Det fiel ma uff: Was ich zur Urheberrechtsdebatte zu sagen habe
Lange habe ich gezögert, mich von der grassierenden Stellungnahme-Epidemie anstecken zu lassen, die offenbar gerade viele Menschen zwingt, sich zur Debatte um Urheberrecht, Handelsblatt, Piratenpartei, „Gratiskultur“ und verlorenen Köpfen zu äußern. Das Gezeter und die Propaganda beider Seiten, das „Contentmafia“-Geschrei von der Piraten-Seite genauso wie der vermeintliche Untergang der Zivilisation, den die Verwertungsindustrie geradezu herbeibetet, weil sie ihre Felle davonschwimmen sieht, gehen mir gleichermaßen auf den Zeiger.
Ich lese die ganze Auseinandersetzung um den Handelsblatt-Schmarrn zwar, bevorzugt die Texte, die Stefan Niggemeier in seinem Blog zusammengetragen hat und all das, worauf diese Texte wiederum verweisen. Aber ich bin es absolut müde, mich in diese Diskussion so zu vertiefen, wie ich müsste, um qualifiziert etwas dazu sagen zu können. Wer das erwartet, kann an dieser Stelle aufhören zu lesen.
Nach Lektüre des Textes von Johnny Haeusler auf Spreeblick aber bin ich zum Schluss gekommen: Am meisten geht es mir auf den Zeiger, dass ich mittlerweile zum Juristen, Wirtschaftsexperten und womöglich Philosophen werden muss, um weiter das machen zu können, was ich schon seit -zig Jahren mache. Und was ich für so legitim halte, dass ich darüber genauso wenig reden möchte wie darüber, dass ich als Radfahrer nicht nachts an einer leeren Kreuzung vor einer roten Ampel stehen bleibe.
Heißt: Aus meiner Lebensrealität, aus dem Alltag eines sowohl kreativ schaffenden Menschen, der gerne für seine Arbeit bezahlt werden möchte, als auch aus meinem Alltag als Konsument (was nicht voneinander zu trennen ist), hat sich ein Umgang mit Medieninhalten ergeben, der mit den Buchstaben des Gesetzes hin und wieder genau so in Konflikt gerät wie ich als Fahrradfahrer mit der StVO kollidiere.
Genau aus dieser völlig subjektiven, privaten Perspektive, die auch den Kern dieses Blog betrifft, möchte ich jetzt ein paar Worte sagen.
1. Ja, vieles von dem, was ich hier auf Britcoms.de bespreche, kommt aus dunklen Quellen. Zunächst. Allerdings: die 2,40 Meter auf 2,10 Meter DVDs, die hinter meinem Fernseher stehen, hätte mir die Kulturindustrie gewiss nicht verkaufen können, hätte ich den Krempel nicht vorher irgendwo angesehen. Das ist der Gegenwert eines neuen Mittelklassewagens, den ich da in Raten an die Kreativen und die Firmen überwiesen habe, die von den Kreativen leben. Minimum. Da ist noch gar nicht inbegriffen, was ich für Kino, Musik, Internet, (deutsches) Fernsehen und Bücher ausgebe. Ich bin es absolut leid, mich dafür rechtfertigen zu müssen, dass ich amerikanische und britische Fernsehinhalte sofort sehen will und nicht erst, wenn ZDF.neo sie schlecht synchronisiert zu nachtschlafender Stunde versendet.
Wie es mein Rechtsempfinden treffen würde, sollte ich je abgemahnt werden für etwas, das ich nicht nur längst via DVD bezahlt habe, sondern womöglich qua Empfehlung hier im Blog auch noch zu verkaufen geholfen habe, wage ich nicht vorauszusehen.
2. Ich schreibe selbst fürs Fernsehen und für Print (ein Buch, an dem ich mitgeschrieben habe, ist in Vorbereitung), meine Frau ist (vorwiegend Print-) Journalistin und Vorstandsmitglied bei den Freischreibern. Aus unserer täglichen Erfahrung kann ich sagen: Das Problem der Urheber ist nicht der Piraten-Punk, der sich Texte umsonst aus dem Internet zieht. Das Problem sind Verwerter, die für Texte nichts mehr bezahlen möchten.
Das Problem sind Knebelverträge, mit denen sämtliche Weiterverwertung einmal geschriebener Texte an Verlage abgetreten werden sollen. Sei es Weiterverwertung im Internet, in Tageszeitungen, die mit den Zeitungen verschwistert sind, wo der Text zuerst erschienen ist, sei es sogar in Büchern oder in Online-Archiven, die zwar von Nutzern bezahlt werden müssen, die etwas suchen wollen, aber von diesem Geld nichts an die Autoren weitergeben, die all die schönen archivierten Texte geschrieben haben. Das ist die Kostenlos-Kultur, die tatsächlich zu geißeln wäre.
Als Fernsehautor wiederum leuchtet es mir absolut kein bisschen ein, warum etwa „Tatort“-Autoren überhaupt einen offenen Brief zum Thema bösböse Gratiskultur schreiben sollten. Werden Fernsehautoren für ihre Bücher nicht schon bei Abnahme bzw. Ausstrahlung bezahlt? Ich jedenfalls schon. Mit ist es persönlich eher schnurz, ob sich jemand das runterlädt, was ich geschrieben habe — mein Geld habe ich dann schon bekommen. Und zwar nachdem ich einen Total-Buyout-Vertrag unterschrieben habe, der mir sämtliche Verwertungsrechte abgenommen hat.
Ich mache Privatkopien, seit ich denken kann. Ich habe beim letzten Umzug selbst aufgenommene VHS-Kassetten weggeworfen, die drei große blaue Müllsäcke vollgemacht haben, ich habe exzessiv Mixtapes aufgenommen und mir schon mit zehn Jahren Audiokassetten mit Popmusik illegal aus dem Radio runtergeladen (Bayern 3).
Ich sehe, dass Menschen in meiner Umgebung den Glauben an den Rechtsstaat (wo nicht die Zivilisation) verlieren, weil sie sich einmal dusseligerweise eine CD mit 100 Stücken deutscher Unterhaltungsmusik aus dem Netz gezogen haben (um sie im Büro als Hintergrundbeschallung statt Radio abzuspielen) und nun Monat für Monat von immer neuen Verbrecher-Kanzleien Abmahnungen über je 400.- Euro erhalten. Kein Ende abzusehen.
Und ich sehe freie Autoren, die trotz größtem Arbeitseifer kaum noch Honorare erhalten, von denen sie leben können, weil Verlage mittlerweile ihre Qualitätszeitungen von Rentnern und Freiwilligen kostenlos vollschreiben lassen („Leserreporter“). Das sind, ich wiederhole mich, die Verlage, die fremder Leute Texte ungefragt an Dritte verscherbeln. Und anschließend über die Kostenloskultur heulen.
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In der ursprünglichen Version dieses Textes war noch ein Absatz darüber, dass ich in meiner Arbeit als Autor versucht hätte, den Stil und die Witze der von mir bewunderten (Titanic-)Autoren zu kopieren. Diesen Absatz habe ich wieder entfernt, weil er mir zu missverständlich erschien. Aber tatsächlich gehört dieses Thema entscheidend zu meiner Perspektive auf den Themenkomplex Urheberrecht/Kopieren: dass jeder Künstler, jeder Kreative zunächst das imitiert, mithin kopiert, was er gerne liest/sieht/hört. So fängt jeder einzelne Kreative an: dass er so sein möchte wie seine Helden.
Und natürlich gehört auch die Frage dazu, ob nicht auch Parodien wie „Switch Reloaded“ im Grunde von der Arbeit anderer Autoren leben, die die parodierten Figuren und Geschichten ja schließlich erfunden haben. Es baut halt alles aufeinander auf, alles Neue lebt vom und durch das Alte. That’s Dialektik. Vielleicht sollte ich dem mal einen eigenen Blogeintrag widmen.
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