Der phänomenale Tony Ferrino

21. November 2012 6 Kommentare

Wie alt diese phänomenale One-Man-Show ist, bemerkt man sofort an der lausigen Bildqualität der DVD: ein schlechteres Bild habe ich lange nicht gesehen. Macht aber nichts, das passt irgendwie sogar ganz gut zu Steve Coogans One-Off-Show „The Tony Ferrino Phenomenon“ (BBC2, 1997, dieses Jahr erstmals auf DVD erschienen). Denn diese 60-Minuten-Show ist eine Parodie auf das Dinosaurierfernsehen der guten alten Zeit, als Leute wie Peter Alexander allein mit ihrer „Personality“ ganze Sendungen bestreiten durften. Hier ist es die (gemessen an Alan Partridge) kurzlebige Figur des portugiesischen Crooners Tony Ferrino, die Steve Coogan zum Leben erweckt; ein Entertainer der klassischen Schule — Andy Williams und Tom Jones lassen grüßen; von letzterem ist sogar ein Song im Repertoir Tony Ferrinos: „Help Yourself“. Doch den Rest der Show bestreitet Coogan mit exklusiven Songs bzw. Songparodien vor Livepublikum, und davon ist eine lustiger als die andere. Weil Coogan schon damals ein Star war in England, hat er auch bei dieser Produktion prominente Unterstützung: ein Duett mit Mick Hucknall und eines mit Kim Wilde sind mit dabei. Weil der Großteil ohnehin bei YouTube steht: bittesehr.

(Wer Björk lieber mag als Kim Wilde: es gibt auch eine Version mit ihr, für den Comic Relief 1997.)

Zwischen die Live-Songs erzählt uns die Show den Werdegang Tony Ferrinos: wie er als Sohn eines Geheimpolizisten in Portugal groß wurde und sein Vater oft kleine Geschenke von der Arbeit mit nach Hause brachte: Herrenarmbanduhren oder Herrenschuhe. Wie er mit seinen beiden Brüdern erste Songs fürs portugiesische Fernsehen einspielte. Seine zahlreichen Frauenabenteuer und vier Ehen. Und dann der große Durchbruch beim Eurovision Song Contest mit seiner Band Papa Bendi und ihrem Superhit „Papa Bendi“ — auch der natürlich bei YouTube:

leider offline

Von den vielen schmierlappigen Figuren, die Coogan im Laufe seiner Karriere gespielt hat, ist Tony Ferrino vielleicht die schmierlappigste: ohnehin nie um eine zotige Anspielung verlegen (natürlich gedeckt durch die südeuropäisch-machistische Natur Ferrinos), ist Ferrino hin und wieder auch absichtslos anstößig, weil des Englischen nicht ganz mächtig, oder einfach unbritisch angeberhaft, was ja immer lustig ist — etwa wenn er in einem Lied über sein Leben singt, mit welchen Prominenten er schon Skifahren war oder Sex hatte: „I can borrow Sting’s Tuscany farmhouse any time that I want.“

Eine halbe Stunde Interview-Porträt über Ferrino rundet die DVD schön ab; das ist nicht etwa Bonusmaterial, sondern Bestandteil des Werks, und dementsprechend nicht zugabenlustig, sondern genauso komisch wie die Show selbst. Hier wie bei den Songs, die allesamt ihre Form wahren, den Rahmen ernstnehmen und deswegen als Songs funktionieren (ganz ähnlich wie bei Peter Kays phantastischem „Britain’s Got The Pop Factor… and Possibly a New Celebrity Jesus Christ Soapstar Superstar Strictly on Ice“, Channel 4, 2008) merkt man, wie genau es Coogan mit Details nimmt, und wie wichtig es ist, solche Figuren und Rollen straight zu spielen und ohne jedes Augenzwinkern, das die Illusion bräche.

Obwohl die meisten Songs online sind (eine gütige BBC lässt offenbar nicht löschen; vielen Dank, BBC!), empfehle ich selbstverständlich die DVD zu kaufen (die mit £ 6.49 auch gewiss nicht zu teuer ist); ich selbst werde mir zu Weihnachten womöglich die CD des „loving latino“ zulegen, mal sehen. Apropos Weihnachten: auch ein Weihnachtssong ist in der Show. Hier ist er. Merry Christmas!

… leider ebenfalls nicht mehr online.

Jesus auf dem Fahrrad

18. November 2012 Keine Kommentare

Es ist wieder die Zeit kurz vor Advent, wenn all die neuen Comedy-DVDs erscheinen! Höchste Zeit also, dass ich hier einmal eine uralte Comedy-DVD bespreche: Richard Herrings „Christ on a Bike“ (2011).

Richard Herring geht also nun (also, äh, vor zwei Jahren, als das Programm herauskam) auch den Weg der religiösen Provokation und nimmt sich nach Adolf Hitler (in seinem Programm „Hitler Moustache“, 2010) nun Jesus Christus vor („Ich folge also gewissermaßen der Karriere von Papst Benedikt. Vielleicht geht ja das nächste Programm über Pädophilie“).

Das ist einerseits komisch, denn der Ansatz, naiv-kindliche Fragen zu stellen, funktioniert da ganz gut: Was zum Beispiel ist eigentlich aus dem Gold, dem Weihrauch und der Myrrhe geworden, die die heiligen drei Könige Jesus‘ Eltern mitgebracht hatten? Bei so vielen Reichtümern hätte Josef doch bestimmt eine ganze Weile nicht mehr arbeiten müssen. Wie oft muss man zur Kommunion gehen, bevor man einen ganzen Jesus gegessen hat? Wieso nimmt sich die Bibel so viel Zeit, die Genealogie über -zig Generationen hinweg vorstellig zu machen, die mit Joseph endet — wo doch Joseph gar nicht mit Jesus verwandt ist? Und wie lange war wohl Jesus‘ kleiner Christus — wenn Gott jedes Detail bedacht und alles selbst gemacht hat, muss er sich auch darüber Gedanken gemacht haben. Hat er ihm also ein paar Zentimeter extra geschenkt, oder hat er ihm lieber einen vollkommen glatten, geschlechtslosen Unterleib gegeben, wie ihn Plastikfiguren haben?

Eine ganze Weile ist das unterhaltsam. Dann aber schlich sich zumindest bei mir als nichtreligiösem Zuschauer, der selbst dem Atheismus ziemlich wurschtig gegenübersteht, eine gewisse Langeweile ein. Ganz schön totes Pferd, auf dem Herring da herumreitet, dachte ich — und habe bis jetzt nicht die zweite, die Bonus-DVD gesehen, die angeblich mindestens genauso gut ist wie der eigentliche Gig: da nämlich diskutiert Herring mit dem wütenden Mob vor dem Theater, der zwar die Show nicht gesehen hat, aber gerne über Blasphemie und Religionskritik reden möchte.

Nun mögen solche Diskussionen in England eventuell anders verlaufen als hierzulande, aber so viel anders dann auch nicht, als dass ich mir nicht ziemlich gut vorstellen könnte, wie das ausgeht: wie das Hornberger Schießen nämlich. Nicht nur kenne ich solche fruchtlosen Diskussionen aus dem Titanic-Zusammenhang, auch Herrings langjähriger Bühnenkollege Stewart Lee hat sich mit seiner „Jerry Springer-Oper“ (2005) schon ähnliche Schwierigkeiten eingehandelt. Dort war es allerdings tatsächlich prekär, denn da haben christliche Fundamentalisten es geschafft, die Tournee der Oper zu verhindern, was für Lee existenzbedrohliche finanzielle Schwierigkeiten bedeutete.

Hinzu kommt, dass Herring nicht annähernd so radikal und tatsächlich tabuverletzend ist wie Lee. Der geht in „90s Comedian“ (2005) viel weiter und steigert sich in eine Beschimpfungsphantasie hinein, in der er Jesus‘ Mund als Urinal benutzt. Das ist tatsächlich so über jede Grenze hinaus geschmacklos, dass selbst mir sich die Nackenhaare gesträubt haben, — und genau deshalb aus Comedy-Gesichtspunkten viel interessanter: Das ist nämlich tatsächlich komisch und gleichzeitig ungemütlich, selbst für Menschen, die keine religiösen Überzeugungen haben, aber zur Toleranz neigen. Was sowohl bei Lee wie auch bei Herring der größere Teil des Publikums sein dürfte. Herring fragt sogar zu Beginn seiner Show, wer im Publikum religiöser Christ sei, und das sind zwei oder drei. Was das Unternehmen, vor diesem Publikum die Figur Jesus Christus‘ mal so richtig auseinanderzunehmen, ein bisschen obsolet macht. Zumal er es dann ja gar nicht tut.

Nein, Herring erkundet in „Christ on a Bike“ keine unkartierten Gebiete in der Psyche seiner Zuschauer. In „Hitler Moustache“ war das immerhin an manchen Stellen noch so, weil er dort sein Publikum beschimpft und zumindest ansatzweise aus der Fassung bringt, nämlich mit der Argumentation, Rassisten seien weniger rassistisch als Liberale, weil es für Rassisten im Grunde genommen nur zwei Rassen gäbe (weiße und nichtweiße), für Liberale aber viel, viel mehr — und Rassisten so also an der Gleichheit aller Menschen wesentlich näher dran seien als Liberale. Genaugenommen nur einen Schritt entfernt davon.

Auch harmlose Albernheit hat natürlich ihre Berechtigung, und davon gibt es immer noch genügend, um „Christ on a Bike“ nicht zu einem Reinfall werden zu lassen. Herring ist sympathisch und klug genug, um den intellektuell etwas anspruchsvolleren Zuschauer durchgehend bei der Stange zu halten. Er ist aber kein comedian’s comedian wie Stewart Lee.

Bei der DVD sind (für Stand Up-DVDs nicht immer üblich) Untertitel dabei, die das Verständnis deutlich erleichtern.

Das gute Buch: Gunnar Homanns „Letzte Fragen der Menschheit“

13. November 2012 1 Kommentar

Es ist natürlich vollkommen richtig und ein Zeichen von Integrität, dass Titanic nicht die Werke der eigenen festen wie freien Autoren in der Humorkritik bespricht. Zu leicht geriete das Blatt dadurch in den Ruch, Kumpelwirtschaft zu betreiben. Aber es ist auch ein bisschen schade, denn dadurch entgehen manchen Titaniclesern womöglich Bücher von Titanic-Autoren, die sie durchaus interessieren würden.

Ein solches Buch ist Gunnar Homanns „Die letzten Fragen der Menschheit (mit allen Antworten)“ (carl’s books). Gunnar Homann, der auch schon als prima Romanautor viel zu wenig Beachtung gefunden hat, ist dem regelmäßigen Heftchenleser vorwiegend durch seine höchst komischen quasijournalistischen Texte bekannt, und genau solche, teils schon veröffentlichte, teils neue, sind hier versammelt: ein bunter Reigen aus Interviews, Bildreportagen, Multiple-Choice-Tests, Tagebuch und FAQs, die gelegentlich die Realität streifen, aber vorwiegend aus feinsten Sprachgirlanden gebastelt sind; viele Texte sind eher kurz als lang.

Manche Texte sind auch gar nicht so kurz — dass sie mir aber so vorkommen, liegt wohl daran, dass sie die berühmte „kleine Form“ eingewoben haben: die Kurz- und Kürzestkomik aus „Partner Titanic„, „Sondermann“,  „Kolibri“ und, noch früher, „Welt im Spiegel“, die oft der reine Quatsch ist (kein Wunder, dass Sonneborn und Schiffner ihr „Partner Titanic„-Buch einfach nur „Quatsch“ genannt haben). Umso bewundernswerter, dass bei Homann diese Kürzestform auch über etwas längere Strecken trägt — das kann nur daran liegen, dass Homann das journalistische Handwerkszeug so gut beherrscht, dass er damit auch äußersten Nonsens auf einer Distanz plausibel klingen lassen kann, wie das sonst vielleicht nur noch Thomas Gsella gelingt. Dessen vorletztes Buch deshalb womöglich nicht ganz zufällig im gleichen Verlag erschienen ist („Komische Deutsche“).

„Die letzten Fragen der Menschheit“ (was die im Titel versteckte Anspielung mit dem Buch zu tun hat, müssen Sie schon selbst rausfinden!) ist das ideale Buch für Menschen, die schon alles von Max Goldt haben und ihre Kompetenz in puncto zeitgenössischem, titanic-affinen Humor stärken möchten. Gewissermaßen DER Geheimtipp der Saison! Und natürlich auch als Weihnachtsgeschenk primstens geeignet.

The Exorcist (die Sitcom)

25. Oktober 2012 Keine Kommentare

Zur Beruhigung nach dem kleinen Rant von eben jetzt eine leichte Sitcom aus den Achtziger: „The Exorcist“. Danke, Leo Fischer!

KategorienAllgemein Tags:

Darüber lacht die „Süddeutsche“

25. Oktober 2012 14 Kommentare

Anlässlich der Verleihung des Comedypreises fragt heute die SZ in ihrem Panorama-Teil (leider — noch? — nicht online): „Welche Art von Spaß kommt eigentlich in anderen Ländern gut an?“ und führt Beispiele für Comedy aus Afghanistan, der Türkei, Südafrika und anderen Teilen der Welt an. Allerdings nicht ohne im Einleitungstext auch gleich als erstes die Frage zu stellen:

Ob es so etwas wie den deutschen Humor überhaupt gibt?

Das ist in diesem Fall keine rhetorische Frage; der Autor weiß es wirklich nicht. Und nach einer kurzen „Die einen sagen so, die anderen so“-Wendung („Manche finden die ‚Heute Show‘ witzig, andere flach. Manche lachen über das Titelbild der Titanic, andere beschweren sich“) folgt eine Aufzählung:

Es gibt den Georg-Schramm-, den Cindy-aus-Marzahn-, den Gerhard-Polt-, den Stuckrad-Barre- und den Kaya-Yanar-Humor. Und nichts ist unlustiger, als den jeweiligen, miteinander verfeindeten Lagern beim Theoretisieren zuzuhören.

Nun, klarerweise ist Humortheorie genauso wenig komisch wie Bergbautheorie. Das Schisma aber zwischen „den Lagern“ ist es, was beschworen werden soll, denn lt. SZ-Autor in etwa sind bei der Comedypreisverleihung alle doof und lachen noch über die dümmlichsten Scherze, während die Humorintellektuellen nicht mal wissen, wo beim Fernseher der „An“-Knopf ist. Das Ende der Ein- vor der Überleitung zum internationalen Humor:

Kommt der deutsche Humor denn niemals aus seiner Krise raus?

Nein, was die Süddeutsche angeht, die zumindest online lieber Komikprodukte aus dem Internet abstaubt, die nichts kosten und qua Weiterverbreitung schon eine Qualitätsprüfung hinter sich haben, wird die „Krise“ des deutschen Humors nie enden.

Allerdings ließe sich zu der Argumentation des Autors etwas sagen, der nämlich schon deswegen zu keinem Ergebnis kommt, weil er (wie die meisten, die den deutschen Humor diskutieren) seine Begriffe nicht definiert. Das Augenmerk sollte bei dieser Frage nämlich nicht auf „Humor“ liegen, sondern auf „deutsch“.

Was ist deutsch? Was heißt deutsch? Diese Frage ist weniger trivial, als man denken möchte. Vor allem, wenn man (meine Lieblingsdisziplin) mal ganz kurz den englischen Humor daneben hält: Was Großbritannien ist, ist ja nun ziemlich festgeschrieben — schon durch die natürlichen Grenzen der lustigen Insel. Die deutschen Grenzen allerdings verschieben sich alle paar Jahre, sogar ohne Krieg. Und einen deutschen Staat gibt es, historisch gesehen, erst seit sehr viel kürzerer Zeit als die meisten anderen europäischen Staaten.

So hätte dem SZ-Autor ja durchaus auffallen können, dass er da implizit einen bayerischen Humor (Polt) anspricht, Humor, der von unterschiedlichen sozialen Faktoren und solchen der Herkunft geprägt ist, und (mit Georg Schramm) auch einen, der insofern tatsächlich deutsch ist, als er staatstragend ist: der Humor des Kabaretts.

Dieser Humor beschäftigt sich mit dem Staat und mit den Deutschen, und auch wenn Schramm selbst eine Ausnahme im deutschen Kabarett ist, weil er nämlich im Gegensatz zu den meisten Kabarettisten polarisiert: der Humor des Kabaretts setzt, ganz wie der deutsche Staat („Einigkeit und… so weiter“) auf Einigkeit. Selten ist sich das Publikum einiger, als wenn ein Kabarettist „Angela Merkel“ sagt (früher: „Kohl“).

Genau das ist zentral: so wie die deutschen Länder irgendwann einmal begriffen haben, dass sie nur eine Chance haben in Europa, wenn sie sich zusammenschließen zu einem starken, großen Staat, der z.B. gegen durchreisende Schwedenhorden zusammenhält oder gegen französische Soldaten, so ist auch der ursprüngliche deutsche Stadtbürgerhumor (der in der frühen Neuzeit etwa in Nürnberg und den Schwänken Hans Sachs‘ durchaus ausgeprägt war) abgelöst worden durch einen Staatsbürgerhumor.

Der Staatsbürgerhumor nun ist aber einer, der, ich sagte es schon, auf Einigkeit setzt, auf Gemeinsamkeit, auf Gemütlichkeit. Es sollen im deutschen Humor möglichst keine Unterschiede diskutiert werden, jedenfalls keine individuellen, dann schon lieber solche zwischen Mann und Frau — universale Unterschiede. (Mann-Frau-Humor ist ja auch nach wie vor Hauptthema des erfolgreichsten deutschen Comedians.) Über sich selbst aber kann der Deutsche  nicht lachen. Schon weil er gar nicht weiß, wer er selbst ist.

Der Bayer (Polt) (und natürlich auch der Sachse, Hamburger, Ostfriese) kann das, der Migrationsdeutsche (Yanar) weiß auch sehr spezifisch, wer er ist (läuft allerdings Gefahr, dem Staatsdeutschen wiederum zum Gegenstand, zum Objekt zu werden), und Cindy aus Marzahn sagt schon in ihrem Namen, wer sie ist und woher sie kommt (auch wenn Cindy aus Marzahn mit der Frau, die die Cindy spielt, natürlich längst nicht mehr deckungsgleich ist). Das sind alles Ausschnitte aus dem deutschen Humor, aber nicht „der“ deutsche Humor.

Weil „der“ deutsche Humor nun aber ein Staatsbürgerhumor ist, funktioniert er von oben nach unten: eine starke Autorität bestimmt, wer „wir“ sind und was unsere Werte sind; das ist am stärksten immer noch und abermals im Kabarett zu spüren, das ja auch mit einer starken Autorität von der Bühne herab seine Werte verkündet und Urteile fällt, die bitteschön für alle zu gelten haben. Diese starke Autorität ist auch in anderen Momenten zu bemerken, etwa wenn sie festlegt, wann und wo Humor ausgeübt werden darf (Karneval, Köln). Und sie ist am stärksten da, wo sie bestimmen möchte, was komisch ist und was nicht.

Das ist womöglich das deutscheste am deutschen Humor: dass die, die sich für humorbegabt halten, am liebsten Vorschriften darüber erlassen würden, was komisch ist. Auch das natürlich eine Folge der ausgeprägten Hierarchien, die im starken deutschen Staat immer wichtig waren und sind. Man versuche einmal, gegenüber einem deutschen Polizisten, Richter, Oberst oder Arbeitsagenturmitarbeiter einen Witz zu machen. Oder gegenüber einem SZ-Redakteur.

Zum Glück aber irrlichtert diese ganze „deutscher Humor“-Debatte selbst ja nur noch durch Feuilletons, wo sich die Fürsprecher des Deutschtums Scheindebatten liefern, die keinen interessieren. Schon gar nicht Comedians. Mich interessieren sie ja selbst nur, weil ich irgendwann durch die Beschäftigung mit britischem bzw. englischem Humor drauf gekommen bin, dass man durchaus sagen kann, was deutscher Humor ist, und nicht immer so tun soll, als wäre das absolut unmöglich zu bestimmen. Es ist nur bestimmten Feuilletonisten unmöglich, und die projizieren das dann nach außen („Krise“).

Heute ist vom deutschen Humor allerdings wenig und immer weniger zu bemerken. Zu stark ist längst der angloamerikanische Einfluss, und Gott sei Dank dafür. Heute wird man allenfalls noch auf die letzten Zuckungen protodeutschen Humors aufmerksam, wenn samstagnachmittag irgendwelche schlimmen deutschen Komödien aus den Fünfzigern und frühen Sechzigern im Fernsehen laufen, die beworben werden mit den Worten „Es darf gelacht werden!“.

Ja, es gab mal Zeiten, da brauchten die Deutschen eine Erlaubnis, lachen zu dürfen. Damals wurde sie von Filmverleihen erteilt, heute versucht sich das SZ-Feuilleton daran. Aber we don’t need no education.

KategorienAllgemein Tags:

Ihre Bestellungen bitte

16. Oktober 2012 2 Kommentare

Die gute Nachricht: eine der besten Serien dieses Jahres, „Moone Boy“ (Sky 1) von und mit Chris O’Dowd („The IT Crowd“), gibt es jetzt auf DVD zu bestellen. Das sollte sich niemand entgehen lassen, der den irisch-britischen Humor von O’Dowd mag, den er mit Graham Linehan teilt — kein Zufall, dass „Moone Boy“ mehrfach auf die beste irisch-britische Sitcom aller Zeiten, „Father Ted“, anspielt, die ebenso von Linehan stammt wie „The IT Crowd“. (Von „Father Ted“ gibt es zu Weihnachten übrigens — schon wieder — ein neues Boxset, diesmal hoffentlich mit etwas intuitiver verständlichem Menü.) Beide Serien teilen sich darüberhinaus den gleichen Regisseur, nämlich Declan Lowney.

Die womöglich schlechte Nachricht: für gewöhnlich erscheinen die DVDs der ersten Staffel nicht schon direkt nach dem Ende der Erstausstrahlung, sondern dann, wenn die zweite Staffel anläuft — also in der Regel ein Jahr nach der ersten. Ich hoffe mal, dass diese schnelle Publikation in diesem Falle nicht bedeutet, dass es keine zweite Staffel geben wird, obwohl ich das nicht für ausgeschlossen halte. Denn die imaginären Freunde von Kindern, das zentrale Feature dieser Serie, überleben ja nur selten (und dann vermutlich eher in klinischen Fällen) die Pubertät, und Martin (David Rawle) steht direkt vor seiner. Das wäre durchaus schade. Aber vielleicht finden O’Dowd und sein Coautor Nick Vincent Murphy ja sogar einen Weg, auf die Figur des unsichtbaren Freundes zu verzichten, wer weiß.