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Archiv für die Kategorie ‘Sitcom’

Brooklyn nein-nein

28. Januar 2014 Keine Kommentare

Die Frau und ich haben leicht unterschiedliche Fernsehgeschmäcker. Nicht völlig unterschiedlich, naheliegenderweise, aber doch ein wenig. Sie schläft gerne mal bei Nerd-Comedy wie „Community“ ein (etwa bei der vorletzten Folge, einer bottle episode, die nur im Studienraum der Gruppe spielte) und behauptet dann, das sei „nicht lustig“ gewesen, obwohl meine Theorie eher die ist, dass man gar nichts lustig finden kann, während man schläft. Und ich gucke die eine oder andere Folge ComedyDrama wie vielleicht „Doc Martin“ oder „Stella“ eher ihr zuliebe, als dass ich wirklich noch mehr romantische Abenteuer zwischen Provinzbewohnern mit liebenswerten Schrullen sehen müsste.

Meistens aber sind wir uns einig. Zum Beispiel bei „Parks and Recreation“ (NBC, seit 2009), das auch in der sechsten Staffel noch so gut ist, dass es in unserem TV-Programm ganz oben steht. Oder „Cuckoo“ (BBC3, 2012) mit dem fabelhaften Andy Samberg. Was also lag näher, als dass „Brooklyn Nine-Nine“ (Fox, seit September 2013) eine neue gemeinsame Lieblingsserie werden würde, stammt es doch wie „Parks and Recs“ (und die US-Version von „The Office“) von Michael Schur und seinem Co-Autor (auch bei „Parks“) Dan Goor und featured in der Hauptrolle Andy Samberg als New Yorker Polizisten?

Tatsächlich: „Brooklyn Nine-Nine“ ist komisch. Samberg nervt und unterhält genauso wie in „Cuckoo“ in seiner Rolle als kindisch-lustiger Detective Jake Peralta, die einzelnen Folgen sind sehr schnell (so schnell, dass der Nachklapp unter den Schlusstiteln oft noch eng mit der Handlung der Folge zu tun hat), und die Figuren, die um Samberg herumgestellt sind, erinnern zwar mehr oder weniger deutlich an die aus „The Office“ und „Parks and Recs“ (Rosa Diaz [Stephanie Beatriz] ist schon allzu deutlich an April Ludgate [die sensationelle Aubrey Plaza] angelehnt), funktionieren aber dennoch/genau deswegen. Wir waren so begeistert, dass wir gleich vier, fünf Folgen am Stück weggeguckt haben.

Dann aber stellte sich eine überraschende Ernüchterung ein: Das Bedürfnis weiterzugucken wurde im Laufe einer Woche viel weniger stark, als ich es erwartet hätte. Und die Folge, die wir dann gesehen haben, war zwar wieder voll mit Knallergags und hübschen Ideen. Aber so richtig heiß loderte das Feuer in unseren Herzen und, äh, unterm Zwerchfell nicht mehr.

Tatsächlich haben Schur und Goor für „Brooklyn Nine-Nine“ eine Zutat radikal sparsamer eingesetzt als für „Parks and Recs“: nämlich Emotion. Zwar ist Leslie Knope (Amy Poehler) schon per se liebenswerter als der aufsässige Jake Peralta. Aber auch die Geschichten um Leslies Liebesleben und das der Figuren im Grünanlagendepartment kommen bei „Parks and Recs“ deutlich stärker zum Tragen als die in „Brooklyn Nine-Nine“. Wo sie nämlich (fast) vollkommen fehlen. (Es gibt zwar einen Subplot rund um eine zum Scheitern verurteilte, weil einseitige Liebe zwischen Diaz und dem Unglücksraben Boyle [Joe Lo Truglio], aber die wird nur zum komischen Effekt eingesetzt.)

Das liegt nah, einerseits. Auch das legendäre „Police Squad!“ (ABC, 1982), mit dem Zucker, Abrahams, Zucker die Grundlage für die „Naked Gun“-Reihe schufen, war schon genauso gestrickt: dicht voll mit Gags, frei von emotionaler Tiefe. Das Genre Police Procedural eignet sich vermutlich auch schlechter für Liebes-Nebenhandlungen, weil die immer sofort berufliche Komplikationen mit sich bringen, seien es die Kollegen, die sich in amouröse Stricke verheddern, oder, schlimmer noch, Polizisten und Zeugen/Verdächtige/Opfer oder gar Täter. Da ist die Stadtverwaltung deutlich geeigneter, in der es nicht sofort größte Konflikte gibt, wenn sich Angestellte miteinander einlassen. Oder mit Bürgern.

Aber leider fehlt ohne dieses Investment in die Charaktere auch sofort der Anker für den Zuschauer: Warum soll ich mit Peralta mitfühlen, wenn er gegen konkurrierende Detectives von anderen Dezernaten den Kürzeren zieht? Oder wenn er gegen einen Jugendlichen nicht ermitteln kann, weil dessen Vater Schlüsselfigur in der Polizei ist? Sambergs Jake Peralta ist in erster Linie eine pain in the ass, Leslie Knope hingegen ist eine Kämpferin für das Gute, Wahre und Schöne. Peralta ist Bart Simpson, Leslie Knope ist Lisa — und so komisch Bart, so komisch Homer ist: wirklich emotional verbunden bin ich als Zuschauer mit Lisa und Marge.

„Brooklyn Nine-Nine“ ist freilich trotz dieser Einwände immer noch sehr komisch und hat zu recht zwei Golden Globes abgeräumt. Die erste Staffel „Brooklyn Nine-Nine“ würde in meinem Privatranking vermutlich sogar gegen die vierte „Community“ gewinnen (nicht gegen die aktuelle, die ist wiederum deutlich besser als „Brooklyn Nine-Nine“). Aber es ist ein eindrucksvoller Beleg dafür, wie viel komischer Comedy sein kann, wenn man in die Charaktere investiert ist, wenn die Komik auch aus den Charakteren heraus kommt — und nicht ausschließlich aus Onelinern, Slapstick und schnellen Pointen, wie phantastisch auch immer sie sein mögen.

Jahresendabstimmung

9. Dezember 2013 9 Kommentare

Alle Jahre wieder: der kleine britcoms.de-Poll zu den UK-Sitcoms des vergangenen Jahres. Dieses Jahr war so viel los, dass ich erstmals tatsächlich zwei Polls zu Sitcoms und ComedyDrama mache; von den US-Sitcoms dagegen habe ich übers Jahr so wenig mitbekommen, dass ich mir einen Poll mangels eigener Qualifikation spare. Einzige Ausnahme: Ich habe Stephen Merchants „Hello Ladies“ ganz unten der Liste hinzugefügt, obwohl die Serie genaugenommen us-amerikanisch ist (HBO).

Interessanterweise gibt es dieses Jahr sehr viele neue Sitcoms, im Vergleich dazu aber sehr wenige neue ComedyDramas — und umgekehrt: „Doc Martin“ war schon in der sechsten Staffel zu sehen, „Being Human“ und „Misfits“ in der fünften (wobei „Misfits“ einen angenehmen Qualitätszuwachs in diesem Jahr im Vergleich zur vierten Staffel zu verzeichnen hatte, wohingegen „Being Human“ doch sehr schwächelte); von den Veteranen „Skins“ (siebte Staffel) und „Shameless“ (elfte! Staffel) ganz zu schweigen.

Dieses Jahr hat jeder Voter drei Stimmen bei den Sitcoms und zwei Stimmen bei den ComedyDramas. Der Poll läuft bis einschließlich nächsten Sonntag, den 15.12., und wie immer bitte ich, mich auf eventuell fehlende Serien hinzuweisen, die ich dann nachtrage.

Ich bin gespannt auf die Ergebnisse!

Hier bitte drei Stimmen abgeben:

Beste Britcom 2013

  • Family Tree (13%, 18 Votes)
  • Plebs (12%, 16 Votes)
  • Count Arthur Strong (8%, 11 Votes)
  • Vicious (8%, 11 Votes)
  • Some Girls (7%, 9 Votes)
  • The Mimic (4%, 6 Votes)
  • The Spa (4%, 5 Votes)
  • Toast of London (4%, 5 Votes)
  • The Job Lot (4%, 5 Votes)
  • Big School (4%, 5 Votes)
  • Up The Women (4%, 5 Votes)
  • Yonderland (4%, 5 Votes)
  • Him & Her (Series 4) (3%, 4 Votes)
  • Miranda (Series 3) (3%, 4 Votes)
  • Man Down (3%, 4 Votes)
  • Citizen Khan (Series 2) (2%, 3 Votes)
  • Bluestone 42 (2%, 3 Votes)
  • Trollied (Series 3) (1%, 2 Votes)
  • A Young Doctor's Notebook (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Pramface (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Bad Education (Series 2) (1%, 2 Votes)
  • Psychobitches (1%, 2 Votes)
  • Way To Go (1%, 1 Votes)
  • Chickens (1%, 1 Votes)
  • Drifters (1%, 1 Votes)
  • Father Figure (1%, 1 Votes)
  • London Irish (1%, 1 Votes)
  • Heading Out (1%, 1 Votes)
  • Big Bad World (0%, 0 Votes)
  • Badults (0%, 0 Votes)
  • You Me And Them (0%, 0 Votes)
  • Blandings (0%, 0 Votes)
  • Bob Servant Independent (0%, 0 Votes)
  • The Wright Way (0%, 0 Votes)
  • Pat And Cabbage (0%, 0 Votes)
  • The Café (Series 2) (0%, 0 Votes)

Total Voters: 59

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Hier bitte zwei Stimmen abgeben:

Bestes britisches ComedyDrama 2013

  • The Wrong Mans (29%, 35 Votes)
  • Ambassadors (27%, 33 Votes)
  • Black Mirror (Series 2) (13%, 16 Votes)
  • Misfits (Series 5) (9%, 11 Votes)
  • Fresh Meat (Series 3) (7%, 9 Votes)
  • Derek (5%, 6 Votes)
  • Doc Martin (Series 6) (4%, 5 Votes)
  • A Touch of Cloth (Series 2) (3%, 4 Votes)
  • Skins (Series 7) (2%, 2 Votes)
  • Being Human (Series 5) (1%, 1 Votes)
  • Shameless (Series 11) (0%, 0 Votes)
  • Mount Pleasant (Series 3) (0%, 0 Votes)
  • Being Eileen (0%, 0 Votes)
  • Hebburn (Series 2) (0%, 0 Votes)
  • Great Night Out (0%, 0 Votes)
  • Common Ground (0%, 0 Votes)

Total Voters: 68

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Die Britcom-DVDs des Jahres

3. Dezember 2013 Keine Kommentare

Hier kommt das alljährliche Humorkritik Spezial zu den DVD-Neuerscheinungen der Saison, so wie es in der aktuellen Titanic drin steht. Wer das Blog regelmäßig verfolgt, weiß eh schon alles — für alle anderen steht’s jetzt hier noch mal zum Nachlesen.

Die große Britcom-Koalition ist da!

Wir haben mal eben für Sie gewählt: Hier sind die besten Comedy-DVDs aus Großbritannien. Eines ist klar: they rule! In welchem Quatschministerium jeweils, das verrät Ihnen Britcom-Wahlexperte Oliver Nagel

Das ist eine Überraschung: absolute Mehrheit für die BBC! Nachdem im vorvergangenen Jahr Rupert Murdochs Bezahlsender Sky fast in allen Comedy-Wahlkreisen die Abstimmungen für sich gewinnen konnte, hat die alte Tante BBC 2013 wieder die Nase vorn. Nicht zuletzt, weil sie viele Themen besetzen konnte, die den Wähler interessierten: den Kriegseinsatz in Afghanistan (»Bluestone 42«) und Sterbehilfe (»Way to Go«), aber auch Integration islamischer Menschen in die westliche Gesellschaft (»Citizen Khan«) und Familie (»Family Tree«). Da blieb auch für ITV, das auf die Themen Arbeitsmarkt (»The Job Lot«) und Gleichstellung von Homosexuellen (»Vicious«) setzte, nur die Opposition – während Sky gleich ganz aus dem Fernsehparlament geflogen ist.

Aber der Reihe nach. Die wichtigste Rolle in der künftigen Britcom-Regierung wird wohl »The Wrong Mans« (BBC Two) spielen. Denn James Corden und Mathew Baynton (beide »Gavin & Stacey«-elder statesmen) schaffen es in diesem Agenten-Pastiche, mit den Versatzstücken des Genres zu spielen, ohne es dabei zu zerstören. Und so sieht man ihnen, zwei schnell überforderten städtischen Angestellten, atemlos dabei zu, wie sie sich in einen Entführungsfall verwickeln lassen, der Mi5-Agenten, russische Spione und überbesorgte Mütter auftischt und wieder abräumt, bevor ein einzelner Handlungsstrang zu lang wird. Die Fallhöhe zwischen Dingen, die Agenten eben so tun (etwa von Brücken auf fahrende Züge springen), und dem, wie durchschnittliche städtische Angestellte dieselbe Situation durchstehen (nämlich indem sie sich anschließend unter lautem »Au, au, au«-Heulen den Hintern massieren), hat das BBC2-Publikum mit den höchsten Einschaltquoten einer Comedy seit »Extras« belohnt, und das war immerhin schon 2005. Zu Recht, »The Wrong Mans« ist nämlich trotz seines wenig gelungenen Titels die beste Serie des Jahres und das Jack-Bauer-Ministerium damit besetzt.

Tom Basden, »Wrong Mans«-Co-Autor und -Nebendarsteller, hatte wohl ein gutes Jahr, denn er war in gleicher Funktion bei »Plebs« (ITV2) eingespannt, unserem Kandidaten für das Ministerium für Brot und Spiele. Wer immer schon mal wissen wollte, welche Probleme Jugendliche im alten Rom mit dem Heranwachsen hatten, dem sei die Serie empfohlen. Kleiner Tip: Sie sind heutigen Problemen verblüffend ähnlich. Wer hätte nicht schon mal überlegt, seinen Sklaven einfach vor dem Club stehen zu lassen, wenn man den Eintritt schon kaum für sich selbst bezahlen kann? »Plebs« ist für alle, die bislang ihr Kreuzchen bei »The Inbetweeners« gemacht haben: etwas für die männlichen Jungwähler.

Schöngeistiger geht es da im Dandy-Ministerium bei »Vicious« (ITV) zu: Die beiden Veteranen Sir Ian McKellen (ja, der aus »Herr der Ringe«) und der in England annähernd ebenso berühmte Sir Derek Jacobi geben in dieser ironisch-theatralischen Sitcom ein über die Maßen schwules Paar alternder Schauspieler, die ihre Verarmung mit allerhand Pathos überspielen und eine keineswegs nachlassende Vorliebe für junge Männer haben, namentlich den neuen Nachbarn (Iwan Rheon, »Misfits«, »Game of Thrones«). Altmodisch, live vor Publikum und grell, aber es ist halt immer wieder komisch, wenn sich flamboyante alte Diven gegenseitig beleidigen – zumindest wenn es mit so gewählten Worten wie hier geschieht und von altehrwürdigen Charakterdarstellern wie diesen gespielt wird.

Ebenfalls ein alternder Bühnenkünstler, aber mit viel gröberen Strichen gezeichnet, ist »Count Arthur Strong« (BBC Two). Er nervt, und zwar sehr – erst mal seine Umwelt, insbesondere Michael (Rory Kinnear), der ein Buch über Arthur (Steve Delaney) schreiben möchte, dann aber auch so manchen Zuschauer. Eine echte Marmite-Comedy: Man liebt sie oder haßt sie so wie den bitteren Brotaufstrich. Wahrscheinlicher, daß man sie liebt, wenn man »Father Ted« und/oder »Black Books« und/oder »The IT Crowd« mochte, denn »Count Arthur Strong« stammt nicht nur aus der Feder seines Darstellers, sondern auch von Graham Linehan. Der ist für einen eher albernen Humor bekannt, und doch schafft es Arthur in der zweiten Hälfte der Staffel auch in die Herzen seiner Zuschauer – obwohl er natürlich Quälgeist bleibt.

Sehr viel leiser dagegen geht es im Melancholie-Ministerium zu: »The Mimic« (Channel 4) ist die Studie eines höchst begabten Stimmenimitators (Terry Mynott), der seinem unterwältigenden Alltag mehr Pep verleiht, indem er ihn in den Rollen zahlloser Promis erlebt – bis ihn das überraschende Zusammentreffen mit seinem erwachsenen Sohn dazu zwingt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Nicht ganz so ernst, wie es hier klingen könnte, sondern bisweilen sehr komisch, wenn Martin etwa mit der Stimme von Sir David Attenborough sein Privatleben als Wildlife-Dokumentation kommentiert.

Das Familienministerium geht an »Family Tree« (BBC Two) von Christopher Guest (siehe Humorkritik in Titanic 10/13).

»Ambassadors« (ebenfalls BBC Two) besetzt das Außenministerium in diesem Comedykabinett. David Mitchell und Robert Webb (»Peep Show«) ist ein dreiteiliges Comedy-Drama gelungen, das sophisticated und komisch zugleich ist. Niemand kann treuherziger gucken als David Mitchell, hier in der Rolle eines frisch ins Amt gehobenen Botschafters im fiktiven Tazbekistan, und niemand genervter als Webb, der hier den langgedienten stellvertretenden Chefdiplomat gibt und als solcher der Botschafter-Ehefrau Fragen nach dem Vorgänger ihres Mannes beantworten muß: »Does anyone know what actually happened to Keith’s predecessor?« — »Someone from the Cabinet Office thought they saw him recently in Phuket in a transvestite hammam. But technically he’s just missing.« — (Pause) »What was someone from the Cabinet Office doing in…?« Leider erscheint »Ambassadors« nicht mehr in diesem Jahr auf DVD.

Das Kultusministerium geht zu guter Letzt an David Walliams (»Little Britain«), der mit seiner ersten Sitcom »Big School« (BBC One) keinen ganz großen Wurf geschafft hat, aber eine solide, altmodische Sitcom, die wohl eine zweite Legislaturperiode erleben dürfte.

Acht gute bis sehr gute neue Comedys, das ist ein solides Wahlergebnis (von den zweiten und dritten Staffeln anderer Serien mal ganz zu schweigen) – da vergißt man schwache Kandidaten (wie Stephen Merchants fade Männer-Frauen-Sitcom »Hello Ladies«) schnell. Die Wahlparty kann beginnen! Und damit zurück ins Studio.

Die Shitcoms des Jahres (Teil 2)

18. November 2013 1 Kommentar

Wenn ein Spielfilm es in der ersten Viertelstunde nicht schafft, seine Zuschauer zu überzeugen, ist er tot. Nach einer Viertelstunde hat man sich ein Urteil gebildet; alles, was danach kommt, kann den Gesamteindruck allenfalls noch trüben, verbessern aber nur in den seltensten Fällen. Bei Serien dürfte das ähnlich sein.

„Heading Out“ (BBC2, wie alle hier besprochenen Serien 2013) brauchte keine fünf Minuten, um mich zu verlieren.

In diesen fünf Minuten versuchte eine Tierärztin, erkennbar lesbisch und um die vierzig, ein „Ich bin klug, ein bisschen schüchtern und leicht tollpatschig“-Brille auf der Nase (ja, das kann ich alles aus einer Brille herauslesen), einer Frau um die 50 zu erklären, dass die vor ihr auf dem Untersuchungstisch liegende tote Katze, Achtung: tot war. Nicht mehr lebte. Abgeritten war zu ihren Ahnen. Ja, die alte „Dead Parrot“-Nummer von Monty Python, nur ohne die Witze und ohne Darsteller mit funny bones. In der Variation des Themas, wie es Sue Perkins (Hauptdarstellerin und Autorin) hier probiert, insistiert die Katzenbesitzerin auf allerlei homöpathische Mittelchen, ob man es nicht mal mit Bachblüten probieren könnte etc., während die Tierärztin Sara sich bemüht, möglichst diplomatisch zu vermitteln, dass das Vieh tot ist. Vergeblich, wie man sich denken kann.

Zweite Szene: Im Vorzimmer der Tierarztpraxis, die Katzenbesitzerin ist wutentbrannt abgedampft, muss Sara ihrem Assistenten erklären, welche Formulierungen er besser nicht gebrauchen soll, wenn er mit den Besitzern kürzlich verstorbener Katzen spricht, mit dem Erfolg, dass der Assistent coram publico alle unsensiblen  Formulierungen aufsagt und Sara anschließend ein Geburtstagsständchen singt, das auf „happy birthday, she killed a cat“ endet.

Dann habe ich ausgemacht.

Weitergegangen wäre es damit, dass die Veterinärin von ihren Freunden mehr oder weniger gezwungen wird, ihren Eltern offenzulegen, dass sie lesbisch ist, und ich bin froh, dass ich das nicht mehr sehen musste. Denn das wäre gewesen, wie wenn Miranda Hart ihren Eltern hätte sagen müssen, dass sie dick ist. Nur dass Miranda Hart ein Minimum an komischem Talent hat. Mit einem Wort: „Heading Out“ has kicked the bucket, shuffled off its mortal coil, run down the curtain and joined the bleedin‘ choir invisibile! Die BBC hat bereits bestätigt, dass es bei einer Staffel bleiben wird. (Single Camera, kein laugh track)

„Pat & Cabbage“ (ITV) hat es ebenfalls nicht auf meine reguläre Playlist geschafft. Das aber nicht wegen handwerklicher Mängel, sondern weil eine Sitcom über zwei Frauen jenseits der Menopause schon sehr speziell sein müsste, damit ich sie mir regelmäßig ansehe. Das ist „Pat & Cabbage“ nicht. Schlecht aber muss die Serie deshalb nicht sein.

Pat (Barbara Flynn, „Cracker“, hierzulande bekannter als „Für alle Fälle Fitz“) und Cabbage (Cherie Lunghi, „Starlings“) sind verwitwet bzw. geschieden und haben erkennbar kein Interesse daran, in Würde zu altern. Statt dessen verliebt sich die eine ein bisschen in einen Herrn ihres Alters, ist aber zu schüchtern, und die andere versucht, die beiden zusammen zu bringen. Parallel dazu erfahren wir, dass Pats Tochter Helen (Rosie Cavaliero, „Saxondale“, „Spy“) Cabbage für einen schlechten Einfluss auf ihre Mutter hält und am liebsten hätte, dass sich die beiden angehenden Seniorinnen auch wie solche benehmen.

Wie gesagt: Nicht meine Baustelle, aber auch nicht unsympathisch und von den üblichen Scherzen über ökonomische Verwertungsmöglichkeiten rüstiger Rentner weit entfernt, wie sie hierzulande zu Seniorenkomödien offenbar zwingend dazugehören („Sein letzter Lauf“, siehe Stefan Gärtners Sonntagskolumne bei Titanic online). Kein brüllend lauter Humor, alles eher gentle, aber das ist bei der Zielgruppe wohl selbsterklärend. (Single Camera, kein laugh track)

„The Wright Way“ (BBC1) macht es einem leicht: Worst. Sitcom. Ever.

Die erste Zusammenarbeit von Ben Elton („We Will Rock You“) und David Haig seit „The Thin Blue Line“ (BBC, 1995 – 96) ist von der ersten Sekunde an alt. Ich würde „altmodisch“ sagen, aber das verwende ich hin und wieder auch in einem positiven Zusammenhang, und an „The Wright Way“ ist nichts positiv.

David Haig ist Gerald Wright, ein Health-and-Safety-Inspektor, der sich für vernünftig und alle Welt für verrückt geworden hält. Eine Fleischwerdung des „gesunden Menschenverstands“ also, ein Reaktionär — aber einer, dem wir als Zuschauer immer zustimmen sollen: Ist es nicht wirklich verrückt, wie das so ist in unserer heutigen Welt mit (hier bitte eigene Vorurteile gegen das modern life einfügen)?

Der ungelogen erste Dialog geht so:

GERALD
(hämmert gegen die verschlossene Badezimmertür)  Victoria, are you gonna be long in there? It’s just I’m late for work. (geht in die Küche. Zu seiner Tochter) Victoria won’t get out off the bathroom.

SUE
She will do, Dad, when she’s finnished.

GERALD
She’s female, Susan, she’s in a bathroom. She’s never going to be finished.

Mwahaha!! (Und ja, hier gibt es einen laugh track, trotz der single camera, der noch unterstreicht, wie wenig man selbst lachen muss.) Noch lustiger wird’s natürlich, wenn man weiß, dass Victoria die Partnerin seiner Tochter ist, nicht etwa seine Frau. Nein, diese Lesben!

„I would surley die if I watched more than five minutes“, gibt ein Kritiker vom Spectator zu, und ich bin auch tatsächlich fast gestorben vor Ekel und Fassungslosigkeit: Gags, die man kaum als solche bezeichnen kann, Rechthaberei, die auf zustimmendes Lachen spekuliert, grauenhaft ausgearbeitete Charaktere — daran ist wirklich alles falsch.

Offenbar hat die BBC das auch noch vor der Ausstrahlung bemerkt und die Show dienstags um halb elf Uhr nachts gezeigt, so dass kaum jemand sie gefunden hat, und sie dann direkt nach der Ausstrahlung abgesetzt.

Viel ist schon geschimpft worden auf Ben Elton, der sich in den achtziger Jahren mal glühende Fans gemacht hat mit „The Young Ones“ (BBC2, 1982 – 84) und „Blackadder“ (BBC1, 1983 – 89). Damals war er Vorreiter der alternative comedy-Bewegung, der auch als Stand Up Comedian („The Man From Auntie“, BBC1, 1990 – 94) gerne aneckte. Seitdem er sich allerdings auf Musicals verlegt hat („We Will Rock You“ und „Love Never Dies“, das Sequel zum „Phantom der Oper“, Grundgütiger) werfen ihm alte Fans Ausverkauf vor. Ja, mehr als das: mit „We Will Rock You“-Aufführungen in Südafrika hat Elton zumindest stillschweigend akzeptiert, dass das Embargo gegen das Apartheitsregime gebrochen wurde — was mit seinen linken Positionen von früher nur schwer zu vereinbaren war.

Aber all das würde ich ihm nicht vorwerfen, wenn er immer noch komische Sitcoms schriebe. Tut er aber leider nicht — schon „The Thin Blue Line“ war schwach, „Blessed“ (BBC1, 2005) mit Ardal O’Hanlon in der Hauptrolle sogar mitleiderregend fad, und seine Variety-Show „Ben Elton Live From Planet Earth“ (Nine Network, Australien) wurde 2011 nach drei Folgen eingestellt, obwohl sechs bestellt waren.

Mit „The Wright Way“ ist Ben Elton ganz, ganz unten angekommen. Ich bin gespannt, was als nächstes kommt. NOT.

Die Shitcoms des Jahres (Teil 1)

14. November 2013 8 Kommentare

Es ist natürlich ein Irrtum zu glauben, alle Sitcoms aus dem Vereinigten Königreich seien per se besser als alles, was je über deutsche Bildschirme gegangen ist. Das ist nicht so: der Anteil wirklich gelungener englischer Serien ist vielleicht etwas höher als der Anteil deutscher gelungener Serien. Es gibt aber quantitativ in Großbritannien viel mehr komischen Output als hier, was die Chancen deutlich erhöht, dass auch Gutes darunter ist.

Heute und in den nächsten Tagen will kurz über die Serien des Jahres berichten, die ich schnell wieder zu gucken aufgehört habe, und erklären, warum — die Shitlist des Jahres sozusagen. „Shitlist“ mit einer wesentlichen Einschränkung: Viele Serien sind schon deshalb nichts für mich, weil sie gar nicht an mich gerichtet sind. (Das kennt man von deutschen Serien nicht so, die sind von vorneherein an alle gerichtet, jung wie alt, nord- wie ost- wie süddeutsch, männlich wie weiblich, an Hochschulabsolventen wie Hilfsarbeiter.) Logisch, dass da einiges durch mein Raster fällt — es ist also vielleicht gerade hier noch der eine oder andere Tipp dabei, was es noch Interessantes gegeben hat in diesem Jahr.

„Big Bad World“ (Comedy Central) etwa, die Single-Camera-Sitcom um Ben („Inbetweener“ Blake Harrison), der gerade mit einem Uni-Abschluss in altnordischer Literatur wieder zuhause in der Provinz ankommt und feststellen muss, dass die Jobangebote für Experten in altnordischer Literatur nicht so üppig sind wie gedacht, dass sich in seinem Freundeskreis wenig geändert hat, seine Eltern, bei denen er wieder einzieht, aber die Trennwand zwischen Bens und dem elterlichen Schlafzimmer herausgenommen haben, so dass er nur durch einen Vorhang getrennt vom Bett seiner Eltern übernachten muss. Außerdem ist er immer noch in Lucy (Scarlett Alice Johnson, „Pramface“) verliebt, die er auch tatsächlich wieder regelmäßig sieht — weil sie nämlich im Jobcenter arbeitet, wo sich Ben regelmäßig wiederfindet.

„Big Bad World“ leidet am Comedy-Central-Syndrom: die Show ist flach und unoriginell. Eine echte Geschichte, sprich: Motivation scheint nur Ben zu haben, alle anderen Figuren sind um ihn herum drapierte Staffage. Oft passen die Witze nicht zum Ton der Serie, denn der ist einerseits vergleichsweise realistisch, so dass die Idee mit dem vergrößerten Schlafzimmer überhaupt nicht passt, zumal die Eltern aus unbegreiflichen Gründen in Bens Zimmer nicht einmal die Pinups entfernt haben, geschweige denn neu tapeziert. (Begreiflich ist mir das schon: die Producer wollten sich den sight gag nicht entgehen lassen und auch optisch zeigen, dass da mal zwei Zimmer waren, wo jetzt nur noch eines ist — aber innerhalb der Serie ist es unbegreiflich.)

Und dann habe ich so etwas ähnliches schon gesehen: In „Parents“ (Sky1, 2012) ging es ebenfalls um den Konflikt zwischen Eltern und wieder ins bereits verlassene Elternhaus zurückziehenden Kindern. Da war die Fallhöhe allerdings etwas größer, denn da ging es um eine komplette Familie, die zu den Großeltern zurückzog.

Interessanterweise haben beide Shows die gleichen Autoren: Lloyd Woolf und Joe Tucker. Vielleicht sind bei „Parents“ noch ein paar Witze übrig gewesen. Die aber konnten das ganze writing team (u.a. Kevin Cecil und Andy Riley, die schon für „Black Books“ und Armando Iannucci gearbeitet haben und also keine ganz schlechten sind) dann aber auch nicht mehr retten.

Andererseits muss ich fairerweise einräumen: für die Zielgruppe von „Big Bad World“ bin ich ohnehin zehn Jahre zu alt. Ich bin nämlich schon erwachsen. — Naa, das war jetzt nur die Überleitung zu

„Badults“ (BBC3), einer Sketchshow, gefangen im Körper einer Sitcom. Und zwar einer schlechten (Multi-Camera, mit laugh track). Mathhew (Matthew Crosby), Ben (Ben Clark) und Tom (Tom Parry, zu dritt auch die Autoren) sind Endzwanziger, die zusammen wohnen und sich wie Teenager aufführen, obwohl sie aus dem Alter raus sind (deswegen „Badults“). Und es ist ihnen scheißegal, dass das Matthews jüngere Schwester Rachel (Emer Kenny) brutal nervt, die aus unerfindlichen Gründen Teil der Gang sein möchte. Die Dialoge gehen dann so:

TOM
We always have a board game marathon on a bank holiday weekend. It’s tradition.

ALLE MÄNNER
Yay!

MATTHEW
And I always listen to the Les Mis soundtrack. It’s tradition.

ALLE MÄNNER
Yay!

BEN
And I always get drunk. It’s an addiction.

ALLE MÄNNER
Yay!

Uff. Alles an dieser Sitcom ist so unoriginell und unkomisch, dass es mir völlig unbegreiflich ist, warum sie eine zweite Staffel bekommen hat. Ich habe nicht einmal die erste Folge ganz ausgehalten.

„Chickens“ (Sky 1, single camera, kein laugh track) wählt da ein sehr viel originelleres Setting: das des Ersten Weltkriegs. Allerdings spielt es nicht an der Front, sondern zuhause in England, wo die drei jungen Männer Cecil (Simon Bird, „The Inbetweeners“, „Friday Night Dinner“), George (Joe Thomas, ebenfalls „Inbetweeners“, „Fresh Meat“) und Bert (Jonny Sweet) es geschafft haben, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. Sie wähnen sich nun der versammelten Damenschaft sicher, deren Männer ja alle auf dem Kontinent sind, doch weit gefehlt: Sie werden von der weiblichen Welt als Weicheier betrachtet und auch verspottet (daher „Chickens“).

Ja, das klingt wie die „Inbetweeners“ im Ersten Weltkrieg, ähnlich den immer gleichen Variationen der „Carry on“-Reihe, und das ist es auch — mit dem Unterschied, dass man zu den „Inbetweener“-Figuren und ihren realistischen Problemen seinerzeit auch einen emotionalen Bezug hatte, und folglich Sympathien für die Figuren. Die fehlt in dieser burlesken Kostümhudelei, die sich die drei Hauptdarsteller selbst ausgedacht haben, und zwar womöglich nachdem sie einige alte Folgen „Armstrong & Miller“ gesehen hatten. Die beiden haben in ihrem Repertoire nämlich zwei poshe Royal-Airforce-Piloten (allerdings im Zweiten Weltkrieg), deren stumpf-jugendliche Denk- und Sprechweise aufs Lustigste mit den dramatischen Umständen kollidieren, ein Ansatz, der dem von „Chickens“ nicht ganz unähnlich ist.

Da aber juxen sich nur drei papierdünne Charaktere in albernen Verkleidungen durch Umstände, die viel weniger glaubwürdig sind als bei den „Inbetweeners“ (aber in einer viel längeren Laufzeit als in den kurzen Sketchen von Armstrong und Miller). Das reduziert die Fallhöhe gleich enorm. Und die Fallhöhe ist dann doch eben noch ein Krieg.

Vielleicht hat Channel 4 deshalb den Piloten, der zunächst dort im Rahmen der „Comedy Showcases“ 2011 entstanden ist, nicht als ganze Serie kommissioniert. Das hat dann Sky übernommen — und so das Comedy-Portfolio erweitert, das 2013 erstaunlich viel schlechter daherkommt als noch 2012.

Goodbye Ladies

9. Oktober 2013 1 Kommentar

Natürlich hat niemand von den Rolling Stones erwartet, dass sie plötzlich zur Punk-Band würden, nur weil viele junge Menschen sich in den mittleren und späten Siebzigern plötzlich für den dreckigen, rohen, obszönen, wütenden Drei-Akkord-Blitzkrieg des Punk begeisterten. Nein, die Stones mussten bei dem bleiben, was sie zehn, fünfzehn Jahre früher groß gemacht hatte: saubere Rockmusik. Auch wenn sich ihre Platten neben denen von The Damned, den Sex Pistols und den Buzzcocks plötzlich sehr altbacken anhörten.

Vielleicht ist es also kein Wunder, dass auch Stephen Merchants neue und erste Solo-Sitcom „Hello Ladies“ (HBO, gerade ist die zweite Folge gelaufen) so angestaubt wirkt, so gar nicht frisch und hip, obwohl Merchant zusammen mit Ricky Gervais doch derjenige war, der der Sitcom vor mittlerweile gut zwölf Jahren zu einem neuen, seitdem kaum je wieder erreichten Höhepunkt verhalf, als „The Office“ (BBC2, 2001 – 03) zum ersten Mal auf den Bildschirmen der Welt zu sehen war.

Damals waren Gervais und Merchant quasi über Nacht zu den Rolling Stones der Comedy geworden, und seitdem sind sie, mit mehr oder weniger großen Aktualisierungen, bei dem geblieben, was am besten können: Mockumentaries und cringe comedy. Nur dass sie jetzt eben Solo-Platten machen.

Wann haben Soloprojekte alternder Rockstars je die Popularität früher Alben erreicht? Welcher Fan hält „She’s The Boss“, Mick Jaggers Album von 1985, oder Keith Richards‘ „Talk is Cheap“ (1988) in ähnlich großen Ehren wie „Beggars Banquet“ oder „Let it Bleed“?

Wenn Merchant der Richards zu Ricky Gervais‘ Jagger ist, dann ist „Hello Ladies“ Stephen Merchants „Talk is Cheap“.

In „Hello Ladies“, von Merchant und den beiden US-„The Office“-Autoren und -Regisseuren Lee Eisenberg und Gene Stupnitsky, spielt Merchant Stuart, einen britischen Webdesigner in Los Angeles, der vergeblich versucht, in die Film- und Fernsehgesellschaft vorzudringen, und dort insbesondere in die der heißen Chicks. Wenig hilfreich ist ihm dabei die Freundschaft zu Wade (Nate Torrence), seinem dicklichen und gerade von seiner Frau verlassenen Kumpel, sowie Kieves (Kevin Weisman), der auf Frauen die Wirkung hat, die Stuart gerne hätte. Kieves ist gutaussehend, charmant — ach ja, und er sitzt im Rollstuhl.

Und schon sind wir mittendrin in den cringe jokes. Stuart kann Kieves nicht ausstehen (warum er trotzdem mit ihm seine Freizeit verbringt, bleibt rätselhaft), muss ihn aber regelmäßig mit den besten Weibern abziehen lassen, während er sich selbst wieder und wieder (und immer schön öffentlich) blamiert. Im Gegenzug ist er ekelhaft nicht nur zu Kieves, sondern auch zu Wade (warum der trotzdem mit Stuart seine Freizeit verbringt, bleibt rätselhaft). Einzig mit seiner Untermieterin, der ambitionierten Nichtmehrganzsojungschauspielerin Jessica (Christine Woods), verbindet Stuart eine platonische Freundschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht.

Aber auch sie nutzt Stuart hauptsächlich aus: denn sie ist der Mädels-Magnet, ihre „Web-Serie“ bringt Stuart in Kontakt zu jungen Schauspielaspirantinnen. Gleichzeitig scheitert sie sowohl selbst an Beziehungen mit Männern als auch an der Dümmlichkeit ihrer Freundinnen, was sie in manchen deprimierten Momenten mit Stuart verbindet und zu einer Kandidatin für das alte Will they, won’t they-Spiel, nicht ganz unähnlich mit der Beziehung von Andy (Gervais) und Maggie (Ashley Jensen) in „Extras“.

Alles an „Hello Ladies“ wirkt, formulieren wir es so neutral wie möglich: wie Mainstream. Wie eine Network-Comedy. Jedenfalls nicht wie HBO. (Und tatsächlich ist es auch von oder jedenfalls mit ABC produziert.) Nichts daran ist überraschend, schon gar nicht die Figur des Briten in den USA. Dieses Klischee haben wir, und gar nicht vor langer Zeit, schon schöner ausgespielt in „Family Tree“ (dito HBO, in Coproduktion mit der BBC, 2013) gesehen, und, auf längere Distanz, in „Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011).

Stuart aber wirkt nicht wie ein Brite, dem etwa das Gefühlsgequatsche zwischen Wade und seiner baldigen Ex Marion wahnsinnig peinlich wäre und der seiner Tollpatschigkeit gewahr ist, mit der er eine solche Unterhaltung stört — Stuart ist einfach ein unsensibler Klotz, der mehrfach in die eheliche Aussprache reinplatzt und anschließend fragt, wie es gelaufen ist. Stuart fällt auch nicht die oberflächliche Freundlichkeit der Amerikaner auf (unter der seine Mitbewohnerin Jessica zu leiden scheint, ohne selbst mehr Tiefgang zu haben) — er ist noch viel oberflächlicher als alle Amerikaner. Nur nicht so freundlich.

Bleibt die Frage, warum wir ihm dann zusehen sollen: Stuart macht, unsympathisch wie er ist, jedes Mitgefühl unmöglich, und sei es nur das Mitleid, das David Brent durch seine Melancholie erzeugt hat. Stuart ist nicht melancholisch, oder nur nach den totalen Demütigungen, in den letzten Momenten jeder Folge, die noch wenigstens ein bisschen Identifikation ermöglichen — wenn auch längst nicht genug, um einen durch ganze Folgen zu tragen. Stuart ist einfach ein Arsch, und es wird zunehmend quälend, die halbstündigen Episoden auch nur bis zum Ende anzusehen: keine Identifikationsangebote, kein neuer Dreh, der der Tortur wenigstens Neuigkeitswert gäbe — nichts.

Übrig bleibt das komische Talent, das Merchant definitiv hat und mit dem er Situationen erzeugen kann, die durchaus lustig sind. Merchants Mimik, seine Körpersprache, sein Timing sind höchste Comedy-Kunst. Hätte er nicht diese Gaben, wäre er nicht neben Gervais auch in „Extras“ (BBC2, 2005 – 07) und „An Idiot Abroad“ (Sky1, 2010 – 12) ein so guter Counterpart zu Gervais gewesen. Es gibt einige Lacher in „Hello Ladies“, und Merchant schafft es, auf Gags, die man kommen sieht, hin und wieder noch einen draufzusetzen, den man nicht schon geahnt hat. Slapstick und Dialogwitze halten sich in der Waage, die Konstruktion der Folgen ist, aber das ist halt auch Teil des Problems, handwerklich sauber.

Stephen Merchant bleibt also der hochtalentierte Keith Richards, wie Gervais (obwohl sich immer mehr Fans von ihm abzuwenden scheinen) der Mick Jagger der Britcom. Aber „Hello Ladies“ wird als Neben- und Soloprojekt, und nicht als Meisterwerk in die Geschichte der Britcom eingehen.