„I’m stuck in some sort of celebrity limbo!“

31. Mai 2012 3 Kommentare

Endlich mal wieder eine lustige TV-Parodie-Show in England: „Very Important People“ (Channel 4). Es ist absolut sinnlos, auf die offizielle Channel 4-Seite zu verlinken, weil man die Trailer dort von Deutschland aus nicht ansehen kann; die wenigen YouTube-Clips hier einzubetten geht auch nicht. Da muss es eben bei der Empfehlung bleiben: „Very Important People“ ist fast so gut wie „Switch Reloaded“. Fantastisch insbesondere: Eine Late-Night-Show mit Barack Obama als Host („Friday Night Live From the White House“): „Can we expect you to watch again next friday? — Yes, we can!“ David Attenborough, der Franky Boyles und Russell Brands Leben für uns dokumentiert: „The revolution will have to wait for this extraordinary film.“ Und eine zunächst schwächelnde, dann aber starke Parodie auf Charlie Brooker und einen seiner Kollegen von „10 O’Clock Live“ — und die wenigstens kann man sich angucken. Bei YouTube.

Bafta 2012: Die Gewinner

29. Mai 2012 3 Kommentare

Am Sonntag wurden die Television Award Winners 2012 der British Academy of Film and Television Arts bekanntgegeben; und im Zusammenhang mit Comedy wurden ausgezeichnet:

  • Jennifer Saunders in der Sparte Female Performance in a Comedy Programme für ihren Auftritt in den neuen Specials des ewigen Superknallers „Absolutely Fabulous“ (BBC1): geht klar; aber auch gegen die Mitbewerberinnen Olivia Colman („Twenty Twelve“, BBC4) und Tamsin Greig („Friday Night Dinner“, Channel 4) hätte ich wenig einzuwenden gehabt. Einzig Ruth Jones, Mit-Erfinderin und Darstellerin von „Gavin & Stacey“ (BBC3, 2 und 1) scheint mir nach dem arg süßlichen „Stella“ (Sky1) ein wenig überschätzt zu sein.
  • Darren Boyd in der Sparte Male Performance in a Comedy Programme für seinen Auftritt in „Spy“ (Sky1) — habe ich leider noch immer nicht gesehen. Nach allem, was man so hört, war diese Auszeichnung für Boyd aber verdient, und ich gönne sie ihm jedenfalls mehr als ich sie Brendan O’Carroll für seine Mrs Brown in der Männer-in-Frauenklamotten-Burleske „Mrs Brown’s Boys“ (BBC1) gegönnt hätte.
  • Stewart Lee in der Sparte Comedy Programme für „Stewart Lee’s Comedy Vehicle“ (BBC2). Auch Charlie Brooker hätte ich den Bafta für „Charlie Brooker’s 2011 Wipe“ gegönnt, aber zum einen war das nur ein One-off, zum anderen ist dieses Blog ja irgendwie sowieso Stewart Lee und seinem Werk gewidmet, also geht auch das in Ordnung. Weiter abgeschlagen in meinem persönlichen Ranking: der Mitbewerber „Comic Strip: The Hunt for Tony Blair“ (Channel 4) mit Stephen Mangan. Das war denn doch einen Ticken zu krude und unlustig; das mag ja im Sinne der Original-„Comic Strip“-Serie sein, aber nicht in meinem.
  • „Mrs Brown’s Boys“ in der Kategorie Situation Comedy. Ja. Hm. Gut. Nicht ganz klar, warum so eine rückwärtsgewendete Klamotte gegen „Friday Night Dinner“ und „Fresh Meat“ gewonnen hat (gut, letzteres war vielleicht näher am ComedyDrama als an der Sitcom), und sogar das sehr stille „Rev.“ hätte ich den Mrs Brownschen Jungs vorgezogen. Meh.

Außerdem: der Special Award für Steven Moffat („Dr. Who“, „Sherlock“) geht in Ordnung (ich behalte jetzt mal diesen gönnerhaften Tonfall), und auch Andrew Scott als James Moriarty (Supporting Actor) fand ich erst gestern wieder sehr gut in der ARD-Ausstrahlung von „The Reichenbach Falls“ (auch wenn ich dann am Schluss doch wieder den Faden verloren habe. Was soll’s, tolle Bilder immerhin).

Dass „Holy Flying Circus“ (BBC4) nicht in der Kategorie Single Drama gewonnen hat, ist absolut verständlich, und dass „Shameless“ (Channel 4) jetzt in einer Liga mit „Holby City“, „EastEnders“ und „Coronation Street“ spielt (gegen die es in der Kategorie Soap & Continuing Drama“ verloren hat, leuchtet mir auch ein. Schade um ein ehemals schönes ComedyDrama. Guckt eigentlich noch jemand die US-Version davon?

Ebenso nicht gewonnen hat Gervais’/Merchants/Pilkingtons „An Idiot Abroad“ (Sky1, nominiert in der Sparte Reality & Constructed Factual, was ich einen sehr guten Begriff finde, Constructed Factual).

Mal was anderes: die aktuelle Buchkritik auf britcoms.de

23. Mai 2012 1 Kommentar

Der Titanic-, Fernseh- und Buchautor Thomas Fuchs hat eine Mark Twain-Biographie geschrieben: „Ein Mann von Welt“, erschienen bei Zweitausendeins, und dort im Unterverlag von Gerd Haffmans. Ich habe meinen Urlaub genutzt, um nicht nur Fuchs‘ Buch zu lesen, sondern auch ein bisschen in Twains Schriften zu schmökern. Letztere sind, durch die Lupe des Humor-Historikers gesehen, zum Teil noch erstaunlich stilprägend; ich meine, das Twainsche Augenzwinkern hin und wieder noch zum Beispiel in den „Zippert zappt“-Texten von Hans Zippert zu entdecken. Der, so glaube ich mich zu erinnern, tatsächlich Twain-Fan ist oder zumindest war.

Das erste, was dem Leser auffällt, wenn er Thomas Fuchs‘ Buch in die Hand nimmt, ist: mit wieviel Liebe zum Buch da schon der Verlag in Vorleistung gegangen ist. So handlich das Format, so fest der Einband und gediegen das Papier – ein Buch, das schon haptisch seine Begeisterung für’s Gedruckte mitteilt (wie viele Bücher von Zweitausendeins, und noch mehr die früher im damals noch eigenständigen Haffmans-Verlag erschienenen). Solche Bücher brauchen kein Kindle zu scheuen, solche Bücher sagen: Ich bin noch da, wenn die letzten Pixel längst im digitalen Nirvana verglüht sind.

So ein Buch-Buch verrät natürlich auch gleich: Ich bin von einem Autor-Autor. Thomas Fuchs ist auf den Spuren seines Lieblingsschriftstellers gereist und hat sich dort umgesehen, wo Twain gelebt und gewirkt hat. Wie auch sonst sollte man sich einem Autor nähern, der vor allem Reiseschriftsteller war, wenn nicht geographisch? Dass er, Fuchs, bei dieser Reise aber meistens dezent im Hinergrund bleibt, auch wenn er zu verstehen gibt, dass alles Berichtete durch seinen persönlichen Filter gegangen ist: das macht diese Biographie höchst vergnüglich.

Und stellenweise beinah zu einem Abenteuerroman. Auch das ist selbstverständlich im Sinne des Poträtierten: Denn Mark Twain war ja nicht nur Abenteuerromanautor (die Tom Sawyer-Bücher hat er nicht für Kinder geschrieben), sondern geradezu selbst ein Abenteurer, der sich für allerlei Leichtsinn und überstürzt eingegangene Geschäfte nicht zu schade war. Ein Filou, der auf schnellen Reichtum aus war und hin und wieder Städte verlassen musste, um aufgebrachten Geneppten aus dem Weg zu gehen, die ihm ans Leben wollten.

Wer also einen leichten Zugang zu Twain finden möchte, dabei etwas über die Zeitgeschichte des amerikanischen Bürgerkriegs erfahren, über das Leben als Mississippi-Dampfschiff-na ja-Kapitäns und die Sicht der Amerikaner auf Europa und Deutschland, bevor zwei Weltkriege die Beziehungen der Kontinente prägten: Der möge zu Thomas Fuchs „Ein Mann von Welt“ greifen! Es wird sein Schaden nicht sein.

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Talking TV

21. Mai 2012 1 Kommentar

Ich bin kein großer Fan von Podcasts, aber im Urlaub hab ich viele von denen gehört, die James Cary in seinem Blog empfohlen hatte — und das war sehr praktisch zum In-der-Sonne-liegen. Und ganz besonders dieses hier von Nerdist hat es mir angetan: oft ca 90minütige Talk-Runden zum Thema Schreiben für’s Fernsehen — speziell für US-amerikanische Serien, es geht also oft um Writer’s Rooms und darum, wie Serien in Coproduktion geschrieben werden. Mit dabei recht oft der eben von NBC geschasste Dan Harmon, der also in der nächste, vekürzten vierten Staffel von „Community“ nicht dabei sein wird, aber auch ein interessantes, langes Interview mit Vince Gilligan über „Breaking Bad“. Kann ich uneingeschränkt empfehlen!

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Mehr „Episodes“

25. April 2012 9 Kommentare

Ab Juli wird die zweite Staffel von „Episodes“ (Showtime/BBC2, seit 2011) ausgestrahlt, der erfolgreichen Sitcom rund um zwei britische Drehbuchautoren (Tamsin Greig und Stephen Mangan), die in Hollywood auf ihre Nemesis treffen (Matt LeBlanc als er selbst). Hier ist das jüngst veröffentlichte Poster dazu:

Die gute Nachricht: Hat Trick, die britische Produktionsfirma der Show, hat die zweite Staffel in 150 Länder weltweit verkauft, darunter Frankreich, Spanien, Japan, Griechenland, Israel, Russland, die Türkei, Neuseeland, Norwegen, Portugal und Schweden. Auch von Lateinamerika ist die Rede, von Afrika, den Benelux-Ländern, Mittel- und Osteuropa.

Die schlechte Nachricht: Welches Land fehlt in der Liste? — ‚türlich!

Der Kilometa-Humor von „Community“

23. April 2012 9 Kommentare

„Community“ (NBC, seit 2009) ist eine der besten Sitcoms, die derzeit laufen.

Dieser Meinung bin ich noch nicht lange, gebe ich zu: Nachdem ich damals den Piloten gesehen hatte, habe ich erst einmal auf weitere Folgen verzichtet. Erst seit ein paar Wochen gehöre ich zu der kleinen, aber enthusiastischen Fangruppe, die diese Show trotz nicht gerade überwältigender Einschaltquoten am Leben erhält. Warum hat das so lange gedauert?

Weil ich kein Freund von Meta-Humor bin. Nicht mehr jedenfalls. Ich war es mal, damals, als Redakteur einer großen deutschen Satirezeitschrift, und musste irgendwann feststellen, was für ein einsames Geschäft das ist: Witze, die (vorderhand) nicht witzig sind, werden eben von den meisten Menschen tatsächlich auch nicht als witzig empfunden. Sie fühlen sich ausgeschlossen und wenden sich ab („Nicht witzig!“, „…kündige ich mein Abo“ usw.).

Was aber ist Meta-Humor? Ein klassischer Witz unterläuft eine Erwartung; er enttäuscht den einen Sinnzusammenhang und stellt einen neuen her. Meta-Humor ist, wenn wiederum genau diese Erwartung unterlaufen wird: Dass ein neuer Sinnzusammenhang hergestellt wird. Meta-Humor ist also vor allem für Menschen lustig, die das klassische Witz-Schema in- und auswendig kennen. Der prototypische Meta-Witz („Sitzen zwei Atomkraftwerke im Baum und stricken“) erhält nur noch die Form des klassischen Witzes, in diesem Fall das Set-Up, verzichtet aber nicht nur auf die Pointe, sondern auch auf jeden Sinn. Das finden dann tatsächlich nur noch Leute komisch, die sich schon sehr viele Witze erzählt haben. Und auch die nur eine Weile.

Als Satirezeitschriftenredakteur kennt man den Aufbau und die Funktionsweise von Witzen im Schlaf. Schon deshalb beginnt man irgendwann, sich nach Alternativen zu den klassischen Gags zu sehnen, und möchte zu Witze-Ufern aufbrechen, die noch nie zuvor ein Mensch betreten hat. Stefan Gärtner und ich hatten jedenfalls immer das Gefühl, dass wir die lustigsten Typen der Welt sind, weil wir gut darin waren, gegenseitig unsere Sätze zu vollenden. Beim gemeinsamen Schreiben kamen auf diese Weise tatsächlich oft komische Wendungen heraus: Einer begann einen Satz, der andere merkte intuitiv, wo dieser Satz hinwollte, auf welchen Witz er hinauslaufen sollte — und setzte dann eben genau eine Wendung hinter den ersten Halbsatz, mit der nicht zu rechnen gewesen war. Das war gut, solange dann trotzdem eine Pointe kam. Wenn nur die Erwartung einer Pointe gebrochen wurde, war das zeitweise auch komisch — aber eben meta.

Hier genau liegt eine der großen Gefahren des Meta-Humors: er wird irgendwann beliebig, wenn die Voraussetzungen zu hoch und die Belohnungen zu klein werden, die als Scherz aus den vielen Voraussetzungen entspringen. Noch ein Beispiel: Gärtner und ich haben als Running Gag in unseren Texten oft den Namen meines vormaligen WG-Mitbewohners Dirk Schulz eingebaut, wann immer wir einen „Experten“ oder so brauchten. Für aufmerksame Beobachter war das (glaubten wir zumindest) lustig, wenn er erkannte, wie viele Auftritte dieser Dirk Schulz hatte. Dann begannen wir, Dirk Schulz zu variieren („Schilz Durk“), und irgendwann waren diese Variationen überhaupt nicht mehr lustig, sondern allenfalls albern, dann rätselhaft und zum Schluss wurscht. Meta. Gärtner und ich mussten aufhören, junge Kollegen entwandten unseren zitternden Händen Bleistift und Kugelschreiber, wir wurden entlassen und an einer Autobahnraststätte ausgesetzt.

Seitdem habe ich Meta-Humor als Humor für faule Autoren betrachtet, die sich den Aufwand ersparen wollen, richtige Witze zu machen.

Aber das ist natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Denn Meta-Humor kann sehr komisch sein, wenn man sich auf dem Feld, das mit Meta-Humor beackert wird, gut auskennt. „Geht ein Journalist an einer Kneipe vorbei“: das ist (bzw. war vor hundert Jahren mal) lustig, wenn man wusste, wie viel Journalisten so trinken. Und sie trinken sehr, sehr viel; jedenfalls die vom alten Schlag.

Und jetzt komme ich endlich zu „Community“: Das ist ebenfalls sehr, sehr komisch — wenn man sich in der Popkultur auskennt, und speziell mit Sitcoms.

Denn natürlich sind die Figuren, die sich da einmal die Woche an einer Art Volkshochschule zum gemeinsamen Studieren treffen, alle wahnsinnig konstruiert. Es ist ein Comedy-Ensemble, das mit maschinengewehrartiger Feuerkraft Witze aufsagt, also das Gegenteil britischer Sitcom-Figuren, die vom Charakter leben und weniger von Gags. Mit den „Community“-Figuren wird man lange nicht warm, weil man nicht an sie als Menschen anschließen kann. Sie sind keine. Sie sind Sitcom-Klischees.

Umso besser aber können diese Figuren in andere Rollen schlüpfen, in denen der „Community“-Macher Dan Harmon sie dann pro Folge durch einen Parcours der Popkultur jagt: durch eine Mafia-Film-Folge, durch eine Science-Fiction-Parodie, durch „Breakfast Club“, „Batman“, Anwaltsfilme, „Glee“-Parodien, durch Quentin Tarantinos Universum. Sie erfüllen ihr prototypisches Rollenbild so gut, dass sie die Mechanik hinter Sitcoms und Filmen bloßlegen können, dass sie die Fäden sichtbar machen können, an denen sie tanzen.

Wer die Voraussetzungen mitbringt, die „Community“ erfordert, der wird reich belohnt. Überreich, denn ich fürchte, mir bleibt die Hälfte aller Anspielungen, aller Zitate, aller kleinen Sight Gags im Hintergrund verborgen (hat hier jemand schon mal was von „My Dinner with Andre“ von Louis Malle gehört? Ich auch nicht). Aber auch so kommen noch derart viele Späße, die sich diese Show erlaubt, bei mir an, dass ich längst süchtig geworden bin.

„Community“ ist eine Show von Nerds und Geeks für Nerds und Geeks, sie ist exklusiv, weil sie viele Menschen ausschließt, die nicht ihr ganzes Leben vor dem Fernseher und im Kino verbracht haben. Sie lebt von Meta-Humor. Wer „Spaced“ mochte, wer Simon Peggs und Edgar Wrights Humor mag (was die Verweise auf Popkultur betrifft, weniger was die warmherzige Figurenzeichnung angeht), der wird „Community“ lieben. Wer „Parks & Recreation“, das zusammen mit „Community“ auf NBC läuft, für seine Humor-Farbe mag, der wird „Community“ lieben. Wer „Glee“ hasst, der könnte „Community“ lieben.

„Community“ hat mich mit dem Meta-Humor versöhnt. Nicht so sehr, dass ich mir jetzt Wes-Anderson-Filme freiwillig ansehen würde, aber doch versöhnt.

„Community“ läuft ab nächstem Samstag nachmittag um 13.30 Uhr (!) auf ProSieben.