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Archiv für die Kategorie ‘Sitcom’

„The IT Crowd“ zieht den Stecker

2. Oktober 2013 1 Kommentar

Am Schluss bleibt eine Frage: Warum? Warum schien es Graham Linehan und Channel 4 tunlich, eine allerletzte, finale Folge „The IT Crowd“ (seit 2006) zu produzieren? Über drei Jahre nach der letzten Folge, mit der die vierte Staffel im Juli 2010 endete? Dramaturgisch nötig wäre dieses einstündige Special eher nicht gewesen, also waren es vielleicht äußere Gründe: Linehan wollte womöglich den IT-Crowd-Afficionados doch noch etwas mitgeben, nachdem es mit der fünften Staffel ja nun offenbar nichts geworden ist, die er quasi zusammen mit den Fans schreiben wollte.

Aber gleich aus welchen Gründen: nun ist vergangenen Freitag die wirklich allerletzte Folge „The IT Crowd“ gelaufen, und es hat überraschend viel Spaß gemacht, Roy, Moss und Jen in ihrem Kellerverschlag wiederzusehen. Chris O’Dowd, Richard Ayoade und Katherine Parkinson haben, jeder in seinem Metier, seit den vier Staffeln „IT Crowd“ beachtliche Karrieren hingelegt: O’Dowd mit „Moone Boy“ (Sky 1, seit 2012), seiner ersten eigenen Sitcom, von der Sky bereits zwei weitere Staffeln bestellt hat, und zuletzt natürlich mit „Family Tree“ (HBO/BBC), Richard Ayoade mit seinem Schaffen als Regisseur von „Submarine“ (2011), dem bezaubernden Coming-of-Age-ComedyDrama, und Katherine Parkinson in „Whites“ (BBC2, 2010), das zu meinem großen Bedauern nur deswegen keine zweite Staffel erleben durfte, weil die BBC mal wieder sparen musste.

Es war also ein Vergnügen, Roy, Moss und Jen wiederzusehen, und auch Linehans Freude am Spiel mit popkulturellen Referenzen übertrug sich auf diese letzte Folge: von Anspielungen auf das seinerzeit in England Wellen schlagende Video von der Frau, die eine Katze in die Mülltonne steckte, über eine Parodie auf die albern-übertreibenden koreanischen Computeranimationen aktueller Nachrichten bis hin zu Scherzen über derzeit virulente Fernsehserien. Als Roy sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, rassistisch gegenüber Kleinwüchsigen zu sein, verteidigt er sich: „Small people are not a race! This isn’t ‚Game of Thrones‘!“

Selbstverständlich füttert Linehan ausführlich die alten Fans der Serie, indem er noch einmal die alte Schachtel herauszieht, von der Jen immer noch glaubt, sie enthielte „das Internet“, weil Roy und Moss ihr das weisgemacht haben. Und auch ein alter Sidekick, eine sympathische Nebenfigur, bekommt noch einen letzten Auftritt.

Dafür, dass ich nie ein ausgewiesener Fan von „The IT Crowd“ war, fand ich diese letzte Stunde nun doch hübsch nostalgisch. Nicht zuletzt, weil es diese Geschmacksrichtung der Sitcom im Moment kaum noch gibt: albern, chaotisch, turbulent, kindisch, silly. Das genaue Gegenteil von „Hello Ladies“ (HBO), der neuen, ersten Sitcom von Stephen Merchant, die sich auf so altbackene, tausendmal totgerittene Männer-Frauen-Klischees verlässt, dass ich bei der ersten Folge vor Wut fast eingeschlafen wäre (wenn ich die zweite durchstehe, gibt’s eine etwas ausführlichere Kritik).

Wer sich beeilt, kann die finale „IT Crowd“-Folge hier noch in voller Länge sehen.

Große Schule, kleine Lacher

29. September 2013 Keine Kommentare

Ich wollte diese Sitcom mögen. Und das, obwohl — oder gerade weil? — ich weder mit David Walliams („Little Britain“) noch mit Catherine Tate („The Catherine Tate Show“) je sonderlich viel anfangen konnte. In „Big School“ (BBC 1) aber schienen beide gut aufgehoben zu sein: Tate als die neue Französischlehrerin Sarah Postern, die kein Französisch kann (und noch nie in Frankreich war), und Walliams (auch der Autor von „Big School“) als verklemmter Chemielehrer Keith „Churchy“ Church, der nur wegen der neuen Lehrerin an der Schule bleibt und sich plötzlich als Konkurrent des Sportlehrers Trevor Gunn (Philip Glenister, „Mad Dogs“) um die Gunst Posterns wiederfindet.

„Big School“ ist von Anfang an eine altmodische Sitcom ohne bemühten Dokumentarstil oder verwackelte Handkamera (allerdings auch ohne Lacher), erzählt die Geschichten, die man erwartet (Church will Postern bei der jährlichen Talentshow beeindrucken, Church will Postern beim Iron Man beeindrucken, Church will Postern beim Schulausflug nach Frankreich beeindrucken), verwendet dabei die richtige Mischung aus dialogischem Witz und Slapstick, und es spielen auch noch etliche gute Schauspieler in guten Rollen mit: Frances de la Tour (zuletzt sehr gut in „Vicious“) als misanthrope Direktorin mit Drogenproblemen, Joanna Scanlan („The Thick of it“, „Getting on“) als stoffelige und lesbische Schauspiellehrerin, Steve Speirs („Stella“) als trotteliger Erkdundelehrer und Daniel Rigby als Mod-Boy und Musiklehrer. Letzterer darf als neue Entdeckung für die britische Comedy gelten; umso bedauerlicher, dass seine Auftritte die kleinsten in der Show waren und er in einigen Folgen überhaupt nicht vorkam. (Philip Glenisters erster Ausflug in die Comedy muss allerdings als misslungen gelten. So gut er als ernster Schauspieler ist, hier war das Bemühen zu spürbar, es jetzt auch noch im komischen Fach zu Ruhm und Ehre bringen zu wollen.)

Ich wollte „Big School“ also mögen, und die zweite Folge (oft ja die entscheidende, meiner Meinung nach) war auch tatsächlich recht komisch, wie es überhaupt durchaus kurzweilige Momente, ja, ganze Episoden gab.

Dann aber gab es auch zähe Folgen, in denen unmotivierte Dinge geschahen, und selbst wenn die Plots funktionierten, waren die richtig lauten Lacher an einer Hand abzählbar. Das alleine macht britische Sitcoms nicht schlechter — britische Fernsehshows haben nun einmal nicht die finanzielle Möglichkeit, ein Dutzend Autoren an einer einzigen Serie arbeiten zu lassen (wenn man sich dagegen die gerade angelaufenen neuen Staffeln von „Modern Family“ und „Parks and Recreation“ ansieht, weiß man sofort, was ich meine: da folgt Gag auf Gag auf Gag). Aber hier, bei einer Mainstream-Show auf BBC1, die Freitag abends um neun zur besten Sendezeit läuft, waren es ja schon mindestens drei: Walliams und die Dawson Bros., und immerhin David Baddiel als Script Editor war auch noch mit an Bord.

Doch sie alle konnten den zweidimensionalen Charakteren nicht genügend Leben einhauchen: da war nichts als Klischee, keine Brechung, keine unerwartete Tiefe, nichts von dem, was für gewöhnlich britische von amerikanischer Comedy unterscheidet: dass Witze, dass Komik aus dem Charakter heraus entstehen, mehr als aus noch so komischen Onelinern.

Exemplarisch konnte man das an den Schülern sehen. Die spielten für die meisten Plots nur eine untergeordnete Rolle als desinteressierter Pöbel (weswegen sie gleich mit richtigen Schülern besetzt wurden statt mit Schauspielern) und entsprachen so genau der Vorstellung, die man von heutigen Sechzehnjährigen auf Secondary Schools hat. Das aber ist für eine Comedy eigentlich ein bisschen zu wenig, Vorurteile und Erwartungen eins zu eins zu übernehmen, statt sie — und sei es nur ein bisschen — zu brechen, oder immerhin zu übertreiben.

„Big School“, um es in der Sprache von Zeugnissen zu sagen, war stets bemüht. Das ganze Potential aber konnte die Serie nicht ausschöpfen. Eine Britcom, die gerne ein bisschen britischer hätte sein dürfen, was die Charaktere angeht, und ein bisschen amerikanischer, was die Gags betrifft.

„Big School“ ist gerade auf DVD erschienen und kann per Import bestellt werden.

This is Family Tree

27. September 2013 3 Kommentare

Spinal Tap, die Heavy Metal Band mit den röck döts über dem n, war bekanntlich die lauteste Band der Welt — weil sie die einzige Band mit Verstärkern war, deren Lautstärke man nicht wie üblich bis zehn, sondern sogar bis elf aufdrehen konnte. Doch trotz ihrer ungeheuren Lautstärke war der humoristische Ton von »This is Spinal Tap« (1984, Regie: Rob Reiner) eher leise. So entstand eine fein beobachtende, bisweilen sogar melancholische Doku-Parodie, die vor allem von den Hauptdarstellern und ihren improvisierten Dialogen (in einem parodierten Britisch-Englisch) lebte.

Christopher Guest, seinerzeit Leadgitarrist von Spinal Tap, hat diese komische Grundstimmung beibehalten, ebenso seine Vorliebe fürs Britische — und nun nach einigen kleinen Filmen (Titanic 5/2004) seine erste Sitcom vorgelegt: »Family Tree« (HBO/BBC). Auch hier gibt die Komik eben nicht eins auf die Zwölf, sondern, man verzeihe mir das gemopste Bild: auf die Elf. Chris O’Dowd (»The IT Crowd« und »Moone Boy«, siehe auch die »Humorkritik Spezial« in Titanic 12/2012) trägt hierzu als Tom Chadwick, Protagonist der Serie, das Seine bei, indem er den mehr oder weniger meschuggenen Menschen, auf die er trifft, stets zurückhaltende Irritation und ahnungslose Freundlichkeit entgegenbringt.

Und er trifft auf viele Meschuggene. Denn Tom, just arbeitslos geworden, erbt einen Koffer mit altem Krempel, zieht das Foto eines eindrucksvollen edwardianischen Offiziers heraus und beschließt umgehend – fasziniert von einer möglicherweise spannenden Familiengeschichte – seinen Stammbaum zu erforschen und noch lebenden Verwandten nachzuspüren.

Schnell stellt sich jedoch heraus, daß sein Vorfahr gar nicht der Porträtierte ist, sondern der Fotograf. Und natürlich war sein Urgroßvater, der neben Sir Laurence Olivier auf der Theaterbühne stand, nur Komparse und, als Teil seines eigenen Double Acts, die hintere Hälfte eines menschlichen Pferdes (die auch auf seinem Grabstein eingraviert ist). Doch Tom ist immun gegen Enttäuschungen, forscht immer weiter und gelangt in der zweiten Hälfte der Serie schließlich in die USA, wo er auf immer mehr Spinner trifft – und tatsächlich auf die komischeren. Womöglich ist die Fallhöhe in Amerika größer als in Großbritannien, wo Exzentriker förmlich zur Rudelbildung neigen; oder Christopher Guest kennt seine Landsleute doch ein bißchen genauer. Unter Umständen ist Guests amerikanischer Cast (der auch in seinen Filmen stets der gleiche ist) auch etwas besser eingespielt. Jedenfalls wird »Family Tree« nach einer eher schwachen ersten Episode von Folge zu Folge erfreulicher.

Am besten gefielen mir die Miniaturen, die Guest in jeder Folge untergebracht hat: kleine Parodien auf englische Sitcoms, wie sie Toms Vater gerne sieht (»There Goes the Neighbourhood«), oder die sehr komische Mischung aus Sherlock Holmes und Star Trek, »The New Sherlock Holmes«, die sich Tom gerne reinzieht. Überhaupt scheint mir Christopher Guest im episodischen Genre viel besser aufgehoben als im Spielfilm. Hier kann er sich ganz in seine Charaktere und deren absurde kleine Geschichten verwickeln – und prompt entsteht eine Serie, die mindestens doppelt so kurzweilig ist wie seine Filme. Gerade ist sie auf DVD erschienen und via Import erhältlich.

zuerst erschienen in der Humorkritik in Titanic 10/2013.

Count Arthur doch recht Strong

20. August 2013 Keine Kommentare

Wir sehr Kritiker mit ihren Rezensionen neuer Shows daneben liegen können, hat Ricky Gervais unlängst dokumentiert, als er die allererste Besprechung von „The Office“ im Evening Standard noch einmal herausgekramt hat, die am 10. Juli 2001 erschienen ist:

A summer stinker; ‘A bore in homeopathic doses can be hilarious, but a bore in real time remains simply a bore’.

Zum Glück war ich ein bisschen vorsichtiger, als ich die erste Folge „Count Arthur Strong“ (BBC2) vor fünf Wochen kritisiert habe. Denn trotz (oder, meiner Vermutung nach: wegen) einer gut abgehangenen, für BBC-Radiohörer längst eingeführten Comedy-Figur und trotz Coautorenschaft des von mir durchgehend bewunderten Graham Linehan („Father Ted“, „Black Books“, „The IT Crowd“) hatte mir die erste Episode rund um den alternden Variete-Star Arthur Strong, der sich stets ein bisschen überschätzt, eher nicht zugesagt.

Das hat sich, um es vorsichtig zu formulieren, geändert. Mittlerweile halte ich „Count Arthur Strong“ für eine der stärkeren neuen BBC-Sitcoms dieses Jahres (eigentlich für die einzige wirklich gute neben „Family Tree“; „Plebs“ und „Vicious“ liefen auf ITV, „The Mimic“ auf Channel 4), und es freut mich, dass die Serie sehr früh schon eine zweite Staffel erhalten hat. Und dass die DVD der ersten trotzdem bereits erhältlich ist (auf Amazon mag ich allerdings nicht mehr verlinken, kann sich ja jeder selbst zusammensuchen).

Der Sinneswandel kam so: Ich hatte die erste Folge „Count Arthur Strong“ alleine gesehen, die zweite aber mit der Frau zusammen — und die war, so unsere einhellige Meinung, sehr komisch: ein typischer Linehan-Plot inklusive einer Flucht in einem Ice Cream Van (der mich selbstverständlich an die „Father Ted“-Folge „Speed 3“ erinnerte, nur dass dort ein Milchlieferwagen eine entscheidende Rolle spielte), typische Linehan-Dialoge (Michael [liest einen handgeschriebenen Pinnwand-Aushang Arthurs]: „Horse rising lesions? What are horse rising lesions?“ Arthur: „What? Well, it’s when you get a horse and you… Give that to me. — Handwriting lessons!“) und das Internet/ein Laptop als Element der Story („I’ll tell that Stephen Fry what I think of him!“) — das war alles schön albern, dabei aber von einer zunehmend warmen Figurenzeichnung getragen, so dass man als Zuschauer schnell Zuneigung zu den beiden Protagonisten Arthur und Michael gewinnen konnte.

Es hat also die erste Folge gar nicht gebraucht, zumindest nicht für die Frau. Was sie wissen musste, um das Set Up zu verstehen (Arthur ein alternder Varietekünstler, Michael der Biograph seines gerade verstorbenen Vaters Max, mit dem Arthur vor Zeiten einen gemeinsamen Double Act hatte), konnte ich ihr in zwei Sätzen erklären. Ohne den Ballast der Einführung in der ersten Folge aber hatten Linehan und Steve Delaney, der den Arthur nicht nur spielt, sondern auch entwickelt hat, alle Freiheiten, direkt mit per se komischen Storys aufzuwarten. Von diesen war dann die eine durchaus etwas schwächer als die andere, aber insgesamt war „Count Arthur Strong“ eine deutlich bessere Serie, als ich es nach der Pilotfolge erwartet hatte.

In der nämlich war die Chemie zwischen den Hauptfiguren eine andere als in den weiteren Folgen: Michael (Rory Kinnear) kommt da eher als weinerlicher und missgünstiger Typ rüber, der Arthur zunächst belächelt und ihn dann ausnutzen möchte, um die Gedenkfeier für den ungeliebten Vater zu torpedieren. Erst ab der zweiten Folge funktionieren Michael und Arthur wirklich als Odd Couple, als das sie vermutlich von Anfang an geplant waren: ab da ist Michael wesentlich sympathischer, und Arthur vielleicht einen Ticken weniger nervig als in der ersten Folge.

Vielleicht, das ist aber reine Spekulation, war die maue erste Episode auch Folge eines Kompromisses zwischen Linehan und Delaney und/oder der BBC. Denn an und für sich ist Linehan kein Freund des zur Zeit sehr modischen Premise Pilot, in dem erst einmal erzählt wird, wie die Ausgangssituation für die darauf folgende Serie zustande gekommen ist. (Ausführlicher habe ich darüber mal am Beispiel von „Cuckoo“ geschrieben.) Wie man hier sehen kann, zu Recht: Die Einführung von Michael als neue Figur, die zu dem bestehenden Ensemble aus Arthur und seinen Freunden im Café dazukommt, hätte deutlich kürzer sein können, dann wäre vielleicht auch in der ersten Episode schon Zeit gewesen, eine ganz reguläre kleine Story mit einzubauen, die die chemische Balance der Hauptfiguren ad hoc herstellt, statt erst in der zweiten Folge.

Um es aber noch einmal ganz explizit hinzuschreiben: „Count Arthur Strong“ ist eine gute Sitcom, Graham Linehan kann es noch, und Delaneys Arthur ist ein wirklich komischer Charakter, von dem ich gerne mehr sehen würde.

Kaufbefehl

1. August 2013 4 Kommentare

Bedauerlicherweise verlassen mitten in der nächsten, der sechsten Staffel von „Parks and Recreation“ sowohl Rob „Chris Traeger“ Lowe als auch Rashida „Ann Perkins“ Jones die Serie. Allerdings werde ich Lowe, dem ich so viel Selbstironie nie zugetraut hätte, vermutlich mehr vermissen als die Figur der Anne Perkins. Die hatte in den letzten Staffeln kein richtig klares Ziel mehr, und die Plot Line, in der sie mit Chris Traeger versucht, ein Baby zu bekommen, erschien mir als eher schwacher Versuch, dieses grundlegende Problem zu kaschieren.

Nichtsdestoweniger gilt meine Kaufempfehlung für die ersten Staffeln, die in der aktuellen Titanic steht, aber uneingeschränkt.

Einen geharnischten Dank möchte ich der BBC an dieser Stelle aussprechen für ihre weise Entscheidung, die phantastische US-Sitcom »Parks and Recreation« (NBC, seit 2009; siehe Titanic 6/2011) auszustrahlen. Danken will ich indes nicht, weil die Briten nun endlich mal eine gute Sitcom zu sehen bekommen, sondern weil »Parks and Recreation« durch diesen Editionsvorgang zum ersten Mal auf in Europa abspielbaren DVDs herausgekommen ist: Im Laufe der letzten Wochen sind bereits die ersten drei Staffeln erschienen, die vierte erscheint Januar 2014. Jedenfalls wenn es nach mir geht.

Denn eine vergleichbar brillant komische und gleichermaßen satirische Sitcom ist mir noch nie untergekommen: Amy Poehler, die gerade Tina Fey als komischste amerikanische Komödiantin ablöst, hat in der Figur der Leslie Knope ihre Paraderolle gefunden. In dieser darf sie als Leiterin des Grünflächenamts eines winzigen und extrem muffigen US-Kaffs gegen bürokratische Wände laufen, um ihren Traum von einer Kleinstadtwelt voller kleinstädtischer Stadtparks zu verwirklichen — unterstützt von notorisch faulen Praktikantinnen, übermotivierten Stadtplanern und Vorgesetzten.

»Parks and Recs«, wie die Fans sagen, stammt von den Machern der US-Version von »The Office« und hat sich auch in der kürzlich ausgestrahlten fünften Staffel noch keineswegs totgelaufen. Allein das darf zu den Wundern gezählt werden, die offenbar auch bei großen US-Networks noch möglich sind: kleine, feine Sitcoms für ein feines, kleines Minderheitenpublikum. Bitte sofort alle Staffeln bestellen!

Count Arthur not so Strong

Es ist so eine Sache mit Kultfiguren. Von einigen heiß geliebt, erschließt sich einem großen Publikum die Begeisterung nicht, mit der Fans ihren Lieblingen zujubeln. Am Ende ist es möglicherweise genau der Kultstatus, der eine breite Rezeption verhindert, weil alle, die nicht rechtzeitig zur Abfertigung am Bahnhof waren, irgendwann glauben, für sie sei der Zug ohnehin abgefahren. Und natürlich tun die Fans der ersten Stunde alles dafür, ihren Vorsprung zu erhalten und sich abzugrenzen („Damals war er noch lustig, da hättest du dabei sein müssen!“).

Ich habe so die Vermutung, dass genau das mit „Count Arthur Strong“ (BBC2, seit dem 8. Juli) passiert ist.

Count Arthur Strong, hinter dem der Comedian Steve Delaney steckt, ist die Karikatur eines alternden Show-Mannes, der nie so erfolgreich war, wie er selbst denkt. Mittlerweile in seinen 70ern, glaubt er immer noch, es könnte jeden Moment ein Anruf kommen, der ihm Variete-Auftritte und Ruhm einbringt. Arthur scheint einerseits an einem ausgewachsenen Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom zu leiden, andererseits ist er offenbar äußerst vergesslich, dabei auch noch grenz-unhöflich und tollpatschig. Also eine Comedy-Figur der alten Schule.

Entwickelt hat Delaney Arthur schon als Schauspielstudent für Shows zum Semesterende, namentlich das alljährliche Edinburgh Festival und das Fringe verhalfen Arthur seit 1997 zu einer kleinen Fangemeinde, und seit Arthurs Radioshow bei Radio 4 (über 40 Folgen seit 2005) hat er eine eigene Gemeinde; die Show gehört zu den festen Pfeilern der Radio-4-Comedy.

Zu dieser Gemeinde gehört auch „Father Ted“- und „IT Crowd“-Schöpfer Graham Linehan, der zusammen mit Delaney seit 2008 an der Serie arbeitet, deren erste Folge nun endlich, endlich zu sehen war —

— und mich vollkommen kalt gelassen hat. Mehr noch: die mich irritiert hat. Denn die große Publikumsbegeisterung (Delaney und Linehan haben erwartbarerweise die altmodische Live-on-Stage-Produktionsweise mit fünf Kameras gewählt) hat sich mir nicht ganz erklärt: die Scherze erschienen mir schal, das ganze Set-up altbacken, die Figuren leblos, wo nicht hölzern. Hat sich also die Figur Arthurs schon zu weit entwickelt, als dass ich (als neues Publikum, mir war er vorher kein Begriff) noch hätte Anschluss finden können? Oder war wiederum genau dieses oben geschilderte Problem der Kultfiguren Delaney und Linehan so bewusst, dass sie für die exzentrische Figur Arthurs eine möglichst altmodisch-anschlussfähige Umgebung schaffen wollten, nämlich die einer altbackenen Sitcom, und dabei über das Ziel hinausgeschossen sind? Interessieren mich alternde Varietekünstler einfach nicht? Oder war es die Transformation einer One-Man-Show aus Liveauftritten und Radioshows ins Fernsehen?

Denn um die Monologe Arthurs, aus denen die Fringe-Shows und die Radioshows bestehen, ins Fernsehen zu übersetzen, haben Delaney und Linehan eine zweite Figur erfunden: Michael (Rory Kinnear) ist der Sohn eines ehemaligen Showpartners Arthurs und möchte die Biographie seines (ungeliebten) Vaters schreiben; zu diesem Zweck begleitet er Arthur und gerät dadurch in dessen bizarre Lebenswelt. Kennt man die Umstände, unter denen die Figur Michaels entstanden ist, liegt die Vermutung nahe, sie habe keine eigene Daseinsberechtigung, sie existiere nicht aus sich selbst heraus. Das stimmt zwar ein bisschen, tatsächlich ist Michael oft Stichwortgeber und Pappkamerad neben Arthur, sozusagen die Personifikation der normalen Welt, durchschnittlich und etwas farblos, neben der Arthur noch mehr schillern kann, noch lauter und noch larger than life wirken.

Aber mir erscheint dieser Kniff trotzdem legitim und auch nicht ohne Beispiel, schließlich stehen in Sitcoms oft absichtlich sehr normale, geerdete Figuren neben glamourös-verrückten (man denke etwa an den Kontrast zwischen Frasier und seinem Vater Martin). Was also ist es, das „Count Arthur Strong“ so schwer und mühsam macht?

Ich glaube, es ist die Figur Arthurs selbst. Ich kann nur noch nicht sagen, ob sie mir zu exzentrisch-verrückt ist oder zu wenig. Vielleicht hatten Linehan und Delaney auch Manschetten, alte (gute) Witze Arthurs zu wiederholen und damit die alten Fans zu indignieren, und haben lieber zu neuen (schwächeren) Witzen gegriffen. Vielleicht sind die besten Zeiten einer so traditionellen Comedy-Figur wie der Arthurs auch einfach vorbei — schließlich entstammt Arthur schon den 80er-Jahren, und auch Linehans Begeisterung für derartige Retro-Comedy könnte mehr Reminiszenz denn künstlerisches Konzept sein. Womöglich sehe ich ja nach der zweiten Folge schon klarer. Dann gebe ich Bescheid.