Die Britcoms des Jahres 2014

28. November 2014 7 Kommentare

Alle Jahre wieder: das Dezember-Humorkritik Spezial über die interessantesten Britcoms der vergangenen zwölf Monate, soeben erschienen in Titanic. Für regelmäßig Leser dieses Blogs dürfte nicht allzu viel Neues drinstehen, aber das dafür in einem Text übersichtlich zusammengefasst. Ich habe mich dieses Jahr nicht mehr nach Neuerscheinungen von DVDs gerichtet, weil es mittlerweile ja doch zu viele Alternativen zu diesem Medium gibt — es muss also jeder selbst gucken, welche interessante Serie er auf welchem Weg beziehen möchte. Und zu Amazon verlinke ich ja eh schon lange nicht mehr.

GOOD BYE, GREAT BRITAIN!

Nicht nur Schottland hätte sich dieses Jahr beinahe aus dem United Kingdom verabschiedet, auch die Britcom ist mal eben ausgewandert: einige der besten englischen Comedys kommen dieses Jahr aus den USA.

2014 haben britische Schauspieler endlich wirklich alle wichtigen Positionen im US-Fernsehen besetzt. So weit ist es gekommen, dass nicht nur ur-amerikanische Sheriff-Klischees wie „The Walking Deads“ Hauptfigur Rick Grimes von einem Briten gespielt (Andrew Lincoln) werden. Selbst wenn eine US-Agenten-Serie „The Americans“ heißt, wird als Hauptfigur mal lieber ein Briten besetzt (Matthew Rhys), und auch „Masters of Sex“-Hauptfigur William Masters ist natürlich in Tat und Wahrheit Brite (Michael Sheen). Die kennen sich halt aus mit Sex.

Wenig überraschend also, dass die beste britische Sitcom im vergangenen Jahr gar nicht aus Großbritannien kam: „You’re The Worst“ (FX) ist zwar so unverstellt misanthrop und giftig, wie man es aus dem United Kingdom kennt, und hat einen britischen Hauptdarsteller (Chris Geere), der einen misanthropen Briten spielt. Ansonsten aber lief die Serie um zwei gefühlsblinde Thirtysomethings und ihre toxic relationship in den USA und spielt in Los Angeles, wo Jimmy (Geere) und Gretchen (Aya Cash) zwar erfolgreich sind, er als Buchautor („Congratulations, You’re Dying“), sie als PR-Frau einer Karikatur von einer Hip-Hop-Gang, aber unglücklich — kein Wunder, so neurotisch, bindungsunfähig und insgesamt schrechliche Menschen, wie sie sind. „You’re The Worst“ könnte zu einem komischen Generationen-Porträt werden, wie es „Spaced“ (Channel 4) vor 15 Jahren war — wenn, ja wenn die Serie ein bisschen erfolgreicher wäre. Im Moment hat sie nämlich kaum noch jemand gesehen. Aber FX war mutig genug, eine zweite Staffel in Auftrag zu geben.

Weitere Briten in den USA waren und sind die beiden Fernsehautoren Beverly und Sean Lincoln (Tamsin Greig und Stephen Mangan) in der dritten Staffel „Episodes“ (Showtime/BBC Two). Sie kämpfen noch immer gegen ihren egomanen Star Matt LeBlanc (Matt LeBlanc), haben aber im neuen Senderchef Castor Sotto (Chris Diamantopoulos) einen Antipoden, dessen unverstellter Wahnsinn die dritte Season „Episodes“ zur bislang besten macht. Martin Freeman wiederum hat es geschafft, als Brite einen archetypischen Ami zu spielen: nämlich den naiven Hillbilly Lester Nygaard in der exzellenten Fernsehversion von „Fargo“ (FX), die zwar Figurenzeichnung, Setting, etliche Motive und den Humor des Originals von den Coen-Brüdern übernommen hat, aber nicht die Story.

Umgekehrt haben 2014 auch einige Amerikaner den Weg nach Großbritannien gefunden: allen voran Robert B. Weide, Produzent und Regisseur von „Curb Your Enthusiasm“. Sein „Mr. Sloane“ (Sky Atlantic) zählt zu den besten Britcoms des Jahres. Weil Sloane aber erst vor Monatsfrist in der Humorkritik ausführlich besprochen wurde (Titanic 10/2014), verweise ich fix auf diesen a.a.O.

Mit Taylor Lautner, Star der „Breaking Dawn“-Reihe, in der Rolle des Sohns von „Cuckoo“ (BBC Three) haben Robin French und Kieron Quirke echtes Stuntcasting betrieben — und damit die Serie gerettet, die nach dem Abgang des ersten Cuckoo, Andy Samberg, schon den Bach hinunter schien: komisches Talent hätte in dem Teenagerschwarm Lautner vor „Cuckoo“ sicher kaum jemand vermutet — hat er aber, wie ich bestätigen kann.

Ohne US-Gaststars kommt dagegen „Detectorists“ (BBC Four) aus, die spröde-komische Sitcom um englische Metallsucher-Spinner. Mackenzie Crook (Freemans Counterpart in „The Office“) hat mit seiner ersten eigenen Serie als Autor, Regisseur und Hauptdarsteller ein Schmuckstück von einer kleinen (i.e. billig produzierten) Serie geschaffen: melancholisch, leise, warm, mit liebenswert exzentrischen Versagern, die nach dem großen Schatz suchen. („Saxon hoard. It’s basically the holy grail of treasure hunting.“ — „Well, no. The holy grail is the holy grail of treasure hunting.“)

Das schwermütig-schöne Titellied von „Detectorists“ stammt übrigens von Johnny Flynn, der neben einem Gastauftritt ebenda die erste Geige in seiner eigenen Sitcom spielen darf: „Scrotal Recall“ (Channel 4). Deren größtes Manko liegt im Titel, denn zwar geht es durchaus darum, dass ein gewisser Dylan (Flynn) all seine Ex-Gespielinnen darüber informieren muss, dass er Chlamydien hat und sie sich besser mal untersuchen lassen sollten. Ansonsten aber ist „Scrotal Recall“ das Gegenteil von dem Schock-Humor, den man erwarten könnte, sondern eher sophisticated, beinahe erwachsen, aber jedenfalls mit real gezeichneten Figuren, deren Hauptproblem nicht in sexuell übertragbaren Krankheiten liegt, sondern eher in allzu großer Schüchternheit und Kompliziertheit.

Schüchternheit wiederum ist nicht das Problem von „Uncle“ (BBC Three). Andy (Nick Helm) ist so etwas wie die ungewaschene Version von Will Freeman aus „About a Boy“: er kommt als „Musiker“ (= Straßenmusikant) wie die Jungfrau zum Kind — in diesem Fall zum Sohn seiner drogenkranken Schwester, der das Gegenteil von Andy ist: spießig, altklug, allergisch gegen praktisch alles. Ein odd couple also, dem vom gemeinsamen Weiberaufreißen bis zum gemeinsamen Band-Gründen alles passiert, was auch in „About a Boy“ vorkommt. Und trotzdem muss man keine Sekunde an Hornbys Geschichte denken, weil „Uncle“ eben nicht annähernd realistisch ist, sondern immer larger than life, drastischer — und zum Glück auch komischer.

Wie nahe an der Realität „W1A“ (BBC Two) ist, ist dagegen schwer zu sagen: diese Mockumentary auf die BBC selbst (W1A ist die Anschrift des neuen BBC-Hauptgebäudes) jedenfalls führt einen Dauer-Unfall von einem Sender vor, in dem selbst und gerade die höchsten Positionen von Menschen besetzt werden, die keine Ahnung davon haben, was sie tun — im wörtlichen Sinne, denn der neue „Head of Values“ Ian Fletcher („Downton Abbeys“ Hugh Bonneville) hat nicht die geringste Vorstellung, was seine Aufgabe ist. Er weiß ja nicht einmal, wo sein Büro ist. Dass das ziemlich absurd und gleichzeitig vollkommen glaubwürdig scheint, ließe einen erschrecken, wenn man denn vor Lachen dazu käme.

Als bester englischer Fernsehexport in die USA hat sich 2014 aber John Oliver erwiesen, dessen Late-Night-News-Comedy (wenn man das so bezeichnen kann) „Last Week Tonight“ auf HBO sich mit langen, gleichermaßen tiefschürfend wie höchst komischen Nachrichten-Satiren sehr schön gegen „Daily Show“ und „Colbert Report“ (beide Comedy Central) profilieren konnte. Wenn es mit rechten Dingen zugeht, wird es ein solches Format vielleicht auch irgendwann einmal in Deutschland geben. Mein Tipp: gegen 2019, Anchorman: Jan Böhmermann. Wer hält dagegen?

Lovely, actually

8. November 2014 2 Kommentare

Man sollte sich vom Namen nicht irreführen lassen: „Scrotal Recall“ (Channel 4, gerade zu Ende gegangen) ist nicht annähernd die derbe, drastische Sitcom, die man vermuten könnte. Obwohl sich der Plot durchaus so erzählen ließe.

Denn vordergründig geht es darum, dass der Twentysomething Dylan (Johnny Flynn, kürzlich hier im Blog bei „Detectorists“ schon erwähnt) Chlamydien hat, m.a.W.: eine sexuell übertragbare Krankheit, die es erforderlich macht, alle vormaligen Bettpartner(-innen) aufzusuchen und zu informieren — oder jedenfalls die, die man mag.

Das tut der schüchterne Dylan dann auch: pro Folge besucht er eine Exfreundin, deren Namen je titelgebend ist, während wir gleichzeitig in Rückblenden die zugehörige Story erfahren, sprich: die Geschichten von sechs Beziehungen, die auf ihre jeweils eigene Weise schiefgegangen sind.

Ein Konzept, das schnell zum Korsett werden könnte, aber Writer/Producer Tom Edge („Pramface“) zieht alle erzählerischen Register: die Rückblenden sind mal zehn Monate, mal fünf Jahre, streifen aber immer wieder die gleichen Ereignisse im Leben Dylans, seiner besten Freundin und WG-Mitbewohnerin Evie (Antonia Thomas, „Misfits“) und seines Kumpels/Mitbewohners Luke (Daniel Ings). Vor allem die (in der ersten Folge) dramatisch entgleisende Hochzeit von Angus (Joshua McGuire) und Helen (Aimee Parkes) wird in den Rückblenden vor- und in der Gegenwart weitererzählt, so dass sich im Laufe der Serie ein Puzzle zusammensetzt, das die Serie über die in sich abgeschlossenen Episoden hinaus zu einer Erzählung macht und das Interesse der Zuschauer wachhält.

Und auch mit dem Format selbst spielt Edge ziemlich clever: Mal wissen wir lange gar nicht, welche namenlose Figur die im Titel genannte Dame ist, mal enthüllt eine Folge gleich am Anfang einen dramatischen Plotpoint, der uns involviert hält, mal führt er uns mit Tricks auf falsche Fährten, die ich hier nicht verraten will.

Vor allem aber ist die Serie, wie gesagt: anders als ihr Name glauben macht, nie krass, roh oder überzeichnet, sondern eher leise, warm und empathisch. Vor allem die unerfüllte Romanze zwischen Evie und Dylan, beide zu schüchtern, um den ersten Schritt zu machen, ist durchaus anrührend. Dass dafür Luke als einzige Figur umso larger than life gezeichnet wird, als ewiges Großmaul und unerschütterlichen Aufreißer, gibt „Scrotal Recall“ die Würze, den nötigen Pfeffer, die Kohlensäure im sonst eher stillen Wasser.

Einziges Manko ist das Ende der Staffel, ein Cliffhanger, der mich unbefriedigt hinterlassen hat: für einen Cliffhanger am Ende der Season war er nicht groß genug — eher so, dass man noch eine abschließende Folge erwartet, die dann aber nicht kommt. Weniger so, dass man unbedingt wissen will, wie es nun weitergeht, als dass ein, zwei Handlungsstränge nicht zu Ende erzählt worden sind.

Und auch die Qualität der einzelnen Folgen ist durchaus unterschiedlich: nach einer starken ersten Folge kommt eine deutlich schwächere zweite, gefolgt von wieder stärker werdenden weiteren Episoden.

Insgesamt aber sind „Scrotal Recall“ und „Detectorists“ zwei der schönsten Britcoms dieses Jahres: eher leise, melancholisch-komische Protagonisten (Flynn/Crook) mit glaubwürdigen Konflikten. Oder, wie die Frau über Flynns Dylan gesagt hat: „Endlich mal ein netter Typ!“

It takes a lot to make a stew

7. November 2014 1 Kommentar

Der weirdeste Sitcom-Vorspann ever, ever, ever — in zwölf epischen Minuten: „Too Many Cooks“. Ich bin nicht sicher, was ich davon halte, abgesehen davon, dass es mit Sicherheit das beste ist, was ich je gesehen habe und je sehen werde. Oder auch nicht.

(Warnung: „Too Many Cooks“ beginnt harmlos, bleibt es aber nicht.)

Alan Sepinwall ist sich auch nicht sicher, glaube ich.

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Was will Will wirklich?

30. Oktober 2014 15 Kommentare

Gerade geht ein Ausschnitt aus der Jimmy-Kimmel-Show rum, in dem Will Arnett von seinen Erlebnissen vor und hinter den Kulissen von „Wetten, dass..?“ erzählt. Hier ist er:

… leider nicht mehr.

Eine schöne Vorlage, die Meedia wie auch Nutzer sozialer Netzwerke gerne nehmen, um ihre Kritik an „Wetten, dass..?“ von prominenter Seite bestätigt zu sehen. Aber auch zu Recht?

Damit zweierlei klar ist: ich will weder „Wetten, dass..?“ schönreden, dazu ist ja die häufig und von jedermann geäußerte Kritik dann doch zu berechtigt. Es ist halt ein in die Jahre gekommenes Format, dessen Moderator einem durchaus unsympathisch sein darf. Und ich will auch nicht unterstellen, Arnett sei böswillig oder hätte nicht Recht mit dem, was er erzählt. Ich glaube ihm alles, was er sagt.

Aber da liegt schon der Hase im Pfeffer: es geht im Grunde nicht um Wahrheit oder Fakten oder Informationen bei dem Ausschnitt aus Kimmels Show. Sondern es geht um eine Anekdote, um Comedy, um fünf Minuten amüsantes Geplauder, das umso komischer ist, wenn es auf Klischees und Vorurteilen fußt, an die die Zuschauer anschließen können.

Glaubt man ja auch sofort, dass es ein Handicap gerade für Comedians ist, wenn ein Gespräch erst von Synchronübersetzern nachgeplappert werden muss, so dass jede Pointe, jedes Timing ruiniert sind. Da kann man schnell auf die Idee kommen, Deutsche hätten per se keinen Humor und seien unempfindlich gegen Witze — selbst wenn das nicht ohnehin das Klischee wäre, das jeder gerne belacht.

Noch einmal: dagegen habe ich gar nichts — Klischees sind natürlich Klischees, eben weil sie so oft stimmen, und in der Comedy unverzichtbar, wenn man schnelle, mehrheitsfähige Witze machen möchte.

Aber ich glaube nicht, dass man diese Witze zur Grundlage von inhaltlicher Fernsehkritik machen sollte. Oder auch nur zur Bestätigung eigener Kritik heranziehen.

Denn natürlich hätte sich Arnett genauso gut über italienisches, französisches, polnisches, russisches Fernsehen und seine Shows lustig machen können, wäre er dort eingeladen gewesen. Macht er ja vielleicht auch, was weiß ich.

Genauso wie sich jeder deutsche Fernseh- und Filmstar darüber lustig machen könnte, wie im Ausland Fernsehen gemacht wird — wenn darüber in Deutschland nicht sofort die Nase gerümpft würde (und wenn es deutsche Fernseh- und Filmstars gäbe, die im Ausland in Fernsehshows auftreten): die schrill-bunten Kulissen des französischen Fernsehens! Die leicht bekleideten Mädels im italienischen Fernsehen! Zum Schießen, diese Ausländer.

Aber würde das in Italien oder Frankreich wirklich zum Beleg dafür herangezogen, dass die eigenen, landestypischen Sehgewohnheiten falsch, schlecht, doof wären? Ich hoffe nicht.

Denn kann es wirklich darum gehen, dass ein amerikanischer Star in eine deutsche Fernsehshow eingeladen wird und dann praktisch keinen Unterschied zu zuhause feststellt? Weil überall die gleichen Standards gelten, weil es einen globalen Mainstream gibt, der überall gleichermaßen funktioniert? DANN wäre etwas falsch und schief gelaufen.

Um es nochmal zu sagen: das heißt nicht, dass mit „Wetten, dass..?“ alles gut wäre. Ist es nicht.

Aber ich glaube nicht, dass Will Arnett ein guter Zeuge der Anklage ist und dass dieser Clip als Beleg dafür dient, wie desaströs das deutsche Fernsehen ist.

Depressionists

21. Oktober 2014 2 Kommentare

Es gibt kulinarische Kombinationen, von denen man denkt: niemals schmeckt das zusammen. Braten und Schokosauce zum Beispiel, oder Brombeeren und Schafskäse. Aber wenn man’s erst mal probiert hat, weiß man es besser. Salzig und süß gleichzeitig etwa kann enorm gut schmecken — wenn ich da nur an diese Karamellbonbons mit Meersalz denke: njam!

Salzig und süß geht auch in britischen Comedys gerne zusammen, vornehmlich bei solchen, die BBC4 gerne gut versteckt zeigt — wie in der Gastronomie sind im Fernsehen solcherart gewagte Geschmackszusammenstellungen halt nicht mehrheitstauglich.

Wenn man sie für sich entdeckt hat, mag man sie aber umso mehr schätzen.

„Detectorists“ (BBC4, drei von sechs Folgen sind bereits gelaufen) ist so eine Sitcom: langsam, leise, traurig bis depressionsfördernd. Wie auch anders, wenn die beiden Hauptfiguren Andy (Mackenzie Crook) und Lance (Toby Jones) zwei Underachiever in der kleinstädtischen Provinz von North Essex sind, die jede freie Minute damit verbringen, mit ihren Metallsuchgeräten durch Wiesen und Felder zu streifen, immer auf der Suche nach einem großen Schatz, immer enttäuscht von ihren Funden: Getränkedosenverschlüssen, kleinen Geldmünzen, Matchboxautos.

Insbesondere Andy, der Jüngere der beiden, ist eine traurige Figur: Teilzeitstudent der Archäologie, aber mit der Ahnung, dass sein Leben kein so rechtes Ziel hat. Für seinen Lebensunterhalt geht er hauptsächlich Reinigungsjobs nach, die er von einer Zeitarbeitsvermittlung bekommt; und wenn man ihn in zwei Szenen Staubsaugen und Gras mähen sieht, sind das genau die traurig-komischen Momente, die „Detectorists“ ihre Farbe geben: denn ob er saugt, mäht oder den Metalldetektor schwingt — das sind genau die selben Handbewegungen, tagein, tagaus.

Wäre da nicht die glückliche Langzeitbeziehung zu seiner Freundin Becky (Rachael Stirling), einer örtlichen Lehrerin, es blieben ihm nur die Nachmittage mit Lance und die Zeit im DMDC, dem Danebury Metal Detecting Club, in dem Lance und Andy andere Exzentriker vom gleichen Schlag treffen.

ANDY
I need a new place to search. All we turn up these days is litter and ring-pulls. This is the land of the saxons. I want to discover where they buried their warriors and their kings.

BECKY
Instead of where they had their snacks and soft drinks?

ANDY
Exactly.

„Detectorists“ lässt sich Zeit, die Konflikte zu entwickeln, aber glücklicherweise sind die dann doch handfester, als man zunächst denkt: es ist nämlich nicht nur die konkurrierende Truppe der Antiquisearchers (Simon Farnaby und Paul Casar), mit denen sich der DMDC (hauptsächlich rhetorische) Scharmützel liefert. Sondern es ist auch die überraschende Erlaubnis des verrückten Farmers Larry (David Sterne), auf seinen Feldern zu suchen — obwohl vor Jahren Larrys Ehefrau über Nacht verschwunden ist und man sich im Dorf recht einig ist, dass dafür vermutlich niemand anderes als Larry selbst verantwortlich ist.

Und es ist die junge Sophie (Aimee-Ffion Edwards), die den Herren vom DMDC die Köpfe verdreht und Becky eine Rivalin wittern lässt, wo eigentlich gar keine ist.

Vermutlich war es Mackenzie Crooks Erfolg mit „Pirates of the Caribbean“ und „The Office“, der die BBC erwogen hat, ihn diese auch für BBC4-Verhältnisse sehr melancholische Sitcom machen zu lassen. Und Crook beweist vor wie hinter der Kamera seine Talente: denn nicht nur spielt er die leise Verzweiflung Andys gleichermaßen komisch wie ernst, er spielt auch das Sujet der Hobby-Schatzsucher ebenso ernst wie komisch aus, oft beides im gleichen Moment.

Etwa wenn Andy eine Plakette mit der Gravur „Jim fixed it for me“ ausgräbt, sie aber lieber sofort wieder wegwirft, als sie zu seinen Schätzen zu legen: diese Plakette erhielten für gewöhnlich Kinder in der Fernsehshow „Jim’ll Fix It“ (BBC1, 1975 – ’94), nachdem Jimmy Savile ein Problem für sie gelöst hatte. Savile allerdings hat, wie man heute weiß, Kindern eher Probleme bereitet als sie für sie gelöst, und so ist es gleichermaßen komisch (und mutig von der BBC, einen so bösen selbstreferentiellen Gag zuzulassen) als auch bezeichnend für den Charakter Andys, der zwar graben, aber manchmal vielleicht doch lieber gar nichts finden will.

Sehr schön auch: das „Detectorists“-Titellied von Johnny Flynn, mit dem er auch einen kleinen Gastauftritt beim „Open Mic“-Abend des lokalen Pubs in der dritten Folge der „Detectorists“ hat. Gleichzeitig hat Flynn nämlich seine eigene Sitcom auf Channel 4, „Scrotal Recall“, die deutlich besser ist als ihr Titel, und von der ich in einem der nächsten Blogposts berichten werde.

ARD setzt „Cuckoo“ nach einer Folge ab

16. Oktober 2014 5 Kommentare

DWDL meldet gerade, die ARD hätte „Cuckoo“ (BBC3, seit 2012) nach einer einzigen Folge im Vorabendprogramm abgesetzt, weil es die Quoten nicht erfüllt hätte. (Jürgen Marschal bei Facebook dazu: „Ein Wunder, dass sie so lange durchgehalten haben und es nicht gleich während der Ausstrahlung abgebrochen haben.“)

Nach einer Folge im Vorabendprogramm. Das ist ungefähr so, wie wenn an einer Schule (und der Rundfunk hat, soweit ich weiß, einen Bildungsauftrag in diesem Land) ein Lehrer nach der allerersten Stunde Latein feststellt, dass seine Schüler gar kein Latein können, und sagt: „Oh, dann lassen wir es halt mit dem Lateinunterricht und unterrichten weiterhin Indiehändeklatschen und Nasebohren. Das können sie schon ganz gut!“

Wie kann man diesen hyperbeschleunigten Irrsinn, der btw mit Gebühren bezahlt wird, eigentlich noch ertragen?

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