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Archiv für die Kategorie ‘Sitcom’

Lovely, actually

8. November 2014 2 Kommentare

Man sollte sich vom Namen nicht irreführen lassen: „Scrotal Recall“ (Channel 4, gerade zu Ende gegangen) ist nicht annähernd die derbe, drastische Sitcom, die man vermuten könnte. Obwohl sich der Plot durchaus so erzählen ließe.

Denn vordergründig geht es darum, dass der Twentysomething Dylan (Johnny Flynn, kürzlich hier im Blog bei „Detectorists“ schon erwähnt) Chlamydien hat, m.a.W.: eine sexuell übertragbare Krankheit, die es erforderlich macht, alle vormaligen Bettpartner(-innen) aufzusuchen und zu informieren — oder jedenfalls die, die man mag.

Das tut der schüchterne Dylan dann auch: pro Folge besucht er eine Exfreundin, deren Namen je titelgebend ist, während wir gleichzeitig in Rückblenden die zugehörige Story erfahren, sprich: die Geschichten von sechs Beziehungen, die auf ihre jeweils eigene Weise schiefgegangen sind.

Ein Konzept, das schnell zum Korsett werden könnte, aber Writer/Producer Tom Edge („Pramface“) zieht alle erzählerischen Register: die Rückblenden sind mal zehn Monate, mal fünf Jahre, streifen aber immer wieder die gleichen Ereignisse im Leben Dylans, seiner besten Freundin und WG-Mitbewohnerin Evie (Antonia Thomas, „Misfits“) und seines Kumpels/Mitbewohners Luke (Daniel Ings). Vor allem die (in der ersten Folge) dramatisch entgleisende Hochzeit von Angus (Joshua McGuire) und Helen (Aimee Parkes) wird in den Rückblenden vor- und in der Gegenwart weitererzählt, so dass sich im Laufe der Serie ein Puzzle zusammensetzt, das die Serie über die in sich abgeschlossenen Episoden hinaus zu einer Erzählung macht und das Interesse der Zuschauer wachhält.

Und auch mit dem Format selbst spielt Edge ziemlich clever: Mal wissen wir lange gar nicht, welche namenlose Figur die im Titel genannte Dame ist, mal enthüllt eine Folge gleich am Anfang einen dramatischen Plotpoint, der uns involviert hält, mal führt er uns mit Tricks auf falsche Fährten, die ich hier nicht verraten will.

Vor allem aber ist die Serie, wie gesagt: anders als ihr Name glauben macht, nie krass, roh oder überzeichnet, sondern eher leise, warm und empathisch. Vor allem die unerfüllte Romanze zwischen Evie und Dylan, beide zu schüchtern, um den ersten Schritt zu machen, ist durchaus anrührend. Dass dafür Luke als einzige Figur umso larger than life gezeichnet wird, als ewiges Großmaul und unerschütterlichen Aufreißer, gibt „Scrotal Recall“ die Würze, den nötigen Pfeffer, die Kohlensäure im sonst eher stillen Wasser.

Einziges Manko ist das Ende der Staffel, ein Cliffhanger, der mich unbefriedigt hinterlassen hat: für einen Cliffhanger am Ende der Season war er nicht groß genug — eher so, dass man noch eine abschließende Folge erwartet, die dann aber nicht kommt. Weniger so, dass man unbedingt wissen will, wie es nun weitergeht, als dass ein, zwei Handlungsstränge nicht zu Ende erzählt worden sind.

Und auch die Qualität der einzelnen Folgen ist durchaus unterschiedlich: nach einer starken ersten Folge kommt eine deutlich schwächere zweite, gefolgt von wieder stärker werdenden weiteren Episoden.

Insgesamt aber sind „Scrotal Recall“ und „Detectorists“ zwei der schönsten Britcoms dieses Jahres: eher leise, melancholisch-komische Protagonisten (Flynn/Crook) mit glaubwürdigen Konflikten. Oder, wie die Frau über Flynns Dylan gesagt hat: „Endlich mal ein netter Typ!“

Depressionists

21. Oktober 2014 2 Kommentare

Es gibt kulinarische Kombinationen, von denen man denkt: niemals schmeckt das zusammen. Braten und Schokosauce zum Beispiel, oder Brombeeren und Schafskäse. Aber wenn man’s erst mal probiert hat, weiß man es besser. Salzig und süß gleichzeitig etwa kann enorm gut schmecken — wenn ich da nur an diese Karamellbonbons mit Meersalz denke: njam!

Salzig und süß geht auch in britischen Comedys gerne zusammen, vornehmlich bei solchen, die BBC4 gerne gut versteckt zeigt — wie in der Gastronomie sind im Fernsehen solcherart gewagte Geschmackszusammenstellungen halt nicht mehrheitstauglich.

Wenn man sie für sich entdeckt hat, mag man sie aber umso mehr schätzen.

„Detectorists“ (BBC4, drei von sechs Folgen sind bereits gelaufen) ist so eine Sitcom: langsam, leise, traurig bis depressionsfördernd. Wie auch anders, wenn die beiden Hauptfiguren Andy (Mackenzie Crook) und Lance (Toby Jones) zwei Underachiever in der kleinstädtischen Provinz von North Essex sind, die jede freie Minute damit verbringen, mit ihren Metallsuchgeräten durch Wiesen und Felder zu streifen, immer auf der Suche nach einem großen Schatz, immer enttäuscht von ihren Funden: Getränkedosenverschlüssen, kleinen Geldmünzen, Matchboxautos.

Insbesondere Andy, der Jüngere der beiden, ist eine traurige Figur: Teilzeitstudent der Archäologie, aber mit der Ahnung, dass sein Leben kein so rechtes Ziel hat. Für seinen Lebensunterhalt geht er hauptsächlich Reinigungsjobs nach, die er von einer Zeitarbeitsvermittlung bekommt; und wenn man ihn in zwei Szenen Staubsaugen und Gras mähen sieht, sind das genau die traurig-komischen Momente, die „Detectorists“ ihre Farbe geben: denn ob er saugt, mäht oder den Metalldetektor schwingt — das sind genau die selben Handbewegungen, tagein, tagaus.

Wäre da nicht die glückliche Langzeitbeziehung zu seiner Freundin Becky (Rachael Stirling), einer örtlichen Lehrerin, es blieben ihm nur die Nachmittage mit Lance und die Zeit im DMDC, dem Danebury Metal Detecting Club, in dem Lance und Andy andere Exzentriker vom gleichen Schlag treffen.

ANDY
I need a new place to search. All we turn up these days is litter and ring-pulls. This is the land of the saxons. I want to discover where they buried their warriors and their kings.

BECKY
Instead of where they had their snacks and soft drinks?

ANDY
Exactly.

„Detectorists“ lässt sich Zeit, die Konflikte zu entwickeln, aber glücklicherweise sind die dann doch handfester, als man zunächst denkt: es ist nämlich nicht nur die konkurrierende Truppe der Antiquisearchers (Simon Farnaby und Paul Casar), mit denen sich der DMDC (hauptsächlich rhetorische) Scharmützel liefert. Sondern es ist auch die überraschende Erlaubnis des verrückten Farmers Larry (David Sterne), auf seinen Feldern zu suchen — obwohl vor Jahren Larrys Ehefrau über Nacht verschwunden ist und man sich im Dorf recht einig ist, dass dafür vermutlich niemand anderes als Larry selbst verantwortlich ist.

Und es ist die junge Sophie (Aimee-Ffion Edwards), die den Herren vom DMDC die Köpfe verdreht und Becky eine Rivalin wittern lässt, wo eigentlich gar keine ist.

Vermutlich war es Mackenzie Crooks Erfolg mit „Pirates of the Caribbean“ und „The Office“, der die BBC erwogen hat, ihn diese auch für BBC4-Verhältnisse sehr melancholische Sitcom machen zu lassen. Und Crook beweist vor wie hinter der Kamera seine Talente: denn nicht nur spielt er die leise Verzweiflung Andys gleichermaßen komisch wie ernst, er spielt auch das Sujet der Hobby-Schatzsucher ebenso ernst wie komisch aus, oft beides im gleichen Moment.

Etwa wenn Andy eine Plakette mit der Gravur „Jim fixed it for me“ ausgräbt, sie aber lieber sofort wieder wegwirft, als sie zu seinen Schätzen zu legen: diese Plakette erhielten für gewöhnlich Kinder in der Fernsehshow „Jim’ll Fix It“ (BBC1, 1975 – ’94), nachdem Jimmy Savile ein Problem für sie gelöst hatte. Savile allerdings hat, wie man heute weiß, Kindern eher Probleme bereitet als sie für sie gelöst, und so ist es gleichermaßen komisch (und mutig von der BBC, einen so bösen selbstreferentiellen Gag zuzulassen) als auch bezeichnend für den Charakter Andys, der zwar graben, aber manchmal vielleicht doch lieber gar nichts finden will.

Sehr schön auch: das „Detectorists“-Titellied von Johnny Flynn, mit dem er auch einen kleinen Gastauftritt beim „Open Mic“-Abend des lokalen Pubs in der dritten Folge der „Detectorists“ hat. Gleichzeitig hat Flynn nämlich seine eigene Sitcom auf Channel 4, „Scrotal Recall“, die deutlich besser ist als ihr Titel, und von der ich in einem der nächsten Blogposts berichten werde.

Zweite Staffel für „You’re the Worst“

1. Oktober 2014 Keine Kommentare

Zum Glück sind FX die Quoten offenbar nicht so wichtig: „You’re the Worst“, die britischste US-Sitcom seit langem, erhält eine zweite Staffel — trotz mediokrer Zuschauerzahlen. Und nicht nur das, sondern auch mehr Episoden: 13 statt der 10 Folgen der ersten Season. Dass FX die Serie seinem Nebenkanal FXX zuschiebt, spielt da gar keine so große Rolle, der war schließlich von Anfang an als Kanal für die jüngere Zielgruppe gedacht und ist seit der Aktion, alle „Simpsons“-Folgen am Stück zu zeigen, auch ins Bewusstsein des TV-Publikums gerückt.

Die zweite Staffel „You’re the Worst“ freut mich sehr, denn diese Sitcom um zwei emotional derangierte Thirtysomethings in L.A. gehört zu den besten US-Comedies seit Jahren: dunkel, extrem unamerikanisch in Hinsicht auf sexuelle Freizügigkeit, likeability der Hauptfiguren und Regie-Ambitionen.

Ein amerikanisches „Spaced“ (Channel 4, 1999 – 2001) für die 2010er-Jahre, würde ich fast sagen, jedenfalls legen nicht nur der britische Touch, die filmische Regie und die hohe Witzdichte das nahe, sondern auch die Medienaffinität der männlichen und weiblichen Hauptfigur und dass Tim wie Jimmy einen besten Freund mit Militärvergangenheit hat (obwohl Mike ja eher eben keine Militärvergangenheit hatte, aber eine starke Vorliebe für alles Militärische) und Daisy wie Gretchen eine beste Freundin, die ziemlich bitchy drauf war.

Na ja, und dass eben hier wie da die Figuren, bei „You’re the Worst“ trotz ihrer emotionalen Blindheit, einem schnell ans Herz wachsen, weil beide Serien trotz aller Comedy die Probleme ihrer Figuren ernst nehmen.

Mit anderen Worten: Bitte sofort „You’re the Worst“ gucken. Wenn es mit halbwegs rechten Dingen im Humoruniversum zugeht, wird diese Serie in das Comedyerbe der 10er-Jahre aufgenommen werden.

Der respektiert Mr. Sloane

26. September 2014 Keine Kommentare

Wenn der Protagonist einer neuen Sitcom in deren erster Minute den Versuch unternimmt, sich zu erhängen, dies aber nicht schafft, weil die Schlinge aus der Verankerung reißt und der halb Strangulierte auf dem Wohnzimmerboden landet — dann ist das keine Überraschung (und deshalb auch kein Lacher). Wenn allerdings im nächsten Moment das Telefon klingelt, der eben noch Suizidale rangeht und mit melodischer Stimme »Watford 10579« in den Hörer flötet, als sei gar nichts gewesen und als säße er nicht mit einem Seil um den Hals im Bauschutt: dann ist das ein Gag. Und mehr als das: Es umreißt den Grundkonflikt von »Mr. Sloane« (Sky Atlantic), nämlich den eines nicht mehr ganz jungen Biedermannes, vor dem Abgrund zu stehen, sich aber nichts anmerken lassen zu dürfen.

Mr. Sloane jedenfalls gibt sein Bestes, die »old chap«-Fassade aufrechtzuerhalten. Von seiner Frau verlassen, als Buchhalter gefeuert, lässt er sich stoisch weiterhin von seinen drei Kumpel im Pub freundlich demütigen. Alles, was er dem trostlosen Leben entgegenzuhalten weiß, sind Saufen und Fressen. Denn obwohl es Ende 1969 ist und London längst swingt, ist davon in der Spießerwelt Watfords rein gar nichts zu spüren: Dort gehört es zum guten Ton, die Kinder während des abendlichen Pub-Besuchs im Auto warten zu lassen und anschließend volltrunken nach Hause zu fahren. Sloane selbst, stets korrekt gekleidet und immer verbindlich, ist im Grunde sogar noch in den Fünfzigern zu Hause. Da braucht es schon den Weckruf eines amerikanischen Blumenmädchens, das sich in die Provinz verirrt hat, um Sloane aus seinem selbstgeschaufelten Grab zu helfen. Oder ihn jedenfalls erkennen zu lassen, dass es sein Grab ist, das er sich da geschaufelt hat, und nicht seine Zukunft als wohlangesehener Mann.

»A Well Respected Man« von den Kinks hat Robert B. Weide, seines Zeichens Co-Creator und Regisseur von »Curb Your Enthusiasm«, als Titelsong für seinen Ausflug ins britische Fernsehen gewählt, und Weide schafft es, den Spott über das Altmodisch-Reaktionäre, der in diesem Song wie in der ganzen Serie steckt, stets auszubalancieren: indem er nämlich Nick Frost als Sloane besetzt. Frost, statt diesen armen Mann zur Witzfigur zu machen, legt Sloane so melancholisch-gutmütig an, dass man gar nicht anders kann, als mit ihm zu sympathisieren. Und nicht nur mit ihm, sondern mit der ganzen Serie.

Denn »Mr. Sloane« ist durchgehend sympathisch: sehr britisch (was erstaunt; ist doch Weide selbstredend Amerikaner), sehr filmisch gedreht mit viel Dunkelheit und starken Kontrasten, sowohl mit trockenem Humor als auch mit Slapstick ausgestattet und mit einer durchgehend starken Besetzung, von Olivia Colman (»Peep Show«) als (Ex-)Frau Sloanes bis hin zu Peter Serafinowicz als Sloanes Freund, Arbeitskollege und Bully.

Leider ist Weides Vorliebe fürs Altmodische zugleich die Schwäche der Serie. Denn einige Scherze (dicke Frauen fragen, »wann es denn soweit ist«; verstopfte Toiletten mit einem Regenschirm bearbeiten; Verwechslung von anzüglichem Hochzeitsgruß mit einer Beileidskarte) meint man nun doch schon gesehen zu haben, und auch ein unfreiwilliger Haschischrausch Sloanes hat Auswirkungen, die man eher LSD zuschreiben würde als harmlosem Marihuana. Andererseits sind viele von Weides Onelinern so gut, dass man sie bereits für Klassiker halten könnte. Etwa den, wenn sich die Freunde im Pub über das Eheleben unterhalten: »I’ll never get married. I just find a woman who hates me and then buy her a house.«

zuerst erschienen in der Humorkritik in Titanic 10/2014.

Giftige Romcom

16. September 2014 3 Kommentare

Toxic nennen Amerikaner, für die soziale Begegnungen ja gar nicht oberflächlich freundlich genug sein können, solche Mitbürger, deren Stinkstiefeligkeit alle Menschen in ihrer Umgebung „runterzuziehen“ droht. Quietschvergnügt muss das Sozialleben ja mindestens sein in den USA, und wer seine Umwelt nicht permanent mit guter Laune ansteckt, sondern ein Miesepeter ist, ein mürrischer Brummkopf oder gar Engländer, der wird geschnitten, kriegt keine Weiber ab und kann sich schon freuen, wenn er zur Hochzeit seiner Exfreundin eingeladen wird.

Wenn er dann doch eine abkriegt, die gerade Bock auf einen sinnlosen One Night Stand hat, weil sie Hochzeiten deprimierend findet, und sich aus diesem One Night Stand dann eine (Nicht-) Beziehung entwickelt, die „kompliziert“ zu nennen eine schamlose Untertreibung wäre: dann ist das Rezept für eine Sitcom gefunden, die auf dem amerikanischen Markt gerade ziemlich einzigartig ist.

„You’re the Worst“ (FX, gerade sind neun von zehn Folgen gelaufen) erzählt die Geschichte dieser, genau: toxic relationship, also die Geschichte von Jimmy Shive-Overly (Chris Geere), einem englischen Jungautor in Los Angeles, und Gretchen (Aya Cash), der PR-Frau einer schwer angesagten schwarzen HipHopper-Bande. Beide sind recht erfolgreich, zumindest hat Jimmys Vorschuss auf sein erstes Buch für ein schniekes Haus gereicht, und Gretchen hat jederzeit genügend Kohle für Drogen auf der Naht.


Beide funktionieren also, wie es sich für anfang Dreißigjährige in L.A. (und auch überall sonst) gehört; aber beide sind emotional taub und blind, könnten ihre Gefühle kaum benennen, wenn sie denn welche hätten, und würden sie aber auch dann verleugnen, wenn sie welche hätten und sie benennen könnten.

Stattdessen haben sie schon mit Anfang Dreißig das Konzept von festen Beziehungen begraben — und müssen sich, als sie einander als verwandte Geister erkannt haben, umso quälender an den kleinsten Dingen abarbeiten, die Paare so tun: zusammen aufwachen, Schlüssel tauschen, die gemeinsamen Sonntags-Aktivititäten gegen nervtötende Hipster verteidigen.

Zum Glück schafft es Creator Stephen Falk, der schon für das hervorragende „Orange is the New Black“ (Netflix seit 2013) und „Weeds“ (Showtime, 2005 – ’12) geschrieben hat, Jimmy und Gretchen nicht als die ungehobelten, narzisstischen, lauten dreißigjährigen Pubertierenden erscheinen zu lassen, die sie sind — nun ja, jedenfalls nicht nur. Er stellt ihnen Jimmys Hausmitbewohner Edgar (Desmin Borges) zu Seite, einen an PTSD leidenden Veteran, der trotz seiner Heroin- und Medikamentenabhängigkeit die verständigste, mitfühlendste, sympathischste Figur der Serie ist, immer um Jimmy und Gretchen und ihre Beziehung besorgt, und Lindsay (Kether Donohue) als Gretchens beste Freundin, die längst bereut, dass sie einen spießigen Langweiler geheiratet hat, um finanziell abgesichert zu sein.

Dank dieser Nebenfiguren ergibt sich nämlich ein größeres Bild: eines von einer Generation, die sich zwischen beruflicher und existenzieller Anpassung und innerer Leere aufreibt, an sich selbst leidet und damit ihren Mitmenschen gehörig auf die Nerven geht. Im wirklichen Leben möchte man nämlich weder Gretchen noch Jimmy begegnen (z.B. im Kino).

Allerdings möchte man den meisten Figuren dieser Serie nicht im wirklichen Leben begegnen: weder dem noch egozentrischeren Filmregisseur, mit dem Gretchen hin und wieder schläft, noch den schwarzen Hip Hoppern, von denen einer Shitstain heißt und die insgesamt enorm von Donald Glovers Troy Barnes in „Community“ profitieren. Schon gar nicht aber den Hütchen-Hemdchen-Bärtchen-Hipstern, die schamlos Edgars „Funday“-To-Do-Liste abkupfern (obskurer Plattenladen, Nackenmassage im Park, versteckter Taco-Stand).

Bedauerlich, dass „You’re the Worst“ noch nicht die Aufmerksamkeit gefunden hat, die die Serie verdient (in den USA im Schnitt nur eine halbe Million Zuschauer), denn die könnte, wenn sie sich so weiterentwickelt, durchaus mit „Parks and Recreation“ oder dem US-„The Office“ mithalten. Mit Alex Hardcastle ist auch schon ein (britischer) Regisseur genau dieser Serien an Bord, der außerdem schon bei „Lead Balloon“ und „Not Going Out“ Regie geführt hat, und ebenso Matt Shakman, der schon bei „Mad Men“, „Six Feet Under“, „House M.D.“ und „It’s Always Sunny in Philadelphia“ auf dem Regiestuhl saß.

Vielleicht lösen dann Jimmy und Gretchen am Ende noch „Communitys“ Britta ab, von der es ja nun bislang immer hieß: You’re the worst. Sechs Staffeln und einen Film, bitte!

Gute Witze, schlechte Witze

2. September 2014 6 Kommentare

Seit ich (bewusst) fernsehe, gibt es amerikanische Sitcoms, bei denen ich immer mal wieder beim Durchzappen hängen geblieben bin; einige davon habe ich irgendwann regelmäßig geguckt; zwei davon habe ich irgendwann komplett auf DVD erworben und auch noch einmal von A bis Z geguckt: „Seinfeld“ (NBC, 1989 – ’98, deutsche Erstausstrahlung 1995 auf ProSieben) und „Frasier“ (NBC, 1993 – 2004, dt. Ea. 1995 auf Kabel eins). Jetzt, nachdem das Box Set in Großbritannien auf erschwingliches Niveau gefallen ist, ist „Cheers“ dran (NBC 1982 – ’93, dt. Ea. 1985 im ZDF).

Klar, nach „Cheers“ kamen US-Sitcoms, die mich mehr geprägt haben: „Married … with Children“ (Fox, 1987 – ’97, dt. Ea. 1992 auf RTL als „Eine schrecklich nette Familie“) und „Frasier“, weniger schon wieder „Friends“ (NBC, 1994 – 2004, dt. Ea. 1996 auf Sat.1). Heute bleibe ich hin und wieder bei „The Big Bang Theory“ (CBS, seit 2007, dt. Ea. 2009, ProSieben) und „How I Met Your Mother“ (CBS, 2004 – ’15, dt. Ea. 2008, ProSieben) hängen, aber erwerben und von Anfang an gucken würde ich sie nicht. Jedenfalls nicht in absehbarer Zeit.

Alle diese Sitcoms hatten drei Gemeinsamkeiten:

– Sie liefen sehr lange und hatten viele Folgen pro Staffel (i.d.R. über 20), so dass sie schon allein qua Menge praktisch täglich liefen und laufen, oft sogar mehrere Folgen am Tag. Man konnte ihnen gar nicht entkommen. Schon gar nicht früher, als es noch nicht so viele Sender gab.

– Sie waren praktisch statisch, d.h. es kamen zwar über die Staffeln hinweg Figuren dazu und andere Figuren verließen die Show, aber abgeschlossene Handlungsbögen (wie sie bei britischen Sitcoms mit ihren sechs Folgen pro Season die Regel sind) gab es praktisch nicht. Dass mal eine Figur eine andere heiratete (Niles etwa Daphne) war schon ein Höhepunkt und auf lange Sicht auch schon einigermaßen knifflig, weil es das Beziehungsgefüge der Figuren ja nicht unwesentlich veränderte. Die Frage will they, won’t they war damit nämlich beantwortet.

– Sie waren alle live vor Publikum aufgezeichnet.

Als ich gestern nun die ersten drei Folgen „Cheers“ zum ersten Mal in dieser Reihenfolge gesehen habe (womöglich auch tatsächlich zum ersten Mal, jedenfalls konnte ich mich nicht daran erinnern, wie Diana überhaupt zum Bar-Team gestoßen ist), war ich überrascht: überrascht, wie gut „Cheers“ gealtert ist. Denn 1982 war ich zehn, die Fernsehstandards haben sich seitdem stark geändert, und ich wüsste auf Anhieb weder eine deutsche noch eine englische Sitcom aus dieser Zeit, die heute noch den Test der Zeit so gut bestünde.

Aber „Cheers“ funktioniert wie ein Uhrwerk: Diana (Shelley Long) kommt in der Pilotfolge als die neue Figur in ein schon bestehendes Setting (das der Bar), und zwar auf eine Weise, die ihre spannungsgeladene Beziehung zu Sam (Ted Danson) klärt: sie, Studentin der Boston University, ist mit ihrem Verlobten, dem Professor Sumner Sloan auf dem Weg zur Hochzeit und in die Flitterwochen. Er will nur noch den Ehering von seiner zukünftigen Exfrau holen, Diana wartet so lange im Cheers. Und wartet. Und wartet. Und lässt sich so lange von Sam aufziehen, der als ehemaliger Jock, als gutaussehender (und dem Vorurteil nach dümmlicher) Sportler das Gegenteil von dem ist, was Diana als männliches Ideal vorschwebt. Während umgekehrt natürlich auch sie als halbintellektuelle Oberschichtsangehörige überhaupt nicht in sein Beuteschema passt.

Während Diana also auf ihre Verlobten wartet (der selbstverständlich nicht zurückkehrt), wird uns das restliche Personal vorgestellt: Coach (Nicholas Colasanto) als seniler Alter, der für irrlichternd-abseitige Witze zuständig ist, Carla (Rhea Perlman) als verbitterte Kellnerin, dere Gebiet die schneidend-treffende Punchline ist, sowie die Stammgäste Norm (George Wendt) und Cliff (John Ratzenberger), die das tun, was Bargäste tun: saufen und Quatsch reden („Bier? Ja, davon habe ich gehört“).

Die Dialoge aber sind so schnell und mit guten, nacherzählbaren Pointen gestrickt, dass ich kaum mit dem Mitschreiben nachgekommen bin: visuelle Scherze, Dialogscherze, schnell reingestreute Gags (das Telefon klingelt. Carla: „Who’s not here?“ alle Gäste: „Me!“) — alle Witze zeitlos (also ohne Anspielungen ewta auf zeitgenössische Promis oder Themen), immer in charakter (also nicht nur komisch, sondern auch die Figur beschreibend, die den Gag liefert) und selten der erwartbarste Witz, sondern meistens ein besserer. Wenn es aber der Witz war, den ich habe kommen sehen, dann war er immerhin viel schöner ausgeführt, als ich es erwartet hätte.

Aber das sind halt die Vorteile, wenn man erfahrene Produzenten (in diesem Falle James Burrows, Glen Charles und Les Charles) und Autoren hat (u.a. Ken Levine und Earl Pomerantz), die in der Lage sind, so gute Witze gut in Szene zu setzen, dass ein Live-Publikum sich wegschmeißt vor Lachen.

Und dann habe ich „Welcome to Sweden“ gesehen (NBC, 2014).

Gut, das hätte ich nicht, wenn nicht Amy Poehler („Parks and Recreations“) als Produzentin hinter dieser Show steckte, in der ihr Bruder Greg Poehler die Haupt- und sie selbst eine Nebenrolle spielt. Wie auch Aubrey Plaza (dito „Parks and Rec“), Will Ferrell, Gene Simmons von Kiss, Patrick Duffy und andere Prominente.

„Welcome to Sweden“ ist eine mit nur einer Kamera gefilmte Sitcom (das immerhin im schönen Schweden), also ohne Publikum. Und das ist auch besser so, denn viel zu lachen hätte da auch niemand. Was jetzt nicht bedeuten soll, dass das die Anforderung an jede Comedy ist; Louis CK etwa schafft ja auch (oft) gute Sitcomfolgen, die ohne große Lacher auskommen.

Aber „Welcome to Sweden“ behauptet, komisch zu sein. Stattdessen liefert die Show über US-Expat Bruce (Poehler), der mit seiner schwedischen Frau Emma (Josephine Bornebusch) in ihre Heimat zieht, dann allerdings nur konventionelle Peinlichkeitsscherze, die ohne große Pointen auskommen — wenn sich etwa Emma mit einer Freundin auf Schwedisch über eine sterbende gemeinsame Bekannte unterhält und Bruce dazwischenkaspert, indem er sich über die schwedische Sprache lustig macht. Oder komisch gemeinte Figuren wie Emmas Slacker-Bruder Gustaf, der aber über diese eine Eigenschaft großer Faulheit hinaus völlig flach bleibt.

Ich habe so eine Ahnung, dass „Welcome to Sweden“ in dreißig Jahren nicht mehr so gut funktioniert wie „Cheers“ heute. Aber das ist nur so eine Ahnung. Als Kontrastmittel zu einer klassischen Sitcom hätte es aber kaum ein besseres geben können.

Und „Welcome to Sweden“ hat so (unfreiwillig und eher zufällig) meine These untermauert, dass es kein Zufall ist, dass die großen Sitcoms, die, mit denen wir auf- und die uns ans Herz wachsen, alle live vor Publikum gedreht sind. Schon weil ein Livepublikum der beste Test dafür ist, wie komisch eine Sitcom tatsächlich ist.

„Cheers“ ist komisch, nach dreißig Jahren immer noch. „Welcome to Sweden“ nicht.

Ich werde über die nächsten Wochen nach und nach die 42 DVDs durcharbeiten, die der Ziegel von einer Komplettbox „Cheers“ hat, oder es jedenfalls versuchen, und darüber bloggen. Wenn es etwas Bloggenswertes gibt jedenfalls.