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Archiv für die Kategorie ‘Top 10’

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 5

13. November 2009 7 Kommentare

Große Budgets — kleine Budgets; viele Autoren — wenige Autoren; Fachleute für jeden Pups — Personalunion von Autor und Hauptdarsteller: Das sind die augenfälligen Unterschiede zwischen US- und britischen Sitcomproduktionen, leicht vereinfacht dargestellt.

Kleine Budgets bedeuten: Wenige Schauplätze, kaum Spezialeffekte, niedrige Gagen und hoher kreativer Druck, diese Handicaps auszugleichen. Wenige Autoren bedeuten: Weniger Episoden pro Staffel (sechs oder sieben vs. zwölf bis 24), niedrigere Gagdichte, dafür mehr Komik, die aus Charakteren entsteht. Personalunion von Autor und Hauptdarsteller zusammen mit hohem kreativem Druck bedeuten: Serien, die höchst individuelle Handschriften tragen und von (vergleichsweise) großer künstlerischer Freiheit geprägt sind.

Auf Platz fünf meiner höchst privaten und extrem willkürlich zusammengestellten Britcom-Top-Ten findet sich eine Serie, der man all die oben genannten Charakteristiken deutlich ansieht: Kleines Budget, Autor ist auch Hauptdarsteller, eigene Handschrift. Und sie spielt auch noch im Comedy-Zirkus zwischen Live-Gigs und Fernsehwerbung, Panel- und Talkshows, im writer’s room eines Comedians, der auch im wirklichen Leben einer ist.

Platz 5: „Lead Balloon“ (2006 — , BBC4/2)topten05

Rick Spleen (Jack Dee) ist ein Stand Up-Comedian und Autor, dessen Karriere nicht ganz so verlaufen ist, wie er sich das gedacht hatte: Er hat den Breakthrough nie geschafft, und statt einer eigenen Fernsehshow darf er allenfalls die Texte für das englische Äquivalent von „Ups — die Pannenshow“ schreiben. Sein sauertöpfisches Wesen, seine notorischen Lügen und geklauten Witze, seine ganzen Neurosen und kleinlichen Beschwerden erleichtern ihm das Leben genauso wenig wie sein amerikanischer Coautor Marty (Sean Power), der mit seinem aufgeräumten Sonnyboy-Wesen das genaue Gegenteil von Rick ist. Dessen Leben wiederum, das sich größtenteils bei ihm zuhause abspielt, wird bestimmt von seiner Familie, i.e. seiner ihn stets unterstützender Frau Mel (Raquel Cassidy), seiner nutzlosen Tochter Sam (Antonia Campbell-Hughes) und ihrem unmotivierten Freund Ben (Rasmus Hardiker) sowie der griesgrämigen osteuropäischen Haushaltshilfe Magda (Anna Crilly).

Egal, ob es nun darum geht, daß Rick Gewicht zugelegt hat und beim Fitneß-Training unüberlegterweise behauptet, das liege an einem Medikament gegen Krebs, er habe nämlich Krebs!, oder ob er den Wirt seines Stammcafés bei einem Seilspring-Marathon für eine Wohltätigkeitsveranstaltung mit fünf Pfund sponsern will und erst zu spät begreift, daß das fünf Pfund pro Sprung bedeutet; ganz gleich, ob er während eines Fernsehquizes als prominenter Unterstützer einer Kandidatin die falsche Antwort vorgibt und sie damit um den Gewinn eines Autos bringt oder einen Selbstmörder rettet: Stets bugsiert er sich in das tiefste aller Fettnäpfchen. Es stellt sich heraus, daß sein Mitsportler im Club selbst Krebs hat und alles über das Krebsmedikament erfahren möchte, das Rick nimmt; er wird gezwungen, der erfolglosen Quizkandidatin von seinem Honorar ein Auto zu kaufen und entscheidet sich für das billigste, das er kriegen kann; der Selbstmörder entpuppt sich als Pädophiler.

„Lead Balloon“ (der Titel bezieht sich auf den sprichwörtlichen Blei-Ballon, der im Englischen so abstürzt wie im Deutschen die bleierne Ente untergeht) hat den Paradigmenwechsel durch „The Office“ und „Curb Your Enthusiasm“ mitgemacht und überzeugt als Sitcom der Nullerjahre durch die Dialoge, die so alltäglich-improvisiert und ungekünstelt laufen wie die von „The Office“, aber so kunstvoll mehrere anscheinend unzusammenhängende story lines verknüpfen und in großen Katastrophen kulminieren lassen wie „Curb“. In der dritten Staffel schließlich gibt es wie in „Curb“ auch noch mehrere Story-Bögen, die sich durch die ganze Series ziehen. Jack Dee wirkt so überzeugend wie Larry David, weil auch er tatsächlich aus dem Metier ist und vor „Lead Balloon“ schon als Stand Up-Comedian und Fernseh-Moderator in England recht prominent war; seine Bücher (zusammen mit Pete Sinclair) sind vor allem in ihrer Innenansicht der Comedy-Welt glaubwürdig.

Die ersten beiden Staffelnsind auf DVD erschienen, eine vierte Staffel ist für Herbst 2010 angekündigt.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 6

2. November 2009 5 Kommentare

Exzentrik ist seit jeher einer der Grundzüge des englischen Charakters. Das ist auf den ersten Blick vielleicht erstaunlich, schließlich ist der britische Alltag bestimmt von Ritualen und Formeln, die britische Höflichkeit und Etikette sowie das auf Ausgleich bedachte Wesen der Briten, das sie seit jeher zur Diplomatie prädestiniert, sind weltbekannt. Aber vermutlich gerade deshalb braucht es auf individueller Ebene eine Entlastungsmöglichkeit, die von gesellschaftlichen Konventionen befreit und dem strengen Reglement etwas Anarchisches entgegensetzt: Beispielsweise exzentrisches Verhalten.

Das ist vielleicht der größte Unterschied des britischen Wesens zum deutschen: Spinnertes, abweichendes Verhalten wird nicht sofort durch Ausschluß oder Spott bestraft, sondern toleriert. In jeder Verwandtschaft gibt es ein schwarzes Schaf — aber die Briten verstecken ihres nicht wie die Deutschen, sondern sind auf den durchgeknallten Onkel, die seltsame Tante auch noch stolz. In Hinsicht auf den Humor, der in Großbritannien fester Bestandteil des Alltags ist und nicht auf bestimmte, festgelegte Situationen eingeschränkt, bedeutet das: Eine wesentlich größere Vielfalt von Tönen und Schattierungen, Stand Up-Comedians wie Eddie Izzard, Figuren wie Basil Fawlty, eigene Welten wie Royston Vasey in „The League of Gentlemen“. Eine der exzentrischsten Britcoms aller Zeiten, die man aus genau diesem Grund entweder liebt oder einfach nicht kapiert, findet sich heute auf

Platz 6: „The Mighty Boosh“ (2004 — , BBC3)topten06

(Wer die Kritik von Januar hier im Blog schon gelesen hat, kann sich die nächsten beiden Absätze weitgehend sparen.)

Vince Noir (Noel Fielding) und Howard Moon (Julian Barratt) sind Wärter in einem sehr dysfunktionalen, „Zoo-niverse“ genannten Tierpark. Dort arbeiten ihr Freund, der Schamane Naboo (Noels Bruder Michael Fielding), und der sinistre Zoodirektor Bob Fossil (Rich Fulcher), der keine einzige Tierart bestimmen kann, dort lebt auch der Gorilla Bollo (Dave Brown). Vince ist mal Mod, mal Punk, mal Waver, aber immer extrem modebewußt („What about this cape?” — „A bit last week”) und auf seine Frisur bedacht. Er nimmt das Leben leicht und hat permanent Glück, sehr im Gegensatz zum Schnauzbart tragenden Howard. Der legt auf Äußerlichkeiten überhaupt keinen Wert, ist eher ernst und nachdenklich, Jazz-Fan und konservativ bis spießig — der straight man zu Vinces funny man. Ihre gemeinsamen Abenteuer haben die immer freundliche Anmutung einer Kindersendung, die in einer leicht wahnsinnigen Version der Fünfzigerjahre spielt: sehr bunt, mit Zeichentrickelementen versetzt und bevölkert von eigenartigen Geschöpfen. In der ersten Folge läßt sich Howard auf einen Boxkampf gegen ein Killaroo genanntes Känguru ein; zwei Folgen später ist Bollo todkrank, so daß Howard in einem Affenkostüm seinen Platz einnehmen muß, damit der Zoo weiterhin gesponsort wird. Prompt verwechselt ihn Gevatter Tod mit dem echten Bollo und nimmt ihn mit in die Affenhölle, von wo Vince ihn befreien muß. In weiteren Folgen suchen die beiden Abenteurer mystische Eier in der arktischen Tundra, wo sie dem schwarzen Frost-Dämon begegnen, kämpfen sich auf der Suche nach Hilfe durch den Dschungel und setzen ihre Freundschaft beinah auf’s Spiel, als Vince sich einer Band anschließen will.

Zu den eindrücklichsten Momenten gehören die Musik-Vignetten, die oft aus Acapella-Einlagen entstehen und den liebenswürdig-bizarren Charme der Serie unterstreichen, die vielen sprechenden Tiere und Fantasy-Charaktere aus unterschiedlichsten Mythologien und die liebevolle Ausstattung: „Wenn David Bowie, Anthony Burgess und Maurice Sendak, der Autor von ‚Wo die wilden Kerle wohnen’, zusammengearbeitet hätten, wäre dabei vielleicht sowas Ähnliches herausgekommen”, schreibt The Observer.

„The Mighty Boosh“ macht von der ersten Staffel (2004) über die zweite (2005) bis hin zur dritten (2007) etliche Veränderungen durch: Vince und Howard verlassen in der zweiten den Zoo und leben in Naboos Wohnung, in der dritten führen sie gemeinsam Naboos Geschäft, die sogenannte Nabootique. Deutlich zu sehen ist, daß Baby Cow von Staffel zu Staffel mehr Geld ausgegeben hat, dementsprechend üppiger sind auch Kulissen und Effekte. Für 2010 ist eine weitere Staffel geplant, eine weitere, zweite Live-DVD erscheint am 16. dieses Monats (die erste ist durchaus sehenswert). Vor allem in der Damenwelt scheinen Noel Fielding und auch Julian Barratt mächtig Eindruck zu machen, „The Mighty Boosh“ ist also sehr pärchenkompatibel, insgesamt eine der bezauberndsten Serien der letzten Jahre und allen zu empfehlen, für die es nicht immer böse, dunkel und gemein sein muß.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 7

27. Oktober 2009 9 Kommentare

Britischer Humor, das meint in den meisten Fällen: englischer Humor. Und in fast allen von diesen meisten Fällen steht „englisch“ für „aus London“. Denn dem englischen Humor eignet etwas spezifisch Urbanes, Metropolitanes, das aus dem Zusammenleben vieler Menschen auf engstem Raum entsteht, wo Höflichkeit die eine Option ist, Distanz zu schaffen und zu wahren, und Humor eine andere. Der aristokratische, bildungsnahe (aber gleichzeitig antiintellektuelle), geschliffene Witz — das ist der, den man aus vielen Britcoms kennt, die wiederum zum größten Teil in London produziert werden.

Natürlich gibt es auch einen spezifisch irischen und schottischen Humor. Aber man muß England gar nicht verlassen, um brillante Sitcoms zu sehen, die weniger highbrow sind. Ein Blick nach Manchester genügt, dessen Milieus von Armut, Alkohol und Arbeitslosigkeit geprägt sind. Aus dessen nächster Umgebung kommt auch Platz sieben der Britcomcharts:

Platz 7: „Peter Kay’s Phoenix Nights“ (2001 — 2002, Channel 4)

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Der „Phoenix Club“ in Bolton ist ein social club alter Schule: Es gibt, vornehmlich für ältere Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten, Unterhaltungsangebote von Snooker- und Pool-Tischen über Lotterien und Bingo-Abende bis hin zu Auftritten von DJs, Bands, Comedians und Entertainern und natürlich eine Bar. Das „Phoenix“ ist reichlich heruntergewirtschaftet und seine Angestellten nicht die hellsten und schnellsten; die beiden Wachmänner Max und Paddy dabei die einfachsten Gemüter, der DJ Ray Von („as in rave on„) (Neil Fitzmaurice, „Peep Show“) versagt oft spektakulär in seinen Versuchen als Elektriker, und der Haus-Conférencier Jerry „St. Clair“ Dignan (Dave Spikey) hat schon bessere Tage gesehen, hält aber den Laden zusammen. Insbesondere weil Brian Potter (Peter Kay, zusammen mit Spikey und Fitzmaurice auch Autor der Serie), der an den Rollstuhl gefesselte Inhaber und Linzenzbesitzer, die unglückseligste Figur des Ladens ist: Meistens schlecht gelaunt, geizig, bösartig gegenüber seinen Angestellten — und nie um schneidend böse, aber komische Bemerkungen verlegen. Er ist vom Pech verfolgt: Das „Phoenix“ ist schon sein dritter Club, nachdem der erste in einem Hochwasser abgesoffen und der zweite abgebrannt ist; ein Schicksal, das auch das „Phoenix“ am Ende der ersten Staffel (von zwei) teilt.

Bis dahin passieren in „Phoenix Nights“ die buntesten Katastrophen: Schon in der ersten Folge wird die feierliche Eröffnung des Clubs durch einen Stromausfall ruiniert, eine Bingomaschine geklaut und ein deutschsprachiger Spielautomat mit „Das Boot“-Thema geliefert („Wunderbar! Das Jackpot! Wunderbar!“), und schließlich tritt eine Folkband auf, die von der anwesenden Journalistin schnell als rassistisch mißverstanden wird, obwohl sie nur von Kommunionschuhen singt, die das lyrische Ich nicht haben möchte („…send the black ones back“). Mißgeschicke und die teilweise grotesken Unzulänglichkeiten der Unterhaltungskünstler, gepaart mit der Zwielichtigkeit von Brian Potter (man weiß nicht einmal, ob er wirklich einen Rollstuhl braucht), führen zu komischen Momenten von unglaublicher Größe — „Phoenix Nights“ ist ein Comedy-Edelstein von 1000 Karat.

Dazu trägt die authentische Atmosphäre und die offene Zuneigung der Macher für ihr Sujet enorm bei: Das Senioren-Publikum in vielen Szenen ist echt, ebenso etliche der Show-Acts. Und auch die Liebenswürdigkeit, die hinter der schroffen Fassade Brian Potters dann doch hin und wieder aufscheint, dürfte das ihre dazu beigetragen haben, daß „Peter Kay’s Phoenix Nights“ schnell zum bafta-nominierten Kulthit wurde und Peter Kay, bei „Phoenix Nights“ noch keine dreißig, zum Publikumsliebling und Comedy-Superstar. Die beiden Wachmänner Max und Paddy (Kay und Patrick McGuinness) erhielten in der Folge ihre eigene Spin-off-Serie (die allerdings nicht mehr so brillant war wie „Phoenix Nights“), und bis heute ist eine dritte Staffel „Phoenix Nights“ im Gespräch, die angeblich schon fertig geschrieben, allerdings noch ohne Drehtermin geblieben ist. Peter Kay ist im britischen Fernsehen nicht sehr präsent; zwischen „Phoenix Nights“ und „Max and Paddy’s Road to Nowhere“ lagen drei Jahre, bis zum abermals fantastischen „Britain’s Got the Pop Factor…“ (2008) vergingen gar weitere vier.

N.b.: Für die meisten mit Schulenglisch aufgewachsenen deutschen Britcomfans dürfte eine Version mit Untertiteln (sind auf den DVDs enthalten) empfehlenswert sein. Das Manchester-Englisch ist doch recht gewöhnungsbedürftig.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 8

21. Oktober 2009 10 Kommentare

Platz acht festigt einen Trend, der sich durch die weiteren Plazierungen in meinen höchst persönlichen Britcom-Charts fortsetzen wird: Den zur cringe comedy. Peinliche Momente, in denen der Zuschauer kaum anders kann, als vor Fremdscham im Sofa zu versinken oder sich in distanzierendes und insofern rettendes Gelächter zu flüchten — das war DER Comedy-Trend der nuller Jahre. Vielleicht war die britische Sitcom der letzten Dekade auch deshalb nicht mehr so mehrheitsfähig wie (und damit leider auch ein bißchen weniger relevant als) früher: Weil sie alle ausschloß, die nicht bereit waren, sich solchermaßen unangenehmen Situationen auszusetzen. Andererseits war britische Fernsehkomik dadurch auch englischer denn je und das genaue Gegenteil deutscher Comedy, die immer noch weitgehend integrativ ist und möchte, daß alle zusammen lachen und es möglichst gemütlich haben.

Auf Platz acht findet sich die zweite Serie des Großmeisters der cringe comedy, Ricky Gervais, die nicht ganz so böse ist wie seine erste, es aber nichtsdestoweniger unter die besten zehn geschafft hat:

Platz 8: „Extras“ (2005 – 2007, BBC2/HBO)topten08a

Fatale Selbstüberschätzung ist einer der schnellsten Wege zu Demütigung, und Andy Millman (Gervais) mangelt es daran niemals: Der Film- und Fernsehstatist hängt fest an seinem Glauben, ein verkanntes Schauspieltalent zu sein, und bringt sich durch diese Fehlwahrnehmung permanent in Verlegenheit, vor wie hinter den Kulissen. Umso mehr, als er neben Größen des Fachs wie Ben Stiller, Kate Winslet und Samuel L. Jackson spielen muß und keine Gelegenheit ausläßt, von einem ins nächste Fettnäpfchen zu treten: Er versucht, aus seiner Komparsenrolle in einem Balkankriegsdrama eine kleine Sprechrolle zu machen, und belästigt damit den schwer traumatisierten Autor, der im Kosovo Frau und Kind verloren hat, auf dem Set. Er gratuliert Jackson für seine Rolle in „The Matrix“ und gibt sich, weil er ihn mit Laurence Fishburne verwechselt, indirekt als Rassist zu erkennen, der einen Schwarzen nicht vom anderen unterscheiden kann (Edit: genaugenommen war es Maggie, die Jackson mit Fishburne verwechselt hat, siehe Kommentare). Er versucht sich an David Bowie ranzuwanzen, was damit endet, daß der ihn mit einem improvisierten Schmäh-Lied öffentlich bloßstellt.

Zur Seite stehen Andy sein törichter Agent Darren (Stephen Merchant) und Maggie Jacobs (Ashley Jensen), ebenfalls Komparsin und ein Quentchen einfältiger als Andy; zusammen ergeben Andy und Maggie einen double act, der von ferne an Stan Laurel und Oliver Hardy erinnert: Maggie in der Rolle des naiven Stan, Andy in der des genervten Olli. Die Ähnlichkeit der Mimik ist stellenweise verblüffend.

In der zweiten Staffel hat Andy es zu einer eigenen BBC-Sitcom gebracht („When The Whistle Blows“), doch schnell ist klar, daß die Herabwürdigungen damit längst kein Ende haben: Andy wird so lange gezwungen, Kompromisse zu machen, bis sein ehrgeiziges Comedy-Projekt zur Doofi-Sitcom mit der schlichten catchphrase „Are you having a laugh?“ samt „funny wigs and glasses“, lustigen Perücken und dicken Brillen, verkommen ist (ein Schelm, wer an deutsche Sitcoms á la Atze Schröder dabei denkt). Peinlicher noch als seine schlimm schlechte Sitcom, für die sich Andy bald sehr schämt, ist nur: ihr phänomenaler Erfolg, der dazu führt, daß Andy bald von Kritikern beschimpft wird und von bescheuerten Fans verfolgt, die nichts anderes von ihm wollen, als daß er seine Cathphrase aufsagt — wieder und wieder und wieder… Im Weihnachts-Special schließlich hat Andy es geschafft, ein Fernsehstar zu werden, während Maggie ihre Karriere zugunsten eines Putzjobs aufgegeben hat.

In „Extras“ konnte man Ricky Gervais auf dem Höhepunkt seiner bisherigen Comedylaufbahn sehen: „The Office“ hatte ihm, der zuvor völlig unbekannt gewesen war, alle Türen geöffnet. Britische Prominenz von Patric Stewart bis Orlando Bloom standen Schlange, um in seinen Produktionen mitspielen zu dürfen, selbst Hollywood-Stars wie Robert DeNiro wollten dabeisein. Gervais nutzte die Gelegenheit, um die Film- und Fernsehwelt zu karikieren, griff dafür aber zu konventionelleren Methoden als zuvor bei „The Office“: Statt dessen Mockumentary-Stil (und damit sich selbst) zu kopieren, entwarf Gervais „Extras“ als traditionellerer Sitcom (eine Kamera, kein laugh track) — was ihm Fans prompt übel nahmen, die etwas ähnlich abgründig-bitteres wie „The Office“ erwartet hatten. Diesen Erwartungen zu entsprechen, wäre allerdings schwerlich möglich gewesen. „Extras“ aber war bei genauerer Betrachtung immer noch böse und brillant genug, um als würdiger Zweitling in die Geschichte einzugehen.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 9

14. Oktober 2009 8 Kommentare

Eines meiner Hauptkriterien dieser Britcom-Top 10 des ausgehenden Jahrzehnts ist, das erwähnte ich schon bei Platz 10 („Black Books“), die leichte Zugänglichkeit von Serien. Das bedeutet: Das Verhältnis von Dialogwitz und visual gags muß stimmen, die Geschichte muß ein gewisses Tempo haben und sollte in einem Setting stattfinden, das uns Kontinentbewohnern auch ohne intime Kenntnisse der britischen Kultur zugänglich ist.

Platz 9 meiner Charts entspricht allen diesen Kriterien auf das Hervorragendste und erschien deshalb offenbar auch hiesigen Fernsehschaffenden so anschlußfähig, daß sie eine deutsche Version davon drehten. Die war nicht wirklich gut, hielt sich aber immerhin weitgehend an die Vorlage und war deshalb auch nicht ganz schlecht. Die Rede ist von

Platz 9: „The Worst Week of My Life“ (2004 – 06, BBC1)topten09

Die letzten sieben Tage vor der Hochzeit von Mel (Sarah Alexander) und Howard (Ben Miller) entwickeln sich zur reinen Katastrophe: Was schiefgehen kann, geht schief. Das beginnt bei kleineren Mißgeschicken — dem Ehering, der ins Waschbecken fällt — und endet damit, daß der Hund der Schwiegereltern tot ist, ihr Auto kaputt, die Oma im Krankenhaus und das Haus mit Haßparolen beschmiert. Howard, Sohn eines Klempners, hat von Anfang an bei den snobistischen Eltern seiner Zukünftigen keinen leichten Stand. Aber dadurch, daß er immer verzweifelter versucht, doch noch alles ins Lot zu bringen, indem er lügt, hinhält, vertuscht, was nur geht, macht er Zug um Zug alles immer noch schlimmer: Mit jeder Folge, die je einen Tag der Woche erzählt und meist mit einem hübschen Cliffhanger endet, wird das Chaos größer, liegen die Nerven blanker. Howards einziges und großes Glück ist, daß seine Frau ihn wirklich liebt und zu ihm hält. Doch auch ihre Leidensfähigkeit hat Grenzen.

„The Worst Week of My Life“ hat alle Zutaten einer klassischen Farce: Unwahrscheinliche Zufälle, sprachlichen Witz und ein rasantes Tempo, das sich immer noch steigert. Die Slapstickmomente sind erfrischen gewalttätig, werden aber durch den betont klassischen Sitcom-Rahmen (eine Kamera, kein laugh track) aufgehoben. Infolgedessen gibt es zwar höchst peinliche cringe comedy-Momente, sie sind aber nie so schmerzhaft, so schneidend böse sind wie etwa bei „The Office“, sondern immer burlesk-komisch. „The Worst Week“ ist also familienkompatibel, einerseits, schafft es aber andererseits, innerhalb dieser Harmlosigkeit erschütternd komische Übertreibungen einzubauen, die mich hin und wieder zum Japsen gebracht haben vor Vergnügen.

Auch diese Britcom, wie schon „Black Books“, ist für britische Verhältnisse eher warm, weil zumindest die unverbrüchliche Liebe zwischen Mel und Howard für emotionale Akzente sorgt, die in schwärzeren Britcoms generell fehlen. Unter anderem deswegen dürfte es auch für den amerikanischen Markt adaptiert worden sein. Der bevorzugt ja, ähnlich wie der deutsche, Sitcoms, die unter aller Komik einen Boden der Freundschaft/Familie einziehen, der Sicherheit gibt und gewährleistet, daß niemand alleine bleibt — friends will be there for you. So verlogen ich das finde, und so sehr ich die kalten Britcoms bevorzuge, in denen die Figuren wissen, daß alles Arsch ist und keine Familienbande stark genug sind, einen in einer kalten Welt voller Arschlöcher zu trösten: Für „The Worst Week of My Life“ mache ich eine Ausnahme.

Auf zwei Staffeln hat es „Worst Week“ gebracht, in der zweiten geht es um die letzte Woche vor Mels Niederkunft, plus ein mehrteiliges Weihnachts-Special („The Worst Christmas…“); da das Rezept aber je das gleiche war, ist die erste Staffel die bessere, weil überraschendere, ohne daß die Fortsetzungen aber wirklich schlechter wären. Dafür sorgt neben den Drehbüchern von Mark Bussell und Justin Sbresni in erster Linie der hochkarätige Cast, neben Miller („Moving Wallpaper“) und Alexander („Coupling“, „Green Wing“) vor allem die liebenswürdige Alison Steadman („Gavin & Stacey“) und Geoffrey Whitehead als Howards Schwiegereltern.

Die Top-10-Britcoms der 00er-Jahre: Platz 10

10. Oktober 2009 8 Kommentare

Gut, wir haben natürlich erst Oktober ’09. Trotzdem halte ich es für unwahrscheinlich, daß in den letzten Minuten des Jahrzehnts noch eine so brillante Britcom des Weges kommt, daß sie meine eben aufgestellten Top 10 durcheinanderwirbeln wird. Wenn doch: Hurra und herzlich willkommen, brillante neue Britcom!

Vorab und weil natürlich jeder Leser eingeladen ist, seine eigenen Top 10 in den Kommentaren zu posten, noch ein schnelles Wort zu den Regularien: Meine Wertung ist strikt subjektiv, Hauptkriterium war, wenn ich es mir recht überlege, einfach, wie oft ich die betreffende Sitcom gesehen habe, mit wechselnden Mitguckern und allein. Das heißt natürlich, daß die leichter konsumierbaren Serien besser abschneiden als die verqueren, unzugänglicheren; sei’s drum, Komik ist nun mal etwas, das zwischen Menschen stattfindet, und zwischen je mehr, desto besser und lustiger. Strikt war ich nur in zwei Punkten: Dem der Sitcom und dem der 00er-Jahre. Nicht in der Wertung sind Comedy-Dramas, One-Offs, Sketchshows, Filme, Stand Ups, Panel Shows, Clip Shows usw.; und die erste Folge der ersten Staffel muß in den 00ern gewesen sein. Damit scheidet z.B. „Spaced“ aus.

Beginnen wir doch mit

Platz 10: „Black Books“ (2000 – 2004, Channel 4)topten10

Eines der vielen vorderhand abstoßenden Ekel der britischen Sitcoms regiert seinen Secondhand-Buchladen mit vom Alkohol leicht zittriger Hand: Bernard Black (Dylan Moran), misanthroper Ire in London, schmeißt schon mal einzelne Kunden raus, die Bücher passend zur Couchgarnitur kaufen wollen, oder auch einfach alle Kunden, wenn sie ihm auf die Nerven gehen, und trinkt lieber sieben schöne Flaschen Rotwein. Etwas Licht kommt erst in sein Leben, als er Manny Bianco (Bill Bailey) trifft, der seinen Buchhalterjob hingeworfen hat, um etwas Sinnvolles mit seinem Leben anzufangen — und dann für Black die Buchhaltung macht. Manny ist das genaue Gegenteil von Bernard: Offen, liebenswürdig, hilfsbereit, ein bißchen naiv, und kommt so schon mal in merkwürdige Situationen, wenn er etwa aus dem Buchladen ausreißt, weil er Bernards Launen nicht mehr erträgt, und sich mit einem Fotografen einläßt, der eine etwas merkwürdige Faszination für Mannys Bart entwickelt. Fran Katzenjammer (Tamsin Greig), Besitzerin der benachbarten Schnickschnack-Boutique, gibt der Serie den weiblichen Touch und ist Bernards einziger Freund.

„Black Books“ lebte von den surrealistischen Drehbuchideen, die dank Graham Linehans Federführung den Geist von „Father Ted“ atmeten und dank Dylan Morans Kontribution düster waren und sich von der Welt angeekelt gaben, und von Slapstick und Sight Gags (hier ein Best-Of), die einen unmittelbar in den Kosmos dieser für britische Sitcom vergleichsweise warmen und herzlichen Sitcom zogen. Diese Wärme und Herzlichkeit strahlten nicht zuletzt Bill Bailey und Tamsin Greig aus, aber auch die zahlreichen Gaststars von Simon Pegg und Nick Frost bis Peter Serafinowicz, die „Black Books“ zu einer „Spaced“ eng verwandten Serie machten, und wie „Spaced“ wurde auch „Black Books“ von Nira Park produziert.

Daß „Black Books“ nicht weiter oben in meinen Top 10 plaziert ist, ist seiner Nähe zum Mainstream geschuldet: Es ist beinahe ein wenig zu perfekt, zu liebenswert, zu klassisch auch, indem es einer beinah altmodischen Idee von Sitcom entspricht, wie sie Graham Linehan auch später in „The IT Crowd“ wieder verfolgt hat. Sitcom in den 00ern dürfte meinen Ansprüchen nach ruhig etwas edgier sein, ein bißchen mehr die Herausforderung suchen und Neues wagen. Dennoch ist „Black Books“ aber eine der großen Britcoms seiner Zeit gewesen und immer noch ein perfekter Einstieg für alle, die sich dem Britcom-Kosmos noch nicht zu nähern gewagt haben, weil er so groß und unüberschaubar ist. „Black Books“ heißt seine Besucher jedenfalls herzlicher willkommen, als Bernard Black das gerne hätte.