„Cuckoo“ revisited

19. Februar 2013 Keine Kommentare

Es ist ja oft gut, Sachen zwei-, dreimal anzusehen. Erst wenn man die Handlung und die Witze schon kennt, kann man sich nämlich auf die Mechanik hinter Serien und Filmen konzentrieren und gucken, wo die Fäden laufen, an denen die Puppen tanzen. Ich habe kürzlich noch einmal die ganze Staffel „Cuckoo“ (BBC3, 2012) gesehen, dabei festgestellt, dass die Serie auch beim zweiten und dritten Mal noch wunderbar funktioniert. Insbesondere die erste Folge ist mir noch eine Weile im Kopf herumgegangen.

In „Cuckoo“ geht es um den titelgebenden jungen Mann (Andy Samberg), einen hippiesken Amerikaner, der die 18jährige Rachel (Tamla Kari), Tochter einer englischen Mittelklasse-Familie, in Thailand kennen- und liebengelernt hat und nun mit ihr zusammen bei ihren Eltern in den englischen Midlands einzieht — zum Missfallen ihres Vaters Ken (Greg Davies). Denn Cuckoo ist eine veritable Landplage, faul und selbstgefällig, dabei allerdings gutaussehend und nicht uncharmant: nicht nur auf Rachel, auch auf ihre Mutter Lorna (Helen Baxendale) macht er durchaus Eindruck.

Die Konflikte und Spannungen sind also klar: hier der Silberrücken der Familie (Greg Davies ist ca. 2,95 Meter groß), da der freche Jungaffe, der dem Alten Revier und Weibchen streitig machen kann.

Wo nun beginnt man als Autor, diese Geschichte zu erzählen? Was ist Backstory? Wo beginnt die eigentliche Serie?

Es gibt zwei Arten von ersten Folgen bzw. Piloten: den sogenannten Premise Pilot im Gegensatz zu einer regulären ersten Folge, die sich von den anderen Folgen einer Serie nicht unterscheidet. Beide Möglichkeiten haben bestimmte Vor- und bestimmte Nachteile.

Der heute beliebtere Weg, eine Serie zu beginnen, ist der des Premise Pilot, in dem erzählt wird, wie die Hauptfiguren in die Lage kommen, aus der heraus die Serie anschließend erzählt wird: Wie die jungen Straffälligen in „Misfits“ durch ein mysteriöses Gewitter zu Superkräften kommen, mit denen sie anschließend umzugehen lernen müssen. Wie ein Werwolf und ein Vampir in einer WG ziehen, wo schon ein Geist wohnt, und was sich aus dieser Konstellation ergibt („Being Human“). Wie zwei junge Londoner umziehen wollen bzw. müssen und, um überhaupt eine Wohnung zu bekommen, ihrer Vermieterin in spe vorspielen müssen, sie seien ein Paar, obwohl sie sich überhaupt nicht kennen („Spaced“).

Solche Piloten haben den Vorteil, dass wir die Figuren und ihre Charaktere ausführlich vorgestellt bekommen, und dass wir erfahren, wie und warum sie in welche Situation gekommen sind. Das ist besonders dann hilfreich, wenn die Prämisse so außergewöhnlich ist, dass sie ansonsten schwer zu erklären wäre (siehe „Misfits“ und „Being Human“). Sie sind vermutlich auch leichter zu schreiben, weil man so nicht viel in Dialogen verpackt erklären muss („Weißt du noch, wie wir damals Annie kennengelernt haben?“).

Sie haben aber den großen Nachteil, dass sie sich von den anderen Folgen einer Serie womöglich sehr unterscheiden: Wir wissen nach der ersten Folge als Zuschauer nicht unbedingt, wie die nächste Folge aussieht, weil sie konzeptuell anders sein muss als die erste. Das ist für eine Serie keine gute Voraussetzung.

Daher bin ich im Grunde ein Fan der anderen Möglichkeit: Einer regulären ersten Folge, in der schon alles so ist, wie es später auch ist. In „The Office“ etwa müssen wir nicht erfahren, wie David Brent Chef wurde oder wie und warum ein Kamerateam ihn im Alltag begleitet. Es ist einfach da, filmt ihn und seine Untergebenen, und gut ist. In „Seinfeld“ streiten sich George und Jerry in der ersten Szene, als hätten sie nie etwas anderes getan, und das haben sie auch nicht. Die Charaktere und ihre Konstellation erklären sich aus sich selbst.

Ein großer Freund dieser Variante ist auch Graham Linehan, der uns weder in „Father Ted“ in einer eigenen ersten Folge erklärt, wie drei Priester auf eine einsame irische Insel gekommen sind, noch in „Black Books“ die Eröffnung von Bernard Blacks Buchladen. In „The IT Crowd“ sind die ITler schon in ihrem Kellerverschlag, als Jen als ihre Chefin dazustößt — aber damit kommen wir schon zum cleveren Teil der Problemlösung, die auch die Autoren von „Cuckoo“, Robin French und Kieron Quirke, gewählt haben:

Eine Mischung aus beiden Möglichkeiten.

Im Falle von „Cuckoo“ ist das schön offensichtlich, denn die Serie beginnt an einem thailändischen Strand, wo ein Platzregen eine Party abrupt beendet und Rachel und Cuckoo sich zum ersten Mal begegnen: Rachel noch ein braves Mädchen, das aber prompt die Sekretärinnenbrille abnimmt, als es von einem äußerst charmanten, aber wahnsinnig verblasenen Cuckoo angesprochen wird: ihre Verwandlung, ihre Befreiung (auch von ihrer kotzenden Freundin, die sich im gleichen Moment zurückzieht und Rachel mit Cuckoo alleine lässt), zusammengefasst in einem einzigen Bild. Schnitt auf Ken, der zuhause eine Collage aus braven Papa-&-Tochter- und anderen Familienfotos betrachtet und sich dann mit Lorna auf den Weg zum Flughafen macht, um Rachel abzuholen. Schon bei Minute drei tauchen Cuckoo und Rachel zusammen am Gate auf — und in der fünften, sechsten Szene sind bereits alle Fallen gestellt, alle Stricke gelegt und alle Gruben gegraben, in die die Figuren anschließend laufen.

Bei Linehan ist es meist nur die Ankunft je einer neuen Figur in einem ansonsten festgefügten Tableau (in „Black Books“ ist es die Nebenfigur des Manny Bianco, der das „Book of Calm“ verschluckt und so zum Nebenberufsheiligen mutiert, in „IT Crowd“ ist es die neue Chefin Jen, der Moss und Roy die Lage verklickern müssen), die die erste Folge von allen anderen unterscheidet — zu wenig, um als Premise Pilot durchzugehen, aber zu viel Veränderung, um nur eine beliebige Folge innerhalb der Serie zu sein.

„Cuckoo“ ist, und das betrifft nicht nur die erste Folge, sehr schön erzählt und so selbstsicher, dass die Autoren sich sogar trauen, für eine Folge die Chemie zwischen Ken und Cuckoo völlig zu verändern, und zwar durch eine (zumindest von Ken) unbeabsichtigt eingenommene MDMA-Pille. Genau diese Folge ist prompt die beste der ganzen Staffel, an deren Ende eine weitere unerwartete Änderung in der Chemie zwischen den Figuren steht.

Das wiederum unterscheidet die kurzen britischen natürlich von den langen amerikanischen Serien. Und darin dürfte auch die Antwort auf die Frage liegen, welche Art von Pilot die beste ist: das hängt stark von der Serie ab. Je statischer, je mehr auf Unendlichkeit angelegt oder sogar frozen in time, desto mehr spricht für eine erste Folge, die so ist wie alle anderen. Je kürzer, je dominanter der Handlungsbogen über der ganzen Staffel ist und je mehr eine Serie ein High Concept verflogt, desto mehr spricht wohl für einen Premise Pilot. 

In eigener Sache: „Nichtgedanken“

15. Februar 2013 3 Kommentare

Die Älteren unter meinen Lesern werden sich womöglich noch erinnern: Da gab es einmal eine Leseshow von Max Witzigmann und mir, die hieß „StarBooks“ und brachte die lustigsten, peinlichsten, selbstverliebtesten Stellen aus den Autobiographien Prominenter und Semiprominenter zu Gehör. Darunter waren Perlen von Lothar Matthäus, Gina Wild, Daniela Katzenberger, Helmut Berger und Bushido, und alle waren so fantastisch neben der Kappe, dass Max und ich gar nichts tun mussten, als einfach vorzulesen.

Nun aber läuft ab Karfreitag auf dem Münchener Spitzensender Tele 5 eine neue Show mit Oliver Kalkofe an. Die soll „Nichtgedanken“ heißen (in Anlehnung an Joachim „Kuli“ Kulenkampffs „Nachtgedanken“), und lesen wird Kalk darin die lustigsten, peinlichsten, selbstverliebtesten Stellen aus Promi-Autobiographien — etwa denen von Lothar Matthäus, Gina Wild, Daniela Katzenberger, Carsten Maschmeyer, Betty Wulff und vielen anderen.

Die Redaktion dieser Show oblag und obliegt mir, und es freut mich, dass ich nicht nur einige Schmuckstücke aus „StarBooks“ so vor dem Vergessen bewahrt bleiben, sondern dass ich auch viele, viele neue Superstellen aus aktuellen Promiautobiographien suchen und zusammenstellen durfte. Auch wenn das Wasser, durch das ich dafür waten musste, selten tief war, dafür oft trüb und brackig, und der Grund darunter meist glitschig.

Ich durfte schon die ersten bereits gedrehten Folgen der „Nichtgedanken“ sehen und bin gespannt, wie diese liebevoll ausgestattete Show und ihr ungewöhnliches Konzept von der Kritik aufgenommen wird — Tele 5 scheint sich gerade tatsächlich mit Mut und Chuzpe (siehe Christian Ulmens „Who Wants To Fuck My Girlfriend“) einen Namen zu machen.

Und ich bin natürlich gespannt, was meine Leser dazu sagen werden.

Good, clean fun

10. Februar 2013 1 Kommentar

Dass leicht ist, was leicht aussieht: diesem Irrtum wäre ich gerade eben beinahe selbst aufgesessen. Ein gutes Zeichen für „The Spa“ (Sky Living — wieviele Unterkanäle hat dieses Sky eigentlich?!), die neue Sitcom von „Benidorm“-Creator Derren Litten.

Vor allem die Dialoge sind in dieser ersten Folge (in der man die Figuren logischerweise noch nicht so gut kennen kann, dass die Komik alleine aus ihrem jeweiligen Charakter entstehen kann) unglaublich lustig — auf eine schön altmodische, traditionelle Britcom-Weise, die aus einem missglückten Brief ein Tischfeuerwerk von Gags machen kann („I said ‚obese‘, not ‚a beast'“), aus einem über die Maßen gut bestückten, aber schon älteren Handwerker in viel zu engen Shorts einen visuellen Running Gag („My father was the same, that’s why they called him Moby, after Moby—„) und aus Depressionen und einem Selbstmordversuch reinstes Comedy-Gold („Meine Frau hat Depressionen. Postnatale Depressionen.“ — „Oh. Wann hatte sie denn ihr letztes Kind?“ — „1971.“). Schwarzes Comedy-Gold sozusagen. Good, clean fun — obwohl „The Spa“ selbstverständlich genauso obszön, derb und schlüpfrig ist, wie „Benidorm“ es schon war.

„The Spa“ spielt im titelgebenden Wellness-Center (und erinnert nicht nur deshalb ein wenig an „The Brittas Empire“, 1991 bis 1997 auf BBC1, das Litten aber nie gesehen haben will). Hier führt die Managerin Alison (die wunderbare Rebecca Front, zuletzt groß als Nicola Murray in „The Thick of It“) ein chaotisches und rohes Regiment, und zwar über eine homer-simpson-artig naive Rezeptionistin, einen übergewichtigen Fitness-Coach im Rollstuhl (Darren Litten himself), den schon erwähnten Handwerker mit dem Monsterpimmel (Tim Healey, ebenfalls in „Benidorm“ zu sehen) und noch einige andere hippieske, militärisch aggressive oder depressive Angestellte.

Die Figuren sind alle mit einem eher groben Pinsel gezeichnet, aber, wie gesagt, es war ja nun auch erst eine einzige Episode zu sehen, und der hat genau diese pastöse Art des Farbauftrags eher geholfen. Vor allem einfältige Charaktere beherrscht Litten großartig, und natürlich waren und sind es immer eben diese, die die schönsten Pointen liefern; man denke nur an Father Dougal aus „Father Ted“ oder eben an Homer Simpson. Hier ist es vor allem Rezeptionistin Sally (Niki Wardley), die z.B. auch mit der Information in Alisons Büro platzen darf, dass die greise Putzfrau Rose (Vilma Hollingbery) suizidale Absichten hat:

Sally: I’m sorry, it’s Rose, she’s on the roof.
Alison: What? What do you mean?
Sally: The top part of the building.

Endlich mal wieder eine Sitcom, deren erstes Ziel es ist, komisch zu sein, und nicht etwa clever, tabuverletzend oder gleich schockierend. Ah, da fällt mir ein, ich muss ja auch noch die ersten beiden Folgen „Derek“… Seufz.

Bloß nicht Nr. 65: Eine Doktorarbeit schreiben

9. Februar 2013 Keine Kommentare

 In unserer kleinen Entspannungsfibel über alles, was man sich im Leben schenken kann, haben Hermann und ich uns auch dem Thema „Doktorarbeit“ gewidmet. Hätte Annette Schavan sich das mal rechtzeitig zu Herzen genommen!  Jetzt ist es zu spät — für Schavan. Sie aber haben noch die Gelegenheit, keine Doktorarbeit zu schreiben! Und vieles andere zu lassen, was wir in unserem Buch „101 Dinge, die Sie sich sparen können“ vorstellen. Wer jetzt bestellt, ist morgen schon schlauer! Und entspannter!

Die Idee: Ich möchte vorankommen im Leben und möglichst schnell befördert werden! Da ist es bestimmt klug zu promovieren, denn nichts sagt so sehr »Ich will etwas werden« wie ein Doktorgrad. Außerdem habe ich Lust, über ein Spezialthema ganz doll nachzudenken und meine Erkenntnisse dann zu veröffentlichen.

101 Dinge, die Sie sich sparen können

100 weitere Lassedasse für 9,90 — das ist doch praktisch geschenkt!

Die Wirklichkeit: Ein Doktorgrad sagt, falls Sie ihn in Ihrem Briefkopf und auf der Visitenkarte verwenden möchten: »Ich bin Doktor und du nicht. Ha, ha!« Falls Sie Ihren Dr. nicht spazieren führen wollen, sagt er: »Ich wusste nach dem Studium nicht, was tun, also hab ich einfach einen Doktor drangehängt und so locker noch drei Jahre rumgekriegt.« Ihre Dissertation selbst aber wird nur gelesen, falls Sie Karriere als Politiker machen. Dann wird jemand versuchen, Ihnen ein Plagiat nachzuweisen.

Es gibt Fälle, in denen eine Promotion von Bedeutung ist: für Mediziner, Wissenschaftler und Juristen etwa. Wer vorhat, an der Uni Karriere zu machen, wird nicht um einen Doktor herumkommen. Literaturwissenschaftler, Kunsthistoriker und Neogräzisten aber werden nach ihrer Promotion feststellen: Ihre Chance auf dem Arbeitsmarkt hat sich, ganz im Gegensatz zu ihrem Alter, nicht signifikant erhöht. Ihre Diss aber mit all der schönen Rhetorik, die in den sogenannten Geistes-»wissenschaften« die Fakten ersetzt, verstaubt in Archiven. Oft lesen nicht einmal die Doktorväter die meist zähen und viel zu langen Arbeiten ihrer Schützlinge in Gänze. Doch um Wissenschaft geht es den meisten Doktoranden vermutlich ohnehin nicht vorrangig. Sondern vielmehr um die zwei Buchstaben vor dem Namen, die ihren Träger fast so vom Rest der Menschheit unterscheiden wie die anderen drei zwischen den Namen. Ideal natürlich, wenn beides zusammenkommt: Adel und promoviert — in Ländern, die stolz sind auf eine starke gesellschaftliche Hierarchie, ist die Karriere damit schon so gut wie eingetütet.

Doch unter Gleichen, wo Rangordnung keine große Rolle spielt, wirkt es äußerst merkwürdig, etwa E-Mails mit seinem Dr. zu unterzeichnen. Zumal, wenn man einen Job macht, für den nicht einmal ein Studium notwendig gewesen wäre. Wofür genau fordert man den Respekt eigentlich ein, den dieser Titel heischt? Dafür, dass man jahrelang seine Produktivkraft der Gesellschaft entzogen hat, um einen riesigen Berg Papier vollzuschreiben? In dieser Zeit haben andere Menschen Kriege geschlichtet, sind zum Mond geflogen oder haben Bonbons erfunden, die gut für die Zähne sind! Allenfalls bezeugt dieses Ornament der eigenen sozialen Bedeutung, dass man sich gut auf ein Thema konzentrieren kann, egal wie abseitig es ist.

Weg also mit dem Doktortitel! Schluss mit der Inflation des Dünkels, die außer von den Hochschulen auch noch durch Plagiatoren, Ghostwriter und käufliche Doktorurkunden angetrieben wird! Schafft das Gewohnheitsrecht der Mediziner ab, für bessere Semesterarbeiten mit einem Doktorgrad belohnt zu werden! Fort mit den Doktormühlen der Universitäten, die am Quotienten Doktorarbeiten pro Profes­sor gemessen (und auch entsprechend finanziell gefördert) werden!

Zeigen Sie Haltung und verzichten Sie darauf, sich über andere aufzuschwingen. Oder ziehen Sie gleich nach Österreich. Im k.u.k-seligen Wien, so hört man, kommen von den Nachbarn nie wieder Beschwerden über zu laute Musik und zu viel Besuch, wenn man an seine Tür statt »Hier wohnt die Susi« schreibt: »Mag. Dr. S. Gruber«.

Charlie Brooker’s Weekly Wipe

2. Februar 2013 1 Kommentar

Charlie Brooker hat eine neue Show auf BBC2: „Charlie Brooker’s Weekly Wipe“. Ich muss gestehen, dass ich seine Fernsehkritik immer dann toll finde, wenn er exemplarisch etwas entlarvt — den standardmäßigen Aufbau eines Nachrichteneinspielers oder die Nichtigkeiten der Leserreporter und wie sie sich auf reguläre Nachrichten auswirken. Was ich nicht so sehr brauche, ist Charlie Brookers Kommentar zu jedem einzelnen Bullshit. Weil er seine Kritik aber immer noch sehr unterhaltsam unter die Leute bringt (und jemand freundlicherweise auch diese Brookershow bei YouTube hochgeladen hat), bittesehr: Charlie Brookers erster Wochenwisch.

Teil 1)

Teil 2)

Buy four deaths, get a fifth one free

26. Januar 2013 2 Kommentare

Wenn sich amerikanische Comedyautoren eine fiktive englische Sitcom ausdenken müssten, um sie sagen wir mal in eine Komödie einzubauen, dann könnte das ungefähr so aussehen: „Also, englischer Humor ist schwarz und macht vor nichts halt, schon gar nicht vor dem Tod. Aber Tod, das ist nicht sehr originell. Mord? Nee, ich hab’s: Selbstmord! Allerdings können die Hauptfiguren sich schlecht selbst umbringen, auch englische Serien haben mehr als nur eine einzige Folge — wie wäre es mit assistiertem Selbstmord?! Na klar, ein paar Twentysomethings, pleite und verzweifelt, kommen eher zufällig darauf, Sterbenskranken über die Wupper zu helfen, bauen eine Selbstmordmaschine, gründen ein kleines Euthanasieunternehmen — and hilarity ensues!“

„Way To Go“ (BBC3, seit 17.1.) ist genau das: die Geschichte dreier junger Männer, deren Geschäftsmodell bezahlte Sterbehilfe ist. Und ihr Autor Bob Kushell ist tatsächlich Amerikaner, hat schon für die „Simpsons“, „Malcolm in the Middle“, „American Dad“, „3rd Rock From the Sun“ und „Anger Management“ geschrieben — und nun seine erste eigene Serie.

Leider scheint Kushells Vertrauen in die Schockwirkung seines Themas nur begrenzt gewesen zu sein, deshalb hat er zusätzlich zu Scherzen rund um aktive Sterbehilfe noch etliche Kotz-Pups-Pipi-Kakawitze eingebaut. Gleich in der allerersten Szene ist es ein kleiner Hund, der sich eingeschissen hat und von seinem Frauchen an der Rezeption der Tierklinik abgegeben wird, wo Scott (Blake Harrison, „The Inbetweeners“) arbeitet, obwohl er lieber Medizin studieren würde. Scott ist es auch, dem die Idee zufliegt, mit Hilfe der Giftvorräte seines Arbeitgebers sein eigenes kleines Unternehmen zu gründen. Seinem Freund Cozzo (Marc Wootton, „La La Land“), der beruflich Fastfood-Technik repariert, fällt es zu, eine kleine Todesmaschine zu konstruieren, die die Jungs den „McFlurry of death“ nennen. Und Joey (Ben Heathcote) ist Scotts Halbbruder, dessen Job es offenbar ist, schlaue Sprüche zu klopfen und sich wegen seiner Spielschulden die Finger brechen zu lassen.

Leider ist in den ersten beiden Folgen, die bislang gelaufen sind, weder große äußere Spannung entstanden, obwohl Cozzos Freundin Debbie (Sinead Matthews, „Ideal“) Polizistin ist, noch haben die Jungs ob ihres zutiefst illegalen Treibens großartige innere Konflikte. Eher verlässt sich „Way To Go“ darauf, dass das Tabu selbst schon für Komik sorgt. Das tut es aber nicht, und auch wirklich komische Dialoge sind eher spärlich gesät. Zwar musste ich ungefähr alle zehn Minuten mal schmunzeln, wenn Cozzo und Joey ihr Business mit Ideen à la „buy four deaths, get a fifth one free“ oder einem „frequent dier programme“ ankurbeln wollen oder darauf setzen, dass sich ihr Service schon herumsprechen werde, wenn sie erst einmal erfolgreich sind („Wenn wir erfolgreich sind, sind unsere Kunden tot“, muss Scott seinen Freunden dann erklären).

Für eine gute Sitcom reicht das aber nicht hin. Obwohl selbstverständlich auch Selbstmord komisches Potential haben könnte. Das hat Hal Ashby ja nun schon 1971 mit „Harold And Maude“ bewiesen.