um Hinweise auf evtl. fehlende Sitcoms:

Beste Britcom 2014

  • You're the Worst (US) (12%, 25 Votes)
  • Detectorists (11%, 24 Votes)
  • Episodes (UK/US, Series 3) (10%, 21 Votes)
  • Uncle (8%, 18 Votes)
  • Moone Boy (Series 2) (7%, 16 Votes)
  • Scrotal Recall (7%, 15 Votes)
  • W1A (6%, 13 Votes)
  • Plebs (Series 2) (5%, 11 Votes)
  • Cuckoo (Series 2) (5%, 10 Votes)
  • Mr. Sloane (4%, 9 Votes)
  • Toast of London (Series 2) (3%, 7 Votes)
  • Siblings (3%, 7 Votes)
  • Rev (Series 3) (3%, 7 Votes)
  • Friday Night Dinner (Series 3) (3%, 6 Votes)
  • The Trip to Italy (2%, 5 Votes)
  • Outnumbered (Series 5) (1%, 3 Votes)
  • Inside No. 9 (ComedyDrama) (1%, 3 Votes)
  • Babylon (ComedyDrama) (1%, 3 Votes)
  • Him & Her (Series 4) (1%, 2 Votes)
  • House of Fools (1%, 2 Votes)
  • The Mimic (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • The Walshes (0%, 1 Votes)
  • The Life of Rock with Brian Pern (0%, 1 Votes)
  • The Job Lot (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Stella (Series 3) (ComedyDrama) (0%, 1 Votes)
  • Bluestone 42 (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Derek (Series 2) (0%, 1 Votes)
  • Edge of Heaven (ComedyDrama) (0%, 0 Votes)
  • Edge of Heaven (0%, 0 Votes)
  • Pramface (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Puppy Love (0%, 0 Votes)
  • Big School (Series 2) (0%, 0 Votes)

Total Voters: 97

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Bei den anderen beiden Abstimmungen hat jeder zwei Stimmen (und mir ist klar, dass einige gute Serien fehlen werden):

Beste britische Dramaserie 2014

  • Sherlock (Series 3) (31%, 31 Votes)
  • Happy Valley (17%, 17 Votes)
  • Downton Abbey (Series 5) (11%, 11 Votes)
  • The Fall (Series 1+2) (11%, 11 Votes)
  • In the Flesh (Series 2) (8%, 8 Votes)
  • Call the Midwife (Series 3) (7%, 7 Votes)
  • The Missing (7%, 7 Votes)
  • Our Zoo (4%, 4 Votes)
  • The Game (2%, 2 Votes)
  • The Driver (1%, 1 Votes)
  • Our Girl (0%, 0 Votes)

Total Voters: 67

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Bei den Wahlen zur besten US-Dramaserie sind, stelle ich gerade fest, nicht nur viele Serien nicht dabei, sondern auch eine eher apokryphe Show, nämlich „Z Nation“ (SyFy), eine postapokalyptische Zombieserie, die mir gerade mehr Spaß macht als „The Walking Dead“, weil es nämlich deutlich rabaukiger ist und hin und wieder schön die Grenze zum Quatsch streift, ohne sie zu übertreten, wenn es nämlich zum Beispiel bei einem Tornado fliegende Zombies gibt — und ein Protagonist dann auch gleich die Parallele zu „Sharknado“ zieht. Tounge in cheek nennt man das wohl.

Beste amerikanische Dramaserie 2014

  • Fargo (28%, 36 Votes)
  • True Detective (26%, 34 Votes)
  • Orange is the New Black (Series 2) (14%, 18 Votes)
  • Hannibal (Series 2) (6%, 8 Votes)
  • The Americans (Series 2) (5%, 6 Votes)
  • The Newsroom (Series 3) (5%, 6 Votes)
  • Masters of Sex (Series 2) (4%, 5 Votes)
  • Mad Men (Series 7) (4%, 5 Votes)
  • Homeland (Series 4) (4%, 5 Votes)
  • The Knick (2%, 3 Votes)
  • The Affair (2%, 2 Votes)
  • Z Nation (1%, 1 Votes)
  • From Dusk Till Dawn (0%, 0 Votes)
  • Extant (0%, 0 Votes)

Total Voters: 80

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Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?